Das Grün der Städte und der Dörfer

In mir gärt es. Es ist nicht undelikat, weil es auch meinen Beruf tangiert. Aber mei. Auch nach 60 Kilometer Treten ist die Wut noch da.

Nehmen wir zum Beispiel Frau D. und ihren Biobauerhof. Frau D. ist eine Vorreiterin und schafft die Spargeläcker, den Hopfen, das Gemüse und die Kinder zum Wochenmarkt dazu. Der Hof ist ein Schmuckstück. Frau D. ist unpolitisch, geht in die Kirche, und hat jeden Abend Schmerzen in den Beinen von der Plackerei. Einmal alle zwei Jahre kann sie in Urlaub fahren, nach Rom, zum Papst. Ich kenne wenige Menschen, die so zufrieden, fröhlich und charmant wie Frau D. sind. Und wenn einmal die Rechnung aufgemacht wird, wo dieses Land wieder so schön und reizend wurde, dann wird Frau D. auf der Habenseite stehen. Aber keiner sagt deshalb danke, und wenn sie arbeitsunfähig werden sollte - man darf gar nicht daran denken.







Natürlich ist immer ein Risiko dabei. Einem Flughafenchef kann ein Flugzeug auf den Kopf fallen oder ein Bürgerentscheid, ein Maler kann eine Schaffenskrise bekommen, Banken wollen ausgebrannte Mitarbeiter entsorgen, und ich lebe allein von dem, was in meinem Kopf ist. Schlagerl kann ich mir keines leisten. Und deshalb neigen viele dazu, auch wenn sie gut sind und es auch mal schleifen lassen könnten, selbst wenn Sicherheiten da sind und es schon nicht so schlimm kommen wird, ein wenig vorzubeugen und das Schicksal nicht zu versuchen. Auch in einem reichen Land, man muss etwas tun. Da müsste man sich sonst Sünden fürchten, sagt man in Bayern.







Man darf sich nicht versündigen, nicht an der Natur und nicht an dem, was man hat. Ich kenne hier keinen, der sich als "links, ökologisch, gerechtigkeitsverliebt" bezeichnen würde, selbst wenn hier viele Leute richtig ackern und kämpfen: Gegen Startbahnen und Gentechnik, für Hecken und alte Obstsorten. Keiner von denen hat direkten Zugang zu den Schalthebeln der Medien, keiner kann einfach mal bei der FAZ schreiben, was wichtig wäre. Keiner läuft schlampig rum, alle achten darauf, dass ihr Lebensbereich in Ordnung ist. Das ist keine traditionelle Linke, sie fanden sich halt durch die Entwicklung der Welt an einem Punkt, an dem sie aktiv werden mussten. Sie sitzen in ihren Weilern und Höfen und führen einen langen, harten und schweren Kampf gegen Systeme, die sie, wenn sie könnten, längst ausgelöscht hätten. Meine Familie hat das Land schon lang verlassen, seit Jahrhunderten sind wir Stoderer, wie man hier sagt: Die und ich, wir denken komplett anders, in vielen Belangen. Aber ich habe eine stille Hochachtung vor ihnen.







Ein jeder eben an seinen Platz: Nur wenn die Reichen wissen, dass dieses Land nicht von nichts kommt, wird das bestehen. Man kann das fördern, indem man die Mittelleute umgeht und ein Gefühl für die Welt hat, in der man lebt. Das muss man den Unsrigen einschärfen. Ein Bäcker ist ein Bäcker und keine Backfabrik. Das ist zwar noch nicht links und nicht gerechtigkeitsverliebt, aber immerhin. Dafür arbeite ich ganz schön viel, dafür schreibe ich listig und packe sie so, wie sie gepackt werden wollen. Kein Verdienst, kein Dank nötig, ich mache das gerne., und es ist ja auch ein schöner Beruf. ich weiss, wie privilegiert ich bin, aber um das weiterhin zu bleiben, ackere ich auch heftig, selbst wenn es immer so leicht aussieht. Ich bin keiner von denen, die sich sagen: Boah, geschrieben, jetzt erst mal die Glotze an und Kommentare dann irgendwann, aber nur, wenn sie mir gefallen. Klar könnte ich es mir leichter machen, Netzschwafel geht auch immer irgendwie, da schaut man ein wenig rum und schmiert was hin und es klingt nicht ganz so verstaubt. Netzdreck von Leistungsschutzrecht bis Twitter, das kann man laufend machen, da ist immer was los, Tiefgang einer Pfütze nach dem Regen, aber Internetaktivistin klingt doch geil. Auch wenn es ein Begriff wie Hängemattenturner oder Sofahochleister ist. Internetaktivismus ist nämlich gar nichts. Man muss sich nur mal die Leute anschauen, die das möglichst laut betreibt: Würde man von von den exwerbewollenden Sixtus, Häusler, Lobo oder Niggemeier eine Gurke kaufen?







Ach so, jemanden vergessen: Die Julia Seeliger. Besagte Frau pflaumte letzthin allgemein bei der FAZ in ihrem Blog - "links, ökologisch, gerechtigkeitsverliebt" - gegen Leute, die Bilder von Essen ins Netz stellen. Das sie fies gegenüber Menschen, die kein Geld hätten, magersüchtig wären, oder in Syrien lebten. Da fällt einem gleich die alte Vettel ein, die sagte, iss auf und denk an die armen Neg Mohr POC in Afrika, die hungern. Linksgrünes Spiessertum in Selbstverliebtgerechtigkeit, und das kommt also dabei raus, wenn solche Chancen offen stehen. Kein Wort über Monsanto, keine Frage der Mobilität und ihre Erneuerung, so viele Fragen und Probleme - aber dann, bittschön, keine Essensbilder im Netz, Hanf aber ja schon, das nimmt man gerne, im digitalen Salon, wo man, im System angekommen, die Füsse unter dem Tisch ausstrecken und mal eben kurze, schlecht bebilderte Textanbsonderungen verkauft. Ja, das ist schon ein schönes Leben, so links, ökologisch und gerechtigkeitsverliebt als Sponti in der Hauptstadt. Etwas passt nicht? Schreibt man halt "Ist aber Quatsch" dazu. Dagegen ist das Oberland, das Donautal mit seinen Bauern ein Hort des grünen Kommunismus, bis zu den in die Kirche getragenen Blumengestecken. Schön, dass man sich in Berlin in solche Niederungen der Probleme nicht hinab begeben muss. Statt dessen ein wenig Aufregung über die Piraten oder Urheberrecht oder Gauck oder die Zeit anpflaumen. Was für ein Leben, so links, so ökologisch, so revolutionär, so karrierefreundlich und arbeitsunintensiv. Deutsche Politikaktivisten, im System angekommen. Kein Wunder, dass es Frau Merkel immer noch so gut geht.







Und dann:

"Idee: betrinken, dabei neuen Beruf aussuchen (für Gras ist kein Geld da)."

Klar, aber Bilder vom Essen zeigen, das ist böse.

Wenn ein Blog wenig erbaulich ist, ist das die eine Sache. Aber so sehen sie dann aus, die linken Vordenker, wenn man das Blabla wegstreicht. Da muss sich keiner wundern, warum Frau D. und Konsorten zwar grün sind, aber trotzdem die Schwarzen wählen: Weil die lieber intern auf Leutre Druck machen, die empfindlich dafür sind, weil sie noch den Ruf des "Ordentlichen" verlieren können, statt sich von Leuten vertreten lassen, die, siehe oben. Das mag vielleicht in Berlin eine Option sein, so kann man dort sagen, dass man "auf der richtigen Seite steht", aber wenn ich lese, dass es ein Elend ist, wenn kein Geld für ein Kabel zur Glotze da ist: Mei. Für Twitter reicht es noch, und dafür, diese Ereignisse in der Welt der Linken, Ökologischen und Gerechtigkeitsverliebten den Followern zu unterbreiten. Schön breit in der Öffentlichkeit des Netzes. Da wird dann schon wieder jemand kommen, der das lässig findet, Buch, taz, Talkshow, was weiss ich, da droben ist am Ende Platz für alle Selbstdarsteller: Aber hier unten hat man nichts dafür übrig, so vorgeführt zu werden.







Es hat lange gedauert, wir haben so lang dafür gekämpft, dieses Land aus dem Griff der CSU zu lösen. Manchmal hatte man den Eindruck, es wäre alles vergebens: Beim FMR2, zum Beispiel, beim Rhein-Main-Donaukanal, wo wir buchstäblich vor den Baggerschaufeln die neolithischen Siedlungen rausgekratzt haben, bei all den alten Häusern, in Wackersdorf, bei all den sinnlosen Infrastrukturmassnahmen, beim Mittleren Ring, den AKWs und beim Ausbau und der Zerstörung der Donau. Niemand war links, ökologisch, gerechtigkeitsverliebt, aber nach all den Jahren kann ich am Ende hier oben stehen und sagen: Es ist schön hier, und es wird besser, Hecke für Hecke, Obstbaum für Obstbaum. Aber wir machen das nicht, damit die da oben mit ihrer Art eine Basis für ihr miserabliges Verhalten haben. Macht gern weiter Eure Hanfparade und flennt rum, wenn das Gras zu teuer ist. Aber wir hier unten, die wir nicht in einem linken Mainstream gelebt haben, und uns jeden Millimeter, jede Stimme, jedes Vorhaben erkämpfen mussten, von den Kerndlfressern zum Bewusstsein, wie wichtig das ist, wir warten hier nicht auf Euch und Eure zugenebelten Hirne und Blogs.

Mittwoch, 20. Juni 2012, 01:38, von donalphons | |comment

 
Lieber Don,
versteh wirklich nicht, wie Sie sich über so eine Lappalie so aufregen können.
Am Ende hat jeder und jede das Recht, sein Universum so zurechtzuschneidern, dass er (oder sie) selber immer im Recht ist.
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Als Kind muss man manche Gemeinheit ertragen, viele Jahre später begreift man, dass sich die anderen Kinder halt auch irgendwie behaupten mussten.

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Und auch sonst: Nie gab es so viel leistungswahnsinnige Selbstanpreisung und so viel Pfusch auf einmal wie heute.
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Die Blogseite de FAZ ist dafür ein zwar schönes, aber längst nicht das schlimmste Beispiel.

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d'accord mit hm, ausnahmsweise. Hatte besagten blog, rein zufällig, sogar gelesen und nach ca. 10 Sekunden wieder vergessen.

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Erkenntnisbefähigung ist halt nur maximal 10% , eher 5% der Menschen gegeben. Sie ist auch das Element, das eine Gesellschaft zur Hochkultur macht. Die dann degeneriert aus genetischen Gründen, weil die Intelligenzler in den Geburtenstreik treten. Die Resultate sieht man zugegebenerweise in Berlin, Frau W.- bezeichnenderweise aus der migrantischen Intelligenzia stammend- hat da viel verhüllt, was jetzt unangenehm sichtbar wird.
Das sitzt man aber als Individuum gut aus am Tegernsee oder zumindest meines Erachtens in Immobilien im Osten.

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Slavoj Zizek sagt es noch viel krasser: "99 Prozent [1] der Mitmenschen sind langweilige Idioten."
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Andere beschweren sich über diesen "denunziatorischen ARtikel". Also mir ist Zizek durch ihn erst richtig sympathisch geworden.
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http://www.freitag.de/autoren/the-guardian/der-borat-der-philosophie
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[1] Occupy Gesprächspartner

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Die Entwicklung unserer Technik geht im gleichen Tempo einher mit der Zersetzung von Anstand, Höflichkeit, Rücksicht und so vielen Tugenden, die vor einem Jahrhundert noch Inbegriff eines edlen Menschen waren.
Ein Mann, dem man damals solche Eigenschaften nachsagte, war auf dem "Heiratsmarkt" ganz oben.
Heutzutage würde ein Mann mit den gleichen Eigenschaften verjagt wie ein stinkender Hund.

Ich bin mir sicher ( und Wirtschaftsexperten gehen ebenso im stillen Kämmerlein davon aus ), dass die riesige Inflation, die kommen MUSS, alles verändern wird.
Ich gehe sogar so weit, dass ich sage, es wird Europa in den Wahnsinn zwischen Anarchisten und Terroristen stürzen.
Solche Leute, wie oben beschrieben, die sich als Aktivisten bezeichnen, werden in einer solchen politisch zerstörten Umwelt, entweder diejenigen sein, die ganz vorn an der Front nur für sich selbst kämpfen oder diejenigen sein, die den Schwanz einziehen und sich verstecken.
Frau D. wird für sich und alle anderen kämpfen. Der Zufall wird dann zeigen, ob sie etwas behält oder alles verliert.
Ich gebe Europa noch 15 Jahre.

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Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.

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@rollproll

Ein Bildungstest um diese Uhrzeit?

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Ist ohnehin nur ein Gerücht, dass das von Sokrates sei. Aber gut erfunden.

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es erfüllt seinen zweck. mehr muss es nicht

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Unter "alles verlieren" machen wir es nicht.

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Es wäre keine schlechte Idee, wenn sich all diese hochnotpeinlichen Schwarzseher erschiessen (weil ja eh alles den Bach runtergeht), sich die nicht minder lächerlichen Zukunftsrosarothochjubler an einer Überdosis Fortschrit vergiften würden und somit der Rest in Ruhe sein Leben leben kann, denn selbiges wird stets weitergehen.

Ja, das wäre eine feine Sache.

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Das Unglaubliche ist ja: Es passiert in der Epoche des grössten Wohlstandes und der besten Möglichkeiten.

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Verbitterung steht Ihnen so garnicht, selbst dann nicht wenn es zum Verzweifeln wäre.
Ich kann diese Grundstimmung sehr gut verstehen. Ich bitte Sie aber : schauen Sie sich genau um (schauen Sie auf ihre schönen selbstgemachten Bilder).
Wenn Sie die medial getriebe Panik etwas zur Seite wischen und die laute "Ihr sollt, müsst, es geht nicht anders, TINA" Kullisse nur ein wenig zur Seite schieben, dann erkennen Sie: es gibt dahinter immer noch die ganz normalen Menschen.
Die Normalität wird nur nicht mehr zugelassen, in der Öffendlichkeit (zumindest nicht in der bezahlten).
Die sozialen Verbindungen der Menschen werden ausgehöhlt, die Werbung ist (egal wo wir aus dem Flieger oder dem Auto steigen) vor uns dort und die Politik gibt Geld aus, wo sie gestalten will (Kinderbetreuung??, wer bekommt denn Kinder um sie fort zu geben?), nicht dort wo es richtig wäre (Gratiskitaplätze, Schulspeisung, Schulbücher, Nachhilfe).
Wir werden systematisch in eine Panik und ein Gefühl der Ohnmacht getrieben und wir werden in Grüppchen selektiert und gegeneinander getrieben. Alles wirkt irgendwie schief und falsch.
Es braucht nicht Viele um das voranzutreiben.
Der Rest, die Menge ist wie Ihre Frau D. und führt das ganz normale Leben.
Ich denke nicht das Frau D. irgend etwas verpaßt oder falsch macht. Am Ende wird ihr Garten fantastisch aussehen und die Erdbeertorte ein Genuss sein.
Egal wie DAX und DOW stehen.
Das ist doch sehr beruhigend, dann Frau D. hat Zukunft, die Märkte und ihre Marktschreier eher weniger.

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Das mit der Panik stimmt. Panik verkauft sich. Zu meiner Schande muss ich sagen, dass mein Buch auch damit etwas gespielt hätte, zumindest beim Ausgangspunkt der Überlegungen. Aber doch: ich bin gesaund, es fehlt mir an nichts, ich bin frei, alles wird gut.

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Haha. Im wirklichen Leben hat einer, der natürlich nicht weiß, dass ich Hm555 bin, vorgestern mir gegenüber die Tendenz zum Feudalismus beklagt, die überall vorherrsche.
Das war der ehemalige Leiter einer nicht völlig unbedeutenden Kulturinstitutionen.
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Statt die Chancen zu sehen, die gerade jemandem wie ihm, der seine Karriere mit Schloßrestaurierung angefangen hat, das alles bieten könnte, jammert er nur rum wie ein alter Sozialdemokrat.
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Wie auch immer, jedenfalls: Über unseren jetzigen Kuturstaatsminister steht viel zu selten was in der Zeitung. Was für eine alberne Knalltüte. So viel unfreiwillige Satire hat kein anderer Minister auf der Homepage.

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Sie sind mehr als 200 m höher über NN als hier, wo ich arbeite und auch noch 100 m höher wo ich lebe und Sie haben die Kirschen. Aber hier hatten die Bienen frei, weil es zu kalt war, als die Kirschen (auch die Aprikosen und die Quetschen) blühten.

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Das wird dieses Jahr eine sehr gute Ernte, heisst es. Die Kirschbäume biegen sich geradezu.

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