: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 10. Juni 2013

Real Life 10.06.13 - NAVIGARE NON NECESSE EST

Draussen weitet sich schon wieder die Donau in einen reissenden, alles verschlingenden Fluss, vom Himmel stürzen Wassermassen und leider ist es nicht genug, dass es dann diese Woche die Brut der Stadtschlosserbauer in die Nordsee schwappt und dort verklappt. Drinnen ist es warm, denn ich habe die Heizung wieder angemacht. Und Susi erzählt, dass einer ihrer Onkel nun aus Altersgründen sein Segelboot verkaufen möchte. Ganz billig sei es, oben Holz und unten weiss, und dazu bräuchte er jetzt jemanden mit Meer- oder wenigstens Seeamschluss. So eine kleine Jolle, nur 5,70 Meter lang oder so, genug für zwei oder drei und einen sonnigen Tag.



Das stellt man sich ja immer so romantisch vor, aber der Vater der P. hat es damals geschafft, mit dem an Deutlichkeit nicht mangelnden Befehlston an Deck vom Familien- zum Einhandsegler zu werden, insofern kann die Angelegenheit manchmal so romantisch nicht sein, gebe ich zu bedenken, und auch Iris hat so ihre Erfahrungen gemacht, sagt sie, und findet, dass man die Zeit, bis so ein Boot dann endlich mal schwimmt, anderweitig besser verbringen kann.Susi ist ein klein wenig enttäuscht, war ich es doch, der immer meinte, ja, am Tegernsee, da sei so wenig Wind, da könnte man nicht surfen und da wäre so ein Segelboot vielleicht keine schlechte Sache. Fein wäre es für sie gewesen, wenn sie, nachdem sie sich selbst nur mit Mühe und viel Ärger nur zeitweise an meist eher untaugliche Männer bringt, nun wenigstens das alte Segelboot an einen Mann gebracht hätte. Aber ich könnte das noch nicht mal transportieren.



Ausserdem habe ich im Internet gesehen, wie schnell der für mich in Frage kommende Segelclub in Gmund gerade selbst abgesoffen ist, die Bilder sind gleich neben den nicht minder schrecklichen Photos aus dem Vereinsheim, der sehr nach Verein aussieht. Es war angenehm zu wissen, dass ich auf dem Berg wohne und, wenn ich wieder komme, alles so sein wird wie immer. Sonne, Wiesen, Kühe. Die Segler jedoch hatten in den Regnstürmen hektische Tage, die Boote zu bergen und irgendwohin zu bringen, wo sie nicht verloren gehen, und das wiederum sind so die Geschichten, die man nicht bedenkt, wenn es um die Anschaffung so eines Kahnes geht. Und obendrein, meine Erfahrungen mit der Idee, eine kleine Jolle zu kaufen, waren damenlicherseits eher so durchwachsen: Die Zeiten, wo Segeln auf einer 5,70m-Jolle zwischen Gmund und Bad Wiessee als Privileg galten, sind auch schon etwas länger vorbei. Irgendwie scheinen die entsprechenden TV-Sendungen über vermögende Menschen die Massstäbe etwas verschoben zu haben, und ob so ein Liegeplatz mitamt seinen Kosten die Demütigung, die man damit erfährt, wert ist, weiss ich nicht. Nein, es gibt hier einfach keinen Segelclub wie in Monaco. Ich war dort und bin hier und finde das gar nicht schlimm. Aber die Ansprüche der anderen steigen schneller als meine Möglichkeiten.



Ich werfe deshalb testweise ein, dass ich demnächst an den Tegernsee reisen und endlich versuchen, mein Faltboot aufzubauen, und schaue sehr genau hin, ob da ein Funkeln in den Augen meiner Gäste ist. Ist es nicht. Wirklich nicht. Nichts. Genauso hätte ich sagen können, ich fahre zum Kuhfladensammeln nach Matrei. Würde man die Begeisterung vervielfachen, wäre sie immer noch überschaubar. Und es ist nun mal so, dass ich hier einerseits keine Frau kenne, die sich einmal an Bord einer 25-MeterYacht hätte verführen lassen können, und andererseits auch nicht den Eindruck habe, dass Abschleifen und Lackieren und Kosten für neue Segel und Abdeckungen, die dann zwangsweise woanders Ausgaben verhindern, einer prestigeträchtigen Beziehung geholfen hätten. Kurz, der Sexfaktor so einen Bootes ist klein und am See sehe ich eigentlich immer nur einsame Männer, die so wirken, als würden sie überlegen, wie tief ihre Frau mit einem Anker um den Hals sinken mag und wie lange sie unten bleibt.



Es sieht natürlich, aus der Ferne, hübsch aus, und bei den hiesigen Winden muss man gar nicht erst anfangen, von Geschwindigkeitsräuschen auf einem Brett zu träumen, das man natürlich sehr viel einfacher aufbauen, transportieren und lagern könnte - in der Garage nämlich, wo es sogar einen Aufzug gäbe. Aber wenn ich schon da bin, habe ich auch so schon genug zu tun, und obendrein reicht es vielleicht sogar schon, ab und zu den Wunsch durchscheinen zu lassen, dass so ein Boot fein wäre - man liebt ja Hoffnung und Erwartung um so mehr, je scheusslicher nachher die Umsetzung wäre, da ist so ein Boot auch nicht anders als das Stadtschloss, BER oder die Elbphilharmonie, die jetzt jene Klassikfreunde bezahlen sollen, die darin eigentlich staatlich unterstützte Konzerte sehen möchten. Segeln loben und Berge besteigen, das kostet nichts und wirkt dennoch sexy, hoffe ich.

Ich frage ihn, ob er mit dem Preis runtergeht, sagt Susi, und lügt mich dreist an, sie würde dann auch kommen und mir das ganze auch beibringen, was sie seit 30 Jahren selbst nicht mehr getan hat.

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