: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 10. Juli 2013

Flat

Gerüchteweise habe ich schon davon gehört, aber jetzt hat es mich selbst erwischt: Angeblich sammeln Münchner Makler gezielt Telefonnummern (und vermutlich, wenn sie können, auch alles andere) von Privatvermietern, speichern sie ab und machen dann mit etwas zeitlichem Abstand Anrufe, ob denn die Wohnung vielleicht nicht doch zu verkaufen wäre. Man hätte da einen Kunden an der Hand, der für das Objekt mindestens xx0000 zahlen würde. Das ist dann immer noch weniger als der tatsächliche Marktpreis, den ich immer in einem Auge habe, so aus Interesse, aberes zeigt auch, wie schwierig es ist, etwas in den guten Lagen zu bekommen.





Es ist nicht ganz ohne Ironie, dass der Goldpreis für ein sinnloses Metall, das lange hochgejubelt wurde, stark gefallen ist, aber die Preise in München weiterhin steigen. Ein Makler will für 30 höllisch laute Quadratmeter in Schwabing in einem wirklich billig gemachten Haus und schlechterer Lage eine viertel Million und wird sie vermutlich auch bekommen - das ist wohl der Markt und gleichzeitig auch die Krise, die nicht immer alles beötigt, aber einiges bleibt dann doch bestehen. Ich bin nicht traurig über das kommende Ende der ganzen Goldhändler, die die Innenstädte versaut haben, aber so richtig froh bin ich über die generelle Entwicklung auch nicht: Denn die Lebensziele der Menschen werden kleiner. Und bei mehr Arbeit scheusslicher, auch wenn die Büros der Stadt, entsprechenden Geschmack vorausgesetzt, immer kühler und exquisiter werden.





Früher wollte eigentlich jeder die "Münchner Normalität" erreichen: 3-5 Zimmer Altbau, Parkett, Stuck, halbwegs hohe Räume, Innenhof, Balkon, je nach Lebensplanung. Heute dagegen ist die grosse Hoffnung allein, innerhalb des mittleren Rings bleiben zu können, ob das nun Miete oder Kauf ist, ist gar nicht mehr so wichtig, weil letzteres utopisch wird. Traumgegenden werden wieder zu weissen Flecken auf der Landkarte, denn man kennt niemand, der sich das leisten könnte.Hoffnungen und Träume konzentrieren sich auf Randlagen und Gebäude, die früher vielleicht Notbehelfe gewesen wären, Plätze für den Sprung auf die nächste Ebene. Vielleicht, vernute ich, gibt es eine Wechselwirkung zwischen Singles und dieser Misere: Einerseits ist das Bezahlen auch kleinster Vorteile wie ein paar Quadratmeter mehr so teuer, dass dafür viel gearbeitet werden muss, mit der Folge eines verkümmerten Privatlebens.





Und auf der anderen Seite sind Singles in der Endstufe mit 60 Quadratmeter für sich allein die grossen Raumvernichter: 60 Quadratmeter ist eine eher kleine 2-Zimmer-Wohnung, aber wäre es eine Familie mit zwei Kindern, und wäre es ein Haus mit 180 Quadratmetern, wäre es alles andere als klein. Aber so dreht sich dann alles um "the Flat" und um Auswege aus der Falle, die schwer zu finden sind. Dazu kommt das leichte Problem, dass in München inzwischen auch die Frage, innerhalb oder ausserhalb des Ringes, bei der Paarung nicht unwichtig ist: Persönliche Attraktivität hat auch etwas mit Wohnorten zu tun, und ohne jemandem zu Nahe treten zu wollen: Das Partnerangebot, höre ich, gestaltet sich sehr leicht, wenn man auf dem Isarhochufer grosse Flächen vermieten kann. Das ist natürlich noch nicht die Mieterprostitution, aber auf das Tierreicht bezogen könnte man sich schon so eine Gedanken über Faktoren der Partnerwahl machen. Früher log man beim Alter, heute bei der Frage der Wohnverhältnisse (zusätzlich). Schönheit vergeht, Hektar besteht bekommt eine urbane Neuauflage.





Langjährige, mittelalte Mieter mit flexibler Lebenseinstellung sind die ersten, die man da als Verlierer ausmachen kann; in meinem Alter werden ja schon die ersten wieder aussortiert und dann wird es nicht ganz leicht. Gewinner sind mehr oder weniger zufällig; wessen Oma ein kleines Haus irgendwo am Rand der Stadt besass, ist fein heraus. Das alles ist natürlich nicht berechenbar, wie es früher vielleicht noch gewesen wäre, und so durchweht all diese Flats, billigst gebaut und teurst verkauft, ein Lüftchen der Unsicherheit und der Angst.Aber es gibt keine Alternative, das ist der Markt, und wer heute zu den Verlierern gehört, würde morgen schon wieder andere abdrängen, nur um an die richtige Wohnung zu kommen. Man richtet sich ein und schaut sich um nach denen, die vielleicht der Joker sein könnten.

Das ist alles nicht wirklich schön. Gesucht wird nicht der Sngle, gesucht wird die grosse Wohnung mit Single als Dreingabe. Lacht nicht in Leipzig, wir sind nur die Vorreiter, das kommt im Osten auch noch.

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