: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 1. Januar 2014

Der Widerspenstigen Lähmung

Von Ludwig XIV stammt der Spruch, er würde mit jeder Ernennung, die er vornimmt, 100 Verbitterte erschaffen, und einen Undankbaren. Er hatte es einfach.

Ich will das gar nicht auf die Debatten um den ganz harten Feminismus bezogen sehen, aber natürlich ist es so, dass meine persönlichen Präferenzen bei Autorinnen sind; dass bei Rivva vor allem Männer sind, hat mit meinen Vorlieben nichts zu tun. Ich lese mehrheitlich Blogs von Frauen und habe generell den Eindruck, dass sie im Durchschnitt die fähigeren Community Managerinnen sind. Das war früher meine Meinung und ist es auch heute noch, da die Entwicklungen Phänomene hervorgebracht habe, die mich einfach überfordern.



Dazu muss man sagen, dass ich selbst sehr, sehr gute Gründe hätte, Minderheitenschienen zu reiten, und weil ich weiss, wie übel das ausgehen kann, mache ich das nicht. Nie. Unter gar keinen Umständen. Ich kenne auch genug Leute, die sich in meinem Bereich ideologisch im Gefühl einer komplett feindlichen, sie diskriminierenden Umwelt eingraben, und natürlich können sie auch bestens belegen, dass es so ist - aber nach meiner Meinung gibt es in der deutschen Gesellschaft keinen weit verbreiteten, strukturellen Antisemitismus mehr, und auch viele andere früher brutalst unterdrückte Gruppen leben heute in einer vergleichsweise freien Gesellschaft. Wer schwule Freunde seit 25 Jahren hat, der sieht einfach die Unterschiede. Es ist noch nicht perfekt. Und es ist jedesmal, siehe Einwanderung aus Osteuropa, auf's Neue ein G'fred. Aber diese Gesellschaft ist durchaus eine, die gezeigt hat, dass sie auch ohne dem T-34 vor dem Haus und der B-17 über dem Grundstück lernen kann.

Im eigenen Laden rennen genug Überidentifizierte rum, die sich über die Mär eines strukturellen Antisemitismus aber gut Freund machen wollen, und da hebt es mich halt, so wie es mich bei Theorien wie "Critical Whiteness", "Rape Culture", "Klassismus" und "Ableismus" hebt. Zum letzteren Thema könnte ich übrigens auch was sagen, ich wurde nicht umsonst ab der 11. vom Sport berfreit und war für den Barras so untauglich, dass die Kommission, vor die man mich irrigerweise gestellt hatte, bitter weinte, bis ich mich über sie lustig machte. Dass am gleichen Gymnasium, an dem ich war, Fehlverhalten der Lehrer heute für sie Folgen hat, die zu meiner Zeit undenkbar gewesen wären: Das ist der Fortschritt. Und der ist gut und erkämpft gegen die, die sich wirklich extrem mies verhalten haben. Das haben ganz normale Leute gemacht, Elterm, Schüler, Kollegen. Und zwar ohne jeden theoretischen Unterbau.



Es bleibt in einer relativ liberalen Gesellschaft wie der unseren, die sogar CDU und CSU und den Papst zwingt, sich neu zu erfinden, natürlich nicht aus, dass es auch Auswirkungen auf jene hat, die abseits stehen. Und mit der Liberalisierung verändern sich auch manche Problemfelder. Böse gesagt: Wer neben der Spur laufen will und entdeckt, dass alle Spuren zulässig sind, sucht sich halt was besonders Krasses, um auszuticken. Weil es nicht um Probleme geht, sondern um das Ausleben der eigenen Probleme. Ich hatte ein Zeit in meinem Leben recht unvermittelt recht viel mit psychisch labilen Menschen zu tun: Jeder hat seine Geschichte und seine Theorie, warum er so neben den Regeln laufen muss. In sich ist das sehr oft von einer bestechenden Logik, denn die Betroffenen waren alle sehr klug und sehr sensibel. Aber es ist halt nicht gerade schön, und ob einem die Wohnungszertrümmerer und Selbstmörder von 1990 besser gefallen als die Magersüchtigen von 2013, muss jeder selbst entscheiden.

Ich bin wahrlich kein Fan der scheidenden Familienministerin. Ich halte auch das Betreuungsgeld für grundfalsch. ich muss aber irgendwie akzeptieren, auch wenn es mir schwer fällt, dass viele es gern annehmen. Und ich muss auch damit leben, dass eine Bekannte das macht, weil ihr die Kitas in der Region zu katholisch verseucht sind. Ich kann das halbwegs nachvollziehen, und wenn sie lieber die Kinder erzieht, dann habe ich kein Recht, sie dafür zu kritisieren. Sie will das halt so. Das ist noch nicht mal Prägung einer frauenfeindlichen Gesellschaft, sondern einfach das, was sie sich überlegt hat. Sie findet das Betreuungsgeld super. Sie ist damit nicht allein.

Vom Standpunkt der Kritik an der Theorie des Klassismus könnte man sagen: Ist doch super für die Armen, wenn sich hier relativ reiche Doppelverdiener dank einer kleinen Förderung einen hochbezahlten Posten jemandem überlassen, der es vielleicht nötiger braucht. Aber natürlich, für die Ideologie der Frauenquote ist es natürlich Gift, wenn eine führende Mitarbeiterin, in die eine Firma viel Geld gesteckt hat, mit 35 beschliesst, nur noch Mutter zu sein. Damit ist das bei mir daheim trotzdem vertretbar. Aber im Internet müsste man das schon noch formschöner begründen, um nicht als "Masku" angegriffen zu werden.



Ich hatte zwischenzeitlich mal den Fall, dass ich in einer kritischen Lage für eine frisch gewordene Mutter eingesprungen bin, in einer Zeit einer krassen, von ihr vorher mit verursachten Krise. Und ich durfte auch erleben, wie ihr Interesse am Muttersein nachliess, als die Krise vorbei war, und der Job wieder schöner erschien. Das alles ist nicht schön, aber es passiert nun mal. Kein Anlass, da eine Theorie der Diskriminierung daraus zu basteln. Man kennt das, das gibt es unter vielen Vorzeichen. Das ist nicht weiblich oder männlich, es ist menschlich unschön.

Unschön ist es aber auch, wenn all diejenigen, die mit diesem Gang der Welt und der menschlichen Neigung, Vorteile und Vorurteile auszunutzen, so unzufrieden sind, dass sie darin ein allgemeines System erkennen. Das sind die Wurzeln des Antisemitismus des 19. Jahrhunderts, es ist die Basis der Kommunistenhatz in den USA nach 1945, es ist wie in der Klapse: Man baut sich ein System, das in sich logisch ist, und so konstruiert, dass alle äusserlichen Erscheinungen im Sinne des Systems interpretierbar sind. Zwei der wirklich harten Texte des letzten Jahres (kein Link) sind von Frauen geschrieben, die im normalen Umgang durchaus ihre wichtigen Punkte haben, mit denen man reden könnte - man muss ja nicht einer Meinung sein - aber sich dann zu den Gruppen verabschieden, die solche Theorien bieten. Abweichungen sind nicht möglich. Feinde werden definiert und ausspioniert (ich gehöre natürlich auch dazu) und wer mit dem Feind möglicherweise in Verbindung steht, wird brutal ausgegrenzt. Die kennen nicht mehr wie ich die alten K-Gruppen, aber sie können das aus sich heraus.



Die Ausgrenzung kommt übrigens von Leuten, von denen ich teilweise sehr genau weiss, dass sie absolut nicht so sind, sondern mehr so wie ich, verhuscht, nicht leicht zugänglich und keine Rampensäue. Mir gibt meine Klasse einen gewissen Halt und ihre distanzierten Formen, denen halt ihre neue Gruppe und die Gelegenheit, jetzt etwas zu tun, was früher nicht möglich war. Um sie herum sind die Allys. Das sind Leute, die eine Illusion eines sozialen Umfelds aufbauen, indem sie Andersdenkende runterputzen. Michael S., Johannes P., Aaron J., Hakan T., Leute, die das wirklich auch in ihre Accounts, in die Partei oder als Doppelagent in die Süddeutsche Zeitung tragen. Idealbeispiel ist Julian Assange, der nun mal ein Recht auf Unschuldsvermutung hat, und kein verurteilter Verbrecher ist. Das ist diesen Leuten völlig egal, und wenn der CCC ihnen den Freiraum bietet, zur gezielten Störung einer Veranstaltung aufzurufen und die auch durchzuziehen - dann tun sie es eben. Das kommt dabei raus, wenn man ein eigenes System der Logik hat, dann sieht jedes Problem aus wie ein Stecker, den man ziehen kann. Der eine macht es und Hakan T. berichtet darüber bei Sueddeutsche.de, und man verbucht das intern als Erfolg.

Alles klar?

Nein. Das sind auch Menschen und der Unterschied im Internet ist, dass es jede Menge Verbindungen gibt. Mit zwei der härtesten Vertreterinnen der Szene habe ich schon zusammengearbeitet, und eine, die heute andere bedroht, wenn sie etwas mit mir machen, hätte vor zwei Jahren viel darum gegeben, wenn sie etwas hätte machen können. Es gibt Beispiele wie eine konsequente Berlinerin, die klare Vorbehalte hat, mit der man darüber reden kann, und die es einfach nicht will, egal wie ich sie bitte: Das ist in Ordnung. Mein Risiko, es lohnt sich trotzdem, es einzugehen, denn weder sind die alle doof oder schief gewickelt; für mich in dem Bereich eher unideoligischen Menschen macht es nichts aus, wenn sie an eine Rape Culture glauben, aber vielleicht dennoch etwas über Kunst oder Liebe oder Bücher oder Orte erzählen können. Ich zum Beispiel finde Blogs über sozial bevorzugte Kreise - auch die gibt es - sagenhaft langweilig, inzestuös und verlogen, und lese gern aus anderen Erfahrungswelten.



Aber mit dem Erfolg von #Aufschrei sehe ich eine gewisse Uniformierung und einen Gleichschritt bei einer Gruppe, die mich ziemlich an Adical/Adnation erinnert. Damals ging es darum, die Blogger reich zu machen, jetzt geht es darum, aware zu machen. Für eine Ideologie, die ich kenne und verstehe, denn sie ist logisch und leicht verständlich und nur in bestimmten, reale Erfahrungen ausschliessenden Zirkeln überlebensfähig, weil die reale Welt darauf so viel gibt wie auf den Revoluzzer Häusler, den Startupförderer Lumma, den Vermarkter Lobo, oder den BGE-Freund Ponader. Kurz, es wird, es muss scheitern.

Das ist dann natürlich der Beweis für die Richtigkeit der Rape Culture.

Was an der Sache so amüsant ist: Diese feministische Ideologie ist ja nicht wirklich Teil der Vorstellung, wenn man Fragebögen ausfüllt, um Partnerschaften zu finden. Sie schlägt zwar in den Präferenzen durch, aber diese Präferenzen können auch andere haben. Beruflich habe ich ein paar recht ehrliche, aber nicht aktiv genutze Profile laufen, unter anderem bei einer Seite, bei der recht viele Vertreterinnen dieser Ideologie, teilweise auch noch nach der Heirat, ihre Profile stehen haben. Ungelogen: Unter den 10 deutschen Top Matches sind drei radikale Feministinnen, mein Score schlägt den ihrer Allys, die auch dort sind, um Längen.



Eigentlich sollten wir sofort heiraten. Vermutlich, weil es weitgehend einfach passt. Nur halt nicht in diesem einen Punkt.

Aber die - für sie letztlich - bittere Wahrheit ist wie damals, als in meiner Heimatstadt so viele meinten, sie müssten jetzt Schlaftabletten nehmen oder vom Baugerüst springen. Wir sind jung, liberal, aufgeschlossen, links, reformfreudig, zukunftsorientiert und bitte, ich habe eine von denen getroffen und wusste nicht, wer das ist und fand sie wirklich reizend. Aber da ist halt noch das ideologische Gerüst. Und das wird im Internet entscheidend. Es ist so leicht, sich im Leben ohne diese Ideologie zurecht zu finden. Wer darauf nicht verzichten kann, landet in Seemanns Podcast, ruft die Antifa zu Hilfe, stalkt mich und meine Freunde, und diskutiert die Schüchternheit im Netz in jenen Phasen aus, da keine Kraft da ist, Blockempfehlung zu betreiben.

Das geht mit der Ideologie. Wir werden, das ist mein Eindruck, 2014 im Netz davon noch mehr sehen, denn es bringt in der Filterbubble Erfolg. Und die Filterbubble wird der einzige Bezugsrahmen, so wie es bei der Antifa die Bezugsgruppe und bei den rechten Hohlköpfen die schlagende Verbindung mit Ariernachweis ist. Bei mir ist das halt anders, ich komme und lebe in einem sehr vielschichtigen und intakten Umfeld, das unter einem hohen Veränderungsdruck steht. Meine Klasse geht unter. Wir sterben aus. Wir sind nur noch Spielball des entfesselten Kapitalismus. Ideologien wären da mittelfristig tödlich.



Ich war heute am See, und es war sehr schön. Vielleicht sollte ich mir meine Geschichten wieder mehr dort suchen.

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