Sonntag, 18. September 2005
Finale con brio
Was bleibt, sind die Erinnerungen an einen mitunter atemberaubend schönen Sommer. An ein Panorama, an dem ich mich nie satt sehen kann. An Stunden zwischen Tag und Finsternis, an den sanften Wind, der über der Stadt die Hitze erträglich macht, an die splendid isolation weit über den Dingen und die happy few, die Zutritt hatten. Genug, um es in sich zu bewahren, zu verschliessen und davon die nächsten sechs Monate zu zehren. Bis die Sonne wieder genug Feuer entwickelt, um hier oben alles zum Brodeln zu bringen, die Luft, die Gefühle, das Leben, unter dem unendlichen Blau über dem Randgebiet der einzigartigen, traumhaft schönen Munich Area.
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Grau hat geknallt
Das hier dagegen ist mindestens haltbar und könnte spannend werden.
Ironischerweise from the guys who also brought you the technical basis of that shitty blog4berlin nittigritti.
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Ach so, und:
Und ich erwarte, dass sich die bloggenden Neoconazis dann freiwillig melden. Die feigen Schweine will ich da drüben, drunten, wo auch immer mal sehen, mit ihrer grossen Klappe.
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Keine Wahlempfehlung VI
Ich wähle SPD, weil ich die herrschenden Zustände nicht mag. Ich weiss, dass die SPD nicht viel daran ändern kann, aber sie kann zumindest den Übergang vom rheinischen Kapitalismus in die Oligarchie der McKinseys und ihrer globalen Räuberbanden verzögern, und sie wird das allein schon aus Machterhaltungsgründen auch tun müssen. Das bedeutet, dass ich und übrigens auch mein in die andere Seite engebetteter Clan im vollen Wissen, dass wir gegen unsere theoretischen Interessen handeln, SPD und Grüne wählen werden. Denn mir und meiner Familie wird von der SPD genommen, während uns FDP und CDUCSU geben werden.
Viele Leser hier gehören wahrscheinlich nicht zu den 15, 10 Prozent der Bevölkerung, der es unter einer anderen Regierung besser gehen wird. Ironischerweise geht es diesen 10, 15 Prozent jetzt schon blendend. Krise, Konsumverweigerung? Wo bitte? Noch nie hat der Luxus bessere Geschäfte als heute gemacht. Und das Dreckspack, das jetzt in Berlin auf die Posten drängen wird, sieht da für sich noch Nachholbedarf. Dafür wird man diesen Staat umbauen. Das ist das erste, zweite, dritte, was sie tun werden. Das untere Drittel wird überrascht sein, was man dafür noch wegknapsen kann. Als ich das letzte Mal in San Francisco war und in den Parks noch mehr Obdachlose waren, konnte ich nach drei Wochen in den Flieger steigen, und es war vorbei. Das werde ich diesmal nicht tun können. Hier bei mir wird das noch eine Weile dauern, denn ich lebe in einer rausgeputzten Altstadt einer der reichsten Regionen dieses Landes. Aber es wird kommen. Und es wird mich einholen. Und damit das nicht passiert, wähle ich gegen meine ökonomischen Interessen SPD.
Ich mag den Terror der Ökonomie nicht. Ich war, wie manche vielleicht wissen, eine kurze Zeit meines Lebens im Kern des Systems, das man New Economy nennt. Ich bin freiwillig ausgestiegen, viel zu spät, ohne verhindern zu können, dass es für meine Freunde katastrophal ausging. Ich weiss, was es bedeutet, wenn Leute aus Angst und Panik 12 Stunden auf Tabletten für den halben Lohn schuften. Das ist gut für die Rendite, da kommt keine Gewerkschaft, und es war mir egal, wenn es irgendeine blöde Schlampe oder einen Wichser von der BAW erwischt hat. Dummerweise waren irgendwann auch Leute dran, in die ich viel Arbeit, Vertrauen und Hoffnung reingesteckt habe. Ich will nicht, dass sich dieses System auf den Rest der Gesellschaft ausbreitet. Es ist falsch, es ist nur richtig für die, die völlig irrsinnige private Ausbeutungerwartungen haben. Lasst Euch bei Gelegenheit mal von einem Volkswirtschaftler erklären, was die 3% binnenmarktgestützes Wirtschaftswachstum für unser Konsum- und Arbeitsverhalten in 20 Jahren bedeuten. Das hier ist Deutschland, eine voll entwickelte, fast perfekt ausbalancierte Volkswirtschaft an der Spitze dessen, was momantan auf dem Globus machbar ist. Das bedeutet halt im Umkehrschluss, auf die Wachstumsraten irgendwelcher unterentwickelter Ostblockstaaten zu verzichten.
Vermutlich wird die grosse Mehrheit der Leser dieser kleinen Seite ebenfalls gegen meine und für ihre eigenen, berechtigten ökonomischen Interessen wählen. Für eine linke Mehrheit in diesem Land, gegen die nicht regiert werden kann. Es gibt aber sicher auch ein paar hundert, die das nicht tun werden. Jeder muss das selbst entscheiden, und es besteht natürlich die Gefahr, dass diese Leser am Sonntag den Weg für die grosse Umverteilung von Unten nach Oben frei machen. Manche, weil sie hoffen beteiligt zu werden, andere, weil sie glauben, dass es dann irgendwie besser wird und es ihre Lage dann auch mit nach oben zieht. Weil sie nicht begreifen, dass die Ökonomie kein Interesse an ihnen jenseits der Verwertung hat. Und weil sie vergessen,
dass es um dieses Land als Ganzes geht, und nicht nur um das, was ein paar Lobbyisten als Wirtschaft in den Talkshows darstellen.
Es ist nicht ganz ohne Ironie, dass ich so oder so zu den Gewinnern der Wahl gehören werde. Ich, persönlich, habe nichts zu verlieren, wenn ich mich im politischen Worst Case nur in mein Wohlstandsquartier einsperre. Zur Staatsoper nach München kann ich von meiner Haustür aus fahren, ohne auch nur ein einziges Mal etwas anderes als Reichtum, Landschaft und boomende Industrie zu sehen. Meine Aufträge kommen aus einer der wenigen Regionen der Erde, in denen es noch besser läuft. Daran wird sich nichts ändern. Aber ich habe, wie mancher vielleicht auch weiss, den Osten gesehen. Auf fast jeder Fahrt nach Berlin bin ich irgendwo ausgestiegen. In Berlin habe ich auch die weniger schönen Ecken erlebt. Das würde sich unter der Union massiv ausbreiten, und deshalb wähle ich SPD.
Jetzt gehe ich ins Bett. Und heute früh fahre ich nach Stuttgart, shoppen. Meine kleine Schwester will ein neues Auto, nachdem ihr altes schon 70.000 Kilometer drauf hat. Einen SLK 350. Mit 272 PS. Und alle Extras. Ich wähle SPD. Weil es mein Leben und mein Land verbessert, ohne mich viel zu kosten. Weil Geiz nicht nur in dieser Hinsicht nicht geil, sondern scheisse ist. Weil ich es mir leisten kann. Ich weiss, dass das jetzt alles scheissarrogant klingt, aber es ist einfach nur die Wahrheit. Meine Klasse ist genau so, nur eben dem Rest gegenüber nicht ehrlich. Das ist der einzige Unterschied. Ich leiste mir auch diese Ehrlichkeit und den Luxus, gegen meine Klasse zu wählen.
Aber wer von den anderen, von den unteren, wahrscheinlich von den meisten der Leser hier kann es sich leisten, FDP und Union zu wählen?
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 16. September 2005
Deutsche, kauft nur CDU-Spam!
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Weniger Licht
Der Niedergang der Stadt sorgt dafür, dass das Lager immer voll ist. Aus den Auflösungen besserer Haushalte, aus dem Absturz der gehobenen Lebensart speist sich ein Strom ständig neuer Waren, es gibt jede Woche etwas Neues zu entdecken, wer weiss, wo das früher gewesen sein mag; das Licht für eine Bankiersfamilie, die darunter alte Mann-Ausgaben gehortet hat, vielleicht aber auch ein Wehrmachtsgeneral, oder die Stehlampe eine als Kokotte verrufenen Gräfin, die das Licht nach ihrem Tod weitergeben musste an ihrer schmalzige Cousine, und als die dann viel zu alt und bösartig starb, brachten die Neffen alles zum Verwerter, bis sie dann wieder hier auf eine neue Geschichte, auf ein neues Treiben im von ihr erleuchteten Fluss der Zeit
So hätte es sein können. Aber die Geschichte hat kein gutes Ende, denn der Laden wurde mangels Kundschaft geschlossen, vor etwa einem halben Jahr. Obwohl er zwischen Schöneberg und Kreuzberg lag, dort, wo die hohen, stuckverzierten Decken nach diesen grossen Lüstern schreien. Der Niedergang der alten Eliten zieht keinen neuen Aufstieg anderer Schichten nach sich, zumindest keiner, die so etwas wollen, und so wird das Licht der alten Welt nicht mehr in diesem Raum gesammelt, sondern zerstreut, zu oft weggeworfen, oder jemand findet es zufällig und rettet es in die Regionen des Landes, die sich vielleicht, mit ein wenig Glück, dieser schleichenden Vernichtung entziehen können.
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Bei diesem Wahlkampf
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Keine Wahlempfehlung V
Alle waren sie mit dabei, ich weiss. Auch die SPD in NRW, Stichwort GH100. Auch die Grünen in Schloss Elmau, und ein halbes Jahr später waren sie sich nicht zu schade, das Münchner NE-Pack nochmal bei einem Event abzufüttern. Alle sind darauf reingefallen. Kann passieren. Ich habe 1999 ein bitterböses Worst Case Szenario über einen grossen VC-Geber geschrieben, von dem ich annahm, dass es so kommen würde. Ich habe mich auch getäuscht, es kam viel schlimmer. Keiner war ohne Fehler. Aber manche haben es früher gemerkt.
Die Firma hatte nichts von den 100.000. Der Business Angel hat den Laden letztlich vor die Wand gefahren, und dabei viel Geld verdient. Dreieinhalb Jahre später sitze ich bei jemanden, den nur wenige kennen. Jemand, der wirtschaftliche Macht hat. Einer, der seinen Unternehmern rät, sich Gebrauchtmöbel zu kaufen. Und wir reden über diese Firma und den Business Angel. Über den Stern und seinen Beratungspartner. Über die Jury. Über alles, was damals passiert ist. Dieser Mann hat oft genug vor dem Business Angel und seinen Tricks gewarnt. Laut und oft. Schon damals. Es hat niemanden interessiert. Abr schon damals war er jemand, auf den man hätte hören müssen, wegen seiner Erfahrung, wenn man schon nicht wegen seiner Macht auf ihn hört.
Man kann sagen, dass es nur eine kleine Randnotiz der langen, schlimmen Geschichte der New Economy ist. Man kann sagen, dass es lang vorbei ist, aber es stimmt nicht. Die milliardenschweren Fehlinvestitionen der New Economy von Seiten des Staates, sei es nun die Risikoabsicherung für VCs durch staatliche Banken, die die Pleite lukrativ machte, seien es die Beratungshonorare oder die Verschwendung der bayerischen Privatisierungserlöse, all das belastet die Haushalte noch lange Zeit - und jeder, der Steuern zahlt, zahlt daran mit.
Die SPD in Bayern hat zum Zeitpunkt, als Frau Merkel noch den Grüssaugust für Stern, McK und die versammelte Elite machte, gegen die Verschwendung von Staatsgelder an Firmen wie den Preisträger gewarnt. Stoiber hat damals noch mal Gas gegeben, weil die VC-Branche ohne staatliche Beteiligung mit dem Rückzug drohte. Die schlimmsten Fehler wurden gemacht, als es schon zu spät war, deshalb beschäftigt sich heute der bayerische Rechnungshof mit den Vorgängen. Die Bundesregierung, genauer, der Finanzminister hat dann den Stecker für die VCs gezogen. Damals lief Stoiber himself bei der grossen VC-Jahrestagung im Vier Jahreszeiten auf und versprach, man werde das so schnell wie möglich wieder rückgängig machen, bevor die Bande in den Palmengarten von Nymphenburg gekarrt wurde.
Das sind die Leute, die Merkel und Stoiber wählen werden. Weil sie nachweislich absolut keine Ahnung von Wirtschaft haben, und alles tun werden, was ihnen die "Experten" vorkauen. Keine Frage, die Grünen haben auch viel Scheisse gebaut, und Clement und Stolpe waren in der Hinsicht auch Vollpfeifen. Aber es war auch die SPD, die bei dem Irrsinn der Finanzierung den Stecker gezogen und die auf der anderen Seite die Gründung normaler Firmen erleichtert hat. Das ist natürlich nicht gut für VCs, Incubatoren, Berater, markt-, neo- und sonstwie faschistische Assis mit gefälschter Adresse, Anwälte und ihre Vorratsgesellschaften. Aber gut für die Gesellschaft.
Und deshalb wähle ich die SPD. Und nicht die Durchgeknallten von gestern, die von ihren damaligen Helfershelfern heute gross geschrieben werden.
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Donnerstag, 15. September 2005
2 Jahre nach dem Beginn der Verbannung
Am Ende wurden eineinhalb Jahre daraus. Eineinhalb Jahre mit zwei Wintern. Ich wusste nicht, was mich erwartete, davor kannte ich eigentlich nur die Kastanienallee mit dem Verlag, unter den Linden von der Arbeit und eine 120-qm-Wohnung in Schöneberg. Auch das kam mir schon alles ziemlich verdreckt und runtergekommen vor. Ich wusste nicht, dass die Castingallee ein Laufsteg war, für meinen Geschmack war es eher ein Drogenstrich. Den entdeckte ich dann erst ein paar Monate später, eher zufällig, gut, der war dann noch etwas schlimmer.
Es hat sich seitdem nichts zum Besseren verändert. Noch immer wollen die Menschen dort hinh, weil es angeblich besser und frei ist. Wie mir die kleine japanische Prinzessin aus dem ersten Stock gestern erzählte, kennt man sogar in Japan diesen Szenebezirk Mitte. Und sie will da auch mal hin. Ich weiss nicht, ob es ihr gefallen wird. Ich weiss nur, dass mir zu Berlin immer erst die Kälte einfällt, die unfreundlichen Menschen, die Verwahllosung und der totale Verlust der Bürgerlichkeit. Ich glaube, das Gerede vom Frust der Deutschen ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass sich die dafür verantwortlich Johurnaille, zuerst Gabor Steingart vom Spiegel, in dieser Stadt arbeitet, umgeben von zweihundet Kilometern in alle Richtungen, wo nichts besser wird. Sie schreiben ein Spiegelbild ihrer eigenen Seele.
Ich habe beim Suchen auch eine alte CF-Karte gefunden, mit hundert Bildern aus dem Winter 2003/4. Alles ist trostlos, leer, bar jeder Urbanität, ungepflegt und ohne jeden Sinn für Schönheit. Manchmal, wenn ein Wintersturm die Adria gepeitscht hat und in einem Ast verfangen, ein grosser Klumpen Müll den ansonsten weissen Strand verunstaltet, mit Zivilisationdreck in schreiend bunten Farben und klebrigem Teer, einem toten Fisch vielleicht und den Insekten - das ist dieser Slum an der Spree. Das ist das Wesen, der Geruch, die Substanz an der Stelle, wo andernorts vielleicht so etwas wie Seele ist.
Ich denke darüber nach, weil hier in Bayern gerade die Schule beginnt, und mir auf dem Weg zum Bäcker so viele Bekannt mit ihren Kindern begegnen, die sicher auch hier später mal lebendig in den Vorstädten begraben sein werden. Ich höre ihre Voreingenommenheit für alle anderen Lebensentwürfe, ihre absurden Ansprüche ans Dasein, ihre Zufriedenheit in der Stagnation der Verhältnisse, und ihrem Wunsch, dass alles andere bitte draussen bleiben muss. Ich sehe das Mädchen vom ersten Stock, die nach drei Tagen jede Strasse der Altstadt kennt und sicher nicht damit klarkommen wird, dass das hier schon alles ist. Sie schaut sich unten gerade auf dem geborgten Thinkpad meine alte Dirt Picture Collection an. Vermutlich wird sie mich nachher fragen, wie man am besten dort hin kommt.
Keine Stadt ist nur böse, verseucht und schlecht. Manches davon ist an anderen Orten kaum denkbar, man kann es trotz des Transitcharakters der Stadt nicht verpflanzen oder mitnehmen, weil es immateriell ist. Es wird hier nie einen Johnny geben, den man anrufen kann und sagen, lass uns eine Bloglesung machen, und danach kramt man sich aus dem Überangebot der Autoren die allerbesten raus. Aber für das alles zahlt man einen hohen Preis, wenn es erst mal Winter wird in Berlin. Vielleicht ist es leichter, wenn man nicht genau hinschaut auf das Elend und die Sinnlosigkeit an den Ufern des trägen Flusses, in den zerborstenen Strassen, unter dem Rattern der Hochbahnen.
Aber da sind 100 Bilder, und bei jedem sage ich Nein. Es war kein Fehler, dort hin zu gehen, aber es war sicher richtig, nicht dort zu bleiben. Und die Berliner Leser sind ja mitgekommen, nach Bayern. Auch eine Art Flucht.
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Rot-Grüne Subversion auf bayerischem Wochenmarkt
Schon Lenin und Ho Tschi Min wussten, dass Bauern und Kleinbürger ganz tief drin eigentlich auf ihrer Seite sind ;-)
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Kann sein,
Was ich aber sage, Freunde, Johnny, Ix und noch ein paar andere: Alle Blogwelt schreit Trara, wenn jemand von aussen über uns schreibt. Dann ist grosses Bohei. Obwohl wir alle wissen, dass für die das Thema Blogs genauso hingeschluderter Bullshit ist wie alles andere, worüber sie selbst ihren eigenen Bullshit absondern. In solchen Momenten fällt die ganze eigenständige Blogosphäre auf den Macht- und Deutungsanspruch irgendwelcher unrasierter, schlecht angezogener Zeilengeldlutscher rein.
Mal ehrlich: HABEN WIR DAS NÖTIG?
Wir sehen doch auch beim aktuellen Artikel, dass die letztlich nur wiederkäuen. Entweder, sie klauben sich das Zeug aus anderen Blogs zusammen und schnitzen es, wie sie es gerade brauchen und es in den beitrag passt, wie Patalong das macht. Oder sie machen Restmüllverwertung ihrer zwei Dutzend Interviews mit Freunden und überbacken das mit ihrer Social-Software-Grütze, wie der Sixtus das macht. Keiner von denen kam je auf den Gedanken, das, was wir tun, was wir entstehen lassen, als
KULTUR
aufzufassen. Aber genau das ist es. Nicht mehr, nicht weniger. Eine Kultur, die zehntausende jeden Tag aufs neue fesselt, unterhält, erfreut, bewegt. Hey, das ist GROSS. Das alles machen wir selbst, nicht die mit ihrer jahrhundertealten Monopolstellung. Das ist unsere Stunde Null, und sie haben Angst, dass es die erste Minute ihrer letzten Stunde ist. Deshalb gehen sie nicht auf die Kultur. Weil es das ist, was ihnen Angst macht. Eine lebendige Kultur, die sich fundamental von anderen Kulturen, wie etwa dem Journalismus oder der Literatur unterscheidet, wegen einer gewissen Ähnlichkeit aber von beiden Seiten falsch angefasst wird.
Und solange wir denen bei jeder Absonderung nachhecheln und rummosern und es gern anders hätten, fummeln wir an den Details rum. An IHREN Details, nicht an dem, was für uns wichtig ist. Wir geben denen dadurch die Definitionshoheit am Grossen und Ganzen. Sie sind die Karawane, wir sind die bellenden Hunde.
Wölfe werden wir nur dann sein, wenn wir sie nicht mehr ankläffen. Sondern unseren eigenen Weg gehen, und unsere eigenen Themen und Gedanken in unserem ureigenen kulturellen Komplex verwirklichen. Redet doch mal über das Bloggen. Einfach so. Tu ich ja auch. Es gibt keinen Grund, das zu verstecken. Es gibt keinen Grund nicht jeden Morgen zu sagen, dass Bloggen eine grossartige Sache ist. Oder die notwendigen Denkanstösse selbst zu geben, indem man provoziert. Es ist nicht "Wir gegen die", es ist "Machen wir es selbst". Dadurch, und nur dadurch, und durch die Nichtachtung der Schmierbuben und das Nichtrespektieren ihrer Ansprüche, können wir unseren Weg selbst bestimmen.
Die anderen kommen dann schon nachgedackelt. Weil sie keine Karawane sind, sondern nur ein paar verlauste Redaktionspudel. Ich mein, schaut Euch doch mal die Blog-Knalltüten von Zeit, Stern, Tagesspiegel und SZ an. Sie haben nicht die Eier. Sie können es nicht. Sie wissen nichts von unserer Kultur. Wir schon. Weil wir sie jeden Tag, wenn wir die Eingabemaske aufmachen, neu erschaffen.
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Mittwoch, 14. September 2005
Insomnia geht wieder
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Ponotcasting, aber..,
Danach kann ich verstehen, warum Podcasten meist so ein lieb- und gedankenloses Gequatsche ist - es lohnt sich nicht, da Arbeit reinzustecken, irgendwas zu verbessern, sich eine halbwegs ordentliche Technik anzuschaffen. Tippen und Lesen ist viel effektiver, für beide Seiten, und ich glaube nicht, dass sich das so schnell ändern wird. Aber gut, es war ein Spass, eine einmalige Aktion, und ich bereue sie auch nicht. Deshalb:
Ich habe auf dem Rechner hier kaum virtuelle Effektgeräte installiert, und brauchte schnell noch einen Mastering Limiter. Das ist das Ding, das den Soundclip so richtig prall und laut werden lässt. Also habe ich schnell nach einem gesucht, und bin dabei über die Classic Plugins von Kjaerhus gestolpert. Im Prinzip ist da alles an virtuellen Effektprozessoren dabei, was man schnell und leicht einsetzen kann, ohne ein Vollprofi zu sein. Gerade der Mastering Limiter arbeitet wunderbar. Und die "VST-Plugins" - so heissen die, ist aber keinerlei technische Hürde - sehen wirklich hübsch aus. Es macht Spass, daran rumzuschrauben. Sehr empfehlenswert für alle, die sich die vergebliche Mühe des Podcasts antun wollen. Einen kostenlosen Editor mit VST-Unterstützung gibt es hier.
Weil, Scheitern soll wenigstens schön aussehen.
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Cat Content für Kulturhistoriker
Cat Content für alle anderen gibt es hier. Und wer schon immer mal eine Katze haben wollte, soll bitteschön zugreifen. Oder spenden. Statt Blumen auf den Gräbern meiner Feinde. Einen besseren Contentlieferanten gibt es nicht.
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Sensation! Geheime CSU-Pläne enthüllt!
Eh Marco, sagte ich, Marco, war ich nicht wie ein Bruder zu Dir? Hab ich nicht Dein Amt finanziert? Hab ich Dich nicht eingeladen auf die Kosten von der Rüstungsfirma? Hab ich nicht die Rechnung bezahlt für die Privatschule, und als Du einen Ferrari wolltest, wer hat ihn in Italien besorgen lassen? Marco, ich liebe Dich, aber das mit der Spamaktion auf die Handies, das war gegen die Regeln der Famiglia.
aaAAAAAAHHHHjjjahhhhh, führte M. mein Wort weiter. Vielleicht ging Alfredo die Sache doch etwas zu gach an. Ich hatte viel Geld in M. investiert, und so einen Generalsekretär neu aufbauen, das kostet - wenn man denn überhaupt so ein Exemplar wie M. findet. Aber er hat nun mal versucht, in unserem eigenen Geschäftsbereich sein Ding zu machen. Seit meine Strohleute die Mehrheit bei der Telekom haben...
Don, Don, schrie M.. Don, ich verrate dir ja alles! Ich habe es nicht gewollt! Ich habe es sogar verhindert, glaub mir! Die hatten noch ganz andere Sachen vor! Die Coolen Election Fighter Kings! Western Wave Musik zum Download! Die bloggende Babyratte von der Jungen Union! Das alles war schon geplant, aber ich habe es gestoppt! Nur die kleine Spamaktion ist übriggeblieben, die konnte ich E. nicht ausreden! Glaub mir, Don!
Beweise? fragte ich. Eine Stunde später auf einer leeren, nächtlichen Strasse kam das, was von M. übrig war, in Alfredos Kofferraum - aber es sah aus, als ob es im Benzinkanister transportiert woren wäre, und es roch auch so. Zitternd gab mir M. eine CD-Rom. Und was soll ich sagen: Er hat Respekt vor mir, er hat mich nicht angelogen. Es gab noch ganz andere Pläne als die kleine Spammerei. Das grosse Ramba-Spamabo, die brutalste Form der Wahlwerbung, so übel, dass sie noch nicht mal in Sizilien benutzt wird.
Von der Staatspartei kann man noch was lernen. Hier ein Beispiel (mp3, 1,53mb) was noch hätte kommen können. Und ich geh jetzt erst mal den Beton wegschütten.
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Mittwoch, 14. September 2005
Keine Wahlempfehlung IV
denke nicht an der Artikel, der sofort fertig werden muss. Sondern an den Abend im Nachtcafe fast fünf Jahre zuvor, als Westerwelle da war. Mit dabei waren auch die Jungs von der Schwulenredaktion des Senders, für die aaalles klar war. Westerwelle legte damals in mein Mikrophon ein flammendes Bekenntnis für Minderheiten ab. Vier Jahre später hechelte er Möllemann hinterher. Um ihn dann alleine untergehen zu lassen. Nicht wegen dem Mossad. Sondern wegen der Umfragewerte.
Ich war kurz vor Westerwelles Rückzieher in einer Call-in-Sendung eingeladen, als Vertreter amerikanischer Medien, um zu erklären, was man auf der anderen Seite des Atlantiks davon hält. In dieser Stunde bekam ich den ganzen Sturm ab, den Möllemann und Westerwelle angezettelt hatten. Ich kann mit dem Pack umgehen, ich habe die Beisshemmung von FJS und genug on-Air-Erfahrung. Die anderen hatten sicher weniger Spass als ich. Aber danach habe ich schon ein paar Wochen darüber nachgedacht, ob ich meine Opt-in-Option für den Nahen Osten nicht ziehen soll. Das alles kommt auf dem Heimweg von Möllemann zu meinem Notebook nochmal hoch. Man soll das alles nicht so an sich ranlassen, sagen einem die alten Hasen down in Gaza. Aber an diesem Tag, im sonnigen München ist mir speiübel im Gedanken an den Hetzer und seinen untreuen Helfershelfer.
Ich war nicht überrascht, als Möllemann dann gesprungen ist. Ironischerweise war in dem Stern zu seinem Tod die erste euphorische Besprechung von Liquide. Ich kann ihm nachträglich einen gewissen Respekt nicht verwehren, weil er straight war. Der andere, der ist ein falscher Hund, ein Verräter, der alles für die Quote ist, heute verbaler Brandstifter, morgen Meuchler, das letzte mal Sharon und der Zentralrat, diesmal Kirchhof. Lügen und Betrügen gehört zum Spiel dazu, das kann man nie ganz vermeiden. Aber an der Spitze der FDP ist das die einzige Lebensmaxime und Existenzberechtigung.
Aber um das zu verstehen, muss man diese Leute persönlich erlebt haben. Deshalb kommt die Partei der Opportunisten und Nebenerwerbsdemagogen immer noch über die 5%. Ich finde das schlimm, aber jeder muss selbst wissen, wem er vertraut. Ich wähle SPD, da weiss ich, was ich zu erwarten habe. Wer FDP wählt, sollte besser der Partei nie den Rücken zudrehen. Ich weiss das. Und sie werden es erfahren.
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Eine reingesödert
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Wie in alten Zeiten
Mainz, 12. September 2005:
PrimaCom teilt mit, dass die heute fällige Verlängerung des Seniorkredites durch die Banken nicht erfolgt ist. Die Kreditlinie ist somit zur Zahlung fällig. Die Rückzahlung des Kredites ist aktuell nicht möglich.
Die Gesellschaft teilt weiterhin mit, dass die Verlängerung der Überziehungskreditlinie in Höhe von 15 Mio. Euro für 7 Tage (bis 19. September 2005) durch JP Morgan erfolgt ist. Damit ist die Gesellschaft in der Lage, ihre laufenden Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. PrimaCom ist weiterhin in Verhandlung mit den Kreditgebern um eine Restrukturierung zu erreichen.
Da glühen wohl gerade die VoIP-Drähte zu den Gläubigern. Und die zu restrukturierenden Mitarbeiter laden sich schon mal die Stellenangebote runter. Oder stellen sich auf eine längere Zeit ein, in der sie tagsüber primatv gucken können. Hätten sie sich mal besser rechtzeitig an Ebay verscherbelt.
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Siehe die Zeichen an der Wand.
Denn hinter all der Gier und dem Rausch kommt der Tod. Eigentlich sollten sie das seit der letzten Wahl wissen. Aber sie können nicht lesen, was an der Wand geschrieben steht.
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Montag, 12. September 2005
Keine Wahlempfehlung III
Ich bin kein Chaot. Ich habe nur ein Grundrecht in Anspruch genommen. Aber das zählt nicht. Im Moment bin ich panisch, ich habe Angst. So ein Hubschrauber ist verdammt laut, 10 Meter über den Bäumen, und hoffentlich werfen sie das Zeug woanders runter. Ich habe keine Schutzkleidung an, ich kam ja nur, um meine Überzeugung kundzutun. Ich habe schon was von dem Zeug in der Lunge; ein Gefühl, das ich nie vergessen werde. Sie haben so viel davon eingesetzt, es war ihnen völlig egal, wen sie damit erwischen.
Ich bin mit Freunden und einer Lehrerin da, normale Leute aus einem normalen Gymnasium, nicht weit weg von hier. Keine Ahnung, wo die jetzt sind, verhaftet, niedergeprügelt, irgendwo am Boden und sich die Lunge raushustend. Ich weiss nicht, wie ich zurückkommen soll, ich stehe irgendwo in diesem hässlichen, jungen Fichtenwald in der Oberpfalz, hier und da ein paar andere Leute, und ich weiss nicht, ob ich weit genug weg bin oder sie mich holen. Ich trage einen braunen Anzug und ein weisses Hemd, ich bin kein verbrecher, aber die Staatspartei hat meine Grundrechte ausser Kraft gesetzt, an diesem Pfingsten des Jahres 1986 in einem Waldstück der Gemeinde Wackersdorf in der Oberpfalz.
Ich habe in einer halben Stunde in meinem lächerlichen braunen Anzug und den Budapestern bei der Jagd über die Wurzeln alles gelernt, was man an Staatsbürgerkunde wissen muss. Jeder Mensch hat seine eigenen Erfahrungen, seine eigenen Gründe und seine Vorteile, wenn er die Partei seines Vertrauens wählt. Mancher mag sich von Hartz IV oder der doppelten Staatsbürgerschaft oder der Homoehe oder dem Spitzensteuersatz bedroht fühlen. Das sind dann die Leute, die bei der Ausübung ihrer verfassungsmässigen Rechte noch nie durch einen Wald voller CS-Gas gejagt wurden, auf Befehl der CSU.
Ich wähle die Leute, die damals an meiner Seite gerannt sind.
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Soll ich
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Jetzt geht der Scheiss schon wieder los.
Wir hatten den Flickr-Verkauf.
Wir haben Bernd Kolb bei T-Com.
Wir haben Alex Falk auf freiem Fuss.
Und jetzt kauft Ebay auch noch Skype für schlappe 2,6 Milliarden Dollar. Zur Erinnerung: Skype hat gerade mal 7 Millionen Dollar Umsatz. Und nach optimistischen Einschätzungen 6 Millionen Nutzer. Jeder Nutzer geht damit (inklusive Zukunftshoffnung auf einen emerging market) für 433 Dollar über die Ladentheke.
Der Fluss, den man da für das Vorbeitreiben der Leichen brauchen wird, muss erst nochmal ordentlich ausgebaggert werden - zur Erinnerung: Voice over IP ist schon etwas länger auf dem Markt, und ich sehe nicht, dass sich das mit Skype durchsetzen wird. Ein kleiner Markt, Ebay ist der Aussenseiter, und viele grosse Player. Das ist der Stoff aus dem ökonomische Katastrophen gemacht werden.
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MTV-0
:::::::::: :::::::::: :::::::::: :::::::::: :::::::::: :::::::::: 120 Punkte, playing: Pizzicato Five, Tokyo mon amour.
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Das Äntschie ist auf Abschiedstournee
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Sonntag, 11. September 2005
Real Life 11.09.05 - offene Denkmäler
Es ist nicht ganz uneigennützig. Offen sind vor allem Häuser, die gerade saniert und als Wohnungen verkauft werden. Davon gibt es in der Stadt einige; vom späten Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, vom niedrigen Bauernhaus bis zum Bürgerhaus. Aber anschauen kostet nichts, so schnell kommt man dann nicht mehr hinein, also kommen die besseren Leuten mitsamt Kindern und quälen sich alte, verschachtelte Treppen hoch, hinein in die kleinen Kammern der alten, bald wieder in neuem Glanz erstrahlenden Gebäude.
Mitunter fragt jemand nach Preisen und Kosten. Wenn man so ein altes Gebäude macht, sind die Kosten hoch, aber die Preise machen es rentabel. Schliesslich ist die Altstadt die kommende Wohnlage, sagt eine Frau in einem halbfertigen Bad, und du gibst ihr Recht. Sie hat die Wohnung schon jetzt für ihre Tochter gekauft, die mit Laptop und Digicam den Auftrieb in ihrem neuen Zuhause dokumentiert. Sie ist stolz auf die 50 Quadratmeter Altstadt. Du beglückwünscht sie, lobst die Wohnung, und sie sagt, dass nun leider schon alles weg ist, die Dachwohnung wurde heute morgen verkauft. Du lässt vorsichtig einfliessen, dass Du schon über 40 Zimmer in der Altstadt hast, sprich, einen der wenigen Stadtpaläste in Familienbesitz, und sie sagt, dass du ja dann Millionär bist, was so nicht stimmt. Schliesslich kann man von einem Stadtpalast nicht abbeissen, und verkaufen käme nie in Frage.
Während unten die Massen über die Balkone pilgern, verschweigst du Mutter und Tochter all die Schattenseiten: Die maroden Leitungen, den Arbeitsaufwand, das alles am Laufen zu halten, den Ärger mit der Elektrik, und was es bedeutet, wenn man eine Wohnung gestrichen hat und am nächsten Tag die gesamte Farbe abgeblättert ist, weil die Grundierung auf Leimbasis war. Und du sagst ihnen auch nichts über die kommenden Frustrationen, wenn sie über diese schmalen Treppen nur die Hälfte der Möbel nach oben bekommen. Du erzählst ihnen, wie das ist, wenn man endlich alles beisammen hat. Und dann fällt Frau Mama auch ein, wer du bist - der junge Porcamadonna mit dem Buch - und du gehst in dem Wissen weiter, dass sie sicher nichts dagegen hätte, wenn ihre Tochter mal auf die Idee käme, dich zu heiraten. Weil so ein Hausbesitzer, der ist schon was.
Draussen drängeln sich schon wieder die nächsten Clans, alle sauber angezogen und ziemlich komplett, und es ist mehr als nur Neugier, as sie hierher treibt. Sie wollen sehen, was man aus diesen alten Häusern machen kann, die lange Jahre vor sich hin rotteten und jetzt wieder in grün für Handwerkerhäuser, rosa für die bessere Gesellschaft und gelb-weiss für Adel und Kirche wiedererstehen. Sie sehen den Glanz der alten Epochen, sie erleben den Stolz der Besitzer, und die Begeisterung, aus alten Kaluppen wieder Schmuckstücke für dieses altbayerische Schatzkästchen zu machen. Die Bauherren, die du triffst, haben noch so viel Leid und Mühe vor sich, du sprichst ihnen Mut zu, und einer, der im Trachtenanzug an der Tür seines Hauses die Besucher empfängt, hat wirklich bei allen politischen und weltanschaulichen Differenzen deinen Respekt verdient:
Denn eigentlich ist so ein spätgotischer Dachstuhl rettungslos verloren. Hier rächt sich die Klassengesellschaft der Mittelalters: Wann immer Baumaterialien in die Stadt kamen, mussten sie zuerst den Vertretern des Herrscherhauses, dann den Kircheninstitutionen, den Adligen, danach den Bürgern und erst zum Schluss den Bauern und Handwerkern angeboten werden. Das heisst, dass das beste Material nur in die Paläste und Kirchen kam; dein Dachstuhl des Jahres 1600 etwa ist heute noch ohne jeden Schaden. Der Dachstuhl hier im Bauernhaus ist dagegen eigentlich ein Fall für den Bauschutt. Nicht mal der Denkmalschutz hätte den Abriss verhindern können.
Aber der neue Besitzer und Architekt hat das nicht eingesehen. Nur die wirklich unrettbaren Teile wurden nachgesägt und ersetzt, der Rest blieb erhalten. Der Mann kämpft um jedes Detail der Geschichte, die Farbschichten werden gesichert und alte Türen wieder eingebaut. Es ist einer dieser Fälle, bei dem sich viele nicht vorstellen können, warum sich jemand das alles antut, den Staub, die Dokumantation, die Debatten mit den Ämtern um jedes Detail. Aber es ist für ihn und auch für dich, der du fast sein Nachbar bist, ein Stück Heimat, das es zu erhalten gilt. Es ist nicht die falsche Jodlertradition dieses Landes, es ist nicht die historische Bedeutung des Palastes, es ist einfach nur der zähe Wille eines Menschen in der Provinz, die ganz normale Geschichte normaler Menschen nicht vor die Hunde gehen zu lassen. Wenn Tradition und Konservativismus immer so wäre - würdest du die dazugehörige Partei wählen.
Ist es aber nicht. Und die Partei lässt jeden dahergelaufenen Bauinvestor die Häuser entkernen, was im Prinzip nichts anderes als ein Abriss hinter einer Restfassade ist. Bleibt nur das Zusammenhalten derer, die um jeden Balken kämpfen. Aber davon gibt es zum Glück noch viele in dieser Stadt. Und dadurch Preise, mit denen das Ganze kein Verlustgeschäft wird. Bayern halt. tradition und Geschäftssinn sind nichts Schlechtes.
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Zensur? Gibt es nicht.
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 11. September 2005
Keine Wahlempfehlung II
Regensburg hat eine phantastisch erhaltene Altstadt und Unmengen an historischer Bausubstanz des hohen und späten Mittelalters, als es ein Zentrum des Orienthandels war. Bis ins 14. Jahrhundert hatte die hiesige Kaufmannschaft quasi ein Monopol für den Handel mit byzantinischen und asiatischen Seidenstoffen, und die Nachfrage der Kirchen und Fürsten war immer grösser als das Angebot. Ab Mitte des 13. Jahrhunderts entstand hier ein Dom, der den Weltruhm der Stadt dokumentieren sollte. Im späten Mittelalter ging es dann wirtschaftlich bergab, die Türme des Doms wurden erst im 19. Jahrhundert vollendet.
Um auf dem zur Donau abfallenden Gelände eine vernünftige Basis zu haben, wurde der Dom auf einem Sockel errichtet. Aus diesem Sockel wachsen die Streben empor, die das Kirchenschiff tragen, und so bildet die Basis Vor- und Rücksprünge. Hier, zwei Meter über dem engen Domplatz, ist auch am späten Nachmittag noch Sonne, und der helle Kalkstein gibt seine Wärme ab. Seit Jahrhunderten, das belegen alte Stiche, sassen Menschen auf dem Sockel, um zu rasten, dem Trubel zuzuschauen oder miteinander zu reden. Die Kirche als sakrosanktes Monument ist eine Erfindung der Gegenreformation, davor war sie eine Art Mehrzweckhalle, in der auch Tanz, Markt oder Strassenstrich häufige Erscheinungen waren.
Es ist also nichts dabei, wenn sich zwei junge Menschen, im leichten Grufti-Look auf so einen Vorsprung in das späte Sonnenlicht des Tages setzen, etwas trinken, reden, und im goldenen Schimmer ein wenig küssen. Sie machen keinen Dreck, sie sind nicht laut, sie sind einfach da und geniessen ihr Leben, und ich stehe ein paar Meter weiter an einem Tor und mache eine Aufnahme eines Türdrachens der frühen Gotik. Das Leben ist schön, im Spätsommer.
Bis dann ein mittelaltes Paar aufkreuzt, das erkennbar seit Jahrzehnten keinen Sex mehr hatte - wünscht man zumindest beiden Partnern, die etwas aus den Fugen sind. Korrekt und bieder angezogen, sicher nicht billig, aber auch nicht schick. Passt zu Eiche rustikal, Rundbogen mit Butzenscheibenimitat und Kachelofen. Der Inbegriff des bayerischen Vollspiessers, CSU-Wähler par Excellence. Sie könnten einfach weitergehen, sie hätten mehrere Möglichkeiten, sich über auf dem Sockel befindliche Leute zu beschweren, aber SIE bleibt zielsicher unter den Grufties stehen, stemmt die Fäuste in die ausgelaufenen Hüftenregion und schüttelt heftig den Kopf. ER bleibt auch stehen, schaut hoch und sagt sehr laut: Oiso na. Und sie: De hom koa Benehma, de Leid. Bleiben stehen, gaffen hoch, und das Mädchen wendet sich verlegen ab.
Ich sage etwas. Von der Basis herunter sage ich etwas Deutliches auf bayerisch, und von meiner kleinen Seifenkiste im Netz sage ich: Ich wähle SPD. Ich wähle eine Partei, die mir als Garant einer offenen Bürgergesellschaft gilt. Ich bin in Bayern aufgewachsen und kenne den Stil-Totalitarismus, den rechte Lehrer und Beamte hier durchsetzen wollen, ich kenne das Menschenbild dieses Packs, dem ich äusserlich vielleicht mehr als entspreche, aber nicht weil die es so wollen, sondern weil es meine freie Entscheidung ist. Ich wähle eine Partei, die den alten Säcken unten und den jungen Grufties oben es überlässt, was für sie der richtige Weg ist, und die es keinem verbieten wird, in der Sonne auf einem Baudenkmal zu sitzen, nur weil es jemand anderem nicht gefällt.
Ich weiss noch, wie die CSU-Hirnverhehrer bei uns an der Schule versucht haben, politische Symbole zu verbieten und Leute auszugrenzen, die anders waren. Es war für den Punk genauso hart wie für den Anzugträger; alles, was anders war, wurde kleingemacht. Wir haben uns gewehrt, wir haben das aufgebrochen. Ich bin längst ein alter Sack und Grufties sind mir als Jugendkultur ziemlich fern, aber ich will verdammt sein, wenn ich jemals eine Partei wähle, die den pöbelnden Spiessern Recht gibt.
In dem Moment, in dem jemand wegen seinem Äusseren und wegen seiner Kultur nicht mehr in der Sonne sitzen darf, in dem Moment, in dem man so etwas erlaubt oder sich nicht wehrt oder für den anderen eintritt, beginnt die Unfreiheit und die Unterdrückung. Es ist verdammt wenig kulturelle Kruste da, und sich dafür zu ehtscheiden ist wichtiger als irgendwelche angebliche Wirtschaftskompetenz, die ich eigentlich mit dem hier vorgesehenen Beitrag heute shitcannen wollte. Aber morgen ist ja auch noch ein Tag.
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Warum eigentlich
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Wer immer das jetzt war...
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