: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 4. März 2006

Winter ignorieren für Fortgeschrittene II

(mal schauen wie lang diese Serie wird, 1816 gab es ein Jahr ohne Sommer, wer weiss...) Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich um diese Zeit herum nochmal heisse Zitone mit Blütenhonig trinke, und zwar in Bayern - nicht in Berlin - und aus prophylaktischen Gründen.



Draussen schneit es weiter, als gäbe es nichts anderes mehr, und ich muss dann durch dieses abscheuliche Wetter auch noch nach München cancelled. Da ist Wegzehrung wichtig, man will ja nicht eingeschneit werden und dann an Hunger und Entkräftung sterben - soll alles schon vorgekommen sein. Deshalb hier das zweite sommerliche Gericht, mit dem der Winter zu bekämpfen ist:

Casarecci d´Oro



Casarecci sind eine sizilanische - oder kalabresische Nudelspzialität, frisch gemacht zu beziehen beim Nudelhandwerker des Vertrauens. Dazu brauchen wir ausserdem:

15 Gramm franzöische Meersalzbutter
100 Gramm Schmand
eine halbe kleine rote Zwiebel
20 Gramm würzigen Gorgonzola
40 Gramm Comte Or AOC, 12 Monate gereift
10 weisse Pfefferkörner
100 Gramm Austernpilze
3 grosse Salbeiblätter
Etwas Rosmarin

Butter auf dem Herd braun werden lassen, Zwiebeln andünsten und den Scchmad dazu tun. Anschliessend den Gorgonzola würfeln und ebenfalls in den Topf. Das wird alles erst mal dünnflüssig, ist aber kein Problem. Die Austernpilze in längliche Streifen zupfen, in etwa so lang wie die Casarecci, ebenfalls hinzugeben. Pfeffer im Mörser eher grob zerstossen, den Salbei und den Rosmarin schneiden, alles reinmischen. Dann die Casarecci auf den Herd, etwa 4 Minuten kochen. Solange schon mal den Comte kleinschneiden und ebenfalls in die Sauce, die kurz darauf schön fest sein dürfte.

Das alles ist für einen essfreudigen Bayern berechnet, den es nicht stört, wenn zu Beginn des Mahles die Pasta auf den Tellerspiegel quillt.



Der Comte und der frische Pfeffer, die machen es. Würzig, fein, gehaltvoll, ohne den allzu typischen Gorgonzolageschmack, aber eben doch mit der richtigen, wild südlichen Note. Es riecht - ganz anders als der Winter da draussen.

... link (9 Kommentare)   ... comment


Lesung in München komplett ausgebucht

Uh-oh, wir werden an der Isar gerade Opfer des eigenen Erfolgs. Was nun? Zweittermin?

... link (2 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 3. März 2006

Ich will sofort meinen Kronleuchter!

Liebe Goya AG, liebe trauernde Aktionäre,

Ihr hättet mir glauben sollen. Ich habe Euch doch gesagt: So ein Laden kann in so einem Slum nichts werden, noch dazu, wenn es eine AG ist. AGs haben schon immer dazu eingeladen, mit den Einlagen der Aktionäre rigide umzugehen, ganz besonders, wenn sie noch nicht mal durch einen Börsengang in ein Regelwerk eingebunden sind. Und dann passiert es eben, dass nach einer ersten kleinen Erschütterung plötzlich der Vorstand kaltgestellt wird und Knall auf Fall die Insolvenz da ist.

Wie man aber auch so doof sein kann zu glauben, dass es beim bau beim Kostenvoranschlag bleibt... Wie man aber auch so blöd sein kann, Anteile einer Firma zu kaufen, die Plakatwerbung macht... Wie man auch so dämlich sein kann, sich an einer Firma zu beteiligen, die einem das Blaue vom Himmel runtererzählt... Ich mein, Pleite 3 Monate nach der Eröffnung, das haben selbst die Versager der New Economy kaum hinbekommen...

Wie auch immer: Die venezianischen Lüster sind toll. Ich hätte gern einen. Euch Aktiönäre wird es vielleicht trösten, wenn Ihr wisst, dass Euer schönes Geld nicht ganz verloren ist, schliesslich würde ich 5% vom Neupreis zahlen. Der typ, der sich das Vermögen des Goya krallen und Euch damit ohne einen Cent dastehen lassen wird, zahlt sicher weniger.

... link (30 Kommentare)   ... comment


Winter ignorieren für Fortgeschrittene

Belegen, überbacken,



essen, und dabei nicht aus dem Fenster schauen. Nebenbei eine italienische Oper hören. Rossini etwa.

... link (14 Kommentare)   ... comment


Danaum fatale munus

Frau Mama, Mittwochs, am Telefon: Ich habe dir übrigens für deine schöne neue Butterdose frische Butter* beim Bauern gekauft. Die modeln noch mit der Hand, und deshalb passt er genau in die ovale Form.
Don Alphonso: Uh-oh, danke, Frau Mama, aber ich bedaure, ich war gerade auf dem Wochenmarkt und habe französische Meersalzbutter erworben, und so viel Butter brauche ich nicht, ist ja nur zum kochen.
Frau Mama: Ah ja. (Wechselt das Thema)

Frau Mama, Donnerstags bei der Besichtigung des Fortgangs der Restaurierungen: Wie sieht denn jetzt das neue geputzte Silber aus Pfaffenhofen aus? Ach ja. Sohn, Du solltest aber die Butterdose nicht im Freien stehen lassen, das tut der Butter nicht gut.
Don Alphonso: Ich habe die Butter noch gar nicht reingetan.
Frau Mama: Ach? Nun, dann kannst Du sie mir ja kurz (packt die Butterdose mit raschem Griff und steckt sie in die Tasche) leihen, wenn Du sie noch nicht brauchst. Du kannst sie nächste Woche wieder holen, ich brauche sie ja nur für die handgemodelte Butter. So, nachher kommen übrigens die 10 Ster Holz, hoffentlich schneit es nicht. Na, wird schon gehen.

*Ich verwende hier das korrekte, feminine Geschlecht für die Butter, will aber nicht verschweigen, dass meine bayerische Dialektgebundenheit mich in der Regel dazu bringt, über den Butter zu sprechen. In Bayern ist der Butter (sprich: da budd´ah) nämlich, wie im Italienischen, männlich.

... link (4 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 3. März 2006

Der Tag, an dem die 10 Ster Holz kamen

und hinter das Haus meiner Eltern gebracht werden mussten, hatte zwei Phasen ohne Schneefall.



Die eine, als ich zu meinen Eltern gefahren bin, und die andere während des Rückwegs zum Stadtpalast, über dann eisglatte Strassen. Dazwischen gab es 8 Zentimeter Neuschnee. Manche sagen, sowas macht Naturburschen erst richtig hart. Andere sagen, so ist das Leben in Bayern. Ich sage, es gibt zwei Arten von Menschen; die einen trinken am Kachelofen den Tee, und die anderen bringen im Schneesturm das Holz nach hinten.

... link (10 Kommentare)   ... comment


Bayern verstehen

ist nicht immer einfach - selbst bei mir setzt es manchmal aus, wenn ich auf Oberpfälzer treffe. Die Oberpfalz ist für Bayern das, was der Ostfriese für Deutschland und der Burgenländer für den Österreicher ist. Aber um einen Eindruck vom Wesen dieses Landes zu bekommen, empfiehlt es sich, zur Wiege des bayerischen Herog- und Königstums zu gehen, nach Scheyern, einem kleinen Ort in der Holledau, rund 40 Kilometer nordwestlich von München. Das dortige Kloster ist den Wittelsbachern, deren Burg gleich um die Ecke lag, eng verbunden.

Die ersten drei Wittelsbacherherzöge sind hier begraben, unter anderem auch Herzog Ludwig I. der Kelheimer, der von einem Messerstecher erdolcht, den vielleicht typischsten aller bayerischen Mannstode gestorben ist. Ebenso typisch ist auch, dass man den Mörder nicht erwischt hat, gilt doch Messerstechen in bayerischen Dörfern bis heute als Brauchtumspflege und Zeichen der Mannhaftigkeit, und keinesfalls als Verbrechen.

Kloster Scheyern wird heute noch von Benediktinermönchen betrieben, und ist trotz zeitweiser Säkularisation heute wieder vollgestopft mit Rokokogemälden, goldglänzenden Altaren, juwelenübersähten Reliquien und Heiligenfiguren. Aber statt der im Norden typischen Nüchternheit gelingt es den bayerischen Künstlern nicht immer, die Religiosität rein zu erhalten; allerorten bricht sich das barocke Element, die Lebenslust und die Begierde Bahn - so auch bei dieser Bildstifterin.



Sie will, dass gebetet wir für sie, und sie hat wohl auch allen Grund dafür, denn schon die Kleidung ist alles andere als geziemend für diesen hochheiligen Ort. Ein paar Meter weiter ist ein Partikel des heiligen Kreuzes, aber die Dame lässt ungeniert nur ein dünnes Tuch den schwellenden Busen bedecken, und von da oben, wo der heilige Joseph ist, hätte er einen ganz vorzüglichen Blick aus die Schönheitspfaster, die sie, da können wir uns sicher sein, auf der marzipanweissen Haut aufgebracht hat. Die geschwungenen Lippen und der Blick gehen kaum als religiöse Verzückung durch, zu nah ist der Ausdruck und die Haltung an den unbekleideten Damen der Laszivi, kleiner, schmutziger Drucke, die die lukrative Schattenseite des Buchdrucks und seiner erbaulichen Spiesserliteratur darstellen. Die Perlenkette, die matt auf dem festen Fleisch schimmert, verrät ihren Reichtum wie die Sucht, der Nachwelt als etwas Besseres in Erinnerung zu bleiben, und so überströmt das lebensgierige Wesen der Stifterin bis heute den Raum und spricht den keuschen Gelübden derer Hohn, die tagtäglich zum Morgengebet an ihr, dem verzückten Machsmirnochmal-Lächeln und der fast schon groben Geste der rechten Hand vorbeigehen.

So ist Bayern. So behält man dieses Land und seine Töchter, und besonders die Hauptstadt München in Erinnerung, ein dreistes, ein wenig beschränktes, immer für jede Form von Zerstreuung zu habendes Luxusgeschöpf, das immer mehr nimmt als zu geben und dennoch alles zu tun bereit ist, solange es die Perlenkette nicht abnehmen muss und jemanden findet, der für einen Augenaufschlag für ihre Sünden gerade steht. Und sie weiss, dass sie uns kriegen wird, denn das, was in ihr kocht, bringt auch noch die brennende Hölle zum schmelzen.

... link (26 Kommentare)   ... comment


Die Kronleuchter kommen!

Ende März bin ich wahrscheinlich in der Berliner Region - möglicherweise gerade rechtzeitig, um mir, wie angekündigt, aus dem untergehenden Club Goya einen venezianischen Kronleuchter zu holen. Die Chancen stehen seit gestern recht gut, denn der Aufsichtsrat der AG (höhö) hat neben dem Gründer Glückstein einen zweiten Vorstand installiert: Ein Rechtsanwalt kann sich jetzt mit dem Millionenloch und fehlenden Gehältern der Mitarbeiter rumschlagen.

Hoffentlich gibt es schnell eine Entscheidung, denn ich muss wissen, mit welchem Auto ich komme - die Barchetta dürfte für so einen Millionenprojektleuchter zu klein sein.

... link (18 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 1. März 2006

Fasten und entsagen

tut man in Bayern ganz rustikal und schlicht mit Fisch: Matjes, Viktoriabarsch, Forelle, Karpfen, Zander und Waller. Klar, die Donau ist ja keinen Kilometer entfernt.



Im besten Haus der Stadt. Dazu Unmengen Starkbier saufen, um den Kater zu ertränken. Nachher redet hier der örtliche Staatsparteimensch zu den rosa und waldgrün bekleideten, fetten und verkropften Machthabern, die schon immer da waren. Hund sans scho, de Bayern. Und zum Nachtisch a la Infarct bekommt der Teufel so viele bonbonfarbene TartuffInnen, dass Moliere die Austern wieder hochkommen würden.

... link (19 Kommentare)   ... comment


Real Life 22.02.06 - Kö

Sie ist auch ohne die hohen, mittelbraunen Schuhe ein paar Zentimeter grösser als du. Alles an ihr ist lang, gerade, geradezu beängstigend dünn. Selbst der kurze, üppige Pelzmantel kann nicht verhüllen, dass sie vermutlich nur Sonnenblumenkerne und Salatblätter isst, ohne Essig, Öl und Salz. Noch nicht magersüchtig, vielleicht, aber knapp davor. Und immer noch genug Kraft im Körper, um die Schuhe auf dem Marmor knallen zu lassen. Einen Moment kommt dir die böse Assoziation von den SS-Wärterinnen in B-Movies, dann klappert sie um eine Ecke des messinggoldglänzenden Einkaufspalastes, in eine Richtung, wo auf dem Samt der Schaufenster viel zu dicke Goldarmreifen protzige Steine umklammert halten, kalt und gierig, und darum buhlen, am faltigen Handgelenk einer Düsseldorfer Metzgersgattin oder dem sehnenverknoteten Arm einer ansonsten gut erhaltenen, scheckheftgepflegten, immer noch vorzeigbaren Endvierzigerin vom Reichtum des Mannes zu künden, der den viel zu hohen Preis für diese Geschmacklosigkeit zu zahlen bereit ist.

Während die Schritte in den Gängen verhallen, überkommt dich der Wunsch, bei all denen anzurufen, die sich für zu klein und zu dick halten und ihnen zu sagen, dass es genau so richtig ist, dass diese Hungerkünstlerinnen in der Horizontalen die Pest und in der Vertikalen unzufriedene, im Kern lustfeindliche Spassbremsen sind, dass Essen gut ist und Ausgezehr schon immer was für die Dummen war. Aber während du an dem Schaufenster der Confisserie einen Gedanken daran verschwendest, wie es wohl wäre, wenn du der Elitesse eine geschmacklos grosse Tüte von der zartbraunen Verführung mitbringen würdest, erscheint schon die nächste Harpye, die schon seit Monaten keinen Seefahrer mehr abbekommen hat. Im perfekten Landhausstil, mit hellbraunem Mantel und aufrecht wie eine Standarte in einem Riefenstahl-Film rauscht sie an dir vorbei, den Geruch eines säuerlich-kühlen Parfums hinterlassend.

In München in der Theatinerstrasse gibt es ähnliche Erscheinungen zwischen Theresa und den fünf Höfen, aber nicht so gross, so extrem dünn, so knallig, ein wenig menschlicher vielleicht, weil etwas breiter und fülliger als der heroin chick erlaubt. Das liegt in den Genen, aber auch in der Art; auch wenn sie alle der gleichen Klasse angehören, die gleichen marktradikalen Idiotien äussern, die sie nicht verstehen, und mit allem zufrieden sind, solange nur ihre 10% 90% von Allem besitzen, und sie die Einkäufe in solchen Goldbunkern machen können, während draussen der Mann wartet. Es ist überall das gleiche, kennst du eine Passage, kennst du alle, du hast zu viel Zeit deines Daseins an solchen Orten verbracht, und so gehst du den gleichen Weg, den auch schon die Standarte langmarschiert ist, links, zwo drei vier fünf, und bist in Gedanken ganz beim warmen Fleisch einer Frau, die ganz anders ist und nach Wärme duftet.



Draussen, vor der Passage steht ein Rolls Royce Cabrio von der Baureihe, wie ihn auch der Bauunternehmer eine Querstrasse weiter in der Provinz hat, neben seiner Ferrarisammlung. Der Mann am Steuer macht keinerlei Anstalten, aufzustehen und der Standarte den Wagen zu öffnen; statt dessen reisst sie selbst die Tür auf und lässt sich, ungelenk wie viele dieser dürren Menschen sind, auf den Sitz fallen. Er redet, aber nicht mit ihr, sondern in sein Handy, auch noch später, als du schon ein paar Häuser weiter bist und er immer noch dort steht, ein dummer schwarzer Rolls mit einem Handynierer am Steuer und einer klapperdürren, hellbraunen Standartenfrau neben sich, die vielleicht gar nicht begreift, dass Geld nicht zwingend Manieren ersetzt, als sich nichts verändert und die Zeit festgefroren auf dem Asphalt hinter der Kö ist, greifst du zur Kamera und drückst ab.

Du musst lächeln, und bist in diesem Moment sehr verliebt.

... link (45 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 28. Februar 2006

Ostimmobilie in Bestlage.

Kennzahlen: Leipzig, 40% Leerstand, 78 Millionen investiert, 22,3 Millionen Restwert, 25 Millionen Schulden, Rest Anlegergelder. Sowas nennt man, glaube ich, im Jargon eine attraktive Gewerbeimmobilie. Durchschnittsinvestition pro Investor 53.000. Manchem Starnberger Zahnarzt wird heute sein Nachmittagstee nicht schmecken. Und Töchterchen bekommt jetzt keinen hübschen Boxter S.

... link (20 Kommentare)   ... comment


Mag einer "Merkel-Faktor" sagen?

5,048 Millionen Arbeitslose. Und, wo bleibt der tolle Einfluss, der Ruck, den die Union durch das neue Kanzler entdeckt haben wollte? Ichfragjanur, 100 Tage danach.

... link (30 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 27. Februar 2006

Überhaupt

ist Podcasten die Renaissance der Totgeburt Bürgerradio.

aus der serie kalauer die ich loswerden musste

... link (7 Kommentare)   ... comment


Kurz notiert, für die Nachwelt

Vodafone schreibt 41 Milliarden ab, vor allem wegen deutscher Investitionen. Jaja, der Zukunftsmarkt Mobilfunk. Weniger Wettbewerber als im Internet, dafür um so grössere Abschreibungen. Mehr als die Neuverschuldung des Bundes. Aber hallo. So viel Geld mit so kleinen Geräten. New Economy at it´s best.

... link (8 Kommentare)   ... comment


Lesungen und ihre Verweigerer

Vermutlich sass an den Lagerfeuern des Paläolithikums schon einer, der prima Geschichten erzählen konnte. Und abseits davon sass einer, dessen Faustkeile zwar ziemlich gut waren, aber nach einem Tag Feuersteinbearbeitung nichts zu sagen hatte, ausser über Feuersteine. Der hat vermutlich damals auch schon gemeckert, wenn er am Abend beim gebratenen Mastodon keine Aufmerksamkeit gekam. Historiker wissen, dass sich die Geschichte bei allem technischen Fortschritt nicht weiterentwickelt - und deshalb wird diese alte Frage, wer denn nun besser kommt, der Geschichtenerzähler oder der Tekkie, an der Blogbar erneut aufgetischt.

... link (28 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 26. Februar 2006

Die Wespe und die Globalisierung des Niedergangs

Unter irgendeinem schlecht gehüteten Dach hat sich die Wespe im Nest verkrochen und wartet schlafend darauf, dass die letzte Kältewelle vorübergeht. Im grauen Papier verborgen, schläft sie und träumt vom Frühling, von der warmen Luft, durch die sie gelbschwarz sausen wird, durch die engen Gassen der Altstadt, hinauf zu den Dächern und dann zur Dachterasse, wo der Mensch seine Köstlichkeiten abgestellt hat, die nur auf den Tiefflugangriff der Wespe warten. Sie wird elegant dem gewedelten Halblederband ausweichen, und sich hineinstürzen in den Käse, das Brot, die Tomaten oder den Salat. Träumt sie.

So bekommt sie natürlich nichts mit von der Globalisierung und ihren Folgen und Zufällen. Um es kurz zu machen: Die Wespe muss sich ein anderes Fressen beschaffen, auf meiner Dachterasse wird nichts zu holen sein. Warum? Weil die amerikanischen Immobilienpreise an der Ostküste bei New York auf Rekordniveau sind. Die Immobilienpreise befeuern die Wirtschaft - einerseits. Andererseits bedeutet das für alle Nichtbesitzer, dass sie mit steigenden Mieten rechnen müssen. Oder umgekehrt: Wenn sie nicht mehr für Mieten oder den Kauf ausgeben können, müssen sie eben kleinere Wohnungen nehmen.

Kleinere Wohnungen bedeuten einen klaren Bruch in der Tradition der Mittelklasse in Neuengland. Bislang wuchs der Wohnraum stetig an, jetzt ist plötzlich Schluss damit. Der Raum muss ökonomisch genutzt werden, obwohl mit immer grösseren Fernsehern und vielen technischen Geräten der Platz weniger wird. Und dann erben sie auch noch das alte Zeug ihrer Verwandten. Darunter ist die verschwenderische Fülle der silver plated Hollowware, des versilberten Tischzierats, der nach dem zweiten Weltkrieg bis in die 70er Jahre eines der wichtigsten Mittel zur Repräsentation des Familienvermögens war. Angepasst an englische Vorbilder, aber viel grösser und üppiger, stapelten sich glänzende Terrinen, Warmhalter und Tabletts in Küchen, die man heute in Zeiten der Mikrowelle kaum mehr nutzt.

Und so kommt es, dass in Amerika die Mittel zur Repräsentation nicht mehr geschätzt werden, und im Überfluss vorhanden sind. Bei den Auktionen in Swedesboro/New Jersey gehen die Stücke, die Erben eingeliefert haben, nicht mal mehr zum Limit weg, und so wird der Stolz des Mittelstandes in Neuengland billigst in Kisten verpackt und nach Europa geschickt, wo man es noch unter die Leute bringen kann, und landet dort im Spätwinter auf einem Flohmarkt in Pfaffenhofen.



Schalen, Anrichten, Kerzenhalter, Saucieren, Preise für Golfturniere, Tabletts, Warmhalter, Brotkörbe und Butterdosen, grosse Namen wie Towle, Oneida, F. M. Rogers, Sheridan, Lunt Silversmiths, WM Rogers und E. & J. Bass, übereinandergeworfen, teils noch in Kisten, auseinandergerissen und durchwühlt und doch liegen gelassen. Hier, im letzten Schneegestöber des Jahres, endet die Odyssee des globalisierten Niedergangs der Bürgerlichkeit. Denn an dieser Stelle betrete ich die Bühne, und obwohl ich auch keinen Platz mehr habe, fällt mir beim Betrachten der diversen Sevierschalen mit ihren Deckeln ein, dass es trotz allem Sommer werden wird, und beim Essen auf der Dachterasse diese Stücke ganz vorzügliche Dienste erweisen könnten - gegen Auskühlen der Speisen, und gegen Insekten. Aussuchen, verhandeln und den lachhaft niedrigen Preis bezahlen sind eins, das Putzen hingegen nimmt den halben Nachmittag in Anspruch.



Und so endet, was mit der Immobilienblase in den USA beginnt, mit einem bösen Erwachen der Wespe. Und vielleicht auch derer, die bald vor wertlosen Immobilien sitzen, in einem Haufen veralteter Gadgets, und ohne irgendeinen Gegenstand, der seinen Wert durch die Jahrhunderte hält.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Dirt Picture Contest Bavarese - Chorknaben

Anderswo geht es Sprayern ums Angeben, um krasse Sprüche, um das Posen, um einen linken politischen Inhalt, oder einfach nur ums Ficken. Aber hier ist allertiefstes Bayern. Und die Spraydosen werden hier von Ministranten geführt.



Morgen vielleicht "Zölibat rules!". Oder "Sex geht gar nicht". Oder "St. Wallburg hat das beste Wasser, da ist Vodka ein Dreck dagegen".

... link (8 Kommentare)   ... comment


Launiges, Laune verderbendes.

Wer denkt, er sei ein armer Hund, wenn er bei Google in Tokio ein Hotel sucht, sollte erst mal eine aus Thailand stammende antike Bronze eines Engels kaufen und dann zur weiteren Information bei Google Bildmaterial zu "Thai Angel" suchen.

... link (1 Kommentar)   ... comment


Hölle Flickr

Es sagt ziemlich viel über unsere Zeit aus, dass es Leute ohne alle Bedenken wagen, einen abzulichten und das Bild zu veröffentlichen, aber nicht den Mut und den Anstand haben, zumindest mal Hallo zu sagen - wenn man sich schon mal begegnet. Das und anderes, populäre Irrtümer und Antworten an der Blogbar.

... link (10 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 25. Februar 2006

Screams in the Attic

Langsam, nur alle paar Tage durch erkennbare Fortschritte, nehmen die Räume im Piano Nobile, im ehemaligen Conventsaal der Gesellschaft, ihre endgültige Form an. Und es wird noch mindestens einen Monat dauern, bis alles fertig ist, und auf historischem Boden ganz banal gekocht, gegessen und eventuell auf dem Küchentisch



Derweilen nimmt die Freude mit dem Mietern ein Stockwerk unter mir gar kein Ende. Eigentlich gedachten sie von sich aus zu gehen. Eine schriftliche Kündigung liegt bisher nicht vor, dafür aber ein Versuch, Ende des Monats ohne Fristen einfach so zu gehen. Der Grund: Sie haben eine neue Bleibe gefunden, aber bis das sicher war, natürlich noch nicht schriftlich gekündigt. Jetzt soll es plötzlich sofort sein. Falls das nicht geht, haben sie schon mal Mietminderung angekündigt. Denn im Bad, das sie mit ihrer Waschmaschine neben der darunter gelegenen Küche unter Wasser gesetzt haben, schimmelt es jetzt - kein Wunder, wenn das Wasser ein paar Stunden Zeit hatte, in den Boden zu ziehen.

Natürlich wollte ich mir das mal anschauen. Woraufhin mir mitgeteilt wurde, dass ich erst mal eine schriftliche Ankündigung meines Kommens schicken sollte. Das ist korrekt, so ist die Gesetzeslage, und es ist auch nicht verboten, den Gruss nicht zu erwiedern, wenn man sich auf dem Gang trifft. Wenn ich aber läute mit der Bitte, dass sie nach vier Tagen vielleicht bitte ihr Regal wieder reinstellen, das vor ihrer Tür und damit in meinem Aufgang steht, öffnet keiner. Es wäre legal, das Ding in den Sperrmüll zu tun, aber ich bin nicht so. Nur in Gedanken.

So sind sie, die Mieter. Zum Glück ist bald alles vorbei, Mitte/Ende März dürfen sie gehen. Hauptsache sie sind weg. Und dann? Ich bin formal nicht der Besitzer des Hauses, das sind meine Eltern. Und deshalb werde ich die riesige Wohnung mieten. Ein Zimmer brauche ich ohnehin als Gästezimmer, und den Rest werde ich untervermieten. Damit ich auch in Zukunft in meinem Stammhaus hingegehen kann, wohin ich hin will. Damit ich weiss, wer drin wohnt. Damit wieder gegrüsst wird. So war das schon immer bei uns.

Wer jetzt vielleicht Mitleid mit den Mietern hat: Kein Grund, kein Anlass. Im Laufe diverser Telefonate kam nämlich heraus, dass manche Mieter die Wohnung als viel zu teuer empfinden. Obwohl bei uns seit 12 Jahren die Miete nicht mehr erhöht wurde und die Mietpreise hier im gleichen Zeitraum im Durchschnitt um 20% bis 40% in den Toplagen gestiegen sind - es gibt hier bei WG-Zimmern Preise bis zu 18 Euro/m², und die auf den Universitätsrang geile Stadt flennt Leuten wie uns die Ohren voll, wir sollten bitte auch noch das letzte Kämmerlein an Elitessen vermieten. Auch vor 12 Jahren war die Wohnung schon günstig, und heute ist es unmöglich, eine Wohnung für diesen Preis zu finden. Wie sich jetzt herausgestellt hat, beruht der hohe Preis auf einem Trick: Die Hauptmieterin, die vor ein paar Jahren den Mietvertrag übernommen hat, hat sich der alten Bewohner entledigt und Bekannte reingeholt. Und für die untervermieteten Zimmer Preise verlangt, die so hoch sind, dass sie selbst nicht nur nichts zahlt, sondern auch noch einen Überschuss erzielt. Da war das Erstaunen auf beiden Seiten gross.

Die Mauern und Fussböden sind selbst hier oben "in the Attic" immer noch hübsch dick, wie es nun mal bei 9 Meter hohen Dächern so ist. Ich würde es nicht mal hören, wenn sie da unten die Hauptmieterin nach Jahren der Wucherei häuten und dann in kleinen Stücken auf dem Herd braten würden. Sollten sie es tun - jo mei. Solche harten, aber effektiven Vorgehensweisen wurden von den Bauherren dieses Hauses nicht abgelehnt, im Zweifelsfall kann man sich auf Brauchtumspflege rausreden.

... link (5 Kommentare)   ... comment