: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 20. Juni 2006

Umsonst ist alles Streben

Die Elitesse, die unter dem Bildrand so ziemlich den ganzen Nachmittag und Abend brav gelernt hat, ist jetzt verschwunden und macht wahrscheinlich in ihrer kleinen Wohnung weiter. Ich weiss nicht, ob ich vor so viel Zielstrebigkeit nicht ein wenig Achtung haben sollte, aber irgendwie sind mir solche Leute suspekt. Denen bleibt natürlich nichts anderes übrig, die nächsten Prüfungen kommen bald, und ausserdem sitzt sie zu weit unten und in die falsche Richtung, um einen Moment innezuhalten vor der Schönheit des Abends.



Einer ihrer Kollegen geht die Treppe hoch und vergewaltigt dabei mit seinem Pfeifen eine unschuldige, gar nicht so üble Melodie von Haydn, der - wie der bekannte Onkel Joschi - nix dafier konnte. Vielleicht, wenn alles vorbei ist, pfeift er ja weiter - aus dem letzten Prüfungsloch. Und ich sitze hier und warte auf den Anruf von B., die immer noch da ist, weil ihr Auto erst morgen den seit neun Monaten überfälligen TÜV bekommt.

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Wir haben den Grössten und werden Welt

Es gibt, wenn man in einem nicht ganz unprominenten Haus wohnt, so ein paar Belästigungen, die man sonst nicht kennt. Die klassische Form kommt mit Reiseunternehmen und Führungen. Die kleine Stadt kann man schlecht mit dem Bus durchfahren, also kommen sie zu Fuss, bleiben vor dem Stadtpalast stehen, und dann wird erzählt und geknipst. Und das, obwohl die Geschichte des Palastes, nüchtern betrachtet, eine aussergewöhnlich miese Angelegenheit ist; im traditionell reaktionär versifften Altbayern gibt es kaum ein Gebäude, das so viel Abartiges, Verkommenes und Krankes in sich beherbergte. Irgendwann vielleicht wird man zur Kenntnis nehmen, dass die Gesellschaft Jesu und besonders die hier intellektuell den religiösen Wahn und alle seine Folgen planende Seitenlinie nichts ist, was sich idyllisch in einen netten Rundgang einbauen liesse. Ungerechtigkeit bewegte seinen Bauherrn, die Allmacht der Totalitären richtete ihn auf.

Der berühmteste Bewohner jedenfalls findet heute noch glühende Bewunderer, und manchmal, wenn ich vom Einkaufen komme und die schwere, alte Tür aufschliesse, durch die man sein Kadaver hinausgetragen hat, kommen die Mutigsten dieser Gruppen herüber und wollen, ähem, mal reinschauen, und, äh, kann man vielleicht auch das Zimmer, wo... NEIN. Manchmal wünsche ich mir so ein Schild.



Ich habe einmal eine Gruppe reingelassen - nie wieder. Touristen, zumal mit christofaschistischem Hintergrund, sind die Pest. In diesen Tagen des Sommers 2006 hätte ich gern aber auch noch ein anderes Schild, auf dem stehen sollte: Flaggendeppen verpisst Euch. Gestern nämlich kam mal wieder einer auf mich zugedackelt, fett, gelbes T-Shirt und Bermudahose, und ich dachte schon, da kommt der nächste Societasfreak - aber nein, er hatte einen anderen Wunsch. Nämlich, wo das Haus doch so eine schöne Stange hat, warum da jetzt eigentlich keine Deutschlandfahnde dranhängt.

Wer historisch etwas bewandert ist weiss, dass Fahnenstangen an Häusern erst im 19. Jahrhundert aufkamen; davor hat man die Fahnen aus dem Fenster gehängt. Fahnenstangen stammen meist aus der Zeit des deutschen Reiches und wurden gern bei Paraden benutzt, oder wenn einmal der Kronprinz kam. Den hat mein Clan sogar einmal in das besagte Zimmer gelassen. Paraden gingen bei uns oft vorbei, schliesslich lag die Kaserne gleich daneben. Und darüberhinaus hatte mein Clan einen erhöhten Anpassungsdrang, was dazu führte, dass man am entsprechend grossen Haus eine Fahnenstange anbringen liess, die damals zu den grössten der Stadt gehörte.



Es folgte Gold gab ich für Eisen und Blut für das süss zu besterbende Vaterland, dann war eine Weile Ruhe, dann, 1944, als der Clan zwischen London, Bergen-Belsen, Franken, Tel Aviv und Kanada zerstreut und kein einziger mehr hier war, die Hakenkreuzfahne der sich als solche dünkenden neuen Eigentümer, die 1945 dann auf weisse Fahnen umstiegen und ein beschleunigtes Restitutionsverfahren einleiteten - was man halt so tut, wenn der frühere Besitzer im amerikanischen Jeep kommt und eine Maschinenpistole dabei hat. Und ein gefürchteter Jäger ist.

Die letzten Soldaten, die an dieser Fahnenstange und dem daran hängenden weissen Leintuch vorbei kamen, waren in einem Fuhrwerk, von dem meine Grossmutter ab und an erzählte. In der Kaserne hatten sich ungarische Pfeilkreuzler einquartiert, die vor der Roten Armee nach der Befreiung von Budapest geflohen waren. Sie lagen in dem Fuhrwerk, und ihre Köpfe wackelten bei der Fahrt über das Kopfsteinpflaster synchron hin und her, als würden sie am Firmament ein Tennisspiel betrachten. Über die Gründe, warum man gleich ein Fuhrwerk zum Abtransport der Kadaver brauchte, gibt es verschiedene Versionen: Die einen sagen, die Pfeilkreuzler wären an einer Seuche und Entkräftung gestorben, andere reden von einem Massenselbstmord aus Angst, nach Ungarn ausgeliefert zu werden. Nun waren Pfeilkreuzler nicht der Typ Unmensch, der freiwillig gehungert hat, wenn er mit vorgehaltener Waffe stehlen konnte, und Selbstmord passt auch nicht zu ihrem Charakter. Wahrscheinlicher ist also eher die dritte Version: In der Stadt waren zwei KZ-Aussenlager, und die Pfeilkreuzler hatten das Pech, von deren befreiten Insassen mit der ähnlich gekleideten SS verwechselt zu werden.

Wie auch immer: Bei diesem letzten Soldatentransport an der Fahnenstange vorbei waren sicher nicht die Falschen beteiligt, und wenn meine Grossmutter davon erzählte, dann klang immer ein Stück Stolz mit. Es war der letzte Aufmarsch, es war die richtige Fahne, und ich werde ganz sicher nicht anfangen, da noch ein Kapitel hinzuzufügen. Es ist gut, wie es ist. Wer etwas anderes denkt - bitte, es ist noch viel Platz auf dem Fuhrwerken dieser Erde für Arschlöcher, die sich für was Besseres halten, nur weil sie dem künstlichen Konstrukt einer Nation angehören.

Übrigens: Die 3%, die hier bei uns mit aus China importierten Billigfahnen ihr Nationalgefühl durch die Gegend fahren, entsprechen zahlenmässig den 3% unverbesserlichen Nazis in Deutschland. Und ich glaube nicht an Zufälle.

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Montag, 19. Juni 2006

Italienische Verhältnisse

Natürlich ist es nicht optimal, noch um 10 Uhr Küchenmöbel zu streichen, aber was bleibt einem bei dem Wetter schon anderes übrig.



Die Tage wiederholen sich ohne Varianten, selbst Sonntage und Werktage sind ähnlich still, heiss ist es und eigentlich sollte man ohnehin die Aktivitäten zwischen Mittag und Abend ruhen lassen. Angenehm wird es erst, wenn die Sonne untergeht. Schlimme Vorstellung, wie es jetzt in einer verbauten Grossstadt sein muss.

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Real Life 18.06.06 - Der Pralinenstuhl

Wie konntest du, faucht sie dich an, mich mit diesen Leuten allein lassen? Es ist heiss, die Sonne knallt gnadenlos auf den Asphalt, und es war sicher eine Qual, heute in der Kirche mit ihren riesigen Fenstern, fast ein Gewächshaus, beim Konzert zu schmoren. Noch dazu, wenn man allein ist und niemanden zum lästern hat. Und deshalb eben bei diesen Leuten sitzen muss, als wäre man versetzt worden. Und tatsächlich ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass Du nicht, wie versprochen, erschienen bist. Also tust du das, was sich historisch immer noch am zweitbesten nach Geschenken bewährt hat und immer funktioniert: Du weichst aus.

Also bitte, Iris, ich muss schon sagen, diese Leute sind immerhin deine Eltern...

Weich nicht aus, sagt sie, wieso um alles in der Welt kommst du nicht? Du wohnst direkt gegenüber, du brauchst keine Minute hier rüber, wie kann es sein, dass du es nicht schaffst? Und nicht mal anrufst?

Nun, sagst du, ich war, ehrlich gesagt in Pfaffenhofen und habe eingekauft, mein Handy hatte ich nicht dabei, und da habe ich mich eben verspätet und konnte ja schlecht nach dem dritten Satz noch reinschlüpfen, also habe ich die Sachen schon mal in die Wohnung getan und brav, wie du siehst, hier auf dich gewartet. Entschuldige. Bitte.

Streiten macht keinen Spass, wenn der andere nicht mitstreitet, ausserdem ist es zu heiss. Was für Sachen? fragt Iris, und du nutzt die Gelegenheit, mit ihr davonzurennen vor den Verpflichtungen, die hier schlecht angezogen mit Blümchenblusen und zu langen Hosen auf euch eigentlich warten. Schnell die Tür aufgesperrt, Iris in den 2. Stock bugsiert und



Oooooooooh, sagt Iris, ist der, der ist ja, oh ja, der ist ja sowas von, und hopst sofort drauf. Oh. Sag mal, Don, der ist aber sehr niedrig. Sicher zu niedrig für einen Brocken wie dich, ich passe da eher drauf. So kurze Beine. Der ist sicher für kleine Leute. Ist der echt?

Schaut so aus. Der Machart nach zu schliessen so um 1780, die Fassung ist aber relativ neu, 19. Jahrhundert, und der Bezug ist so um 1930. Und er ist nicht so niedrig, der gehört so, das ist ein Pralinenstuhl.

Ein Pralinenstuhl? Was soll das sein?

Naja, sagst du und setzt das hochgebildete Kunsthistorikergesicht auf, im Zuge de 18. Jahrhunderts wurden die Sitten dank Diderot und Voltaire in etwa so, wie wir uns das heute wünschen. Die Aufkläung schritt voran, und man entwarf Stoffe und Möbel, die den menschlichen Bedürfnissen und Leidenschaften entgegenkamen. So auch den Pralinenstuhl. Wie du gerade merkst, ist er eher unbequem, wenn man kerzengerade drauf sitzt. Lümmelt man sich aber hinein, schiebt das Becken nach vorne und spreizt die Beine - komm, mach mal - ist er enorm bequem, weil das ganze Becken auf dem breiten Vorderteil aufliegt, und der Rücken von der Lehne umfasst wird.

Iris tut, wie ihr befohlen, und sagt: Stimmt. So ist er wirklich sehr bequem. Aber was hat das mit Pralinen zu tun?

Ach so, richtig, die Praline sagst du und näherst dich ihr, bis du fast an ihr dran bist. Nun, das mit den Pralinen ist bekanntlich so, dass sie erst gut, wenn sie gefüllt sind...

Dohooon...

jaja, gleich, und um das Füllen der Praline nun geht es bei dem Sessel. Es ist nämlich so: Wenn nun eine Dame auf dem Stuhl sass, wie du gerade sitzt, drückte es den Reifrock nach oben. Ein echter Kavalier nun konnte sich vor sie hinknien, denn der Rock war oben und deine Beine sind gespreizt, und wenn er da kniet, muss er nur noch den Hosenverschluss à la bavaroise aufmachen, der um 1780 ebenfalls modern wurde, die Dame legt dann, wenn die will, die Beine um seinen Rücken, ihre Becken sind auf gleicher Höhe und perfekt ausgerichtet,

DON!

er ergreift die massive Stuhllehne, und dann geht es ans Pralinenfüllen, und das geht da wahnsinnig gut, denn die Dame kann sich zwar fast nicht mehr mit dem Oberkörper und das Becken bewegen, sie ist zwischen Stul, Lehne und seinen Armen fast wie festgeschnürt, sie kann nur noch vor Lust bis aufs Blut kratzen und beissen, so nah ist er, er hingegen kann die Kraft der Arme und Beine zusammennehmen, sie wie ein Wiener Schnitzel durchklopfen und ist beim Pralinenfüllen so nah an ihrem Gesicht dass

DON, hör auf!

Na gut, dann gehen wir eben Torte kaufen.

Gut.

Und schon gefüllte Pralinen.

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Kauft mal für die nächsten vier Wochen keine Platten,

auch keine MP3, CDs, alles, was irgendwie mit den grossen Labels zu tun hat. Einfach nicht kaufen. Es gibt so viele schöne andere Dinge. Lasst sie einfach mal hungern, die Freunde von der sog. Musikindustrie. Wenn ihr meint, wieso, dann lest Euch mal das hier durch. Vielleicht kauft ihr dann auch gar nicht mehr. Man muss ja nicht jeden Dreck unterstützen.

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Samstag, 17. Juni 2006

Wörter, die man mal sagen muss

Traumhaftes Wetter scheint nicht nur die Wespenplage zu verstärken, sondern leider auch den Arschlochanteil unter den Lesern hier - die Stammgäste mögen das erhöhte Aufkommen entschuldigen. Braune Brause, Sponsor von grossen Sportereignissen in Deutschland von 1936 bis 2006 (warum machen die da eigentlich kein Jubiläum? 70 Jahre, egal welche Regierung mit dabei) macht offensichtlich mitunter nicht nur fett und pickelig, sondern eventuell auch dumm, gierig und bereit, dem Leistungsgeber mit Trollereien zu danken, um sich dadurch für weitere Treffen mit Entscheidungsträger und 2nd Vice Advisory Global Marketing Assistent Directors zu qualifizieren. Deshalb, in das letzte Licht des Tages hineingelächelt und das gesagt, was man denen schon lang bei früheren Schleimtouren mal hätte sagen sollen:



Besser hier das eigene Silber polieren, als woanders die Aluklinken der Vorzimmer mediokrer Angestellter putzen. Ansonsten ist das gestrige Gewitter wieder verschwunden und hinterlässt den üblichen blauen Abendhimmel, immer gleich und doch nie langweilig.

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Samstagslektüre für alte Europäer

Ein Teller voll frisch gepflückter Erdbeeren vielleicht, eine englische Kanne Tee, ein Stück Apfeltorte und ein Interview der Süddeutschen Zeitung mit einer französischen Schauspielerin mit einer gesunden Einstellung zu Sex, Liebe, Film und Europa, das alles auf der Dachterasse. Danach Biedermeierstühle mit Stoff von Dedar beziehen, einer Marke, deren Website jetzt schon seit Unzeiten nicht fertig ist, was aber keine Rolle spielt. Deren Kunden müssen meist nicht im Internet surfen, zu denen kommt der Raumausstatter ins Haus - durch den Dienstboteneingang. So ist das, im alten Europa.

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Samstag, 17. Juni 2006

Real Life 15.06.06 - Das grosse Kuchenfressen II

Im Winter ist die Gegend meist wie ausgestorben; der See zieht dann nur Eisläufer und Eisstockschützen an, aber kaum Gäste, die in dieser Gegend gesellschaftlich verkehren. Das ändert sich mit den Osterspaziergängen, und erreicht schliesslich um Sonnwend herum den Höhepunkt. Dann rufen die Bekannten nicht mehr an, um ihr Kommen anzubieten, dann veranstalten die diversen Grüppchen, Kader und Seilschaften eine lange Reihe von Gartenfesten, oftmals, wenn die Dame des Hauses in mehreren Zirkeln verkehrt, die sich natürlich allesamt spinnefeind sind, mehrmals hintereinander. Ende Juni ist es dann zu heiss für diesen Reigen der Eitelkeiten, aber bis dahin wird in den Gärten Kuchen gefressen und Kaffee gesoffen, und wer weniger als zwei Stück nimmt, wird verdächtigt, die Auswahl nicht goutiert zu haben, was das nächste Mal ein Übergehen bei der Einladung zur Folge haben kann. Was dem Berliner sein blauer Dunst über dem verbrannten Rasen des Mauer"parks" ist, ist hier der Geruch von Koffein über sattem, inzwischen oft gezielt verwildertem Grün, in dem man kaum den Schlund in die Geschmacklosigkeiten der Architektur besserer Kreise der späten 70er Jahre vermutet.



Man kann zu solchen Einladungen schlecht nein sagen, weil es als unhöflich gilt, und gerade du kannst diesmal nicht nein sagen, weil du der Sohn des Hauses bist, den Kuchen bringst und das letzte Mal schon geschwänzt hast - es muss übrigens ganz schrecklich gewesen sein, dieser Kreis requiriert sich aus Frauen, die auch nach 40 Jahren des Kinderquälens noch nicht genug davon haben und anderen Ratschläge geben, wie man die Brut am besten für ein Einserabitur abrichtet, und welche der totalitären Anstalten gerade die übelsten Leuteschinder zu bieten hat. Es war wohl wirklich gut, dass du nicht da warst und keine alten Geschichten über den H., den S. und den RR erzählt hast.

Diesmal ist das Motto Frauen mit arbeitendem Mann und missratenen Kindern, die sich vor allem für deutschsprachige Gartenzeitschriften und Kataloge - die Bibeln sind House & Garden und Unopiú - interessieren und damit nicht viel falsch machen können, denn wie das mit der Kreditkarte beim Bestellen geht, das haben sie inzwischen gelernt. Den Töchtern, die traditionell zu Fronleichnam kommen und über das Wochenende bleiben, um endlich mal die Winterreifen wechseln und Papa den kleinen Kundendienst machen zu lassen, wird eingeschärft, dass sie diese Gartenmöbel keinesfalls wegwerfen dürfen, wenn Mama dann doch endlich mal von der 500. eingebildeten Krankheit tatsächlich dahingerafft wird. Auch wenn eigentlich klar ist, dass die Tochter nie mehr als einen 5m²-Balkon ihr eigen nennen wird.

Du wählst Deine Gehässigkeiten so fein, dass Deine Gesprächspartnerinnen fast nicht irritiert sind, kaust am dritten Stück kuchen und schaust auf die Abiturienten-Rolex, wann es endlich so weit ist, dass du dich, ohne allzu höflich zu wirken, vom blumengesäumten Acker machen kannst, da kommt doch noch Rettung in Gestalt von B., die irgendwie von ihrer Mutter erfolgreich zur Teilnahme erpresst wurde. Du lässt Frau S. ziemlich schnell stehen, bringst B. ein Glas Sekt zum Betäuben und später noch eins, und überlegst, ob es

Sie ist noch bis Montag da, und der Anwalt, mit dem sie am Rhein zusammenlebt, muss eine ziemliche Schlaftablette sein, leider wohl genau die Medizin, die sie braucht und letztlich auch will. Irgendetwas ist hier im Grün dieser höllischen Gärten, oder vielleicht auch im Rosa der Torten, das sie vergiftet und ihnen, egal wo sie dann am Ende sind, die Krankheiten des Donautals, das immer und überall ist, mitgibt. Es macht ihr nichts aus, als du ihr erzählst, dass V., wegen dem sie sich beinahe mal ziemlich ernsthaft umbringen wollte, vor einem Jahr ausgerechnet die D. geheiratet hat und jetzt schon mit einem Balg, vor den Bauch geschnallt, sich auf dem Wochenmarkt zum Gespött macht, es ist ihr gleichgültig, da ist alle Hitze und Gier tot, irgendwann verkümmert, und in 20 Jahren, wenn der Wagen dann doch bei einer Vetragswerkstatt und nicht mehr bei Papi ist, wird sie auch solche Einladungen machen, ohne Abgründe und Untiefen, alles wird grün sein und in der Sommerhitze leben, nur nicht sie und ihre befreundeten Kadaver.

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Das Restaurant am Ende des universal schönen Wetters

Blogger.de hat sein hitzefrei überwunden und ist wieder da - aber jetzt muss ich weg, gesellschaftliche Verpflichtungen verlangen meine Anwesenheit, es geht um einen Stoff für einen Stuhl und um Stilberatung, und danach ein wenig Reden über Göttinnen und die kleine Welt, und am Abend nochmal, bei Steinpilzravioli.



Dennoch ist da dieses Gefühl, dass gerade etwas unwiderruflich zu Ende geht. Vielleicht ist es der Leichenwagen gewesen, der drüben im Altersheim eine Frau geholt hat, die niemals Besuch bekam, und auch jetzt war keiner dabei, aber einer kam vorbei und sagte den Sargträgern, na, wieder ein Platz frei, und was bleibt, ist der Wunsch, noch anders auffällig geworden zu sein, nicht nur was sagen, sondern ihm einfach, ohne Worte, kalt und methodisch mit einem der Stahlmülleimer das Gesicht einzuschlagen und plastisch zu verformen, das Knacken der Kiefer zu hören und das Knirschen der Zähne in ihren zu schwachen Verankerungen, nicht umbringen, aber doch so, dass sein Äusseres dem Inneren entspricht und nie mehr die glatte Oberfläche erhält, die all seine Verkommenheit versteckt.

Diese Welt hier ist perfekt, sie hat alles Unangenehme outgesourced und die Konfrontation auf ein Minimum begrenzt, ein Haufen Sperrmüll wird in den nächsten Tagen beim Altersheim stehen und von fern werden verstimmte Glocken klingen, ein paar genervte Leute werden in Schwarz schwitzen und Kinder unbedingt heim wollen, weil sie sonst den nächsten Manga versäumen. Kann sein, dass ich nachher schon gar nicht mehr daran denke, wenn ich von Samt abrate und Gelb empfehle, Mordlust lässt sich nicht lang konservieren, sie lebt von der Unmittelbarkeit und dem Moment, und eigentlich geht es mich nichts an, nur eine Frau, die ich ab und zu gesehen und gegrüsst habe, und dann gibt es auch noch das Wissen, dass nicht alle so sind.

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Freitag, 16. Juni 2006

Man kennt das

Wenn man hier aufgewachsen ist. Da sind diese kleinen, zerrupften Wolken, die ganz schnell kommen, dunkel, und am Horizont ist dieser schwarze Streifen über den Fliederbäumen und Oleanderstöcken, die den Garten begrenzen, und alle schauen auf und machen, dass sie schnell heimkommen, denn die Fenster sind wegen der Hitze im Tal weit geöffnet, damit man Nachts ruhig schlafen kann, befreit von der schwülen, stickigen Luft des beginnenden Hochsommers, der bald unterbrochen sein wird. Und tatsächlich, in der Stadt auf der Dachterasse ist es schon sehr nah, das drohende Unwetter.



grosse Version, ca. 80 kb

Es wird heute Nacht kommen, zuerst die Luftwalze, die die Wolken vor sich herpeitschen, dann der Regen und zum Schluss, weil es so heiss war, der Hagel, der die Felder platt macht und vielleicht auch manches Auto mit einem feinen Muster überzieht. Es wird eine Erlösung sein von der angestauten Hitze, die sich auch in der Nacht in den Dachstühlen festkrallt, und der Staub und all der Dreck der letzten Tage wird verschwunden sein, und dazu heult der Wind in den steinernen Falten der Strahlenkranzmadonna, als wollte er darunterfahren und ausprobieren, ob sie wirklich so kalt und unbeweglich unter all dem Stein ist, sie, die die Schlange zertritt, mit einem Lächeln, das auch etwas anderes sein kann als ein Gnadenbeweis, einfach die blanke Lust am Treten, Töten und Zerstören, die Lust, die sich auch in den Wolken schon gesammelt hat, die kommen wird unvermeidlich und durch nichts aufzuhalten.

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Real Life 15.06.06 - Das grosse Kuchenfressen I

Also, wir brauchen eine ganze Erdbeercreme, dann noch eine Apfeltorte, jeweils eine halbe Sacher, Havanna, Tegernsee, Capuccino, dann die Bombe, so ungefäher 15 Plunder mit Kirsch und Vanille, und was mit Marzipan.... fällt Dir noch was ein?
Nun, Frau Mama, wie wäre es mit Kirschquark?
Stimmt, das wär was für die, die auf Diät sind.
Und was mit Nuss für die Gesundheitsfanatiker.
Richtig. Und dann brauche ich noch ein paar Tortenheber. Du solltest übrigens auch kommen.
Ach nee, ich war gestern Abend schon bei Frau S..
Eben deshalb. Wie sieht denn das aus. Zumindest für eine Stunde, oder zwei, Frau H. und Frau M. bringen auch ihre Töchter mit.
Ach was, B. und G. haben heute sicher was anderes zu tun, zum Beispiel mal wieder Mamas Kühlschrank plündern und Papa den Tank zahlen lassen, ich kenn die doch.
Was?
Nichts.
Kann ich bis um vier mit Dir rechnen?



Fast. Bis auf ein unterschlagenes Stück Erdbeersahne. Übrigens, das Rokoko mit seinen Farben, Schnörkeln, Stukkaturen und Marmorierungen hat in Bayern - zumindest unter Konditoren - nie aufgehört.

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Die Nacht der marschierenden Horden

Bis heute früh um vier: Grölende, hupende, stinkende, besoffene Nationaldeppen mit Fahnen.
Ab heute früh um neun: Quäkende, trotende, alte Religionsfanatiker mit Fahnen.

Selten hat man die Landplagen so auf einem Haufen.

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Mittwoch, 14. Juni 2006

Es gibt noch Wolken

Ein paar. Ganz leichte, schleierartig wie ein feines Nachthemd, durch das man viel erkennt.



Und plötzlich diese Farben, die irgendwie an sattes Fleisch in einem blauweissen Pyjama erinnern. Was es allerdings auf der Dachterasse nicht gibt. Bedauerlich.

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Sehr zu empfehlen - Internet ausschalten

Internet kann beim Stuckatieren wirklich stören - kaum ist man runter von der Leiter, kommt man an der Kiste vorbei und muss schauen, ob was Neues da ist.



Dabei gibt es noch so viel zu tun. Die Kamera könnte man bei der Gelegenheit auch ausmachen. Zum Beispiel.

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Real Life 11.06.06 - 30 Hektar

Am Ende des perfekten Tages meint Iris, dass sie jetzt eigentlich nicht in ein stickiges Gasthaus will. Vielleicht, sagt sie, schafft ihr es ja noch hinauf auf eine Hügelkuppe, um den Sonnenuntergang anzuschauen. Kommt ihr mit, fragt sie die D.-Schwestern, die eine in Ascot-Apricot und die andere ganz in Schwarz, weil sie im Chor gesungen hat, und sie glüht gerade noch vom Auftritt und will eigentlich dringend was Süsses, das braucht sie jetzt. Etwas Süsses, sagst du, hast du im Wagen, beim Gartenfest deiner Mutter ist heute viel übrig geblieben, man könnte also beides haben, Torte und Sonnenuntergang. Gero und Sylvia sagen spontan zu, weil es einfach zu schön ist, um jetzt irgendwo rein zu gehen. Ihr geht zu den Autos, trefft euch unten am Dorfplatz, die Strecke zieht sich kurvenreich durch das schon dunkle Tal und zwei verschlafene Dörfer, bis sie in zwei scharfen Serpentinen auf die Jurahöhe führt.

Hinter der Kuppe fährst du auf einen Feldweg, die anderen halten hinter dir. Du steigst aus, öffnest den Kofferraum, holst die Decke und den Kuchen, der eigentlich für 12 reichen könnte. Die D.-Schwestern, Gero und Sylvia stehen etwas unschlüssig vor der Auswahl, und um die Befangenheit zu nehmen, erzählst Du von dieser grossartigen nacht in Berlin, 3 Uhr war es und schneidend kalt, als ihr zu viert am Heck dieses Wagens gestanden seid und die Kuchenreste verteilt habt, und weil es zu viel war, um das alles aufgetürmt zu schleppen - drei Stücke übereinander gehen noch, vier sind zu viel - habt ihr sie gleich dort gegessen, die Strasse lag wie ausgestorben da, und erst langsam stellte sich bei den Marzipanrollen heraus, wer mit wem diese Nacht wo verbringen würde. So war das, in kalten, finsteren Berlin, also greift zu, Freunde, es geht auch ohne Teller und Gabeln.



Sylvia hat auch noch eine Decke im Auto, und Viola, die jüngere der D.-Schwestern, erweist sich als echte Chorsängerin, als sie aus den Untiefen des Wagens eine Flasche Sekt zaubert. Da sitzt ihr dann, am Rande des Feldwegs und der gesellschaftlichen Verpflichtungen, eine Hand hält den Kuchen und die andere ist drunter, damit es keine allzu grosse Sauerei gibt, Champagnercreme ist da übrigens besser, da kompakter als gedeckte Apfeltorte. Hanna, die ältere der D.-Schwestern, überlegt sich, ob sie nicht vielleicht eine Bar aufmachen soll, in der Altstadt, und eigentlich fehlt da wirklich was, ein Ort, der nicht so pseudomodernistisch gemütlich ist, sondern einfach einen gewissen Anspruch hat.

Dann knirschen Reifen auf dem Feldweg, ein schwerer Geländewagen hält an, es ist der Onkels der D.´s, der ihren Wagen erkannt hat. Er steigt aus, ist ein wenig unschlüssig, ob er sich zu uns setzen soll, so steif, grau und mit roter Krawatte, wie er ist, aber als du ihn bittest, nimmt er auch ein Stück Torte, setzt sich, und beginnt zu erzählen.

Von dem Wald da unten, der ihm gehört. Vier Quadratkilometer. Das war übrigens damals die Jagd von deinem Grosswater, erzählt er, da hinten, Richtung Stadt, da haben sie in seiner Jugend oft zusammen geschossen im Morgengrauen, das war ein feiner Mann und ein guter Schütze. Die D.-Schwestern, leicht anämische Blondinen und durch das Blut hineingeheirateter Franken verseucht, essen kein Fleisch und schauen etwas betreten, als ihr Onkel die Abstinenz der heutigen Jugend von solchen Vergnügungen bedauert, es sei so schön im Hochstand, wenn der Dunst noch auf den Wiesen liegt, allein mit ein paar Freunden und den Hunden, er versteht nicht, wieso wir das heute nicht mehr machen, und gerade du, der du so deinem Opa nachkommst, ein echter Porcamadonna, das wäre doch was für dich, dein Opa liebte die Waffen und das Wildfleisch.

Du sagst wenig, und er redet wieder über den Wald, und dass viele gar nicht wissen, was das bedeutet. Die Rendite ist niedrig, die Arbeit ist hart, man braucht starke Traktoren mit guten Bügeln da drinnen, aber da stehen buchstäblich Millionen, es ist der Kern der Sicherheit, dieser dunkelgrüne Teppich, der im Gegenlicht tiefschwarz wird, bis auf die golden schimmernden Spitzen. Und wenn Viola und Hanna mal heiraten, wird er jeder 30 Hektar mitgeben, so gehört sich das, man darf nicht vergessen, wo man herkommt, man braucht etwas, das einen an das Land erinnert, und natürlich eine Sicherheit, denn nach dem Krieg war das Land die einzige Sicherheit, und wer Verwandte hatte, der musste damals nicht leiden. 1945, 46, da waren die Wälder voller Wild, das kann man sich heute nicht mehr vorstellen, aber das war einer der Gründe, warum es bei ihnen und auch bei uns immer etwas Fleischigs auf den Tisch gab, in der schlechten Zeit.

30 hektar Wald, ist das gut? fragt er, die D.-Schwestern lächeln ein wenig einfältig, aber die Frage hat er an dich gerichtet, und du sagst, ja, es ist gut, das ist etwas, das einem keiner nehmen kann und das immer bleiben wird, und du glaubst auch daran, denn wer sollte es nicht glauben, wenn der Wald auf der Hügelkuppe im letzten Licht funkelt wie eine dünne Brilliantkette. Du gefällst ihm, sagt er, du bist wie dein Grossvater, du wirst einmal ein feiner Mann. Und er schaut seine Nichten auf eine Art an, die dir nicht wirklich gefällt, und einen Moment wünscht du dich zurück nach Berlin, in die kalte Winternacht und den Moment, als jemand drei Nougatrollen aufeinander stapelt und dieses fragile Gleichgewicht mit grosser Könnerschaft nach Hause trägt, um dieselben dann im Bett zu essen, denn alles Gold dieser warmen, unfassbar schönen Welt, in der alles stimmt und jeder seine Geschichte und seinen Platz hat und auch noch in Jahrzehnten haben wird, wenn dann die alt gewordenen Enkel erzählen werden, wie man hier Ehen einfädelt und Dynastien verknüpft, all der Reichtum und die Offenheit der Menschen ist erkauft durch Unabänderliches, und der kleine, zaudernde Moment, bevor Viola sich überwand, den Kuchen zu undamenhaft mit der Hand zu nehmen, ist das Spiegelbild deines eigenen Zögerns, dich auf diese Welt einzulassen - so hübsch ihre spitze, arrogante Nase ist und so golden ihre Stimme klingt, wenn sie Rossini singt, so ist doch eine undurchdringliche Glasplatte zwischen euch, und dem Wald wird es egal sein, denn er denkt nicht in den kurzen Zeiten unseres Lebens, er kennt keine Begierden und Einsamkeit und auch keinen Besitzer, er ist einfach da und wird noch da sein, wenn wir und unsere Wägen und selbst unsere Häuser längst zerfallen sind.

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Dienstag, 13. Juni 2006

Sommer 360°

Der Arbeitsplatz



Die Aussicht



Da, wo die Kamera ist, ist auch das Notebook. Ich hoffe, es wird nicht langweilig.

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Grüne Fensterläden

am besten in einem dunklen Moosgrün, vielleicht aber auch in zartem Nilgrün der 20er Jahre, verschlossen und in sich gekehrt wegen der Hitze des Tages



sind das passende Exterieur für diese wirklich famose Geschichte von Madame Modeste.

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Sommer in der kleinen Stadt

Wer kommt dran?
Bitte, der Herr war zuerst da.
Die Frau hinter der Theke sucht geduldig nach einem passenden Rohling für sein Schloss, fragt dann, ob ich vielleicht noch ein paar Minuten Zeit habe, dann würde sie es schnell machen, und verschwindet nach hinten. Wir reden ein wenig über das Wetter, was für ein schöner, braver Hund das ist, der da so regunglos rumliegt und fast schläft, nur manchmal geht ein Auge auf und linst uns an.



Wir reden über all das und über die Neigung, pfenniggute Dinge wegzuwerfen, statt sie vom Handwerker richten zu lassen, und neues Glump zu kaufen. Wenn ihre 5,99-Euro-Schlösser dann brechen, kommt auch kein chinesischer Schleifer, den den Schlüssel aus billigem Blech gemacht hat, für 13 Dollar Monatslohn, und bohrt ihnen die Tür auf, dann erst rufen sie den Spezialisten. Der auch lieber einmal ein ordentliches Schloss verkaufen würde, als in der Nacht einen Noteinsatz zu machen.

Sie kommt wieder, probiert es, na, ein wenig hakt es noch, Moment, er erzählt, dass er was vom Stahl versteht, er war Meister bei der grossen Firma, seine Hände sind gross und kräftig, und einen Moment frage ich mich, was er damit wohl tun würde, wenn ihm jemand mit der globalisieten Web2.0-Gesellschaft käme. Er bekommt seinen Schlüssel, reicht mir die Hand, und zwar richtig, und geht dann hinaus in die gleissende Sonne. Die Frau sucht meinen Schlüssel heraus, auf den sie drei Millimeter aufgeschweisst haben, und meint, sie hätte leider vergessen, mich anzurufen. Egal, sage ich, sie hätte mich nicht erreicht, mein Handy ist seit einer Woche ohne Strom, ich finde das Ladegerät nicht, und ich wohne gleich um die Ecke. Wenn der Schlüssel nicht passt, soll ich nochmal kommen, sie schleift ihn dann nach.

Natürlich passt der Schlüssel. Und gestern habe ich einen Moment darüber nachgedacht, mein DSL zu kündigen. Ich werde alt.

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Haifischsorgen

Hi.
Hi.
Was machst Du grade?
Ich sitze draussen und schaue der Sonne beim Untergehen zu.



Untergehen ist ein prima Stichwort. Kannst Du mir eine Rechnung schicken?
Was?
Eine Rechnung für Deine Leistungen.
Meinst Du das Ernst?
Ja, für 04 und 05, alles zusammen.
Puh, das war, was war das nochmal, das, jenes, da muss ich mal nachschauen, da kommt aber was zusammen.
Jaja, mach einfach und die Recherche wegen dem D. kommt auch noch dazu, und bitte ganz.
Was ist los? Habt Ihr Marzahn an die Saudis verkauft? Oder Eure Buchprüfer einbetoniert, dass ihr jetzt zahlen wollt?
Ich will nicht zahlen, ich will nur die Rechnung, und zwar morgen, unbedingt. Die Steuerschätzung ist da, und wenn ich die akzeptiere, gehen sie gleich nochmal nach oben, also mache ich die Steuer lieber gleich, auch wegen der Verzugszinsen.
Aha. Und wann soll ich Dir die Mahnung schicken?
Wenn nachher noch was übrig ist. Frühestens. Ich muss gleich mal eintreiben, was geht. Ach so, kannst Du mir vielleicht auch noch 100 Euro mitschicken? Ich muss unbedingt tanken.
Wie wäre es mit radeln?
Mit dem Rad kann ich nicht zum Eintreiben.
60 Tanken, 40 Essen, 0 Fluppen, verstanden.
Jaja, schon gut. Tschüss.

Die Sonne ist weg. Und manchmal wüsste ich gern, ob es auch andere Kollegen gibt.

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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 12. Juni 2006

Sehr zu empfehlen - ein Barockschloss

Wenn bei einem normalen Haus das Türschluss fehlt, geht man in den Baumarkt und kauft ein Neues. Oder ruft den Schlosser an, damit der das einbaut. In der Regel ist das nicht weiter schwer, die Schlösser, Blenden und Griffe sind normiert und sollten eigentlich passen.

Bei einem alten Haus mit alten Türen sieht die Sache anders aus. Der Modernisierungswut nach 1890 sind in unserem Haus gerade mal 15 Türen zum Opfer gefallen, die anderen sind noch original, und auch manche "neue" Tür steht heute schon wieder unter Denkmalschutz. Da ist zum Beispiel eine Durchreichtür von 1890, deren oberes Teil ein aufklappbares Fenster ist. Sehr praktisch, wenn die - meist verschwitzte, stundenlang arbeitende - Köchin aus ihrem dampfenden, mit Feuer beheizten Reich etwas an die Hausdiener zum Servieren übergab. Heute ist das natürlich funktionslos, aber "damals", in der sog. guten alten Zeit, die man sich in ihren schauderhaften Details noch nicht mal als Nachfahre der Begünstigten vorstellen mag, waren solche Veränderungen die Regel.

Wenn diese Tür also noch als Zeugnis einer wenig ruhmvollen Geschichte durchgehen kann, gibt es mitunter echte Verbrechen. Eines dieser Verbrechen geschah gegen 1966, als ein Mieter eine alte Tür als zu schäbig befand und sie auf eigene Kosten gegen eine moderne, glatte Tür ersetzen liess. Und das, ohne überhaupt zu fragen. Mit der Folge, dass dieses Türblatt einfach auf einen Türstock der Zeit von 1846/7 aufgeschraubt wurde. Die handgeschmiedeten Angeln wurden damals rausgerissen, wie auch der Gegenhalter für das Türschloss, und weil der ausführende Schlosser grade dabei war, montierte er auch das Schloss und die Griffe ab. Die alte Tür landete dann im Hof, wodurch meine Grossmutter auf das Verbrechen aufmerksam wurde. Meine Grossmutter war eine sehr sanfte, sehr kinderliebe Frau mit einem grossen Herzen, und diesem grossen Herzen versetzte der Umgang mit der Tür einen Stich. Die Folgen waren so gravierend, dass jeder Mieterschutzanwalt Grund zu einem Dutzend Klagen hätte. Wenn er so dumm gewesen wäre, sich mit einem Clan anzulegen, deren Oberhäupter vor dem Krieg und bis in die 60er Jahre beim Sonntagsausflug im schönen Altmühltal leidenschaftlich gerne Viecher abknallten und in deren Wohnung die Schiessprügel und Geweihe rumhingen wie andernorts heute Ikeakunstdrucke. Ja, es dauerte eine Weile, bis das Recht des Hirschfängers in Bayern abgelöst wurde.

Wie auch immer, der Schaden war da, die Metallteile waren verschwunden, und so blieb meiner Grossmutter nur, den Mieter mit der 12er Schrotflinte zur Strecke zu die Tür in den Speicher zu tragen und auf den Tag zu warten, an dem man so eine Tür wieder braucht. 40 Jahre später ist die "neue" Tür immer noch hässlich und unpassend. Und kaputt. Das heisst, kaputt ging sie erst, als meine Frau Mama sie für nicht hässlich genug fand, um sie auszutauschen. Sowas passiert manchmal. Jedenfalls geht jetzt die alte Tür aus dem Speicher, frisch geschliffen und bald auch bemalt, wieder hinunter. Und das neue Glump, das nicht mal fünf Hammerschläge auf die Angeln aushält, fliegt raus.

Letzte Woche kam dann der Kostenvoranschlag für das benötigte Material: ein handgeschmiedeter Gegenhalter kosten - bitte festhalten - 120 Euro, und ein nachgebautes Schloss nach eher schlichtem Originalvorbild - bitte hinsetzen - 600 Euro. Und wir reden hier nicht von einem massiven Bronzegehäuse mit verziertem Innenleben, sondern nur über ein nach alter Art hergestelltes Eisenschloss mit Riegel. Ohne Handriegel, der würde noch mal 110 Euro kosten. Das sind dann doch Kosten, bei denen man versucht ist, sich wieder an die neue Tür zu gewöhnen - wer weiss denn, ob Mieter sowas nicht ohnehin schöner finden. Es ist normal, dass das Restaurieren einer Tür des 18. Jahrhunderts mehr kostet als ein Tür aus dem Baumarkt, das lohnt sich aber, weil eine gute Tür ohne jeden Nagel, nur aus Holz locker 600, 700 Jahre halten kann und sich nach den ersten 40 Jahren kaum mehr verzieht, aber 830 Euro für ein einziges Schloss - das sind so die Momente, wo man nachdenkt, ob der damalige Verbrecher noch einer irdischen Lynchgerechtigkeit zuzuführen ist. Ist er aber nicht mehr. Gestern nun zeigte sich, dass das Graben in alten Trödlerkisten mitunter sinnvoller sein kann als das Graben im Westfriedhof, um wenigstens nochmal die Knochen zu schänden:





Baujahr geschätzt zwischen 1700 und 1800, damals hatte man diese schrägen Flanken an den Schlössern. Der Korpus ist ein Stück gegossene, massive Bronze, geschliffen und poliert, die Schauben (bitte keine Hakenkreuzvergleiche) sind kleine Meisterwerke, und jedes Gelenk, jede Feder und jeder Riegel läuft, als ob es frisch aus der Schlosserei käme. Billig ist so ein Schloss auch auf dem Trödelmarkt nicht, aber es lohnt sich. Und es passt an die Tür. Denn schon damals (tm) einigte man sich unter Handwerker auf bestimmte Masse.

Man könnte es natürlich jetzt noch putzen und polieren. Aber wozu, ich mag diese Patina der Jahrhunderte, die man so nie künstlich erschaffen kann. Es wird sowieso zu viel perfekt gemacht, überlackiert und auf neu getrimmt. Man erfindet sich einen blitzenden Originalzustand, den es mutmasslich nie gegeben hat. Das einzige Problem: Es ist irgendwie schade, dieses Innenleben einfach so an eine Tür zu schrauben. Wo es hoffentlich noch lange verborgen bleibt und kein Idiot die nächsten paar hundert Jahre auf die Idee kommt, an die Stelle etwas Neues zu setzen.

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Technische Probleme

Liebe Leser, mein wirklich vorzüglicher Blogprovider blogger.de hat momentan ein paar kleine technische Probleme, weshalb es zu Aussetzern oder Fehlermeldungen kommen kann. Passiert ab und zu mal, aber es wird sicher bald wieder. Danke für die Nachsicht.

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