Ich bin immer noch Münchner

Ich bin hier gemeldet. Und selbst, wenn ich nicht dort unterwegs bin, sind es gerade mal 50 Minuten von der aktuellen Hauptwohnung nach Schwabing, schneller als mit dem MVV von den entlegenen Winkeln Neuperlachs oder aus dem Hasenbergl. Aber wenn es nicht sein muss, bin ich ganz schnell wieder weg. Obwohl ich die Stadt eigentlich noch immer mag.

Ich kann nicht sagen, wann der Bruch passiert ist. In den drei schlimmsten Momenten war ich nicht mal dort, sondern in Linz, am Meer und in Starnberg. Jeder Ort für sowas ist beschissen, aber Starnberg und Linz sind wirklich das Allerletzte. In München ist nichts passiert. Aber irgendwann 2001 erkannte ich die Stadt nicht mehr, in die ich über 10 Jahre davor gezogen war. Und jede Ecke enthielt so viel jüngste Geschichte der Jahre 1998-2001, dass ich ihr nicht entgehen konnte. 2001, Spätsommer bis Januar 2002 war ich dann weg und kletterte ganz allein aus dem tiefen, schwarzen Loch. Danach war ich nie mehr richtig in München. Es war dann auch nicht mehr schwer, die Wohnung aufzugeben.

Komische Zeit, das. Auf dem Papier gehört man zu den Gewinnern, zu denen, die zur richtigen Zeit den Absprung geschafft haben, zu den smart guys, die nichts vergeigt hatten, wiederverwendbar und gestählt durch das "Feuer der Vernichtung", diesen lächerlichen Crach lächerlicher Einfaltspinsel. Aber innerlich war man trotz allem zu lang dabei, um nicht zu wissen, was denen geschah, die es nicht geschafft haben. Ich kenne welche, die kamen durch, und damit war es für sie vorbei. Und jedesmal, wenn ich einen von denen erlebe, frage ich mich, wie zum Teufel die das mit sich ausmachen. Was fehlt diesen Leuten, welche ethischen Defizite haben diese Hurensöhne, dass sie einfach so weiter machen können. Der Hass kommt erst später, ich bin zuerst immer nur fassungslos, wenn ich einen von denen erlebe. Ich packe es nicht mal, deren Blogs zu lesen. Das heisst was, ich habe kein Problem mit Nazis, Hamas und Christofaschisten, der unüberwindbare Ekel kommt erst bei denen, die all das Vergangene nicht mehr berührt. Alles, was ich von denen lesen will, ist ihre verfickte

Egal.

Was ich eigentlich sagen wollte: Das Odeon, die New Economy Kneipe schlechthin, hat dichtgemacht, und ist jetzt ein Thairestaurant.



Die Decke ist noch wie früher, die Lampen auch, aber bei den neuen Tischen und Bänken haben sie beim Holz voll daneben gelangt. Um die Stühle ist es nicht schade, aber die Tische und die Deckenverkleidung hätte man erhalten sollen. Als Andenken an die schlechte, alte Zeit der einzigartigen Munich Area. Nie mehr also Artischocken, nie mehr Meetings mit VCs, das alles ist vorbei, vergessen, obwohl es keine 6 Jahre her ist. Aber was sind schon 6 Jahre, für die, die es nicht gepackt haben, gibt es keine Zeit mehr. Und die, die nicht begreifen, was das alles aus Menschen gemacht hat, die eigentlich nicht böse oder schlecht waren, werden es auch nicht mehr verstehen können. Vielleicht ist es ganz gut, dass dieses München verschwindet.

Freitag, 6. Juli 2007, 01:53, von donalphons | |comment

 
Münchner bin ich aber trotzdem nicht geworden
September 2000: In den Fluren der Münchner Ernst&Young Dependance wird aufgeregt kopiert. Die fertigen Gesellschafterverträge werden heute unterzeichnet. Die mittelgroße Steuerkanzlei unserer Kleinstadt war gerade durch einen Knebelvertrag an Ernst&Young gebunden worden (den sie später nur durch eine hohe Zahlung wieder aufheben konnte) und brachte dieses Geschäft als Mitgift ein. Stundensatz Ernst&Young: 625 DM.
Unsere bunte Gesellschafter-Runde hat sich versammelt: Der erst 19-jährige Vertreter einer Aachener Familienanlagegesellschaft - übrigens ein Waldorfschüler - der schwäbische Steuerfachgehilfe, der mit seinem Erbe spekuliert, der Kölner Medienfuzzi mit verkokster Sonnenbrille - und ich, ein glatzköpfiger Familienvater, geboren in München, jetzt auf einem Bauernhof in Teisendorf.
AGs waren damals knapp. Wir kauften eine Vorrats-AG, von denen Ernst&Young gleich dreißig Stück vorhielt. Die Hype schuf eine transsoziale Verbundenheit, die uns vergessen ließ, daß wir so unterschiedliche Komponenten wie Kapital, Arbeit und Idee zusammenwürfelten.
Der "Principal" von Ernst&Young verteidigte die Bewertung von 3 Millionen Mark. Als ich auf die Elisenstraße hinaustrat, war ich auf dem Papier Millionär.
Szenenwechsel, 3. Juli 2007: Ich liege auf einer Alpenwiese. Am Telefon ist der Waldorfschüler, der damals mitinvestierte. Er lebt inzwischen in Berlin-Mitte und ist ein erfolgreicher Anleger geworden. Der Steuerfachgehilfe verkauft Vorrats-GmbHs, der Steuerberater führt seine Kanzlei, ich mache immer noch Internet. Nur der Kölner ist abgestürzt.
War das wirklich alles so aufregend?
Im Grunde haben wir nur neue Berufe gelernt und entwickelt. Das Internet hat sich stärker durchgesetzt, als wir damals vermuteten. Münchner bin ich aber trotzdem nicht geworden

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Es ist alles nur eine Frage der Perspektive.
Ich habe ein bißchen den Eindruck, daß alle paar Jahre irgendein "Boom" existiert.

Anfang bis Mitte der 90iger gab es den Ostimmobilien-Hype, an dem ich am Rande teilgehabt habe. Um die Jahrtausendwende gab es New Economy. Und Mitte der diesen Jahrzehnts lechzt "man" nach Web2.0.

Es gibt allerdings Unterschiede: die *erste Welle* war noch recht demokratisch, weil hier auch kleine Firmen eine Rolle spielten. Nach einem Artikel des manager-magazin begünstigte der Gründerboom der New Economy schon stärker die (Einfluß-)Reichen bzw. deren Kinder, die überproportional als "Unternehmer" auftraten.

Der Web2.0-Hype ist eher proletarisch und wird angesichts des wohl nicht auftretenden Aktienemissionen und der deshalb ausbleibenden Massen-Begeisterung auch wenig *Kohle* bzw. *Kohle* nur für Wenige bringen.

Den Ekel kann ich teilweise verstehen.

Allerdings: ein bißchen *Hype* sollte jede Generation haben. ;)

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Web2.0 ist noch recht weit vom echten Hype entfernt; die meisten mir bekannten VCs haben andere Interessen, und bei denen, die investieren sollen, kennt sich eh keiner mit dem Zeug aus. Auf Käuferseite sind ohnehin nur Medien, es ist also ein sehr kleiner Markt.

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Die Christofaschisten, die Nutzies und die Paranoia.
Zur Sache: Na Und ?

Zum neuen Thai: er ist lediglich mittelmässig und Restaurants (ausser Biergärten) mit Sitzgelegenheiten ohne Lehnen sind zu schmähen.

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München ist die beste Stadt der Welt. Zumindest in den Augen der Anderen.

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/artikel/225/121069/

http://www.iht.com/articles/2007/06/18/arts/rmon1munich.php

Und am Wochenende scheint auch wieder die Sonne.

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Das würde ich auch nicht bezweifeln. München ist die schönste Grossstadt, keine Frage, aber an ihrem äussersten Rand ist die Lebensqualität nochmal erheblich höher.

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Ich bin immer noch Düsseldorfer, bin es seit '98 und der damalige Boom gab mir die Gelegenheit, von einem toten Pferd (einer wissenschaftlichen Gesellschaft bei Bonn, die gerade ihrem Ende entgegendämmerte) auf den noch jungen Gaul 'Internet-Agentur' zu springen. Fachlich gesehen war es eher ein Rückschritt, aber das erste regelmäßige Gehalt nach jahrelangen TDL-Hungerlöhnen versöhnte mich damit. Die unbekümmerte Sorglosigkeit und das Selbstbewußtsein vieler (jüngerer) Leute, die damals ihr Studium abbrachen und sich von ihren ersten Aktiengewinnen einen Laptop kauften, irritierte mich etwas, denn meinen Abschluß hatte ich schon und für Aktien war ich zu feige. Es war keine schlechte Zeit, Seiteneinsteiger hatten die Chance auf einen vergleichsweise guten Job und selten habe ich in einer Firma gearbeitet, die derart unterschiedliche Leute vereinte wie damals (im Gegensatz zur Mittelstandsmonokultur meines jetzigen Arbeitgebers). Meine damaligen Chefs sind nach dem Ende des Booms auch nicht abgestürzt, sondern machten unverdrossen weiter (weil man eigentlich nicht zu arbeiten braucht) oder wurden 'Berater'.

Als der NE-Zauber vorbei war, wechselte ich in ein Unternehmen der Old Economy. Kurioserweise versuchte man sich dort noch 2002 in diesem komischen Internet-Dings und suchte Leute mit entsprechender Erfahrung, die ich ja zu bieten hatte. Dieses Projekt scheiterte grandios, was damit erklärt wurde, daß das Internet einfach noch nicht reif genug für die Vertriebspolitik unseres Hauses gewesen sei. Damit ging die neue Zeit unter, ohne daß sie richtig begonnen hatte :)

Ich bin immer noch dort und betrachte nun alle Hypes aus sicherer Entfernung und bin froh, damit kein Geld verdienen zu müssen. Im Vergleich zum früheren Größenwahn erscheint mir Web2.0 allerdings eher kläglich und ich beneide keinen Berufseinsteiger, der sich in diesem Leichtlohntruppenmarkt behaupten muß.

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Wattekopfsyndrom
München gibt es so gar nicht. Da ist einmal das alte München: Eine nette Arbeiterstadt. Für einen, der aus dem Norden kommt, etwas zu weich, aber voller Menschen, die man mögen kann, vor allem das. Darüber liegt das neue, das BRD-München: Die Szene. Die Zugereisten. Ein großes, gelebtes Wattekopfsyndrom. Beide Städte haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Nur Memschlich parasitiert die neue an der alten Stadt. Insgesamt also eine perverse, kranke Stadt, im engeren Sinn des Wortes.
Und ja, es ist für mich nicht so wichtig, ob es regnet, oder ob die Sonne scheint.

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Nach einer Woche Regen freue ich mich schon auf ein sonniges Wochenende.

Ich sehe auch, dass München auf einem eher schlechten Weg ist. Gott sei Dank ist es durch die Sprachbarriere geschützt, sonst wäre es bald so teuer wie London oder New York. Dagegen sind die Münchner Verhältnisse noch harmlos.

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Das bindet doch auch an die Stadt
Ich bin seit '83 in München, habe den ganzen New Economy / VC / Going Public Scheiß auch mitgemacht. Ich mag die Stadt immer noch. Die Stadt hat sich im aktuellen Re-Hype bis jetzt ganz gut gehalten. Nimm dein Radl und fahre morgen bis zum Flaucher. Auf dem Rückweg fährst du durch über den Marienplatz, Theatiner Str. Odeonsplatz... einfach mitten durch!

Das ist wirklich gut!

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