: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 29. September 2007

16 Stunden Osten, 16 Minuten Westen

Es wird eng, sehr eng, allein schon wegen der Hochzeitsgesellschaft, die rausgeputzt mit nicht wirklich gewohnter Kleidung den schmalen Weg an der Kirche verstopft, der der Vermeidung der Fussgängerzone mit ihren Marketingständen und Zettelverteilern dient.



Dann unter den Klängen der Turmbläser hinunter zum Markt, vorbei an den Bekannten, die schnell grüssen und weitereilen, also auch zu spät, so ist das halt mal, wenn man zu lange gefeiert hat, vorbei an den Blumenständen zum Eingemachten.



Alles ist leer, die Vorräte sind weg, und deshalb gibt es zu den verschiedenen Marmeladesorten auch noch eine Kostprobe Apfel-Zwetschge dazu, mal schaun, wie das so ist, oder vielleicht doch aufbewahren, es hält sehr lang, ein Jahr vielleicht, sicher aber bis in den Winter.



Pasta - gerade noch geschafft; Olivenbrot - das letzte ergattert, die Baumpilze abgeräumt und den Mangold erstanden, dann endlich Zeit an der Eiertheke zum Autausch über das Versäumte der letzten Tage, drall muss es gewesen sein, Gesellschaft in Auflösung und Partnertausch hinter verschlossenen Türen, das übliche fast schon, wie die Minister, so die Stadträte, feiern muss man, feiern, feiern.



Beim Käse dann den Gesprächen zuhören, 50 Euro für 60% Fett und gleichzeitig Fitnesstipps und die Frage, was man nächste Woche tragen soll, beim wichtigsten aller Herbstkonzerte, man hat nichts mehr, aber diese neuen Brauntöne, die sind so langweilig, und am Ende kommen sie doch wieder alle in Schwarz und sind für einen Abend ganz Holly Golightly.



Schnell noch die Zwetschgen, und dort der Hinweis, dass es am Mittwoch nichts gibt, 3. Oktober, Tag der sog. Einheit, der Solidarität mit denen da drüben, wo man noch nicht war, warum auch, Italien liegt vor der Haustür und das da drüben in Trümmern, ah, da kommen sie grad her, schlimm, oder? Noch ein paar Zwetschgen extra, überall werden schon die Stände abgebaut, es ist vorbei, aus, Schluss, Kasse weg.



Langsam zurück in der Sonne, unfassbar blauer Himmel, Menschen in Biergärten, sie haben Zeit, der Regen ist vorbei, irgendwo in den Osten, aber das hier ist Westen und es wird sicher auch so bleiben, nichts wird das je ändern, das wissen sie, und sind zufrieden.

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Empfehlung heute - Was ich an Blogs so mag,

ist die Möglichkeit, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Wie das bei Kirsten und ihren Butterbroten möglich ist. Ganz gross.

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Samstag, 29. September 2007

Empfehlung heute - Die Probleme der Qualität

im Onlinejournalismus fasst Christian Jakubetz in seinem Blog sehr schön zusammen.



Zusammen passen tun auch Medien und Leipzig, jeweils in der real existierenden Ausgabe. Ich bin gestern Nacht durch die Strassen gezogen, vorbei an den prunkvoll restaurierten Fassaden mit all dem Ramsch und Krempel drin, wurde ein paar Mal von irgendwelchen Hostessen angesprochen, die für irgendwelche leeren Schuppen warben, und gleich neben meinem Hotel war eine "Sauna", an deren Tür man nur kurz klingeln und eintreten sollte; keine Ahnung, was da genau geboten wird, aber die Vorstellungen, die man von sowas hat, dürften schon hinkommen. Unten dagegen war alles sauber, ein Schild verkündete die Videoüberwachung des Platzes, weshalb die pinkelnden Skins wohl auch eine Hauswand einer Nebenstrasse bevorzugten. Sehr echt, das alles, und gleichzeitig vollkommen artifiziell und surreal, wer 2 Euro hat, kriegt den Gammelfleischdöner und wer 50 mal so viel hat, eine halbe Stunde oder mehr mit frischem Fleisch aus dem Osten, alles eine Frage des Geldes, der kleine Mann kann hier kaufen, wie der Medienunternehmer; was prekär Lokales oder eine glänzende Zukunft in der Ferne, und alle glauben sie gerne an die geglätteten Schönheiten, die Dönerköchinpappfigur, das geshopte Bild im VZ und die Frau im Studio, die jede gern beerben würde, das mit den Augenbrauen beherrschen sie alle, als hätten sie sich die Wimpernparkinson geholt.

Es ist kalt in Leipzig. Windig, kalt, alles andere als schön, lebensfeindlich, wenn man es nüchtern betrachtet. Könnte anders sein, durchaus, aber es gibt in der ganzen Sache nur einen Weg, es ist meiner, in meiner Maschine gibt es nur einen Sitzplatz, die anderen müssen bleiben, schade um ein paar und man kann es eben nicht ändern, am nächsten Morgen kippe ich ab, ich schaue gar nicht weiter zurück und ziehe weg von dem allen, dem Wissen, all den Erinnerungen und der Vergangenheit, die einfach nicht verrecken will, weil ich sie nicht richtig totgemacht habe, das nächste mal dann, anderer Ort, andere Gelegenheit, die Kugeln sind immer noch im Lauf und die Zielkoordinaten sind eingegeben, also zurück zur Basis, wo -

habe ich das eigentlich schon erzählt? - wo es keine Medien mehr gibt. Ich bin eigentlich eine leichte Fehlbesetzung für Medienkongresse. Ich habe seit 20 Jahren keine Glotze mehr. Ich ertrage auch kein Radio mehr, und ich lese keine deutsche Zeitung. Ich habe hier eine High End Anlage, CDs mit Musik aus der Zeit vor 1760, das unsichtbare WLAN, ein paar Blogs, die ich gerne lese, mehr nicht, das ist alles. Leipzig, Medien, das alles ist hier unfassbar weit weg, und ich habe nicht vor, es hier nochmal einkehren zu lassen. Manchmal hätte ich einfach gern so eine Art Spam Karma für Medien und alle Relevanten, Verlinkten und Awarenessierten, die da rein wollen. Und Leipzig, natürlich.

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Donnerstag, 27. September 2007

Grenzgebiete ohne Markt

Eine Veranstaltung im Monat reicht, zwei sind das Maximum, alles andere geht auf Kosten der Qualität, ausserdem hat man dieses komische "Das hab ich doch schon mal gesagt hoffentlich ist keiner da der auch schon in KarlsruheBerlinMünchenusw" Gefühl, das man als Blogger ohnehin viel zu gut kennt, wenn man keine radikale Grenze zwischen Netz und Leben zieht. Die 330 Kilometer im Regen hätte es auch nicht gebraucht, wenn man mal davon absieht, dass die Leipziger Ruinengürtel erst im Regen richtig morbide wirken. Zwischendrin ist dann die Typische Media City, und dort wiederum die Bundesjugendmedientage.

Wo man den Nachteil hat, dass die Leute dort das Blog hier tatsächlich gelesen haben, und einen nicht nur einladen, weil das schon zig andere auch getan haben und irgendwo der virtuelle Krawallgarantiestempel dranklebt. Sehr nette Leute, die einem allen Freiraum lassen, und auch Freaks, die einem Chancen geben, die zu nutzen mir über die nächsten Wochen und Monate noch viel Freude bereiten wird.



Komisch zwei Dinge. Das erste war die Konfrontation mit einer SMS-Chatwand in der Posiumsdiskussion. Für New-Economy-Opas wie mich ist das eine typische 2000er-Spielerei zum Überbrücken von Längen bei Events, aber damals hatte das während der Diskussionen nichts verloren. Manchmal amüsant, meist aber nicht wirklich zielführend; entweder man ignoriert es und muss um die Aufmerksamkeit gegen irgendeinen Quatschkopf kämpfen, oder man versucht es als Standup-Commedian und integriert das, was da meist wenig sinnvoll kommt. Muss nicht sein, und die Spacken, die glauben, dass man auf jede blöde SMS verbal anwortet: Steht auf und fragt, alles andere ist Kinderkram und für Journalisten unwürdig. Keine Antwort ist die Antwort, die sowas verdient.

Das andere: Wie kommt man darauf, dass jemand, der nichts zu verkaufen hat und sein Blog leicht bösartig dem sinnlosen Rebellieren ohne Markt widmet, selbst damit Markenbildung betreiben will? Hier gibt es keine Werbung, hier bezahlt keiner was, ich habe nichts anzubieten und es gibt auch keinen Markt, wo man etwas jenseits meiner Bücher erwerben kann, und selbst die sind nun fast schon nostalgische Reminiszenzen an eine Zeit, als kaputte Pleitiers noch brav ihre Pillen frassen, und nicht an Blogs dachten. Als dieses Blog zum ersten Mal vierstellige Besucherzahlen hatte, habe ich mir ernsthaft überlegt, es dicht zu machen, weil es mir zu viel wurde, seitdem ich damit durch bin, sind mir die Zahlen wurscht, ich habe keine Ahnung, wieviel Leute die Blogbar lesen, und viele Links sind etwas, das einem die massig vorhandenen Halbaffen geben, wenn man sexistische Witze reisst. Markenbildung muss man machen, man muss sich wie MC Winkel vorne hinstellen und wegen der paar lumpigen Kröten und Schleichwerbung für ein Gesöff den dicken Max geben, das ist ne Marke.

Kann sein, dass bei manchen Reizen in meinen Blogs bei manchen das immer gleiche Ding im Kopf abläuft. Kann sein, dass sie das dann selbst als Marke wahrnehmen. Das Markenproblem ist dann aber eines in deren Köpfen, früher hätte man vielleicht nicht gleich die Marktwirtschaftsdenke rausgelassen, nicht zwangshaft versucht, alles gleich nach ökonomischen Massstäben einzusortieren und definieren, und ein Wort wie "Charakter", "meinungsfreudig" oder "individuell" verwendet. Schon komisch, wenn die Leute dann immer gleich mit dem Verwertungsgedanken daherkommen, der mich nun wirklich nicht juckt, und den ich hier definitiv nicht haben will. Ich schätze Blogs als Freiräume für Menschen, ich leiste mir das, die Adicaltrigamiblogpay-Fraktion sieht das anders, dürfen sie auch, es ist ihre Marke und alles, was ich tue ist, es zu ihrem Markenproblem zu machen. Und über die Leute zu lachen, die geglaubt haben, dass sie einen tollen Job haben und nun aus dem Berliner Bonker zurück in ihr geknicktes Studium getreten werden.

IHR DEPPEN!

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Empfehlung heute - Mit Thomas Knüwer

zum Picnic nach Amsterdam

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Donnerstag, 27. September 2007

Macht nur weiter so.

Die Lebenszeit der Geschäfte in einer Location, gleich bei mir in München um die Ecke, ist auf ungefähr sechs Monate gesunken. Galerie Bar Cafe Restaurant Möbelladen und das vermutlich auch nicht mehr lang, so leer wie das dort ist. Allesamt haben sie es mit einem Klein-Mitte versucht, Schwabing ist ja nicht mehr am Puls der Zeit, da muss man nachhelfen, irgendwann wird schon ein Renner dabei sein, hoffen sie. Nebenan ist schon mal ein Zwischennutzer eingezogen und bietet unterhalb der Antiquariate ein hässliches Ramschareal an. Er zählt die Tage jetzt schon mal rückwärts bis zum Ende, als könne man das Kulturgut Buch verticken wie Sommerkleider aus chinesischer Billigproduktion.

Irgendetwas muss hier sein, was die enormen Mietkosten der Stadt wieder reinspielt, und tatsächlich kann man sich als Buchliebhaber amortisieren; die andere Bibliothek findet sich ab 5 Euro in den Kisten, einer der schönsten Cezanne-Kataloge der letzten Jahre kostet 6 Euro, zwe solche Funde pro Woche und schon ist es hier relativ günstig. Man kann es sich schön rechnen. Leider ist manches nicht meht schön, die neuen, auf Platzökonomie ausgerichteten Teueritaliener sind ziemlich leer, und weil sie so verlassen aussehen, geht auch keiner rein, und so werden sie bald dem nächsten Klamottenladen Platz machen.

So ist das hier; die teuerste Stadt, das teuerste Viertel und das alles so billig wie möglich ausschlachten, so entsteht Gewinn, Profit und eine Hässlichkeit, die sich schnell erneuern muss, weil sie ihren alten Anblick nicht mehr ertragen kann. Das Gmiasgscheft ist jetzt auch weg, mal schaun, was sie da reinklatschen, es wäre mal wieder Zeit für eine ultramoderne Galerie, die dann lernen muss, wie wenig Museumsbesucher die Strasse runter für Kunst ausgeben wollen.

Das Cafe, in das ich gehe, war früher teuer und als BWLler-Kneipe verschrien, aber seit ein paar Jahren sind sie erstaunlich preisstabil, und die Kundschaft wechselt nicht mehr so stark. Es ist mit seinen Besuchern gealtert und so abgenutzt, dass man glauben könnte, es habe wirklich schon 30 oder mehr Jahre auf dem Buckel. Für die Exilierten ist es ein Stück Heimat geworden; bald werden sie im Eingangsbereich wieder den Christbaum mit den roten Kugeln aufstellen und froh sein, dass die Nachfolger der ersten Besuchergeneration inzwischen auf der anderen Seite die Tea Bar in einen überfüllten Schlauch voll Rose, Perlen und Chanel verwandelt, wo man schnell den Tee kippt, bevor es zurück zu Bachelor-Studiengang geht.

Macht nur weiter so. Wenn ihr hier fertig seit, drüben in der Isarvorstadt kann man auch noch was kaputt machen. Wenn ihr schon nicht nach Berlin gehen wollt.

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Empfehlung heute - Unsoziale Marktwirtschaft

beim "Optimieren" ihrer Position kann man im INSM-Watchblog betrachten. Man tut eben, was man kann.

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Mittwoch, 26. September 2007

Sehr zu empfehlen: Messingreinigung mit Tomatensuppe

Es ist eines der skurrilsten Hausmittel, die ich kenne, und das einzige, das ich selbst zufällig herausgefunden habe: Man kann mit normaler Tomatensuppe - Zutaten Tomaten, ein wenig Zucker, mehr Salz, dazu Pfeffer, Butter, ein wenig Milch und Kräuter - ein prima Mittel zur Messingreinigung herstellen. Das Zeug wirkt auf oxidiertem Buntmetall besser als die handelsüblichen Putzmittel, wie ich gerade wieder an einem Mörser des 19. Jahrhunderts ausprobieren konnte. Man kann die Suppe natürlich auch erst mal essen und die Reste dann mit dem Schwamm auf dem zu reinigenden Gegenstand auftragen; Gedanken darüber, warum man Zeug essen kann, das auch hartknäckigen Schmutz und Grünspan beseitigt, sollte man aber verdrängen.



Wie meine Oma sagte: A Pfund Dreg bracht da Mensch im Joah, und wie immer hatte sie natürlich recht. Allerdings kannte sie den geistigen Dreck noch nicht, den ich an der Blogbar mit Worten statt Tomatensuppe, aber zumindest gut gesättigt, bekämpfe.

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Empfehlung heute - Angesammelte Leidenschaften

besonderer Art - immer gleich drei auf einmal! - gibt es bei Julie Paradise zu sehen.

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Von der Dauer des Streichens

Ein Tor in Berlin streichen ist eine mittelmässig lange Sache: Man nimmt Farbe und Pinsel, schleift ein paar hundert Schmierereien ab, kassiert ein paar anerkennende Blicke von Jungvandalen, die sich über die neue Fläche für ihr Gekrakel freuen, beginnt zu streichen und weist den beköterten Proll darauf hin, dass er die frische Hundescheisse, die gerade in die Einfahrt gelegt wurde, bitte entfernen soll. Man bekommt ein paar Tritte von dessen Freunden, kein Umstehender kümmert sich um einen, wie es ihnen schon egal war, dass man das Tor streicht, und ist nach 20 Minuten fertig und kann zwei Wochen in der Reha ausspannen.

In der Provinz ist das ganz anders. In der Provinz wird man mit dem Abschleifen vom Führer der koreanischen Reisegruppe gebeten, mal einen Moment aufzuhören und aus der Tür zu verschwinden, weil seine Schäfchen gerne ein ungestörtes Bild des Stadtpalastes machen wollen - dass ihr Bus davor steht, stört sie nicht. Bis man mit dem Schleifen fertig ist, hat man mit der Hälfte der Mieter die letzten Neuigkeiten ausgetauscht und Verabredungen für die heute zu machende Kürbistarte getroffen, und zudem ein Emailproblem gelöst. Beim anschliessenden Streichen kommen mehrere Nachbarn vorbei und geben der Überzeugung Ausdruck, dass es ein schönes Portal ist, und die alte Frau T. erinnert einen an den zugrunde liegenden Erwerb des Tores und an den Opa, der ein fescher Mann war und dem man glücklicherweise nachzukommen scheint, weshalb sie wissen möchte, ob es denn nun endlich mal mit der Hochzeit geklappt hat. In der Frage schenken sich die katholisch erzreaktionäre T. und Herr M. nichts, der aus einem arabischen Land kommt undes einfach nicht für angemessen hält, dass der Streichende immer noch nicht verheiratet ist, spätestens nächstes Jahr sollte es aber wirklich klappen. Kaum ist er weg, gilt es, noch eine sehr feine High-End-Box eines französischen Herstellers zu begutachten, und danach wird noch eine ältere Dame vorstellig, die den letzten Spross des Clans preist und wissen möchte, ob er immer noch mit den Schiessprügel Viecher abknallt, wofür der Clan ja eine gewisse Berühmtheit hatte. Im Herbst, so erzählt sie, habe die Grossmutter des Streichenden immer über den Dregghammel ihres Gatten geschimpft, dessen Beute die hinteren Sitze des Autos vollgeblutet hatte, trotzdem, es gab auch sehr gute Zeiten und es war so lustig mit denen, so war das damals, wie sieht es eigentlich mit den eigenen Heitratsplänen aus, und langsam wird es dunkel über der Stadt, so dunkel, wie das Tor eigentlich hätte werden sollen, das aber erst halb gestrichen ist.

Erfreulicherweise belassen es die beiden Elitessen von gegenüber am Zigarettenautomat bei dem kurzen, bösen Blick auf den Knienden. Es liegt eher wenig daran, dass ihm ihre Exzesse mit den 28 leeren Flaschen Bier auf dem Tisch dank bei StudiVZ hochgeladener Bilder hinreichend bekannt sind, sondern eher in ihrer Ablehnung gegenüber jeder Form von niederer Tätigkeit, deren Verachtung sie sicher in einen Sachbearbeiterposten oder sogar den der Rumsteherin bei der OMD in Düsseldorf treiben wird, wo sich dergleichen trifft und bastardischen Nachwuchs zusammenfickt, als wäre es die rurale Genpoolerweiterung hinter dem Klo des Lentinger Jurafestes.

Kurz danach steht ein älteres Paar mit jüngerer Tochter vor einem und will höflich, aber bestimmt wissen, wo denn bitte das Studentenwohnheim ist und wo man sich da anmelden kann. Der Mann mit dem Pinsel richtet sich auf und erteilt ihnen eine kurze Einführung in die Eigenheiten des hiesigen, überlaufenen Immobilienmarktes und verweist auf den Umstand, dass sie um diese Uhrzeit ohnehin zu spät dran sind, um noch was zu reissen, und die Vermietungsanzeigen werden erst übermorgen im lokalen Schmarrnblatt zu finden sein, da sollen sie mal besser schauen, die älteren Herrschaften haben es hier zwar mit Immobilien, aber nicht mit dem Internet. In eine WG jedenfalls, das wird schnell klar, wollen die Eltern ihre Tochter nicht stecken, uninah soll es sein und auf Maklerprovisionen sind sie ebenso nicht erpicht, und so steht dann die Frage im Raum, ob der Mann mit dem Pinsel vielleicht etwas wüsste.

Der Mann mit dem Pinsel könnte jetzt natürlich ein Angebot machen: Verbringung des Nachwuchses in die Gästewohnung für die ersten zwei Wochen und solange Restaurierung des bislang unfertigen Lofts im Hinterhaus, aber einerseits, man sieht es ja, kommt man zu nichts hier in der Stadt, und andererseits -

ist der Mann mit dem Pinsel müde. Müde vom depperten Gschau seiner Tochter, müde von der Genervtheit der Mama, die es gewohnt ist, dass ihr Wille durch den Befehl des Gatten umgesetzt wird, müde von diesem Anspruch, dass es hier zu laufen hat wie oben in NRW, müde vom bagatellmässigen Umgang und überhaupt, zu müde, um jetzt zu erklären, dass er hier nicht der kleine Hilfsarbeiter ist, der für einen Fuffi Trinkgeld alte Frauen beschwatzt, doch was von ihren Imperien rauszurücken. So bedauert er, dass hier nichts möglich sein dürfte; der eigene Stadtpalast sei voll und die Frau B. hat zwar zwei Häuser weiter die Strasse runter, aber sie will nicht mehr vermieten, seitdem es mal Ärger gab, wie gesagt: Mittwoch das schwarzbraune Käseblatt, bitteschön, viel Glück, und dann im letzten Licht des Tages die letzten Pinselstriche, aufräumen, auf das Bett setzen, umfallen und die ganze Nacht von blonden Elitessen träumen, die verlangen, dass man jetzt sofort das neu gefliesste Bad in einem neuen, sanften Braunton umfliesst, und man beim Beschaffen der Kacheln ein Rennen mit den Disziplinen Skatebord, Rennrad, Laufen und Reiten bestreiten muss, letzteres auf dem Pferd Püppi, das der früheren Mitbewohnerin der Liebsten gehörte und damals tragend wurde, und deshalb nicht geschlachtet werden musste. Diese Mitbewohnerin übrigens, die ihrem Gaul die Wahl zwischen Bolzenschuss und Mutterschaft liess, studierte auch BWL.

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Montag, 24. September 2007

Adical ist tot.

Auch ohne In-Deep-Analyse: Wenn ausgerechnet Norbert Bolz in einem "die Zukunft des Web" sieht, ist es Zeit, den Grabstein für den seit Wochen nicht mehr werbevermarktenden Blogwerbevermarkter zu bestellen. Statt das Blog von einer Firmenwebsite zu schmeissen, auf dem man so ohne Werbepartner nicht mehr viel zu melden hat.

So. Ich geh jetzt schon mal schöne dralle 2007er-Zitate aus den Häusern Niggemeier, Lobo & Co. zum Thema sammeln. Kulturermöglicher, Subkulturabschaffer, Werbemarktapproacher und was wir von ihnen lernen können, falls wir es nicht schon von den New Economy Pleiten wussten.

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Empfehlung heute - Die Welt

bleibt trotz des Titels dieses famosen Textes bei Suna eher aussen vor.

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Das Konzept Zeit

Hätte ich Kinder, ich würde sie natürlich etwas Kulturgeschichtliches studieren lassen. Historiker haben oft einen anderen Begriff vom Konzept "Zeit", sie stehen dem Werden und Vergehen mitunter mit grosser Gelassenheit gegenüber, und der Griff in die grosse Kiste vergangener Prozesse hilft ihnen, etwas über die Zukunft zu lernen. Nicht immer, aber es gibt da so ein Historikerwarnlamperl, das aufleuchtet, wenn man gewisse Fehlentwicklungen schon mal irgendwo studiert oder erlebt hat. Zweiteres blieb mir nach dem Studium bekanntlich nicht erspart, und wenn ich nun überall lese, dass Leute enttäuscht sind, wenn bei einer auf 2 Tage, nein, 48 Stunden oder noch besser fourtyeight hours terminierten Firmengründung das Menschliche den Bach runter geht - und damit die Firma a priori schon ein Rohrkrepierer ist - dann kann ich nur sagen: Hört mal besser auf die Opas, die vom letzten Krieg erzählen; es ist ja nicht so, dass Kugeln heute weniger töten und Dolche im Rücken schmerzfrei geworden sind. Ich weiss schon, warum ich da nicht hingefahren bin, obwohl ich ein gewisses historisch-ethnographisches Interesse hatte.



Ich weiss, warum ich hier geblieben bin. Es war vielleicht das letzte schöne Wochenende des Jahres, und das sollte man schön verbringen, kalt und unmenschlich ist es noch lange genug. Luxus hat für mich wenig mit Geld oder Dingen zu tun, sondern mit der Freiheit, autonom zu entscheiden und umzusetzen. Das schliesst mitunter auch "niedere" Arbeiten mit ein, über die mancher die Nase rümpfen wird. Es ist nicht so quirrlig-aufgekratzt wie das, was Miss Manierlich beschreibt, aber auch mit Holzsplittern im Finger muss man sich keine Existenzfragen stellen, die den ex negativo kreierten Gegenentwurf zu den irrlichternden Versprechen abgefuckter Heils- Werbungs- und Zahlungsunfähigkeitsbringern darstellen.



Natürlich kann man Zeit so verdichten, so brutal an die Timeline nageln, dass sie die Illusion eines chronologischen Ablaufs erweckt. Man kann Zieke definieren und den Weg dorthin regeln, man kann Kurven vermeiden und die Birnbäume im Weg umhauen, und man muss sich nicht fragen, warum man das tut. Drunten im Elitessenwohnheim placken sich gerade Eltern in der Wohnung der Tochter ab, die gerade irgendwo auf der Welt ein superwichtiges Praktikum macht und sich dazu auf die Homebase verlässt, sie kriegt ein tolles Zeugnis und ihr Leben nicht geregelt, und der Begriffe ihrer durchtrennten Zeit, der vergeudeten Zeit ihrer Eltern, die gepresste Zeit der 48er und schliesslich meiner Zeit beim Warten auf das Verschwinden der Lichts sind niemals in Einklang zu bringen. Zeit hat nicht nur Dauer, sondern auch Qualität, und ist viel zu schade, als dass man sie in den Dark Ages verklappen müsste.

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Montag, 24. September 2007

Über Reduktion und Enthaltsamkeit

Für das Funktionieren der Kunstfigur "Don Alphonso" ist es essentiell, dass sich kleine Pinscher der Blogosphäre sich in sie zu verbeissen suchen. Da ihnen pawlowsche Reflexe alles andere als fremd sind, ist es ein Leichtes, ihr Gekläffe hervorzurufen; und weil sie oft nicht gerade auf Rosen aus Euroscheinen gebettet sind und Gier eine zentrale Triebfeder ihres Tuns und Werbens ist, ist genau das der Ansatzpunkt für eine gewisse Unsicherheit dieses Blogs: Die Unsicherheit nämlich, dass es ja wirklich so sein könnte: Dass da einer in seinen 54-Zimmer-Anwesen sitzt, als Hauptbeschäftigung Silber poliert und mit dem Roadster durch fast endlose Sommer braust in Erwartung von Apanagen, die ihm seine wohlmeinenden Eltern anstelle des schnöden Erwerbslebens angedeihen lassen. Dummerweise werde ich schon kommenden Dienstag knechtisch schuftend in München den Beweis antreten müssen, dass dem beileibe nicht so ist, aber das ist Don Alphonso egal, denn der steckt genau so sohnhaft in den hinterfazialen Güllekübeln seiner erbärmlichen Neider, und damit das auch so bleibt, schreibt er Texte wie den Folgenden, von dem ihn abzuhalten nicht mein Wunsch und Wille ist:)

Manche haben es leicht. Bewohner moderner Behausungen beispielsweise verfügen über Neonröhren und eingelassene, fast wartungsfreie Halogenspots, und werden niemals vom Aufwand erfahren, den das Reinigen von ein paar tausend Kristallen an den Lüstern mit sich bringt. Dann lümmeln sie auf der Couchgarnitur Fackina Han Rei und schauen alte Folgen von Dallas, haben am nächsten Morgen natürlich folgerichtig auch keine Gäste ausser dem grossen, schwarzen Kater und zudem auch nicht das Problem, das mich umtreibt. Es ist nämlich so:

Der hiesige Frühstückstisch ist nicht allzu gross. Nehmen wir mal an, es sind zwei Gäste da, die zudem Kaffe und Tee trinken, diverse Käse- und Marmeladesorten wollen, Omelett, Tarte und Butter ohnehin und 5, 6 verschiedene Sorten Brot. Dann wird das schnell voll. Und damit stellt sich die Frage, an welcher Stelle man beginnt, sinnvoll Raum zu sparen. Natürlich könnte man einzelne Dinge auf der Anrichte zwischenlagern, aber das würde beständiges Aufstehen und Hektik bedeuten, zerfasernde Gespräche und überhaupt, diese zwei Stunden sind aus Prinzip der Ruhe nach dem Schlaf zu widmen, mit dem Auto ist man nach 1 ohnehin genug unterwegs zum Konditor. Wie auch immer. Platz muss her. Und weil es draussen hell ist, sind die klassischen, dreiflammigen Leuchter aus englischem Silber nicht wirklich nötig - doch sie machen so ein schönes Licht. Was tun?

Nun, könnte man sagen, es gibt ja auch noch zweiflammiger Leuchter. Das stimmt, nur sind die deutschen Exemplare weitaus grösser mit ihren Tropfschalen aus Glas, voluminöser und nicht weniger hoch. Weniger Licht also, bei mehr Platzverschwendung. Keine gute Sache. Nachts, wenn der grosse Tisch ausgezogen ist, und man Mühe hätte, sich über die weite Strecke das Salz zu reichen, wenn nicht jeder einen eigenen Salzstreuer hätte, nachts also gern, aber am Morgen sind sie ebenso wenig hilfreich wie ihre britischen Cousins, die zwar sehr niedrig sind, aber immer noch so hoch, dass die Flammen genau auf Höhe der Gesichter sind. Und trotzdem so raumgreifend, dass man aus Versehen mit Schmerzen darüber langen könnte, oder umständlich darum herum greifen muss. Geht also auch nicht.

Mit Silber haben die Franzosen es überhaupt nicht, die greifen lieber zu brünierter Bronze, Messing, Vergoldung oder Alabaster, erlaubt ist, was gefällt, aber: Die Grösse! Franzosen haben einfach kein Mass, alles ist zu hoch und und folglich unten zu breit, und das für eine einzige Kerze. Schmal und schlank und hoch dagegen sind die holländischen Verwandten, aber schlicht. Schlicht! Sie atmen das Entsagende, das den Franzosen mit ihren Widderköpfen, Palmetten und Girlanden auf ewig fehlen wird. Und passen damit ebenfalls nicht auf den Frühstückstisch - zumal es ohnehin für die Harmonie zum Besteck Silber sein sollte, und nicht Messíng. Womit wir zur nur scheinbar überflüssigen Anschaffung des Tages kommen:


hinten v.l.n.r.: zwei deutsche 2flammen, zwei englische 3flammen, zwei englische 2flammen, drei französische Empireleuchter, davor zwei holländische Säulenleuchter, hinten rechts ein belle-epoque-leuchter. vorne: die neuerwerbungen

Zwei niedrige, schwere Silberstümpfe für jeweils eine Kerze. mit winziger Grundfläche. Damit ihr Licht nicht mehr ausreichen sollte, muss draussen schon ein Schneesturm niedergehen, und sie können auf dem kleinsten Raum, zwischen Marmelade und Saint Ceols, zwichen Salzstreuer und Pastetenheber gestellt werden. Kurz, sie sind das, was ich in den letzten Wochen vermisst habe - und der Beweis, dass diesem Haushalt auch Reduktion und Bescheidung auf zwei niedrige Flammen nicht fremd ist.

Und für die Prunklüster gibt es ja das Abendessen. Nach der Torte.

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Bestiarium

oder auch ein Kinderlied vom Flohmarkt



Hoppe Hoppe Reiter,
wenn er fällt dann schreit er.



Fällt er in den Graben,
wird er Krokobraten.



Fällt er hin im Wald,
macht der Wolf ihn kalt.

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Spammer belästigen

Könnten sich mal bitte die hier melden, die von den Webguerillas aus München die übliche Spammail bekommen haben? Mich würde interessieren, was die so alles abzugreifen versucht haben.

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Samstag, 22. September 2007

Spätsaison

Stonehenge und all die anderen Kreisgrabenanlagen zur Bestimmung kosmischer Ereignisse sind doch nur nötig gewesen, weil man an diesen Orten keine festen Bezigspunkte hatte; bei mir auf der Dachterasse dagegen sieht es ganz anders aus.



Zwischen dem 21-23. September geht die Sonne exakt auf der Linie meiner nördlichen Dachterassenkante unter, genau am unteren Ende des Kamins des Mesmerhauses der Kirche gegenüber, und es wird Zeit nochmal die letzten Gelegenheiten draussen zu nutzen, bis es - viel zu früh - zu kalt wird. Und zu geniessen, was man zusammen auswoigelte.



- Du hast ein Nudelholz?
Klar, du nicht?
Äh, nein.
Und wie machst du es dann?
Mit leeren Weinflaschen.

Man lernt nie aus.

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Empfehlung heute - Gerettet wird

nicht nur das Mittagessen, sondern auch die Prinzregententorte. Die in gewisser Weise an dunkle Zeiten erinnert, denn wo wie damals in Bayern ein Prinzregent ist, ist auch ein, na, sagen wir mal genetisch geschlagener König. Bayern halt, das Land der Prollschleudern und Massenbesäufnisse. Da kann man die Torte schon mal ehren.

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Notstandsgebäcke des deutschen Herbstes

Furchtbar: Wie mein Hoflieferant zu verstehen gab, wird es in zwei Wochen keine Zwetschgen für den Datschi mehr geben. Zwei Wochen! Das ist nichts. Ich muss in die Küche, an den Herd, retten, was noch zu backen ist.

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