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Samstag, 20. Dezember 2008

Die Lichter der Munich Area

Es ist wieder so weit, die Tristesse des Winters 2000/2001 liegt wieder über der Stadt. Die Krise war damals ein dreiviertel Jahr an, und man konnte sie inzwischen wirklich fühlen; das Founders Forum in Elmau hatte schon ein paar spektakuläre No-Shows an den Tag gebracht, wie eine ganze Gruppe von Razorfishen, und die bis spät nachts erleuchteten Fenster erzählten nicht mehr von zu viel Arbeit, Deadlines und Projektstress, sondern von Druck, Angst und Rettungsversuchen.



Das ist ein Bürogebäude der Hypo Real Estate lange nach Büroschluss. Und wer die HRE kennt, der weiss auch, dass sich deren Mitarbeiter an geregelte Arbeitszeiten gehalten haben. Diese Woche werden massiv Überstunden anfallen. Um vor der Massenentlassung den eigenen Wert zu beweisen? Oder um die Bücher in Scheinordnung zu bringen, wenn die Staatsnwaltschaft kommt?

Überhaupt, dass es soweit kommen konnte... Nach der Übernahme der HypoVereinsbank war die HRE eines der Hätschelkinder der Staatspartei, die unbedingt eine bedeutende Bank in Bayern sehen wollte. Der HRE werden so gute politische Kontakte nachgesagt, dass es schon wirklich schlimm sein muss, wenn hier ernsthaft ermittelt wird. Man darf nicht vergessen, wie dick die HRE in oft von München aus betriebenen Geschäft mit immobilienbasierten Steuersparmodellen drin war, was hier naturgemäss von Freunden der Staatspartei betrieben wird. Aber vielleicht haben sogar bayerische Politiker inzwischen verstanden, dass die Geschäfte dieses Hauses dem Land und auch der Partei nicht gut tun. Oder es ist so schlimm, dass die Partei schlenigst jemanden braucht, der es war. Wüsste ich nicht beruflich mehr, würde mir allein mein Gefühl sagen, dass in den kommenden Wochen noch sehr viel von der HRE die Rede sein wird.



Schon damals, 2000, gab es einen Trend zurück zum Bodenständigen, die elitäre Gesellschaft gab ich Mühe, beim Volk anzukommen, man verwies auf den Nutzen für Schulen und unterentwickelte Regionen. Die düsteren Tage und die schlimmen Nachrichten treiben die Menschen vielleicht zurück zur Sinnsuche; die Schaufenster des Einrichtungsgeschäftes im Lehel bleiben unbeachtet bei denen, die zur Kirche eilen. Wir haben da noch eine Menge anderer Geschichten, die München Mores beibringen können. All die Landesbankpleiten, die eingestellten Berlinprojekte zum Beispiel, unsere Private Equity Branche, Exposure ohne Ende. Und wer weiss schon, ob er im neuen Jahr länger als eine halbe Stunde an seinen Platz darf, um sein Zeug zu holen. Immerhin - wer eine gute Wohnung hat, kann die im Notfall leicht verkaufen. München ist vollkommen ausgerauft, seitdem alle in Sicherheiten wollen.

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Für alle heimfahrenden Bayern, Schwaben,

und andere Exilanten, die dort bei den Eltern kein Internet haben:



Haut rein, was geht. Lasst nichts liegen. Esst alles auf. 2009 wird mager genug.

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Daheim ist es auch schön.

Besonders, wenn man zwischendrin 2 Stunden im Münchner Stau stand, und es den Leuten offensichtlich nicht so schlecht geht, dass sie auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen würden. München ist krisenresistent und vollverstopft mit teuren Autos. Ich bin das alles nicht mehr gewohnt.



Die Idee der Credit Suisse, ihre hochgiftigen Unwertpapiere in den kommenden Jahren faktisch als Boni für die Verursacher auszuzahlen, ist gar nicht so dumm. Probleme dort lösen, wo sie entstanden sind. Noch klüger wäre es jedoch, auch den normalen Lohn durch Giftmüll aus der Halde schlechter Papiere abzugelten. Wenn man schon darauf verzichtet, die Bande mit Berufsverbor zu belegen und sie für die nächsten 10 Jahre zur Kokosnussernte abkommandiert.

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Donnerstag, 18. Dezember 2008

Wie die Gemeinde Kreuth die Schlittenvampire ausrottete

Vor gar nicht so langer Zeit lebte in Kreuth eine ganz besondere Blutsaugergattung: 1945 im Trek mit Altnazis und Deutschtumsverbreitern waren auch ein paar rumänische Vampire, die keine Lust hatten, ihren luxuriösen Lebensstil von den einmarschierenden Stalinisten als bürgerlich-verweichlicht abstempeln und verbieten zu lassen. Also kaperten sie einen Lastwagen voller Raubkunst, warfen die Bilder weg und gelangten dadurch in die Alpenfestung, wo sie in den letzten Apriltagen des Jahres 1945 übereinkamen, dass auch braunes Faschistenblut frisch aus dem Hals besser als sein Ruf ist. Auch fanden sie bald Gefallen an der Region: Die Berge sorgten für frühe Sonnenuntergänge und lange Nächte, das schlichte Gemüt der Menschen und die Nähe Österreichs erinnerten an die balkanische Heimat, und bei der derben Sexualität der Einheimischen konnte ohnehin keiner sagen, woher die paar kleinen Löcher im Hals kamen.

Also blieben sie, quartierten sich im Keller von Wildbad Kreuth ein, wo alsbald die CSU einzog und damit alles auftafelte, was fett, alkoholgeschwängert und bayerisch war, weinseliges Frankenblut und bierdimpfligen Oberpfläzersaft, und ab und an auch ein preussischer Magenbitter, selbst wenn das in der Ära Merkel etwas zu viel wurde. Aber in der Wintersaison gab es auch genug andere Freuden und Abwechslung, denn auf den Hütten waren die Touristen, die Winternächte waren lang, und dann machten sich bei Sonnenuntergang die Vampire auf den Weg in die Berge.



Und das natürlich mit dem Rodel. Einerseits wollten sie nicht auffallen, sondern wie ganz normale, degenerierte und blutverpanschte Einheimische wirken, wie sie in diesen Dörfern nicht selten sind und gerne rodeln. Andererseits sind die Hütten hoch oben im Berg, und wenn sie viel gesoffen hatten, wurde der Abstieg lang, eisig und auch für sie brandgefährlich - wie schnell rutschte man aus und rammte sich einen Holzplock ins Herz. Da oben wartete das heisse Blut der Ostasiatinnen auf Bergurlaub, nach dem sie immer albern kichern mussten, der blumige Saft aus den Hälsen der Italienerinnen, bei denen der Bergurlaub modern wurde, bessere und schlechtere Lagen aus deutschen Landen und auch dickflüssige Fettsosse amerikanischer Rezeptur. Wie es nun mal so ist: Man sollte eigentlich Mass halten und nichts durcheinander trinken und eine gute Unterlage im Bauch haben.



So aber knallten in den späten Nachtstunden besoffene Schlittenvampire von den Bergücken hinunter nach Kreuth, kotzten in den Schnee und stolperten in Wildbad über die Parteisoldaten, die es in ihrem Urin liegend nicht mehr in die Betten geschafft hatten, ohne diese jedoch anzurühren. Es waren gute Zeiten. Bis zu dem Tag, als sich die Gemeinde Kreuth zusammensetzte und einer sagte, dass er Schulschwänzer am Morgen auf dem Hirschberg beim Rodeln erwischt hätte. Und der Pfarrer fügte hinzu, dass seine Gemeinde gefälligst am Sonntag morgen in der Kirche zu sein hätte, und nicht mit dem Schlitten auf den Berg gehen sollte, um dort zuerst auf die Zenzi drüber und nachher die Piste hinunter zu ruschten, Herrgottsakra. Und der Wirt sagte, dass es ja auch unmöglich sei, wenn die Touristen da hoch steigen, sie sollten sich bitt´schön schon am Vormittag einen Fetzenrausch ansaufen, dann bekommt auch die CSU wieder 5o+x - und der Rest war nur noch Formsache.



Achtung Rodler! Laut Beschluss ist das Rodeln von 0-12 Uhr strengstens verboten. Gemeinde Kreuth

steht da allen Ernstes auf dem Schild im Tonfall der 30ies, als weiter unten am See noch der Röhm den SAler - naja. Und das bedeutete das Ende der Rodelvampire, die nicht ahnten, was da beschlossen wurde, und in einer klaren Winternacht, kurz vor der Dämmerung besoffen und entsetzt vor diesem Schild standen. Die einen versuchten, noch schnell hinunter zu laufen, die anderen versteckten sich im Wald des Hirschberges, aber alle raffte sie an jedem Morgen die Sonne dahin, es blieben nur ein paar Aschehaufen, und von da an wurden die CSUler in Kreuth noch fetter und freuten sich, dass sie so absolut keine Bisse mehr fühlten, die auch das Gewissen hätte sein können...



So also sind die Schlittenvampire in der Gemeinde Kreuth ausgestorben, und wer weiss, ob sie nicht auch bald den Erzähler verbieten werden, der bereits um 11 Uhr und 53 Minuten talwärts schoss. Oder ihn gleich verbrennen, wie man das so als Brauchtumspflege macht, im schönen, freien Kreuth im Tegernseer Tal am Fusse der majestätischen Bergwelt, zwischen dem Wildbad der CSU und den Gräbern der Nazigeneräle in Rottach.

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Mittwoch, 17. Dezember 2008

Steile These

Es gibt hier bei den Verlusten im Madoff-Fall eine grosse 25-Milliarden-Lücke, bei der unkar ist, von wem das veruntreute Geld kam.

Und es gibt bisher keine Stellungnahme irgendeiner Liechtensteiner Finanzinstitution für vermögende Anleger. Nur Schweizer Privatbanken haben bisher Verluste zugegeben. Aber niemand in Liechtenstein.

Ich wäre gar nicht überrascht, wenn dort manche Gesichter den Audruck haben, als wäre ihnen ein Amboss auf den Fuss gefallen, aber sie dürfen nicht schreien.

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Die üppigen Tische und der irre Ben

Vielleicht wird sich später mal jemand mit Blogs wissenschaftlich beschäftigen und dabei auch auf diese kleine Veranstaltung stossen, und, weil es doch recht nah am Tagebuchschreiben nud nicht nur gesammelter Internet- und Medientrash ist, es ein wenig genauer untersuchen. Er wird zu seiner Freude feststellen, dass es eine auffällige Häufung von üppig gedeckten Tischen zeitgleich mit der vom Blogger frühzeitig erfühlten Wirtschaftskrise gibt, und darüber Theorien anstellen, warum das so sein mag. Sein Professor dagegen hat den Don noch lebendig erlebt und insistiert darauf, dass es ihm allein um die Verächtlichmachung und Diskriminierung schlecht angezogener Pseudos in Berliner Souterrains ging, die in seinen Augen keinen Anstand und Geist, sehr wohl aber ein Blog- und Mediengeschäftsmodell hatten, das ihnen nicht mehr als einen Billigdöner im Stehen - "einen weldingen" - ermöglichte. Der Student dagegen geht davon aus, dass in Don Alphonso eine gewisse Unsicherheit herschte, und die Bilder vor allem dazu dienten, sich selbst die grosse, sichere Distanz zur zweiten Weltwirtschaftskrise zu verdeutlichen. Wenn solche Lebensumstände noch möglich sind, kann es nicht ihn betreffen. Und was soll ich sagen: Genau so ist es.



Es ist so, weil ich in den letzten Jahren bei den deutschen Vorläufern der Finanzkrise mehrfach sehr nah miterlebt habe, wie schnell es scheinbar gut abgesicherten Leuten den Boden unter den Füssen wegziehen kann. Und weil ich in der New Economy gerade in München auch erlebt habe, wie unsagbar unfähig die Politik ist, sich von alten fehlentscheidungen abzusetzen und ohne Bevorzugung der alten Klüngel etwas Neues, Besseres zu machen. Je grösser die Not und die Angst wurde, desto skrupelloser und undurchsichtiger gestalteten sich die politischen Reaktionen. Statt den Markt entscheiden zu lassen, was sinnvoll ist und was gehen darf, verpulverte der Freistaat Millionen und Abermillionen in Gentechnik, virtuelle Marktplätze und Bürgernetze, die kein Mensch brauchte und Agenturen, Investoren und Berater noch Jahre durchfütterten,die längst einen neuen Job in der Bahnhofskloreinigung hätten antreten sollen.

Bayern ist klein und stark, die USA dagegen sind sehr gross und, dank einer ähnlich idiotischen Blase der Finanzinstitutionen auf Basis platzender Kredite, extrem schwach. Und am Ruder der Finanzpolitik sind: Ein verlogener Kriegstreiber als Präsident, ein Bankenlobbyist als Finanzminister und ein Wissenschaftler namens Ben Bernanke als Notenbankchef, der die ersten Jahre seiner Amtszeit die Immobilienblase mitgeschürt hat. Und als sie dann platzte, ein Jahr lang so tat, als sei das kein Problem, und mit etwas Optimismus bliebe es auf ein paar Bankenabteilungen begrenzt. In der Zwischenzeit half er, grosszügig Geld zu verteilen, er kaufte massenhaft Dreck von den Finanzmärkten weg, er senkte die Zinsen auf Null, und jetzt, da es alles nichts geholfen hat und die Hauspreise noch immer fallen, weil die Blase zu gross war, und das Übermass an Konsumgütern abgebaut werden muss - erkennt dieser Typ in der Angleichung an die Realität eine "Deflation", und verspricht neue Methoden, die nach seiner Theorie funktionieren und den Markt so mit Geld überschwemmen, dass er wieder in Gang kommt.

Die schlimmste Idee, die aktuell bekannt ist, dürfte der Plan sein, dass sich die FED vollkommen dem Staat entzieht, indem sie selbst Anleihen herausgibt, um ihren eigenen Angaben nach flexibel reagieren zu können. Kein nerviges Erklären im Senat mehr, keine dummen Fragen, und wenn die Medien etwas wissen wollen, blockt man die Fragen ab. Wenn die Legsilative dieses Finanzermächtigungsgesetzt durchlässt, wird es hier noch sehr viel mehr üppige Tische geben, denn dann habe ich wirklich Angst.

Die Fed hat durch die Vorgeschichte diverser Aufkäufe eine auf 2,2 Billionen angeschwollene Bilanz, und mit eigenen Anleihen könnte man weitere Programme problemlos gegenfinanzieren. Nachdem die FED bekanntlich die Notenpresse hat, kann sie auch jederzeit zurückzahlen, was natürlich auch die Inflation wieder in Schwung bringen wird. Logisch, oder? Der Vollversager, der die Krise aufgebaut hat, sie nachher nicht erkannte und, seitdem es für alle fühlbar schlimm wird, die Dinosaurier füttert, die seine "Partners in Crime" waren - dieser Mann will jetzt die weitgehende Kontrolle über die Finanzwirtschaft der grössten Volkswirtschaft der Welt.

Ich habe Angst, dass nach dem Kasinokapitalismus der Privatwirtschaft jetzt der Kommandokapitalismus des Staates folgt, dessen Interessen in Zeiten allgemeiner Unsicherheit die Durchsetzung von Massnahmen sind, die wenigen nutzen und vielen schaden - die Schäubleisierung der Finanzpolitik, die FED als finanzielles Heimatschutzministerium, alles so weit wie möglich ausserhalb demokratischer Kontrolle mit Spielräumen, die sie selbst definieren. Zusammen mit dem erbärmlichen Personal ist der Weg damit offen zu einem neuen, entwerteten Dollar mit einer unverändert riesigen Blase an Finanzfirmen um ihn herum, der uns mittelfristig mehr Kopfzerbrechen bereiten wird, als die eigentlich wichtige Frage, was man sinnvollerweise zurückfährt und einschränkt, um wieder auf die Füsse zu kommen, damit die Märkte in kleinerem Umfang und mit kleineren Renditen wieder funktionieren.

Vielleicht funktionieren sie auf ihre eigene, perverse Art sogar heute noch: Ich kann mir nicht helfen, aber ich werde den Verdacht nicht los, dass die in letzter Zeit trotz aller katastrophalen Meldungen steigenden Aktienkurse keinen Aufschwung, sondern die grosse Bernanke-Inflation vorwegnehmen.

(Siehe unbedingt auch weissgarnix)

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Mittwoch, 17. Dezember 2008

Allein bedenkt!

Der Berg ist heute zaubertoll,



und wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll



So müßt Ihr's so genau nicht nehmen.


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Was würde ich tun.

Ich lerne im Moment laufend dazu. Nicht zu spät auf den Berg gehen, zum Beispiel. Schneller meinen Rhythmus finden. Und, richtig, auf keinen Fall im Winter die Sonnenbrille vergessen.



Nichts ist, wie es sein sollte. Es ist der 16. Dezember, das Wetter ist frühlingshaft und an der Holzwand auf der Terasse wird es richtig warm. Das hier ist ein Stück Altersvorsorge und Sicherheit, meine Antwort auf die Probleme, die Lebensversicherungen machen können.



Jenseits der ganzen Kosten- und Performancefragen würde ich einfach nicht aufwachen wollen, und das hier lesen wollen, wenn ich mein Geld schön brav und dumm bei der Massachusetts Mutual Life Insurance Co. einbezahlt hätte. Deren Hegefonds-Tochter Tremont Group Holdings Inc. hat die Hälfte seines Geldes beim notorischen Herrn Madoff angelegt, 3,3 Milliarden Dollar, und natürlich verloren. Ein Fonds, in dem sicher einige hochbezahlte Cracks sitzen und die in der Branche üblichen Gewinnbeteiligungen kassieren, hat praktisch alles, 3,1 Milliarden, bei Madoff versenkt. Ich würde mir denken, diese verf***** S*****, die machen nichts anderes, als einmal das Geld rüberschieben, dann auf den Jahresabschluss und die Überweisung warten und solange ihre Yachtputzer schikanieren, wenn sie vom Golfplatz aus anrufen. Ich habe keine derartige Lebensversicherung, aber ich kann auch so das Würgen im Hals fühlen fühlen, das die Weissglut anfacht, die ich dann empfinden würde.



Obwohl in meiner Familie das Abknallen von Viechern lange Zeit der Sport schlechthin war, hatte ich gestern ein komisches Gefühl, als mit beim Aufstieg zum Hirschberg ein Jäger auf einem Quad entgegen kam, mit einer Langwaffe auf dem Rücken und einem toten Tier hinten in einer Schachtel. Trotzdem liessen wir das hier übliche Griassdi im Bergwald erschallen. Ich bin kein Freund von Gewalt, aber ich glaube, wenn ich mein Geld solchen Leuten gegeben hätte, dann hätte ich für so eine Langwaffe erheblich andere Gefühle als, sagen wir mal, Ablehnung und Unsicherheit. Ich würde mir sowas von einem gewissen Geschäftspartner zu Weihnachten wünschen. Es ist wirklich bemerkenswert, wie viel in den letzten anderthalb Jahren von verantwortungslosen Schweinen vernichtet wurde, das sind teilweise Lebensläufe, Schicksale, und wie wenig gerade in einem schiesswütigen Land wie den USA passiert ist. Entweder bekommen es die meisten dort einfach nicht mit, oder sie sind doch zivilisierter, als ich dachte.

Aber es ist ja nicht meine Sache. Das einzige, was stört, ist eine blöde Spammail einer Frau, die mir dazu noch ihren ziemlich schrägen Lebensweg zu einem blöden Startup schickt, das bald wie so viel anderes krepieren wird, während meine einzige Sorge im Moment die Wahl der Rodel ist.

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Dienstag, 16. Dezember 2008

Empfehlung heute - Abendrodelgang vs. Wellness

Der Berg mit den zwei Spitzen und dem flachen Grat dazwischen, über dem die Sonne steht - das ist der Hirschberg.



Der Hirschberg ist ein Ort der persönlichen Demütigung und der einzige Berg dieses Jahres, vor dessen Gipfel ich wegen Nebel und Kälte umgekehrt bin. Zwei Tage später war ich dann oben, und hatte danach ernsthafte Probleme, das Tal zu erreichen: Zu spät aufgestiegen, nichts zum essen dabei, den Rückweg unterschätzt. Der Hirschberg nervt erst mit 500 Höhenmetern langweiliger Forststrassenlatscherei, bevor der eigentliche, harte Aufstieg kommt.



Jetzt jedoch ist es Winter, die Berghütte dort oben hat geschlossen, auch die Almen sind zu, und aus dem Hatscherer wird eine erstklassige Rodelstrecke, die am Nachmittag aber schon im Schatten der Berge liegt. Rechts geht es hinauf über Serpentinen, Eisplatten, ein wenig Steinflächen - und sehr viel sulziger Schnee. Was dumm ist.



Der Hirschberg ist die Nemesis meiner Fehleinschätzungen. Auf der Neureuth ist die ganze Piste vereist, und ich rase mit querstehendem Tourenrodel mit reichlich wenig Seitenhalt über spiegelplatte Kurven. Hier oben ist alles voller Schnee, und ich bin mit dem flachen Rennrodel unterwegs. Bei jedem Bremsmanöver vor den engen Kurven staubt der feuchte, klebrige Schnee zwischen Sitzfläche und Hinterteil. Dergestalt durchnässt, läuft man anschliessend durch einen Ort und ist ganz froh über die einbrechende Dunkelheit, die die Bletschade der Öffentlichkeit verbirgt.



Morgen kann ich es nochmal versuchen, denn es bleibt schön. Ich könnte aber auch einen faulen Tag mit Torte und Internet auf der Terasse machen. Oder in die Seesauna gehen, wo man mit ziemlich genau dieser Aussicht Wellness -

uh oh, ich glaube, ich probiere dann doch lieber die Strecke vom Setzberg aus. Und nenne sie die Burnster Bandscheiben Bedrouillen Tour, denn sowas passiert immer nur auf den Bürostühlen.

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Was tun, wenn das viele schöne Geld weg ist.

Als gestern ein paar mal das Geräusch reissender Stoffgurte durch den abendlich stillen Bergwald tönte und der Sitz unter mir sehr weich, viel zu weich wurde, da dachte ich mir einen Moment: Noch ein paar solcher Geräusche, und du steigst um von der Fussbremse auf das Bremsen mit einem Körperteil, der dafür rein technisch auch geeignet, für dich selbst jedoch eher unerquicklich ist. Nun ja, eigentlich hatte ich nur das Bild vor Augen und dachte mir: Auwehzwick.



Ich kann also irgendwie nachempfinden, was hier geschildert wird (via). Diese Angst, unvermittelt alle Sicherheit zu verlieren und am Abgrund zu stehen - auch, weil am Ende der Strecke eine vereiste Spitzkehre ist, und wer die nicht schafft, landet in halber Höhe auf reichlich hohen Bäumen. Die Möglichkeit, innerhalb weniger Sekunden vor dem Nichts zu stehen, die jetzt manche Investoren bei Bernie Madoff überkommt. Der Wechsel von absoluter Sicherheit zu absoluter Besitzlosigkeit innerhalb eines Anrufs. Vielleicht so wenig zu haben, dass man sich nicht mal einen Anwalt leisten kann.

Die meisten von denen werden schon noch irgendwo was haben: Eine Zweitimmobilie, Schmuck, die alten Aktien von Tante Elfriede und anderes, was sich so in den Handschuhfächern der Reichen ansammelt. Ob da wirklich einer auf der Strasse landet, wage ich zu bezweifeln, denn es gibt ja auch noch Familie. Das Mitleid kann sich also in gewissen Grenzen halten, und im Sudan ist Hilfe sicher wichtiger. Trotzdem muss das sehr hart sein.

Es gibt bei uns die Geschichte eines Verwandten, der, wie meine Tante Mami immer so schön sagte, "schwarz ausläuft wenn man ihn ansticht". Einer dieser Superdeutschen, wie es sie nur vor dem 1. Weltkrieg im aufstrebenden Bürgertum gab. Die Familie hat zwar eine lange sozialdemokratische oder schlimmstenfalls liberale Tradition, aber dieser Mann - Erbe von Geburt an - war anders, deutsch, national und angepasst. Ich habe bei einem Erbfall die Noten gefunden, aus denen er auf dem Flügel vorspielte, und "Heil Dir im Siegeskranz" ist da noch die freundlichste Übung aus der Zeit des grossen Krieges. Wie es sich so gehörte, gab er auf dem Paradeplatz nicht nur Gold für Eisen, sondern auch all sein Vermögen dem Kaisserreich zur Kriegsfinanzierung, und machte in der Familie Druck, dass man ihm nachtat. Er verlor folgerichtig nach dem Krieg alles, was ihn auch geistig an den Rand des Zusammenbruchs brachte.

Mit dem Ausruf "Mei Göid, mei Göid", die Hände über dem Kopf zusammenschlagend, lief er durch die Strassen der Stadt, in der man ihn kannte. In meiner Familie wird dieser Tiefpunkt unserer gesellschaftlichen Reputation gerne erzählt, wenn ein Kind etwas zu viel Geld ausgibt - also, bei allem, was mehr als 30 Euro kostet und nicht dringenst gebraucht wird, oder etwas Beschädigtes ersetzt, was man auch mit grünem Draht reparieren kann. Im ersten Moment musste es diesem Mann vorgekommen sein, als sei alles vorbei: Die gesellschaftliche Stellung, der gefüllte Tisch, die Sicherheit, die ihn sein Leben lang begleitet hat. Irgendwann sammelte die Verwandtschaft ihn ein, und man überlgte, was zu tun sei. Die Zeiten waren miserabel, die Stadt hatte mit dem Ende des Heeres ihre wichtigste Einkommensquelle verloren, und sie fingen mit dem an, was geblieben war: Ein paar Immobilien in der Stadt. Sie zogen näher zusammen, vermieteten den Rest, und nach ein paar weiteren Schlägen übelster, noch schlimmerer Art hat sich zumindest der Grundstock erhalten, mit dem die Krise überstanden wurde.

In den letzten Jahren galt es als dumm und verschwenderisch, Immobilien zu besitzen und zu vermieten, die Rendite ist klein und der Ärger ist gross, sagen diejenigen, die das Geld lieber dem Familiy Office überlassen, den Reedern oder den koreanischen Staatsanleihen. Es muss mehr als 7% geben, es passiert schon nichts, ein Haus ist totes Kapital. Man kann den Opfern von Madoff nur wünschen, dass sie möglichst viel derartig totes Kapital haben, und auch denen, die demnächst in die Dollar- und Pfundkrise rauschen.

Ich habe meine Gurte wieder festgenagelt. Sehr fest. Acht statt wie bisher nur drei Nägel.

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Klarstellung zu Dotcomtod

Wegen der Nachfragen: Ich war und bin nicht an der Planung, der Umsetzung und inhaltlichen Ausgestaltung des Projektes beteiligt, das aktuell auf der URL Dotcomtod betrieben wird, und werde dort auch nicht beteiligt sein. Es gibt für mich keinerlei erkennbare Verbindungen zwischen denen, die früher Dotcomtod mit Informationen versorgt haben, und dem, was dort im Moment geschieht. Ich kann dazu nichts sagen, weil es weder etwas mit mir noch mit dem, für das ich lange meinen Kopf hingehalten habe, zu tun hat. Ich bin generell aus dem Komplex "New Economy" und "Web2.0" draussen und auch gar nicht traurig, dass es so ist.

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Montag, 15. Dezember 2008

Fetzen

Man vergisst beim Aufstieg irgendwann die Welt, denn es ist sehr eisig dort oben, man konzentriert sich auf das Wesentliche, Schritt für Schritt, jetzt nur nicht hinfallen, wer fällt, der rutscht sehr weit runter in die Bäume, immer weiter, bis dann die Sonne durchbricht und der Gipfel erscheint.



Die letzten hundert Höhenmeter sind sehr steil, hässlich zu gehen und später noch hässlicher auf dem kaum zu bremsenden Rodel, netterweise ist der Weg zum Tal hin auch mit Stacheldraht gespickt, aber es lohnt sich wegen der Aussicht.



Von da oben aus kann man sehen, dass es morgen wieder schön sein wird. Nur in den Niederungen im Norden wird sich der Nebel halten, der sich in langen Adern entlang der Flüsse Richtung Augsburg zieht. Ich bin morgen ganz sicher nicht in Augsburg.



Ich weiss nicht, ob ich hier sein werde. Vielleicht fahre ich auch woanders hin. Die Strecke hat unter Tags sehr gelitten, hier war eine Münchner Invasion, und die Vereisung der Strecke macht die Abfahrt zusammen mit den Wanderern nicht eben leichter.



Der Rodel ist 30 Jahre alt, wie auch die Bespannung, und langsam reissen die Stoffgurte an der eher schwachen Vernagelung. Dann geht alles recht schnell, es macht ein paar mal Ratsch, und man fährt dann besser auf dem hinteren Holzbock zu Tale. Nicht wirklich angenehm für das Sitzfleisch auf dieser ruppigen Strecke. An das schräge Driften durch die eisglatten Kurven gewöhnt man sich schneller, als an die knallharten Stösse von unten.



Man kann die Fetzen wieder festnageln, und noch ein paar mehr Nägel zur Sicherheit hineinschlagen. Es sieht schlimmer aus, als es ist, und es fühlt sich schlimmer an, als es nach einem heissen Bad sein wird.



Man schwitzt, man stolpert, man ringt um Balance, man schleudert durch Kurven und Angst, Angst hat man auch. Morgen wieder.

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Advent, Advent, ein Rodel rennt

drauf grunzt der Don wie ein wildes Tier
und knallt dann hungrig durch die Tür.



Der Schnee, der Schnee liegt in der Höh',
nach dem Aufstieg ist im Magen Raum
der Don schlachtet schnell den Kuchentraum



Und huckepack in seinem Sack
bringt er den Winterteppich in das Haus
drauf breit´sich dann Dons Gschpusi aus.



Advent, Advent, sein Rodel rennt
heut Nachmittag erneut die Neureuth runter.

Und Nachts, da treibt er es noch bunter.

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Samstag, 13. Dezember 2008

Drei Stunden Arbeit

Es ging dann doch schneller, als ich dachte: Ein mittellanger Winterabend hat gereicht.



Sagen wir mal so: Man muss solche Leuchter mögen. Sie sind nicht wirklich das, was man als dezent bezeichnet. Aber hey, es gibt sowieso zu viele graue Mäuse.

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Mein Wort des Jahres: Wealthy Individuals (WI)

Eine der vielen positiven Nebenwirkungen des Dekadenereignisses der Finanzkrise ist der Umstand, dass endlich über die geredet wird, die zumeist alles versuchen, das zu verhindern: Die WIs, wie sie in den Texten der Medien genannt werden, die reichen Individuen, die Wohlhabenden; eine kleine Gruppe der westeuropäisch/amerikanischen Bevölkerung, die in der Regel nicht als reich bezeichnet werden möchte, gibt es doch immer jemanden, der noch reicher und damit wirklich reich ist. Es sind die Bewohner bestimmter Viertel und Regionen,es sind die Leute, die alle laut Klingelschild "Meteor" heissen und sich oft überlegen müssen, was sie nun mit ihrem Geld anfangen. Eine hübsche, pittoreske Welt voller Schrullen und Eigenheiten, Codes und beziehungen, über deren provinzielle Ausformung ich manchmal hier berichte und oft bei Lesern auf Verständnislosigkeit und Aversion stosse.

Was erstaunlich ist, denn es gibt sehr wenige Berichte, die hinter die Kulissen dieser Gruppen schauen; Journalisten sind da in der Regel nicht zugelassen und erwünscht, denn WIs sind etwas ganz anderes als, sagen wir mal
- TV-Promis
- Interviewpartner des Focus
- Berliner Startup-Gründer, die inzwischen feststellen mussten, dass die "konservativen Anlagen" ihrer Gewinne ganz konservative Wertverluste zeitigen
WIs sind die Personen, über die Medien schreiben "Lebt zurückgezogen", "gibt selten Interviews" und "scheut Kameras". Bisher liess sich das auch ganz gut machen, denn in Zeiten des Booms fragt keiner einen Vermögenden, was er sonst noch treibt; erst der Mangel an Geld spült die WIs an die Klippen der Medien, wo sie dann langsam verwesen und den Gestank der Existenzangst absondern. Keine Namen, bitte, es ist auch nicht so wichtig: Sobald ein WI erst mal soweit ist, ist er schon kein WI mehr. Dafür sorgt schon die Gesellschaft, in der er lebt. Wir haben in der Provinz, über die ich schreibe, gerade so einen Fall eines WIs mit Besuch vom Staatsanwalt, und weil er eine mutmasslich betrügerischa gierende Vermögensverwaltung in Luxemburg betrieb, könnte es sein, dass die Ächtungsmaschinerie der kleinen Stadt mit den gierigen Opfern dieser Machenschaften mehr zu tun hat, als in den Jahren davor, als sie sich mit Scheidungen, Schwarzarbeit und tödlichen Unfällen zufrieden geben müsste.

Natürlich hoffe, ich, dass die WI als Gattung nicht aussterben. Sicher bin ich mir da übrigens nicht; man braucht eine gewisse Menge von WI auf einem Haufen, um den Nachwuchs sexuell bei der Stange und im richtigen Standesbewusstsein zu halten. Gäbe es bald viele weitere Fälle wie Madoff oder ihre bayerischen oder deutschen Äquivalente, die wir auch bald sehen werden, wäre für manche der soziale Abstieg unvermeidlich. Momentan sind es nur äusserst schmerzliche Verluste; Pferde werden verkauft und zurückgeleast, Uhren ins Pfandhaus getragen und gastronomische Extravaganzen gestrichen. Aber wer vertraulich reden kann, merkt das Krachen und Splittern unter der Belastung, man hegt Misstrauen und plant für eine rabenschwarze Zukunft. Eine Zukunft, die noch viele WIs vom Golfclub in die Wirtschaftsseiten bringt.

Manche WIs dachten ja, dass Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung - die im Übrigen auch Leute betraf, die ich nie verdächtigt hätte, kreuzbrave Erbonkel und alleinstehende Omas etwa - schon der Übelste wäre, was einem passieren könnte. Wie wir mit geschlossenen Immobilienfonds, scheiternden Hedgefonds und insolventen Banken sehen können, geht es auch noch schlimmer, sehr viel schlimmer, und ich kenne zumindest einen Fall, in dem ein Vermögensverwalter mit nur zwei WIs als Kunden einen davon mit einer grossen Währungswette gerade ruiniert. Es ist schön, dass jetzt so viel über sie geredet wird; nächstes Jahr haben sie vielleicht schon wieder Tritt gefasst oder sind so betroffen, dass sie keine WIs mehr sind. Man sollte also die Zeit nutzen und über sie reden, da sie eine Weile so hübsch greifbar sind. Bevor sie wieder entgleiten und hinter hohen Hecken Dinge tun, von denen sie nichts lesen möchten.

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Samstag, 13. Dezember 2008

Bastelarbeit für lange Winterabende

Das Internet macht vieles auf eine billige Art einfach. Es gab mal eine Zeit, da strich man auf Büchern den aufgedruckten Preis durch, wenn man sie verschenkte. Der Beschenkte hätte dann schon in den Buchladen gehen und nachfragen müssen, was das Buch kostet - gefunden hätte er den Preis, wenn überhaupt, in dicken Katalogen. Allein, es wäre unhöflich, geht es doch ncht um den Geldwert, sondern um Wertschätzung. Um diese Trennung zwischen Geschenk und dessen Bezahlung aufrecht zu erhalten, um das Nachschauen bei den diversen Billiggeizplattformen auszuschliessen, treibt es mich vermehrt in Geschäfte, deren Produkte nicht einfach so im Netz zu finden sind.

Das Netz entmystifiziert das Leben. Wer vor 100 Jahren einen Muranoleuchter haben wollte, musste ihn entweder beschwerlich aus Venedig mitbringen, oder mit langen Wartezeiten bestellen. Der Zauber des Mitbringsels aus Italien, die dazu gehörige Geschichte, das alles geht verloren, wenn man sich im Internet durch die Angebote klickt. Und dann vielleicht auch noch meint, dass die 1400 Euro für einen kleinen, handgebauten Leuchter doch zu viel Geld ist, und sich lieber für ein Pressglasimitat entscheidet, das nur 500 Euro kostet, und dessen Murano in Tschechien liegt. Oder man macht gar den Ironischen und geht in den Baumarkt, wo es Plastikklips zu kaufen gibt, die alte Formen verhöhnen.



Man hat alle Möglichkeiten des sofort und jetzt und immer, man muss nicht suchen und überlegen, solange die Karte nur genug Geld ausspuckt und man sich am Dispo orientiert. Im Prinzip ist es auch gar nicht so schlimm, man kann sich bei diesen Plastikpreisen jedes Jahr eine neue Lampe leisten, a la mode. Und die alte Lampe wegschmeissen. Im Internet findet man die Rabatte und Preissenkungen, man kauft mit einem Klick, alles ist irgendwie verfügbar, man muss nicht lange suchen, wenn man keine Zeit und - ausnahmsweise - keine Lust auf I*es, R*ller und Co. hat. Andererseits kommt man da erst gar nicht auf blöde Gedanken wie den Erwerb des schwierigsten und anfälligsten Objektes, das die Lampenproduktion hevorgebracht hat, denn Muranoleuchter sind bis heute zu teuer und zu ausgefallen, als dass man sie in freier Kapitalismuswildbahn antreffen würde.



Deshalb aber will der Kenner sie so und nur so finden: Zerbrochen, zerlegt, mitgenommen von den Zeitläufen und angeknackst durch die unvermeidlich schlechte Behandlung. Ich kann mich nicht erinnern, irgendwann einen vollkommen unbeschädigten alten Muranoleuchter gesehen zu haben, und selbst neue Exemplare belieben schon bei der Anlieferung hier und da zu splittern. Zu viel Abstehendes wurde ihnen mitgegeben, zu dünn sie die Glasstäbe, und nach ein paar Jahrzehnten löst sich auch der Kitt auf, mit dem die Dekorelemente an ihrem Ort gehalten werden. Für den Kenner jedoch ist diese Vergänglichkeit kein Zeichen italienischer Schlampigkeit, sondern eine Erinnerung an die Tristesse sterbender Grösse, die auch Venedig umschliesst. Und gerade jetzt, da auch in Riva am Gardasee ein Geschäft aufgemacht hat, um erneut Touristen den fragilen Glanz der Lagunenstadt für den Weg über die Alpen zu offerieren, mit Einsteigspreisen um die 1200 Euro, aber bitte Dottore, bedenken Sie doch, die Handarbeit, das ist etwas besonderes - gerade jetzt kommt die Wirtschaftskrise, und wir werden einen brutalen Rückschritt zu immer noch teuren, aber von jedem ostentativen Prunk befreiten Räumlichkeiten erleben.



Irgendjemand jedenfalls hat das bereits getan, sich befreit von der Mühe, so einen Leuchter zu reinigen und zu warten, ansonsten hätte ich nicht vorgestern in einem Altwarenhandel - Antiquitätengeschäft kann man das nicht nennen - eine Kiste mit dem gefunden, was die Zeitläufe von einem Muranoleuchter zurückgelassen haben. Eine Blechschale und die Kerzentüllen fehlen, die obere Rosette hat jemand schon mal mit der Heissklebepistole zu reparieren versucht, und natürlich sind auch drei Blattranken gebrochen. Es ist diesem Status der Zerstöung zuzuschreiben, dass er, sagen wir mal, unter 5% dessen kostet, was mal auf dem Preisschild gestanden haben dürfte, denn jedes Extra, die rosa Spitzen, die tordieten Stäbe, die gedrehten Blätter hat einen eigenen Preis, und dennoch wollte ihn keiner haben. Vielleicht blieb er liegen, weil die rosa Blattspitzen heute nicht in jede Einrichtung passen, vielleicht ist es anderen zu viel Arbeit gewesen. Manchmal findet man eben etwas, das andere nicht erkennen. Dann geht man aufgwühlt zur Kasse und hofft, dass dort keiner sitzt und es sich mit dem Preis nochmal anders überlget. Selbst in diesem traurigen Zustand wäre er für 250 Euro immer noch billig. Aber - keiner sagt etwas. Zahlen, einpacken, und hoffentlich weniger beim Zusammenbau fluchen, als man annehmen könnte, angesichts dieser Kiste voller Trümmer, die ihren Wert nicht aus dem Preisschild im Internet bezieht, sondern aus der Jagd, der Anspannung und letztlich dem Gefühl, diesen Glanz der Serenissima gerettet zu haben. Man kann es so nicht im Internet beschaffen. Den Leuchter nicht, und das Glück auch nicht.

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Empfehlung heute - Es wird schlimm enden

Aber sowas von. Ich weiss nicht, ob ich darüber lachen darf oder weinen sollte, aber dieser Beitrag über den Aktienzocker Bernard Madoff und möglicherweise 50 verschwundene Milliarden bei Bloomberg ist sicher einer der 10 Texte dieses Jahres, die man unbedingt gelesen haben muss:

While meeting the pair at his home yesterday, Madoff conceded that he was “finished,” that his advisory business is “all just one big lie” and “basically, a giant Ponzi scheme,” the government said. The business had been insolvent for years with losses of about $50 billion, he told the employees, according to the criminal and SEC complaints.

Madoff said he had about $200 million to $300 million left and planned to distribute money to select employees, family and friends before surrendering to authorities in about a week, the government said.


Da kann man nur an die gute, alte Enron-Geschichte erinnern. Einigen Hedge Fonds werden heute die Trümmer um die Ohren fliegen.

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