Mein Wort des Jahres: Wealthy Individuals (WI)

Eine der vielen positiven Nebenwirkungen des Dekadenereignisses der Finanzkrise ist der Umstand, dass endlich über die geredet wird, die zumeist alles versuchen, das zu verhindern: Die WIs, wie sie in den Texten der Medien genannt werden, die reichen Individuen, die Wohlhabenden; eine kleine Gruppe der westeuropäisch/amerikanischen Bevölkerung, die in der Regel nicht als reich bezeichnet werden möchte, gibt es doch immer jemanden, der noch reicher und damit wirklich reich ist. Es sind die Bewohner bestimmter Viertel und Regionen,es sind die Leute, die alle laut Klingelschild "Meteor" heissen und sich oft überlegen müssen, was sie nun mit ihrem Geld anfangen. Eine hübsche, pittoreske Welt voller Schrullen und Eigenheiten, Codes und beziehungen, über deren provinzielle Ausformung ich manchmal hier berichte und oft bei Lesern auf Verständnislosigkeit und Aversion stosse.

Was erstaunlich ist, denn es gibt sehr wenige Berichte, die hinter die Kulissen dieser Gruppen schauen; Journalisten sind da in der Regel nicht zugelassen und erwünscht, denn WIs sind etwas ganz anderes als, sagen wir mal
- TV-Promis
- Interviewpartner des Focus
- Berliner Startup-Gründer, die inzwischen feststellen mussten, dass die "konservativen Anlagen" ihrer Gewinne ganz konservative Wertverluste zeitigen
WIs sind die Personen, über die Medien schreiben "Lebt zurückgezogen", "gibt selten Interviews" und "scheut Kameras". Bisher liess sich das auch ganz gut machen, denn in Zeiten des Booms fragt keiner einen Vermögenden, was er sonst noch treibt; erst der Mangel an Geld spült die WIs an die Klippen der Medien, wo sie dann langsam verwesen und den Gestank der Existenzangst absondern. Keine Namen, bitte, es ist auch nicht so wichtig: Sobald ein WI erst mal soweit ist, ist er schon kein WI mehr. Dafür sorgt schon die Gesellschaft, in der er lebt. Wir haben in der Provinz, über die ich schreibe, gerade so einen Fall eines WIs mit Besuch vom Staatsanwalt, und weil er eine mutmasslich betrügerischa gierende Vermögensverwaltung in Luxemburg betrieb, könnte es sein, dass die Ächtungsmaschinerie der kleinen Stadt mit den gierigen Opfern dieser Machenschaften mehr zu tun hat, als in den Jahren davor, als sie sich mit Scheidungen, Schwarzarbeit und tödlichen Unfällen zufrieden geben müsste.

Natürlich hoffe, ich, dass die WI als Gattung nicht aussterben. Sicher bin ich mir da übrigens nicht; man braucht eine gewisse Menge von WI auf einem Haufen, um den Nachwuchs sexuell bei der Stange und im richtigen Standesbewusstsein zu halten. Gäbe es bald viele weitere Fälle wie Madoff oder ihre bayerischen oder deutschen Äquivalente, die wir auch bald sehen werden, wäre für manche der soziale Abstieg unvermeidlich. Momentan sind es nur äusserst schmerzliche Verluste; Pferde werden verkauft und zurückgeleast, Uhren ins Pfandhaus getragen und gastronomische Extravaganzen gestrichen. Aber wer vertraulich reden kann, merkt das Krachen und Splittern unter der Belastung, man hegt Misstrauen und plant für eine rabenschwarze Zukunft. Eine Zukunft, die noch viele WIs vom Golfclub in die Wirtschaftsseiten bringt.

Manche WIs dachten ja, dass Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung - die im Übrigen auch Leute betraf, die ich nie verdächtigt hätte, kreuzbrave Erbonkel und alleinstehende Omas etwa - schon der Übelste wäre, was einem passieren könnte. Wie wir mit geschlossenen Immobilienfonds, scheiternden Hedgefonds und insolventen Banken sehen können, geht es auch noch schlimmer, sehr viel schlimmer, und ich kenne zumindest einen Fall, in dem ein Vermögensverwalter mit nur zwei WIs als Kunden einen davon mit einer grossen Währungswette gerade ruiniert. Es ist schön, dass jetzt so viel über sie geredet wird; nächstes Jahr haben sie vielleicht schon wieder Tritt gefasst oder sind so betroffen, dass sie keine WIs mehr sind. Man sollte also die Zeit nutzen und über sie reden, da sie eine Weile so hübsch greifbar sind. Bevor sie wieder entgleiten und hinter hohen Hecken Dinge tun, von denen sie nichts lesen möchten.

Samstag, 13. Dezember 2008, 22:08, von donalphons | |comment

 
Speziell bei den hohen Hecken mußte ich an einen Ort - Meererbusch - in der Nähe denken, über den ich diesen alten Text (schlecht gescannt, viele Fehler) gefunden habe. Die Hecken gibt es dort noch immer, schlendert man durch die breiten Straßen, kommt unweigerlich ein Gefühl der Paranoia auf, das sich von den monströsen Villen auf einen zu übertragen scheint. Fußgängern begegnet man dort nicht, es gibt keine Geschäfte, Kneipen oder Cafés, dafür die blickdichtesten, übermannshohen Hecken, die ich je gesehen habe. Ein ungemütlicher Ort, den man gerne hinter sich läßt. "Vornehm" läßt sich das nicht mehr nennen.

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Oha, der Artikel ist von 1970! Inzwischen hat sich Meerbusch, die künstliche Stadt, die man aus disparaten Dörfern zusammengekloppt hat, mehrfach dramatisch verändert. Zwar stehen in Meererbusch noch die Villen, und auch die Hecken gibt es noch - dahinter wohnen aber andere Leute, die ohne ihre Bodyguards das Grundstück nicht verlassen. Außerdem Pack, das demnächst wird ausziehen müssen, weil es sich die Mieten (dort wohnen kaum Eigentümer) von 5000 pro Monat aufwärts nicht mehr leisten kann. Nein, die meisten WIs sind schon seit Längerem weg aus MB.

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Ich war da mal, und fand es eigentlich ganz normal, was man so von aussen sieht - es gibt sogar einen Blogger aus Meerbusch. Es gibt durchaus lokale Unterschiede in der Ausprägung und Erscheinungsform dieser Schicht, die Kö ist etwas ganz anderes als die Maximiliansstrasse, aber selbst solche Orte decken das Phänomen nur teilweise ab. Schliesslich gibt es auch WIs, die ihre Ihren für 3 Euro bei Ebay kaufen und das dann auch noch extra betonen. Deren ganze Freude ist das Geld, das sie besitzen. Oder zu besitzen meinten.

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Man darf nicht so auf die Villen in den bekannten Stadtvierteln - Grünwald, Dahlem, Blankenese, usw. gucken. In jeder Kleinstadt, selbst auf dem Dorf gibt es WIs. Gerade weil sie zurückgezogen leben. Die Grundstücke sind da so gross, dass man die Häuser nur erahnen kann. Da braucht es nicht einmal so hohe Hecken. Es zählt ja auch nicht der äussere Prunk. Entscheidender ist, wie es innen aussieht. Erlesene Möbel, Schwimmbad, usw. Am nächsten kommt man diesem Reichtum, wenn man mit den örtlichen Handwerkern spricht und die ein wenig vom Glanz erzählen, den sie da antreffen. Zurückgezogen ist das eine, aber typisch ist für solche Haushalte, dass Handwerker irgendwie immer zu Gange sind.

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Stimmt, da fällt mir aus meinem Bekanntenkreis auch ein Handwerker aus der Provinz ein, der ab und an aus dem Nähkästchen plaudert, obwohl ich mich an Details jetzt leider nicht erinnern kann. Ich weiß nur, dass er häufiger für Familien mit riesigen privaten Immobilien arbeitet, die hinter den großen, alteingesessenen mittelständischen Unternehmen stehen - biedere Namen, die man als Außenstehender nie mit glanzvollem Reichtum verbinden würde. Ein anderer vermittelt Executive-Charter-Flüge. Auch da tauchen immer wieder Kunden aus der Region auf, die mit einem größeren Flieger "mal eben ihrer Frau Holland von oben zeigen wollen" und Ähnliches.

Lustigerweise habe ich diese Erzählungen immer so hingenommen und nie groß darüber nachgedacht, was das über unsere Gesellschaftsstruktur aussagt (und vor allem nicht über die interessante Tatsache, dass den meisten Leuten gar nicht bekannt ist, dass es viele solcher Familien gibt).

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"Fußgängern begegnet man dort nicht, es gibt keine Geschäfte, Kneipen oder Cafés, dafür die blickdichtesten, übermannshohen Hecken, die ich je gesehen habe."
Das gilt aber auch nur für Alt-Meererbusch inkl. des ehemaligen Flick-Grundstücks, der Rest (>80%) ist eine völlig normale Düsseldorfer Vorstadt, inkl. Fussgängern, Geschäften, Kneipen oder Cafés.

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Ich muss mal über die Familie K. schreiben, die mit ihrem üppigen Nachwuchs erfolgreich ein paar Regeln gegen Apothekenketten ausgehebelt hat und immer nur in der kleinen blauen S-Klasse fuhr - bis nach Garmisch. Dort hatten sie eine Ferienwohnung und die Autos, mit denen sie dann in Jesolo auf der Promenade fuhren.

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Interessant wird sein, wie die WI-Welt beeinträchtigt wird. Die Top-Internate, Privatunis, exklusive Ski-Ressorts, Privatjet-Charterfirmen, usw.

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na ja, 2-3 jahre nach unten und dann geht es wieder aufwärts, bischen wie ein krieg oder nicht?

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Ich denke, diese Krise wird fundamental sein, wobei einige Luxusdinge auch Sicherheit bieten. Die Münchner Wohnung in Bestlage zum Beispiel. Für vieles andere ist es schon länger eng. Ich bekomme ab und zu Angebote für Immobilien in der Nähe von Aspen zu sehen, und da sind die Preise in Gated Communities, so sie überhaupt fertig wurden, um 40% oder mehr gefallen. Natürlich ist der Preis für eine Holzhütte mit irren Nebenkosten immer noch hoch, aber es ist nicht zu abzusehen, wo Leute zukünftig das Geld machen sollten, um sich sowas zu leisten. 70% des amerikanischen BIP hängen vom Privatkonsum ab, das wird nie wieder so werden wie in den letzten Jahren, und dann muss man sich eben überlegen, was wichtig ist. Um mal den mir bekannten Anwalt v. J. zu erwähnen: Der hat die Pferde seiner vier Kinder verkauft und mietet sie jetzt zurück.

Es wird natürlich immer Reiche geben, keine Frage, aber nicht mehr so viele, und nicht mehr so exorbitant reich. Die Aktien in den USA haben ja jemandem tatsächlich gehört.

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...ja, zu einem großen Teil haben diese Aktien aber auch den großen Pensionseinrichtungen in den USA gehört. Was zeigt, dass die gesetzliche Rente per Umlageverfahren vielleicht doch nicht die allerschlechteste Alternative ist.

Aber es ist immerhin tröstlich, dass diese Krise wenigstens auch die Reichen trifft.

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ja aber da diese reichen schon immer pervers in sachen Geldvermehren waren und vor nichts zurückchreck(t)en, dauert es nicht lang, bis eine neue Form der Ausbeutung "erfunden" haben.

und dann geht die spirale von vorne los. die nächsten 15 jahre.

aber bis dahin findet das alles in asien statt...

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Ah,
im ersten Satz sah ich eben die Einschraenkung auf Europa und Nordamerika. Denn auch hier gibt es die WI. Allerdings haben die ihr Vermoegen eher weniger durch Aktienspekulation als vielmehr durch Ausbeutung ihrer Rohstoffvorkommen gebildet. Mittelfristig wohl eine sicherere Sache als virtuelle Werte auf Papieren. Wie es dann mal aussieht, wenn hier das Erdgas alle ist, sei einmal dahingestellt.

Bis dahin allerdings sieht man immer wieder in Hofeinfahrten und auf der Strasse Bentleys, Veyrons, Range Rover und S-Klassen stehen und fahren, dazu alles, was die Sportwagenhersteller noerdlich und suedlich der Alpen zu bieten haben - bei Geschwindigkeitsbegrenzungen von 80 km/h innerorts auf Durchgangsstrassen und 120 km/h ausserorts.

Ich denke, dass diese Jungs, sofern ueberhaupt das Gefuehl fuer so etwas vorhanden ist, die momentanen Gewinner des Werteverfalls der Spielzeuge Superreicher sein werden. Und die wenigen, verbliebenen Kunden der Hersteller solcher Sachen.

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Der hat die Pferde seiner vier Kinder verkauft und mietet sie jetzt zurück.

Pferde sind eigentlich nur im Unterhalt teuer. Wenn man sich aber selbst um sie kümmert, ist es kein kostspieliges Hobby. Platz und etwas Zeit braucht man.

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Nun, die Kinderlein sollten schön für ihr späteres Dasein als Reichunderfolgreichs trainieren, da waren so niedrige Tätigkeiten nicht vorgeshen. Siehe Stallbursche.

Natürlich tun sich jetzt für die Bewohner der arabischen Halbinsel gute Chancen auf, aber auch für unsereins - man schaue nur mal, was in Eingland gebrauchte DB7 kosten. Ich vermute aber, dass es manche Hersteller einfach nicht überleben werden; Bentley ist schon in Weihnachtsurlaub, und um ehrlich zu sein: Es gibt einfach zu viele Hersteller von überteuertem Blech.

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Wealthy Individuals?
Schöner Begriff, aber ob das hier geschilderte auch auf die bekannte Familie Spee zutrifft, möchte ich mal stark bezweifeln. (Hierzu fällt mir wieder ein, dass es bis in die 80er üblich war, für Pachtgrund der Familie Spee 50 Pfenning Jahrespacht je m² zu zahlen, verkauft wurde aber nie)! Ebenso bei der "schrillen" Fürstin. Ich habe noch nicht gehört, dass diese Dame wirklich ans Eingemachte musste. Oder liege ich da falsch?

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Gloria von Thurn und Taxis musste vor einigen Jahren lauter Zeugs versteigern, um die Erbschaftssteuer zu bezahlen. Aber selbst danach hat sie wohl kaum in leeren Zimmern gesessen oder keinen Schmuck mehr besessen.

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Gloria
Die Geschichte kenne ich auch. Aus meiner Sicht war das hochwertiger "Tand", aber keine Sachen, die ein Vermögen erhalten oder gar mehren. Vielleicht spielt diese Dame und die Familie Spee wieder eine Liga höher?

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Bei den zwei Versteigerungen 1992 und 1993 erzielte sie mehr als 52 Millionen DM Erlös. Außerdem wurden noch Wertgegenstände im Wert von 45 Millionen, die sie dem Freistaat Bayern überließ, mit der Erbschaftssteuer verrechnet. So viel zum Thema Tand. Meines Wissens besitzen die ordentlich viel Wald und Ländereien.
Sohn Albert soll es auf 1,5 Milliarden Euro bringen. Soviel zur Liga.
Seine Mutter bezeichnet sich übrigens als "absoluter Mittelstand" (der Rest des Zeit-Artikels Die Starnberger Republik ist auch lesenswert).

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Zwischen "verarmen" und "weniger reich sein" ist noch viel Platz, aber die Angst vor dem Abstieg ist wohl vielen Leuten gemein. Es gibt da einen wenig schönen Fall in der Region meiner Heimat, wo eine seit 5 Jahrhunderten ansässige Familie in den letzten 30 Jahren peu a peu aufgrund deer äusseren Umstände Assets aufgegeben hat: Erst die Brauerei, die zu klein war, dann das Sommerschloss, dann immer wieder ein paar Felder, immer bevor sie zu Baugrund wurden, dann hatten sie einen schlechten Verwalter ihrer Wälder und zugleich ein Übermass an gesellschaftlichen Verpflichtungen, und jedes Jahr war am Ende ein relativ kleines, aber doch fühlbares Minus, ab und an auch mehr, wenn irgendeine Idee zur Vermarktung im Gegensatz zu dem, was die Berater sagten, nicht klappte. Und jetzt mussten sie das Schloss verkaufen, weil sie von der Instandhaltung überfordert waren, an einen halbverwandten Adelsclan, dem es auch nicht gerade leicht fällt, die Angeheirateten einzusammeln und zu verhindern, dass der reiche Russe alles übernimmt. Sehr nette Leute, keine Verschwender, sehr bitter. Natürlich könnte man sie jetzt verhöhnen und sich lustig machen; Hartz IV ist bei denen sicher kein Thema, aber das waren die Herren des Landes, und niemand garantiert, dass man immer oben bleibt.

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Das T&T´sche Schloss, das ehemalige St. Emmeram, war vor der Übergabe an den Adel eines der reichsten Klöster des alten Reiches. Man darf davon ausgehen, dass in seinen Räumen extrem viel zu finden ist, was nicht unbedingt benötigt wird. Für Sotheby´s war es kein kleines Risiko, so einen House Sale in Deutschland zu veranstalten, und ob es sich langfristig gelohnt hat, mit dem ganzen Medienrummel eine eher atypische Käuferschicht anzuziehen, wage ich auch zu bezweifeln. Nach einer Weile hat der Adel in Deutschland nicht mehr richtig gezogen, man darf also sagen, dass da jemand den richtigen Zeitpunkt und das richtige Marketing erwischt hat.

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Zur "Starnberger Republik": Naja.

Da ist viel Legendenbildung dran. Ich bin sicher kein Apologet der besseren Kreise, aber so wie dort beschrieben ist das auch nicht "die Realität". Der Starnberger See ist sehr gross, und wenn das wirklich so wäre wie in dem Artikel, dann wären Tutzing und Starnberg selber keine solchen traurigen Provinznester. Nur weil es eine hohe Dichte von Einkommensmillionären gibt, heisst es nicht, dass dort jeder ein Millionär ist. Es ist sicher nicht wie Neukölln, aber es ist auch keine gated Community. Wer hinziehen will, zahlt teilweise weniger als in den besseren Münchner Lagen.

Genauso, wie angebliche Luxuslagen am Tegernsee wie St. Quirin oder Rottach im Schnitt weitaus billiger sind, als Maxvorstadt oder Bogenhausen. Und bei uns fahren sie, wann immer es geht, zum Einkaufen nach Österreich, weil der M-Preis in Achenkirch zusammen mit dem Volltanken und den drei Benzinkanistern so hübsch billig ist. Auch das ist "Starnberger Republik". Nur käme das in den Medien nicht so schick abgehoben rüber.

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Dass Tutzing und Starnberg Provinznester sind, kommt da aber schon deutlich zum Ausdruck. Dass dort längst nicht jeder ein Millionär ist, auch.

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Ich habe dennoch bei dem Stück den Eindruck, dass es Tendenzschreibe ist. Auf ein paar Strecken sogar auf der Borderline. Die Idee bestimmt die Auswahl. Da ist etwas drin, was mich abstösst.

Was ich meinte, ist: Würde das gezeichnete Bild stimmen, dann wären Tutzing und Starnberg ganz sicher nicht die Käffer, die sie nun mal sind. Das zu erkennen, ist nicht schwer, aber um die Erklärung dieses Widerspruchs drückt man sich - weil der nämlich die schöne Geschichte ruiniert hätte.

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Mir hat der Satz, dass jene Bürger vom See in private Stiftungen ihr Geld stecken, viel Geld, das viel Gutes bewirkt, sie aber für den Staat nichts übrig haben, schon eingeleuchtet.

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es gab den botas und seine geschichte auch im TV. ich habe das irgendwann im letzten jahr gesehen, weiß aber nicht mehr auf welchem sender. in erinnerung geblieben ist mir nur, dass sich die gesamte geschichte haargenau so ausnahm wie berichte in der 90ern über diesen typen, der die gabor geheiratet und sich einen adelstitel gekauft hat, und der seit geraumer zeit via adoption seinerseits diesen adelstitel verscherbelt (u.a. an einen neuen widerlichen prinz von anhalt, der als bordellbesitzer reich geworden ist und jetzt vermehrt bei promishows und diversen medienpreisverleihen zu sehen ist). ich glaube, das alles zählt zu dieser gala-frau-im spiegel-apotheken-umschau-medien-soße, die sich offenbar zeitlos an ein bestimmtes stammpublikum verkaufen lässt, so wie florian silbereisen.

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Der Artikel ist schon älter, er erschien im Dezember 2006. Und die Autoren bekamen 2007 dafür den Herbert-Riehl-Heyse-Preis (gestiftet von den Gesellschaftern der Süddeutschen Zeitung, dotiert mit 10.000 Euro).

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unfassbar.

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itha, was genau empört Dich daran? Ist die Reportage in Deinen Augen schlecht recherchiert oder sprachlich verunglückt, liegt es an diesem Bothas oder kommen die Reichen, die darin vorkommen, zu schlecht weg? Oder findest Du das Thema einfach nur doof?

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Der Teil mit dem namentlich nicht genannten Paar in der Jugenstilvilla auf der zweiten Seite stinkt bestialisch nach selbst geschnitzt. Was mich an dem Beitrag so ankotzt, ist das Zusammenfügen von einzelnen Aspekten, die es unbestreitbar so sicher manchmal gibt, zu einem Bild, das dann nur noch wenig mit der Realität zu tun hat. Dass man im Journalismus sowas gut und preiswürdig findet - von mir aus. Der Beitrag ist dumm ("antike Möbel", römisch? griechisch?), platt ("Am Westufer ist der Erfolg zu Hause, Wirtschaftsführer und Juristen. Am Ostufer das Gefühl, Künstler und Gelehrte."), und tendenziös ("Der Bürgermeister der Seegemeinde Tutzing fängt an zu stottern, wenn man ihn nach den vielen reichen Bürgern in seinem Ort fragt.").

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ich glaube nicht, dass es von allgemeinem interesse ist, was ich dazu denke. aber ok: die reportage ist gut, sicher ausreichend recherchiert, wobei man aus dem sujet an sich noch viel mehr hätte herausholen können, sprachlich ist es brav, aber nicht brillant geschrieben, im besten fall ist es auf unverfängliche art unterhaltsam, und es ist auf keinen fall 10.ooo euro wert.

der artikel ist ok, ich verstehe nur die preisvergabe nicht. aber ich verstehe preisvergaben ohnehin nie. ich habe auch nicht verstanden, warum der blogger st. niggem. einen preis erhielt. ich habe anscheinend die dafür nötige soziale kompetenz nicht bzw. das darauf basierende vernünftige verständnis.

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Don, manchmal benehmen sich Leute auch mal klischeehaft. Ich glaube nicht, dass die beiden Autoren es sich leisten können, Leute wie dieses Paar zu erfinden, ich glaube auch nicht, dass es nötig gewesen ist. Genauso wenig wie das Stottern des Bürgermeisters - und warum hätten sie das weglassen sollen? Dass die Autoren die Möbel nicht einer Epoche zugeordnet haben, finde ich nicht so schlimm. Hätte es denn wirklich einen großen Unterschied gemacht, zu wissen, dass es Biedermeier, Chippendale oder Art Deco war? Du magst den Text nicht, ist ja Dein gutes Recht, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass das noch andere Gründe hat. Ich kann mir nämlich nicht so recht vorstellen, dass Du genauso reagieren würdest, wenn die Geschichte im Hochtaunuskreis spielen würde (da gibt es auch eine recht hohe Anzahl von Millionären).

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Tand und Land
Ich will gar nicht abstreiten, dass dieser "Tand" ein
en enormen Wert hatte/hat (wobei die Dame wahrscheinlich auch etwas von ihrem Image profitiert hat bzw. wie Don Alphonso geschrieben hat, dass "da jemand den richtigen Zeitpunkt und das richtige Marketing erwischt hat") und möglicherweise auch kulturgeschichtlich von großer Bedeutung hat.
Nur wie Arboretum richtig schreibt: "Meines Wissens besitzen die ordentlich viel Wald und Ländereien." Darauf habe ich genau abgezielt, solange dieser Wald und diese Ländereien nicht verkauft werden müssen, geht es T&T und Konsorten nicht schlecht. Dass würde nämlich an die langfristige Substanz gehen. Verhöhnen werde ich dafür ganz sicher erstmal keinen.

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Mir ist der Starnberger See so wurscht wie nur grad was, da gibt es solche und solche, und ich war lang genug dort, um beide Arten zu kennen. Dito Ammersee, dito Tegernsee und Chiemgau. Mir geht es um das Bedienen von diesen grauenvollen Klischees - beispielsweise das Rumtoben und Zusammenstauchen von Beamten und gewählten Vertretern: Höchst atypisch. So funktioniert das nicht. Nie. Ich muss mir da nur mal mein allernächstes Umfeld anschauen und wie es geschafft hat, den Flaschencontainer genau zwischen die beiden Teile des besseren Viertels zu bekommen. Da hat keiner den Bürgermeister angeschnauzt. Das geht anders, allein schon, weil es in aller Regel immer zwei Gegenparteien gibt, und um seine Ziele zu erreichen, sollte man es sich mit niemandem verschwerzen. Man gibt sich keine derartig dummen Blössen in Zirkeln, in denen jeder jeden kennt.

Für mich ist der Beitrag in der Tradition von Vanity Fair, Rich Magazine und den AD bei-Seiten. Da wird ein Aspekt rausgegriffen und vorgezeigt als das Bestimmende Element, aber so einfach ist das nicht. Ich habe kein Problem, hier was über den vollkommen absurden und mit allen Mitteln ausgetragenen Streit um den Seeuferweg zu schreiben, der durchaus dem Bild in diesem Beitrag entspräche. Aber der ist nicht "die Reichen am Tegernsee". Das ist genauso der Depp, der eine Strasse zur Privatstrasse erklärt, und die Frau, die die Benefizkonzerte macht, und die Betreuungszirkel für Kinder und der alte Krüppel, dem der Berg gegenüber gehört und will, dass die Kühe drauf bleiben und niemand baut, und Frau S., die ihre Gäste aus Sparsamkeit bei Freunden unterbringt, und vieles mehr. Ich stimme dem Beitrag insofern zu, als dass diese Welt wenig mit dem Rest der Republik zu tun hat. Alles andere verdient aber eine genaue Betrachtung der Vielschichtigkeit und nicht das Plattwalzen auf eine Illusion, die einem Ärzteroman entsprungen sein könnte.

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(...) Alles andere verdient aber eine genaue Betrachtung der Vielschichtigkeit und nicht das Plattwalzen auf eine Illusion, die einem Ärzteroman entsprungen sein könnte.

Und wie viele Leser erreichst Du dann noch? Oder genauer gefragt, wie viele Journalisten sind in der Lage das zu leisten und sich einer großen Leserschaft rühmen zu können? In Zeiten sinkender Auflagen - auch damals schon - heißt das Zauberwort Quote, nicht Qualität.

(...) der seit geraumer zeit via adoption seinerseits diesen adelstitel verscherbelt (...)
Die, die ihm das abkaufen sind selber schuld. Es gibt in Deutschland nur zwei anerkannte und juristisch rechtmäßige Arten einen Adelstitel zu erwerben. Durch Geburt oder durch Heirat. Und letzteres gilt nur für Personen weiblichen Geschlechts in einer Ehe "klassischer Bauart". (Hat einer eine Idee, das besser auszudrücken?) Gleichgeschlechtliche Ehen werden diesbezüglich vom VdDA nicht anerkannt. Ebenso sind die Kinder eines Ehepaars, wo sie adlig ist, er aber nicht, und ihr Name angenommen wurde, nicht adlig - auch wenn sie "von" heißen.
Ob man wirklich adlig ist oder nicht, merkt man dann, wenn ein deutsches Gericht einem zum Beispiel das Führen des Familienwappens untersagt.

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Ich vermute, die beiden Reporter hatten genau dasselbe Problem wie sie es im Text einem Soziologen prognostizieren: an die wirklich reichen Leute heranzukommen. Leute, wie Du sie beschreibst, Don, reden höchstwahrscheinlich doch gar nicht mit der Presse. Mit wem haben die Reporter also geredet? Mit denen, die sowieso mit den Medien reden, Leuten wie Riekel, Gloria von Thurn und Taxis und Botas, wobei sie dafür unterschiedliche Gründe haben mögen. Dann dieses Paar in der Jugendstilvilla, das Vermögen ist aber nur "ansehnlich" (klingt nicht nach wirklich reich) und schließlich noch das übliche Personal, das dort arbeitet: Gärtner, Polizisten usw. Dass die Gemeindemitarbeiter gallige Geschichtchen erzählen, ist nicht so verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sich ein gewisser Prozentsatz von Leuten unabhängig vom Einkommen einfach schlecht benimmt. Wäre nicht anders, fragte man sie nach Hartzies (wobei die in dem Landkreis wahrscheinlich nicht so viele haben wegen der Mieten). Klar zeigt das nur einen Ausschnitt, andererseits ist die Reportage bekanntlich die subjektivste Form. Würden Du und ich dorthin fahren, kämen wieder ganz andere Geschichten heraus, bei Dir schon allein deshalb, weil Du einen ganz anderen Zugang bekämst.

Itha, die Kriterien für den Riehl-Heyse-Preis lassen sich so eindeutig nicht festmachen, es hängt sicherlich auch immer damit zusammen, welche Beiträge sonst noch eingereicht wurden. Generell muss man halt immer schauen, wer den Preis auslobt. Und Grimme Online kann man doch schon länger nicht mehr sonderlich ernst nehmen.

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Vielleicht eine Sache noch: Die Behauptung solcher Immobilienleute, aber auch von Kunstagenten und anderen Maklern, dass sie hochpreisige Dinge in Nullkommanichts an einen ihrer Karteikartenkunden verkaufen, denn es gäbe genug Reiche: Pure Eigenpropaganda. Ähnlich wie die Erzählung vom reichen Russen, der auch Interesse hat. Gehört dazu, aber nach allem, was ich weiss, sind wirklich grosse Objekte schon immer nicht gerade einfach zu verkaufen gewesen. Diese Leute sagen es trotzdem, um möglichst viele Mandate zu bekommen, denn sie verdienen in der Regel an beiden Seiten. Ist zwar nicht unbedingt sauber, aber üblich.

Ich kenne unten am See eine Villa mit Schwimmbad und 5000 m² Grund, die seit über einem Jahr nicht verkauft wird, trotz eines inzwischen recht günstigen Preises und mit neu reininvestierten Fenstern: Wirklich Reichen ist das noch immer zu nah an der Strasse, und das Gebäude entspricht auch nicht dem neuesten Prestigedenken. Und der Makler stellt den Besitzern immer wieder schöne Rechnungen.

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Ich habe das auch so aufgefasst und vermutet, dass das auch sein Beweggrund war, mit Medienleuten zu reden.

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wohlhabende im madoff shock

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Das hier ist klasse:

Federal investigators working through the weekend to unravel Bernard Madoff’s alleged $50 billion Ponzi scheme found evidence he ran an unregistered money-management business alongside his firm’s brokerage and investment-advisory units, two people with knowledge of the inquiry said.

Vielleicht ist Deregulation doch nicht so toll, wie manche immer dachten, die möglicherweise auch bei Madoff investiert hatten. Ob es bei den 50 Milliarden bleibt?

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Roger Ehrenberg unterscheidet zwischen struktureller und bürokratischer Regulation. Über die prime broker seien Hedge Funds immer schon strukturell (wenngleich nicht bürokratisch) reguliert.

Madoff betrieb seine Akquise über Vertrauen, liess die formellen Geschäftseinheiten isoliert voneinander arbeiten und setzte das Ponzi-Puzzle in seiner privat geführten money management unit zusammen.

Muss jenseits aller Regulierungen ein gewaltiger Aufwand gewesen sein. Dutzende erster institutionell investierender Adressen wurden bei deren due diligence Prüfungen hinters Licht geführt.

Fehlt nur noch ein vor Jahrzehnten beschlossener Masterplan, die Ponzi-Struktur der Börsenwelt durch akribische Simulation ihrer Verfahren in die Luft zu jagen. Gemäss dem alten Marx-Burroughs-Schema, dass man ein System durch Vorspiel der eigenen Melodie zum Einsturz bringt.

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Was ich mich ja frage: Ob es da sowas wie eine staatliche Sicherung oder eine Art versteckten Bailout geben wird. Sollte es eigentlich nicht geben, aber man weiss nie, ob es nicht doch eine Solidarität über die Wahlkampfspende hinaus gibt.

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eine juristisch erzwingbare solidarität scheint es zu geben: nämlich durch diejenigen, die sich rechtzeitig haben auszahlen lassen. wobei gleich die frage auftaucht: wie weit zurück kann und will man dabei gehen? mit welcher begründung?

interessant sind auch die steuerlichen rückforderungsmöglichkeiten.

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Das kann aber nur ein Bruchteil dessen sein, was verloren wurde. Es geht nicht auf Null, aber von Long Island in eine Suburb.

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Shocked investors are saying little publicly, but signs of their sudden financial distress were emerging over the weekend. By Saturday, four multimillion-dollar condominiums at Two Breakers Row, a complex just north of the landmark Breakers hotel, were put up for sale by owners who invested with Mr. Madoff, said Nadine House, a real-estate agent here. The condos sell for as much as $17 million and generally cater to part-time residents who enjoy access to the seaside hotel's golf course, room service and other luxurious amenities...

"I don't work on Saturday, and my phone was ringing lots," said Levi Touger, owner of Royal Pawn & Jewelry, in nearby West Palm Beach, who said he fielded calls offering a Ferrari, a Tiffany ring and a yacht as collateral... [Quelle]

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Empfehlung Bernt Engelmann
Um die Unbedarften etwas näher an das Thema WI heranzuführen empfehlen wir Bernt Egelmann, Meine Freunde, die Millionäre bzw. alle Bücher aus der Meine Freunde-Serie. Beeindruckt hat mich damals die Visualisierung von Reichtum durch die Höhe übereinandergestapelter Geldscheine. Wenn der Himalaya ein kleiner Maulwurfshügel ist.

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