Bastelarbeit für lange Winterabende

Das Internet macht vieles auf eine billige Art einfach. Es gab mal eine Zeit, da strich man auf Büchern den aufgedruckten Preis durch, wenn man sie verschenkte. Der Beschenkte hätte dann schon in den Buchladen gehen und nachfragen müssen, was das Buch kostet - gefunden hätte er den Preis, wenn überhaupt, in dicken Katalogen. Allein, es wäre unhöflich, geht es doch ncht um den Geldwert, sondern um Wertschätzung. Um diese Trennung zwischen Geschenk und dessen Bezahlung aufrecht zu erhalten, um das Nachschauen bei den diversen Billiggeizplattformen auszuschliessen, treibt es mich vermehrt in Geschäfte, deren Produkte nicht einfach so im Netz zu finden sind.

Das Netz entmystifiziert das Leben. Wer vor 100 Jahren einen Muranoleuchter haben wollte, musste ihn entweder beschwerlich aus Venedig mitbringen, oder mit langen Wartezeiten bestellen. Der Zauber des Mitbringsels aus Italien, die dazu gehörige Geschichte, das alles geht verloren, wenn man sich im Internet durch die Angebote klickt. Und dann vielleicht auch noch meint, dass die 1400 Euro für einen kleinen, handgebauten Leuchter doch zu viel Geld ist, und sich lieber für ein Pressglasimitat entscheidet, das nur 500 Euro kostet, und dessen Murano in Tschechien liegt. Oder man macht gar den Ironischen und geht in den Baumarkt, wo es Plastikklips zu kaufen gibt, die alte Formen verhöhnen.



Man hat alle Möglichkeiten des sofort und jetzt und immer, man muss nicht suchen und überlegen, solange die Karte nur genug Geld ausspuckt und man sich am Dispo orientiert. Im Prinzip ist es auch gar nicht so schlimm, man kann sich bei diesen Plastikpreisen jedes Jahr eine neue Lampe leisten, a la mode. Und die alte Lampe wegschmeissen. Im Internet findet man die Rabatte und Preissenkungen, man kauft mit einem Klick, alles ist irgendwie verfügbar, man muss nicht lange suchen, wenn man keine Zeit und - ausnahmsweise - keine Lust auf I*es, R*ller und Co. hat. Andererseits kommt man da erst gar nicht auf blöde Gedanken wie den Erwerb des schwierigsten und anfälligsten Objektes, das die Lampenproduktion hevorgebracht hat, denn Muranoleuchter sind bis heute zu teuer und zu ausgefallen, als dass man sie in freier Kapitalismuswildbahn antreffen würde.



Deshalb aber will der Kenner sie so und nur so finden: Zerbrochen, zerlegt, mitgenommen von den Zeitläufen und angeknackst durch die unvermeidlich schlechte Behandlung. Ich kann mich nicht erinnern, irgendwann einen vollkommen unbeschädigten alten Muranoleuchter gesehen zu haben, und selbst neue Exemplare belieben schon bei der Anlieferung hier und da zu splittern. Zu viel Abstehendes wurde ihnen mitgegeben, zu dünn sie die Glasstäbe, und nach ein paar Jahrzehnten löst sich auch der Kitt auf, mit dem die Dekorelemente an ihrem Ort gehalten werden. Für den Kenner jedoch ist diese Vergänglichkeit kein Zeichen italienischer Schlampigkeit, sondern eine Erinnerung an die Tristesse sterbender Grösse, die auch Venedig umschliesst. Und gerade jetzt, da auch in Riva am Gardasee ein Geschäft aufgemacht hat, um erneut Touristen den fragilen Glanz der Lagunenstadt für den Weg über die Alpen zu offerieren, mit Einsteigspreisen um die 1200 Euro, aber bitte Dottore, bedenken Sie doch, die Handarbeit, das ist etwas besonderes - gerade jetzt kommt die Wirtschaftskrise, und wir werden einen brutalen Rückschritt zu immer noch teuren, aber von jedem ostentativen Prunk befreiten Räumlichkeiten erleben.



Irgendjemand jedenfalls hat das bereits getan, sich befreit von der Mühe, so einen Leuchter zu reinigen und zu warten, ansonsten hätte ich nicht vorgestern in einem Altwarenhandel - Antiquitätengeschäft kann man das nicht nennen - eine Kiste mit dem gefunden, was die Zeitläufe von einem Muranoleuchter zurückgelassen haben. Eine Blechschale und die Kerzentüllen fehlen, die obere Rosette hat jemand schon mal mit der Heissklebepistole zu reparieren versucht, und natürlich sind auch drei Blattranken gebrochen. Es ist diesem Status der Zerstöung zuzuschreiben, dass er, sagen wir mal, unter 5% dessen kostet, was mal auf dem Preisschild gestanden haben dürfte, denn jedes Extra, die rosa Spitzen, die tordieten Stäbe, die gedrehten Blätter hat einen eigenen Preis, und dennoch wollte ihn keiner haben. Vielleicht blieb er liegen, weil die rosa Blattspitzen heute nicht in jede Einrichtung passen, vielleicht ist es anderen zu viel Arbeit gewesen. Manchmal findet man eben etwas, das andere nicht erkennen. Dann geht man aufgwühlt zur Kasse und hofft, dass dort keiner sitzt und es sich mit dem Preis nochmal anders überlget. Selbst in diesem traurigen Zustand wäre er für 250 Euro immer noch billig. Aber - keiner sagt etwas. Zahlen, einpacken, und hoffentlich weniger beim Zusammenbau fluchen, als man annehmen könnte, angesichts dieser Kiste voller Trümmer, die ihren Wert nicht aus dem Preisschild im Internet bezieht, sondern aus der Jagd, der Anspannung und letztlich dem Gefühl, diesen Glanz der Serenissima gerettet zu haben. Man kann es so nicht im Internet beschaffen. Den Leuchter nicht, und das Glück auch nicht.

Samstag, 13. Dezember 2008, 00:54, von donalphons | |comment

 
ich kenne menschen, die kaufen in einer stunde alle geschenke fürs weihnachtsfest im internet. das zeigt zum einen die bequemlichkeit, gleichgültigkeit, die einfallslosigkeit der menschen (das buch steht in der bestseller-verkaufsrang-liste ganz vorn: also kauf ich´s ) zum anderen aber auch, die blanke angst vor vollen geschäften mit quengelnden blagen, anstrengenden rentnern und überkommunikativem verkauspersonal.
die abgeklärte abfress-mentalität á la: och, die pinke kuckucks-uhr und der restliche spanplatten-schmarrn von ikea gefallen mir nicht mehr...also raus damit! ist leider ganz und gar typisch für die zeit, in der man lebt. das besondere ist nicht schick. und so stürzt sich jeder vom charakter bis zur einrichtung ins nichts der belanglosigkeit, aus angst besondere merkmale zu haben und schief angeguckt zu werden.
p.s.: ich bin neidisch auf den leuchter!!!!!!!!!!!!!!

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Trotz blanker Angst
vor vollen Geschäften samt ihren nervigen Begleiterscheinungen werde ich auch in diesem Jahr die Weihnachtseinkäufe im stationären Handel und nicht übers Internet abwickeln. Ich bin ja kein Masochist, aber ich finde, es trägt zum ideellen Wert der Geschenke nicht unerheblich bei, wenn die oder der Beschenkte weiß, dass ich die Mitbringsel in der irrsinnigen urbanen Wildnis mit quengelnden blagen, anstrengenden rentnern und überkommunikativem verkauspersonal unter Einsatz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit erbeutet habe.

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Na ja, mal halblang, das finde ich jetzt ein bisschen zu pauschal. Wer in der Vorweihnachtszeit durch die Innenstadt hetzt und wahllos alles zusammenkauft, was in den Geschäften als "besonders hippe Geschenkidee" angepriesen wird, der ist meiner Meinung nach auch nicht besser als jemand, der sich genau diese Dinge im Netz zusammenklickt. Ein sorgfältig ausgesuchtes Buch von Amazon, das wirklich zur Person passt und das nicht gerade auf der Bestsellerliste steht, kann da durchaus das nettere Geschenk sein. Im Internet findet man halt auch spezielle Dinge, die es anderswo nicht gibt - und kann dem Beschenkten vielleicht mit etwas eine Freude machen, das genau seinem Geschmack und/oder seinen Interessen entspricht. Das erfordert natürlich gründlicheres Nachdenken über die Person, wobei man idealerweise wirklich von dieser Person und nicht nur von den eigenen Vorlieben ausgehen sollte - aber kommt es nicht genau darauf an?

Natürlich geht all das auch offline. Ich will damit nur sagen, dass der Einkaufsort wohl kaum das Entscheidende ist.

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Ich verkaufe Schränke
genauer: Satzschränke aus der Buchdruck-Zeit, erbaut meist zwischen 1920 und 1965. Massive Buche, Setzkästen mit 128 Fächern, Schubladen, Schrägpulten — wunderschöne Schränke, von denen jeder wohl seine eigene Geschichte hat.

Die Interessenten kommen nur zum Teil aus meinem, dem Graphischen Gewerbe. Der vielleicht sogar größere Anteil der Interessenten sucht solche Schränke aus ganz anderen Gründen. Da gab es die Dame "Ich wohne auf der Insel Mainau, paßt Ihr Schrank in mein Cabriolet, wenn man ihn auseinander nimmt?" — Und der Preis steigt. Da gab es das "Dürfen wir bitte einmal unverbindlich vorbeikommen?" Paar aus Frankfurt, die ganz ehrlich zugaben, sich einen solchen Schrank gar nicht leisten zu können, aber solche Möbel lieben. — Und der Preis sinkt.

Wichtig ist mir, daß die Schränke zu Menschen kommen, die die handwerkliche Schönheit dieser Schränke zu schätzen wissen. Die nicht einen haben wollen, weil es in ihren Kreisen gerade en vogue ist, sondern weil sie den Schrank so sehen, wie er ist: Ein Stück deutscher Kultur, das erhaltenswert ist. Ja, deutscher, ich kann es nicht ändern. Sie wurden nur in Deutschland gebaut.

Ich mag den Bericht über den Kauf der Lampe sehr.

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Überkommunikatives
Verkaufspersonal? Wo gibts denn sowas? Ich habe bisher (von den guten kleinen Läden mal abgesehen) eher diese Erfahrung gemacht: "Der Kunde ist König, aber die Monarchie wurde abgeschafft."

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In Lederwarenläden gibt's das noch, aber da finde ich es übertrieben und im Übrigen oft auch furchtbar arrogant. Man kommt rein, und fünf mittelalte - und erkennbar durch und durch konservative Damen - stehen untätig Spalier, sprechen einen sofort beim Hereinkommen an und beäugen einen die ganze Zeit misstrauisch, wenn man nur mal kurz eigenständig das Angebot sichten möchte. Witzig auch die Beratungsgespräche, die man mitkriegt: "Der Unterschied zwischen diesen beiden Taschen ist, dass bei dieser hier das Futter wertiger ist". Mich wies mal eine Verkäuferin darauf hin, dass die Tasche, die ich kaufen wollte, doch ein bisschen groß sei und mir deswegen nicht so gut stehe. Sie kam gar nicht auf die Idee zu fragen, ob ich in der Tasche vielleicht DIN-A-4-Unterlagen transportieren wollte, die in das getestete Modell so gerade hereinpassten, weshalb was Kleineres nun mal nicht in Frage kam. Auf diese Art der Beratung kann ich leider auch verzichten.

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Re: Ich verkaufe Schränke
Don, ich weiß, das magst Du eigentlich gar nicht, aber dürfte der Preusse mit den Satzschränken hier wohl einen Link setzen? Ich suche so einen schon länger, aber bisher fand ich nur Schrott.

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Es ist so eine Sache
mit dem Verkaufspersonal: Meine Frau hat mal für mich ein Weihnachtsgeschenk bei einem der Herrenausstatter unseres damaligen Wohnorts gekauft. Da sie gerade orthopädische Probleme hatte und direkt vom Arzt kam war sie ungeschminkt und im "Schlabberlook". Die Verkäuferin würdigt sie keines Blickes, der Inhaber sehr freundlich, zuvorkommend und gut beratend. An der Kasse war die Verkäuferin immer noch kurz angebunden und so nach dem Motto, mal sehen ob sie den Schal überhaupt bezahlen kann. Erst als sie den Namen auf der EC-Karte las, änderte sie sich schlagartig - um 180°. (Der Name ist prinzipiell sagen wir mal beeindruckend und hat dort dank eines Onkels, der Rechtsanwalt ist, zusätzlich einen gewissen - positiven - Bekanntheitsgrad) Im Gehen sagte meine Frau nur: "Wissen Sie was? Namen sind nicht alles!"
Ob der Vorfall insgesamt einen heilsamen Effekt hatte glaub ich nicht, vom Wesen her ist es aber eine typische Anekdote.

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Der Link ist

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