Bürger, Bauer, Edelmann

kommen nicht bei Millionären an.

Schauen wir uns doch mal das Segment der neuen Luxuszeitschriften an: "Park Avenue" von Gruner + Jahr - hat ihren promiadligen Chef in die Wüste geschickt und kriselt. "Vanity Fair" von Conde Nast hat ihren neoliberalbürgerlichen Chef in die gleiche Wüste geschickt und kriselt. Und "Rich" aus dem Gedankengut eines eher bodenständigen Computermagazinmachers ist unter Hinterlassung von nicht ganz einer Million Schulden pleite. Und man kann nicht sagen, dass es nicht kritische Stimmen gegeben hätte, die ein derartiges Versagen bei der Suche nach der Zielgruppe vorhergesehen hätten.

Gestern konnte ich mir noch eine Ausgabe von "Rich" anschauen; ein Nachbar, der sich diebisch freut, wenn er bei Ebay 4 Stühle für 30 Euro ersteigert, hat die ebenfalls bekommen und schon beim Feuerholz neben seinem Kamin gelagert, als ich ihm bei einem Handyproblem geholfen habe. Die Pleite von "Rich" ist nach dem Lesen - oder besser Durchblättern - keine Überraschung, setzte es doch auch auf das übliche Glämmer-Bussi-Bussi-Adabei, das man auch woanders findet - etwa bei Zeitschriften für Leute, die sich ernsthaft mit solchem Infodreck auseinandersetzen.

Was alle drei Macher offensichtlich nicht begriffen haben: Reiche ticken anders. Sogar die Bussi-Bussi-Reichen, die das Tema dieser Zeitschriften sind. Um mal - anonymisiert - ein paar Fälle anzusprechen, die sich gleichermassen positiv in der Klatschpresse als auch negativ als Thema letzte Woche am Tegernsee fanden: Ein stadtbekannter Promianwalt etwa, der seine Mandanten der BILD frei haus liefert und nicht nur bei Nobelautomarken auffällt, sondern auch mit dem Versuch, ein für sein Image eigentlich lächerlich niedriges Anwaltshonorar von beiden Seiten zu kassieren. Ein Mitglied des Hochadels, das sich die Geburtstagsparty von einem Hotel zu deren Marketingzwecken bezahlen lässt. Die nicht mehr ganz junge Schauspielerin, die vom Staatsfunk gefeiert und von der Staatsfinanzbehörde wegen Steuerschulden gejagt wird. Es ist diese spezielle Form von Reichtum, die sich dann auch in ganz gewissen Nachkommen zeigt, vor der sich Vanity Fair, Park Avenue und Rich verbeugen. Es ist aber auch eine Art Reichtum, die die grosse Mehrheit der reichen Leute - und nicht nur die - abschreckt. Eine "Society", die es in den 80er Jahren noch gab, die seitdem aber ziemlich viel Glanz verloren hat. Und an die heute auch keiner mehr allzu gerne erinnert wird. Gut, dass man sich damit nicht mehr beschäftigen muss. Erstaunlich, dass manche in Kiel, Frankfurt, Berlin und Köln auf deren Derivate immer noch reinfallen. Aber es ist nichts, mit dem man eine Zeitung betreiben könnte.



Wollte man wirklich an Die Reichen andocken, bräuchte man andere Themen. Ich habe mich heute Morgen beruflich mit der fragwürdigen Werterhaltung einer Feriensiedlung für das, was man als "Reiche" bezeichnet, auseinandersetzen müssen - namentlich dem Protokoll der Eigentümerversammlung, die aus 28 Millionären besteht, die sich zu vielen anderen Dingen mal eben eine Spasswohnung für 200000 Euro oder mehr leisten. Aber hallo, da wird einem aber der Obazde im Schüsserl sauer. Familie Prof. Dr. Dr. P., medienbekannter Arzt aus München Süd, wird von der Hausgemeinschaft mit namentlicher Nennung aufgefordert, die Hecke vor seiner Terasse so-fort zu schneiden und in Zukunft zu düngen. Den Vorwurf kontert er auf der nächsten Sitzung, dass er ein Angebot der Verwaltung eingeholt habe, das aber sei Wucher, und er suche jetzt nach einem anderen Dienstleister - die fragliche Hecke ist 10 Meter lang. Ein Anwalt droht mit Klage gegen die Hausverwaltung, weil der Kasten für das Streugut hässlich ist und somit den Wert seiner Wohnung schmälert. In der Tiefgarage gibt es durch Salzeintrag einen Schaden in Höhe von 7000 Euro, was vielleicht 3% des Wertes der darin abgestellten Vintage-Ferraris ist, und nach dem Streit, wer daran Schuld ist, einigt man sich darauf, gar nichts zu tun und noch einen Winter zu warten. Und Wäscheleinen auf den Balkonen sind mit Mehrheitsbeschluss untersagt, weil es den optischen Eindruck der Anlage verschandelt. Der unterlegenen Partei half es nichts, dass sie auf den Diebstahl mehrerer Handtücher aus dem Trockenraum verwies, wegen dem sie die Polizei eingeschaltet hat. Man liest das und fürchtet jede Sekunde, halbzerbissene Kuppelreste über die Unterlagen zu spucken.

Das ist der nackte Reichtum. Zwei Dinge gehen bei Reichen immer: Die Befriedigung der Gier, und das Versprechen auf Einsparungen. Da muss man ansetzen, wenn man denen die Irrsinnssumme von 80 Euro im Jahr abnehmen will. Man kann diesen Leuten auch noch andere Dinge vorstellen, man kann sie unterhalten und ihren Dünkeln den Hof machen - aber nicht mit der C-Prominenz und den dicken Bäuchen fragwürdiger Moderatorinnen. Vom München der 80er Jahre bis zum Neobiedermeier Berliner Redaktionsstuben wird das bis heute gründlich missverstanden. Weil sich diese Journalisten einen Reichtum erfinden, der so nicht existiert. Wer kümmert sich preiswert um meine Residenz am Tegernsee, wenn ich nicht da bin, und wie drücke ich meinen Provider, wenn ich dort auch einen Internetanschluss brauche, und geht das auch auf Bürokosten - das sind Themen, die solche Leute interessieren.

Neben der montäglichen Beilage für Sonderangebote, die es hoffentlich im bald fertiggestellten Einkaufszentrum gibt.

Montag, 4. Februar 2008, 18:35, von donalphons | |comment

 
Wirklich reich ist...
wenn es bei dem Feriendomizil weder gemeinschaftliches- noch Sondereigentum gibt und die Anzahl der Millionen für den Rohbau, die Anzahl der Tage im Jahr überschreiten, an denen man das Haus im Grünen nutzt.

[p.S.: Die Summe von 7.000 Euro in der Tiefgarage verwundert mich sehr, da selbst das Drübermalern höhere Kosten verursachen würde. Ein Schaden durch Chlorideintrag verläuft exponentiell und erreicht rasch Kosten von 250 Euro/qm (da die Chloride zur Korrosion katalytisch wirken und sich so im Bauteil anreichern können. Kontaminierter Beton kann ab einem gewissen Massenprozentanteil nur noch ausgetauscht werden = teuer bis unmöglich) - bei TG Parkdecks kann es sogar zu Kosten führen die den eines Neubaus überschreiten. Falls man Zeit verstreichen lässt, ist unbedingt darauf zu achten, dass jegliches Oberflächenwasser von einem Hausmeister entfernt wird und es zu keiner Pfützenbildung kommen kann - insbesondere an Stützenfüssen.]

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Tja, eat the rich, würd ich sagen...

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Der Grund, warum ich mich mit der Frage des Werterhalts auseinandersetzen muss/darf, würde auch alten SEDlern gefallen, ich kann Dich also beruhigen - Capitalism will eat itself.

Das mit dem Salz ist natürlich doof, aber wohl andererseits auf die Überkorrektheit mancher leute zurückzuführen, die bei der kleinsten Kleinigkeit ausrasten. Eigentlich müsste man hier das Prozessruidiko mit einpreisen. Bei den obersten 10% dieses Landes, oder gar 5% sind die alle, von da an sind die Unterschiede zwar immer noch beträchtlich, aber sie wären in der angenehmen Lage, dass es ihnen eigentlich egal sein könnte.

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Die Schilderungen der Eigentümerversammlungen erinnern an den aufschlussreichen und zudem ausgezeichneten Beitrag aus der "Zeit":

http://www.zeit.de/2006/52/Starnberg

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Tegernsee ist noch viel besser, such mal nach Schörghuber, Kaltenbrunn, Preysing und Gmund. Oder Überfahrt und Rottach. Da spielt die Politik mit beim Millionentango. Denn in Starnberg kann man noch was kaufen und bauen, der See ist gross genug. Am Tegernsee dagegen ist finito.

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Und dann gab es dort auch noch die Beisheim Incidents. Erst das Gemeindezentrum mit Skatebahn, dann das Gymnasium. Da kommen einem die Heckenschneider plötzlich wieder läppisch vor.

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Eigentumswohnung oder anderer Teilbesitz kann die Hölle sein. Das muss der Teufel erfunden haben oder der Anwaltsgott.

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alle reichen menschen, die ich kenne, interessiert brennend dafür, wo sie SPAREN können. diese haltung scheint zumindest in deutschland DIE grundvoraussetzung für die erlangung von reichtum zu sein. erst kürzlich antwortet ein entfernter bekannter (reich) auf die frage meinerseits (arm): was macht denn bitteschön den unterschied aus, ob du nun 1,8 millionen euro verdienst oder 1,5 millionen? antwort: der unterschied beträgt 300.000 euro. das eben ist die denke, die mir fehlt. aus meiner sicht wäre das alles ungefähr gleich (unfassbar) viel geld. und deshalb werde ich auch niemals reich.

immerhin habe ich jetzt aber so ein ähnliches teegeschirr wie don (ist das übrigens auch etwa aus den 30er jahren?). dieses system ist einfach ungerecht.

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Simmt.
"Von den reichen Leuten kann man das sparen lernen".

Wobei das nicht stimmt, ich kenne auch haufenweise Verschwender, gerade in der zweiten und dritten Generation. Oder Leute, die in der Gier nach noch mehr ihr Vermögen riskieren. es ist nicht nur das Sparen, sondern auch das Einkaufen, das sich in gezielten, auch teuren Käufen äussert, die selbst aber wiederum sparsam sein müssen.

Ich neige aber auch dazu, den Unterschied von 1,5 und 1,8 Millionen als gross zu betrachten. In solchen Bereichen definieren die 300.000 vor allem den Status, wenn es um jährliches Einkommen gehen sollte (was aber nur ca. 10.000 Personen in Deutschland betrifft). Was das Vermögen angeht, ist es "dramatisch": 1,5 Millionen entsprechen einem angemessenen Haus (0,6), in der Regel einer Zweitimmobilie (0,4), einer Wohnung für ein Kind (0,1), Festgeld, Wertpapiere (0,2) und eiserne Reserve irgendwo (0,2). 1,8 Millionen bedeutet dagegen 0,1 Millionen mehr Sicherheit und 0,2 Millionen für eine Ferienwohnung, den englischen Sportwagen und endlich mal ein Sofa für 699 Euro. Klingt bitter, aber genau so jemandem, allerdings ohne Roadster mit zusätzlichen Immobilien in Norddeutschland, habe ich kürzlich beim Sofaschleppen geholfen.

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Darf ich wissen, wieviel es gekostet hat, für wieviel Teile?

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@don: bei dem menschen, mit dem ich über die 300.000 sprach, ging es ums jahreseinkommen. ich glaube, ich kenne beinahe keinen geizigeren typen als den. er äußerte u.a., er sei froh, dass seine frau die haare einfach trüge (einfach bloß lang und dann hochgesteckt, glaube ich) und also keinen frisör bräuchte. die wären ja so teuer. und das meinte er ernst.

für das kaffeegeschirr habe ich 84,- euro ausgegeben inklusive versand: sechs teller, sechs tassen, sechs untertassen. alles tadellos, sogar null goldabrieb - hat anscheinend nur im schrank gestanden. gemarkt tielsch & co., der marke nach zwischen 31 und 39 hergestellt. leider keine kanne, kein sahnekännchen, keine zuckerdose.

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Das ist dann wirklich nicht wenig. Ich will hier keine blöden Sprüche ablassen, aber es gibt sowas wie ein "gesundes Verhältnis zum Geld", das sich darin ausdrückt, dass es einem reicht, und gleichzeitignoch genug Sicherheit da ist, dass man sich keine Sorgen machen muss. Die kranken Verhältnisse sind sicher überall da, in allen Schichten, aber es fällt irgendwie bei Reichen mehr auf. Ich hatte mal mit jemandem zu tun, der in der New Economy einen hohen, dreistelligen Millionenertrag realisiert hatte, und eines Tages, als wir über staatliche Regularien sprachen, sprang er auf, holte Unterlagen und beschwerte sich über den Aufwand, den er treiben müsse, um seinen Gärtner auf 400-Euro-Basis zu beschäftigen.

Bitte, der Herr ist nicht zwider, der ist ein wirklich charmantes Original mit Witz und Intelligenz, aber in diesem Moment war ich dann doch etwas - überrascht.

Der Preis ist sehr zivil, würde ich sagen. Und das Kernstück findet sich sicher irgendwann in Silver plated - ich sage nur Markt an der Strasse des 17. Juni.

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ja, ein solches kernstück wäre fein. kommt zeit, kommt kernstück. aber der markt am 17. juni ist mir eigentlich zu teuer, und auch das arrivierte publikum dort nervt mich ein bisschen. mal sehen.

geld verdirbt den charakter. ich selbst habe genug, so dass es für ein bescheiden wohlständiges leben reicht, aber von sicherheit würde ich nicht sprechen. andererseits passt die monetäre sicherheit auch nicht in meine denke. ich zerfurche meine stirn meist wegen anderer dinge, insofern bin ich da vermutlich fein raus. oder sagen wir, ich zerfurche mir die stirn überhaupt äußerst selten länger als ein paar tage über irgendwelche dinge. der mann meiner freundin stirbt gerade an kehlkopfkrebs. die beiden haben zwei kleine kinder. DAS sind sorgen. man soll sich an den dingen erfreuen, solange es geht, und das geht auch, ohne diese zu besitzen. und es ist sehr gut, wenn man so groß geworden ist, dass das in aller bescheidenheit geht. was mich manchmal bekümmert ist: es kommt sowohl unseren wohlhabenden als auch den minderbemittelten zunehmend der sinn für den (nicht schnellen) genuss, für kultur, kunst, bildung usw. abhanden. das kochen ist ein gutes beispiel. kaum jemand kann es noch oder tut es! auch hören die leute nicht mehr richtig musik - sie hören, aber sie _hören_ nicht (im englischen gibt es die schöne unterscheidung zwischen "hear" und "listen"). auch weil sie darüber oft nichts mehr wissen. so ist es mit vielen dingen. auch mit immobilien. lass dir die kürbistarte munden!:)

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Wenn man von Westen kommt, ist in der strassenseitigen Reihe auf der rechten Seite nach ungefähr 10 Ständen ein freundlicher, knorrig aussehender Berliner Herr, recht gross, mit einem Haufen Dingen in Silver Plated und englischen Antiquitäten wie Wedgewood und Cloisonneevasen. Auch Tee- und Kaffeekannen und Service. Und der ist sehr, sehr empfehlenswert, Du kannst ja sagen, ich hätte Dich dorthin empfohlen - der jüngere Herr aus Bayern, der eine Weile in Berlin gearbeitet hat und bei ihm so viel gekauft hat.

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man nannte es "arbiter elegantiarum"
Dieses Wissen, was sich schickt und was von Bedeutung ist. das ist dann auch genau das, von dem einen Werbung und PR wegzuziehen gedenkt. ich lese gerade die Studie von RICH zu ihren Kunden, was sie denen alles unterstellen, was für manipulative Fragen sie denen vorgelegt haben. Und ich bin doch froh, dass man sich in der "Elite" doch so täuschen kann, wie es RICH getan hat. Aber auch dieser Ansatz der Suche nach Bedeutung ist klassenlos, siehe Diogenes und seine Tonne.

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ja.

und nach dem knorrigen herrn werde ich suchen. ich sage dann aber nicht "der jüngere herr", sondern was anderes. danke dafür!:)

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"Rich" ist ja dann sozusagen eine weitere "Hommage".

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"Befriedigung der Gier, und das Versprechen auf Einsparungen"

Dafür gibt es doch schon das ManagerMagazin ;o)

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So offensichtlich abgeschlunzt und arbeitsgeil sollte es dann doch micht sein.

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