Wo man bleiben kann - Platz 5: Tegernsee Nordostufer
Der Tegernsee ist furchtbar. Vor kurzem gab es einen Beitrag einer Hamburger Zeitung zum Thema Steuerhinterziehung, in dem der Tegernsee in einem Satz mit Eppendorf (!) genannt wurde. Als ich zum ersten Mal in diesem Winter dort war, stieg ich gerade aus, als eine alte, fette Frau im Pelz sich in einen schweren Mercedes-Geländewagen zwängte. Und das war nur im vergleichsweise normalen Gmund, Rottach Egern ist viel, viel schlimmer. Freie Hotspots sucht man dort vergeblich, dafür ist es teuer, teuer, teuer. Wenn das Wetter schön ist, bekommt man auch im Januar unter der Woche in Tegernsee keinen Parkplatz. Alles voller arbeitsloser Münchner. Elend, das lernt man hier, hat viele bemalte Gesichter.
Und das war noch die gute Ecke. Bad Wiessee auf der anderen Seite ist im Winter, Frühling und Herbst unerträglich, weil es im Schatten der Berge liegt, und im Sommer unerträglich, weil einen die billigeren Halbmillionärskurgäste und Neureichen zertreten. Hier wohnen dann auch Fussballer, Trainer und Ärzte, deren Tätigkeit jede Starnberger Privatklinik wie ein lahmes Sanatorium erscheinen lässt. Bad Wiessee ist nur am Abend von der anderen Seite aus hübsch, wenn die Sonne untergeht und die Lichter im Wassen glänzen, wo ab und an eine Koksleiche treibt.
Am Südende, das von Rottach-Egern beherrscht wird, passiert sowas nicht, da hat man diskrete Leichenwägen, die auch mit dem üppigsten Bonzenkadaver umgehen können. Hier wohnt die Prominenz, nah am CSU-Hauptquartier in Kreuth, was wie Rottach ist, nur ohne See. Ein lodenös geprägter Affenfelsen ist Rottach, die Pralinen sind weder der Geldbörse noch Gästen zuzumuten, denn sie sind ebenso teuer, wie sie billig schmecken. In Rottach sind die auf einem Haufen, die man auf selbigem mit Mist wissen möchte, und das ganze am besten bei den Österreichern, und dann bauen wir eine Mauer drum rum und lassen nur den Korridor nach Italien offen.
Bleibt also nur die Ecke von Kaltenbrunn, wo der Bungalow von Ludwig Erhardt steht, über Gmund, wo Thomas Mann wohnte, über St. Quirin, wo aber die Strasse etwas laut wird, bis nach Tegernsee, wo sich Herr Beisheim über die renitenten Einwohner ärgert. Dieses Eckerl, meist nach Süden gerichtet, war im vorletzten Jahrhundert die bayerische Riviera, hier war die feinste Gesellschaft, und selbst, wenn sie heute nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, kann doch niemand ihre Geschichte nehmen. Ausserdem ist der Ort Tegernsee die Klimagrenze; nördlich davon ist es schon Frühling, während sich die Primaten im bergumstellten Rottach noch die Knochen auf Eisplatten brechen
Es ist irrwitzig teuer im Norden, allerdings nicht ganz so teuer wie in Rottach. Mit den in dieser Serie zugrunde liegenden 150.000 bis 200.000 Euro bekommt man hier eine nette Wohnung und einen Tiefgaragenplatz, der soviel kostet wie ein 1-Zimmer-Apartment in Berlin. Oder eine Villa im tiefsten Sachsen. Diese Wohnung allerdings ist dann "ärmlich", nach den Topstandards oberhalb von Rottach oder direkt am See, wo man bis zu 6000 Euro pro Quadratmeter zahlt. Oder noch mehr. Grob gesagt beginnt der Tegernsee preislich dort, wo Berlin aufhört.
Die Vorteile des Tegernsees sollte man aber auch nicht verschweigen: Es ist kein reines Millionärsghetto wie der Starnberger See, und man kann fast überall ans Wasser. Das ist sagenhaft klar, die Luft ist wie feinste Seide, und wenn man nicht gerade zu den Touristenzeiten in die kilometerlangen Staus vor Gmund fährt, ist man in etwas mehr als 30 Minuten im Münchner Zentrum. Ich habe eine sehr liebe Bekannte am südöstlichen Teil des mittleren Rings, die ich vom Tegernsee genauso schnell erreichen würde, wie von meiner alten Wohnung in München-Maxvorstadt. Und dann ist man vom Tegernsee aus in 30 Kilometer über eine der schönsten Strecken der Alpen in Österreich.
Dann nach Innsbruck, Brenner - man kann an einem Tag mal eben zum Kuchen essen nach Meran und dabei sechs Pässe mitnehmen. Vom Potsdamer Platz in Berlin bis nach St. Quirin ist es exakt genauso weit wie von St. Quirin zum Campo in Siena. Und dann ist da noch der Tegernsee mit dem Alpenpanorama dahinter. Der See ist unfassbar schön, kein Rottach an seinem Ende kann ihm das nehmen. Dennoch: Realistisch gesehen taugt der Tegernsee vor allem als sichere Geldanlage. Reiche ältere Herrschaften, die in eine der 10 deutschen Toplagen wollen, wird es immer geben, und am See wohnen gerade mal 30.000 Menschen. Angebot, Nachfrage und Demographie, Baby.
Und das war noch die gute Ecke. Bad Wiessee auf der anderen Seite ist im Winter, Frühling und Herbst unerträglich, weil es im Schatten der Berge liegt, und im Sommer unerträglich, weil einen die billigeren Halbmillionärskurgäste und Neureichen zertreten. Hier wohnen dann auch Fussballer, Trainer und Ärzte, deren Tätigkeit jede Starnberger Privatklinik wie ein lahmes Sanatorium erscheinen lässt. Bad Wiessee ist nur am Abend von der anderen Seite aus hübsch, wenn die Sonne untergeht und die Lichter im Wassen glänzen, wo ab und an eine Koksleiche treibt.
Am Südende, das von Rottach-Egern beherrscht wird, passiert sowas nicht, da hat man diskrete Leichenwägen, die auch mit dem üppigsten Bonzenkadaver umgehen können. Hier wohnt die Prominenz, nah am CSU-Hauptquartier in Kreuth, was wie Rottach ist, nur ohne See. Ein lodenös geprägter Affenfelsen ist Rottach, die Pralinen sind weder der Geldbörse noch Gästen zuzumuten, denn sie sind ebenso teuer, wie sie billig schmecken. In Rottach sind die auf einem Haufen, die man auf selbigem mit Mist wissen möchte, und das ganze am besten bei den Österreichern, und dann bauen wir eine Mauer drum rum und lassen nur den Korridor nach Italien offen.
Bleibt also nur die Ecke von Kaltenbrunn, wo der Bungalow von Ludwig Erhardt steht, über Gmund, wo Thomas Mann wohnte, über St. Quirin, wo aber die Strasse etwas laut wird, bis nach Tegernsee, wo sich Herr Beisheim über die renitenten Einwohner ärgert. Dieses Eckerl, meist nach Süden gerichtet, war im vorletzten Jahrhundert die bayerische Riviera, hier war die feinste Gesellschaft, und selbst, wenn sie heute nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, kann doch niemand ihre Geschichte nehmen. Ausserdem ist der Ort Tegernsee die Klimagrenze; nördlich davon ist es schon Frühling, während sich die Primaten im bergumstellten Rottach noch die Knochen auf Eisplatten brechen
Es ist irrwitzig teuer im Norden, allerdings nicht ganz so teuer wie in Rottach. Mit den in dieser Serie zugrunde liegenden 150.000 bis 200.000 Euro bekommt man hier eine nette Wohnung und einen Tiefgaragenplatz, der soviel kostet wie ein 1-Zimmer-Apartment in Berlin. Oder eine Villa im tiefsten Sachsen. Diese Wohnung allerdings ist dann "ärmlich", nach den Topstandards oberhalb von Rottach oder direkt am See, wo man bis zu 6000 Euro pro Quadratmeter zahlt. Oder noch mehr. Grob gesagt beginnt der Tegernsee preislich dort, wo Berlin aufhört.
Die Vorteile des Tegernsees sollte man aber auch nicht verschweigen: Es ist kein reines Millionärsghetto wie der Starnberger See, und man kann fast überall ans Wasser. Das ist sagenhaft klar, die Luft ist wie feinste Seide, und wenn man nicht gerade zu den Touristenzeiten in die kilometerlangen Staus vor Gmund fährt, ist man in etwas mehr als 30 Minuten im Münchner Zentrum. Ich habe eine sehr liebe Bekannte am südöstlichen Teil des mittleren Rings, die ich vom Tegernsee genauso schnell erreichen würde, wie von meiner alten Wohnung in München-Maxvorstadt. Und dann ist man vom Tegernsee aus in 30 Kilometer über eine der schönsten Strecken der Alpen in Österreich.
Dann nach Innsbruck, Brenner - man kann an einem Tag mal eben zum Kuchen essen nach Meran und dabei sechs Pässe mitnehmen. Vom Potsdamer Platz in Berlin bis nach St. Quirin ist es exakt genauso weit wie von St. Quirin zum Campo in Siena. Und dann ist da noch der Tegernsee mit dem Alpenpanorama dahinter. Der See ist unfassbar schön, kein Rottach an seinem Ende kann ihm das nehmen. Dennoch: Realistisch gesehen taugt der Tegernsee vor allem als sichere Geldanlage. Reiche ältere Herrschaften, die in eine der 10 deutschen Toplagen wollen, wird es immer geben, und am See wohnen gerade mal 30.000 Menschen. Angebot, Nachfrage und Demographie, Baby.
donalphons, 05:17h
Freitag, 22. Februar 2008, 05:17, von donalphons |
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che2001,
Freitag, 22. Februar 2008, 10:44
@"und dabei sechs Pässe mitnehmen. " hmm... die Pässe sind ja in meiner Welt Ausgangspunkte für Touren. Angebertouren sind zum Bleistift der Detmolder Grat (Säuleck, Gussenbauer Spitze, Schneewinkelspitze, Winkelspitze und Hochalmspitze in einer Tour, 10 Stunden Kletterei) oder der Venediger-Durchstieg. Aber mit dem Auto über Pässe fahren als besondere Unternehmung?
Irgendwie zu unanstrengend.
Irgendwie zu unanstrengend.
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donalphons,
Freitag, 22. Februar 2008, 11:06
Frag doch mal die Leute, die mit mir bei 5 Grad Minus und Schneetreiben auf 2400 hoch sind - offen, mit sportlicher Fahrweise aber ohne Heizung.
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avantgarde,
Freitag, 22. Februar 2008, 11:30
Man nennt dich wirklich nicht umsonst Don Gnadenlos
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donalphons,
Freitag, 22. Februar 2008, 11:49
Es ist jedesmal ein besonderes Erlebnis. Wirklich. nachher eitern einem zwar die Zähne raus, und nis Innsbruck fühlt man keine Zehen, aber man erinnert sich sehr lang daran.
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drsno,
Freitag, 22. Februar 2008, 15:40
"...reines Millionärsghetto wie der Starnberger See, und man kann fast überall ans Wasser."
Tze tze tze. Ich glaube, wir müssen im Mai mal eine schöne Tagestour machen - als Aufklärungsmaßnahme sozusagen.
Tze tze tze. Ich glaube, wir müssen im Mai mal eine schöne Tagestour machen - als Aufklärungsmaßnahme sozusagen.
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donalphons,
Freitag, 22. Februar 2008, 22:58
Irgendwie schon. Es hat diese Aura. Was ja nichts schlechtes ist, aber nicht mein Ding.
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