Das Schaf der Apokalypse
400. ... Wer bietet 400. ... 350? ... Und zurück.
Die Krise hat viele Gesichter. Das Biedermeierportrait ist eines davon.
1000. ... Bietet jemand 1000? 900?
600!
600 unter Vorbehalt an die Nummer 84.
Die Krise hat viele Gesichter. Der Mann, der oft deutlich unterbietet, wenn keine Konkurrenz zu erwarten ist, hat eines davon.
De Artemis hier hinten. 1500. 1500 sind noch bei mir. ... Bietet jemand mehr? 1500. ... zum ersten, zweiten und ... dritten.
Die Krise hat viele Gesichter. Das Gesicht der griechischen Göttin, mit den sanften Lippen und dem verzückten Blick, um 1740 gemalt, ist kein banales 1500-Euro-Gesicht.
700. ... Sind 700 im Saal? ... 600? ... und zurück.
Die Krise hat viele Gesichter. Wie das Erstaunen der Dame, die vorne die Auktion leitet. Früher ging es so: Ein niedrig aussehendes Limit wird gesetzt, dann kommen hunderte in Hoffnung auf einen guten Kauf, steigern mit, und ehe sie sich versehen, haben sie sich schon versteigert, denn auf die 50 Euro kommt es im gefecht auch nicht mehr an, und prompt kann das Auktionshaus neue Rekorde vermelden. Liest sich gut für Einlieferer: Limit 500, verkauft für 4200 - Plus 24%. Das macht Stimmung. Aber diesmal nicht. Diesmal bleibt fast die Hälfte liegen. Das ist neu und ungewöhnlich, bei diesem aufstrebenden Haus in Schwabing. Die Käufer wollen nicht, sie halten das Geld zusammen. Ohne die Grunderwerbsteuer hätte ich mir die Artemis vielleicht gegönnt, oder zumindest versucht, gegen das schriftliche Gebot zuu bestehen, sie wäre es wert gewesen, aber so reihe auch ich mich ein in die Masse derer, die untätig dasitzt und wartet, auf die eine Nummer, wegen der sie gekommen sind, und ungerührt dem Debakel zuschauen. Jeder ist sich, auch in diesen Kreisen, gerade selbst der nächste.
Ich habe einen fremden Auftrag, und ein eigenes Ziel. Das eigene Ziel eigentlich nur, weil der Auftraggeber mutmasslich zu wenig bietet, und weil ich nicht ganz umsonst hier im überfüllten Raum der Kaufverweigerer sitzen will, während draussen das Münchner Leben den Frühling begrüsst. Ich weiss nicht, ob es Chancen gibt; wenn es um Toyohara Kunichika geht, kann man sehr schnell gegen ominöse Telefonbieter aus Fernost unterliegen, für die das eigene Limit von 300 Euro gerne auch nur die Umsatzsteuer auf das Aufgeld darstellen darf. Die damit gebündelten Damen von Kunimaru Utagawa sind glücklicherweise als "Anonym, um 1900" gekennzeichnet, auch wenn Utagawa brettlbreit draufsteht und das schrumplige Papier keine Zweifel am wahren Alter - so um 1820 - lässt. Es gibt also sowas wie relle Chancen, dass sie das Limit von 80 nicht allzusehr übertreten.
Zwei japanische Holzstiche ... 80. Wer bietet 80? ... 80? ... Und zur..
60! rufe ich in das gelangweilte Schweigen hinein.
60 wären schon bei mir, sagt die Auktionatorin.
70, sage ich.
80, sagt sie und weist auf jemandem hinter mir, der weniger von der Krise betroffen ist, als gehofft. Ich lasse mein Schild oben, damit sind es 90.
Und die Jagd ist eröffnet. 90 ... Bietet jemand mehr? Man spürt, dass es jetzt spannend wird, vielleicht denkt einer, wenn da schon zwei bieten, vielleicht ist es doch was, allein die Rahmen sind ja schon vierzig wert, da kann man eigentlich nichts falsch machen .... 90? ... 90 zum ersten, zum zweiten und - sie tickt mit dem Bleistift auf den Tisch - zum Dritten.
Die Krise hat viele Gesichter, wir nähern uns wieder dem Zeitpunkt, da ein Rubens für einen Sack Kartoffeln, ein Seidenteppich für einen Eimer Milch auf den Schwarzmarkt ging. Es sind fast argentinische Verhältnisse, und nie waren Konkubinen so billig in Anschaffung und Unterhalt wie gerade eben. Kein Wunder, dass die Kabuki-Schauspieler verzweifelt dreinschauen, wenn ihre Kunst nicht angemessen geschätzt wird. Auch sie sind Gesichter, die die Krise hat.
Bleibt noch der Auftrag, ein verstecktes, kleines Gemälde, Limit 250, mein Auftragslimit liegt bei 850, und es geht los mit..
bei mir sind 1650 ... 1650 ... bietet jemand im Saal 1700 1750 sind bei mir 1800 1850 sind bei mir 1900 1950 sind bei mir 2000 2100 sind bei mir 2200 2300 sind bei mir 2400...
Ich gehe nach draussen im Wissen, dass eine andere Krise gleich ein anderes Gesicht haben wird, und teile dem Auftraggeber das Debakel und mein Bedauern mit. Wir reden noch etwas, und er erzählt, dass Ende der nächsten Woche bei einer anderen Auktion ein apokalyptisches Schaf unter den Hammer kommt, auf dem Buch mit den sieben Siegeln, ob ich da nicht vielleicht auch Zeit hätte.
Die Krise hatte schon früher viele Gesichter.
Die Krise hat viele Gesichter. Das Biedermeierportrait ist eines davon.
1000. ... Bietet jemand 1000? 900?
600!
600 unter Vorbehalt an die Nummer 84.
Die Krise hat viele Gesichter. Der Mann, der oft deutlich unterbietet, wenn keine Konkurrenz zu erwarten ist, hat eines davon.
De Artemis hier hinten. 1500. 1500 sind noch bei mir. ... Bietet jemand mehr? 1500. ... zum ersten, zweiten und ... dritten.
Die Krise hat viele Gesichter. Das Gesicht der griechischen Göttin, mit den sanften Lippen und dem verzückten Blick, um 1740 gemalt, ist kein banales 1500-Euro-Gesicht.
700. ... Sind 700 im Saal? ... 600? ... und zurück.
Die Krise hat viele Gesichter. Wie das Erstaunen der Dame, die vorne die Auktion leitet. Früher ging es so: Ein niedrig aussehendes Limit wird gesetzt, dann kommen hunderte in Hoffnung auf einen guten Kauf, steigern mit, und ehe sie sich versehen, haben sie sich schon versteigert, denn auf die 50 Euro kommt es im gefecht auch nicht mehr an, und prompt kann das Auktionshaus neue Rekorde vermelden. Liest sich gut für Einlieferer: Limit 500, verkauft für 4200 - Plus 24%. Das macht Stimmung. Aber diesmal nicht. Diesmal bleibt fast die Hälfte liegen. Das ist neu und ungewöhnlich, bei diesem aufstrebenden Haus in Schwabing. Die Käufer wollen nicht, sie halten das Geld zusammen. Ohne die Grunderwerbsteuer hätte ich mir die Artemis vielleicht gegönnt, oder zumindest versucht, gegen das schriftliche Gebot zuu bestehen, sie wäre es wert gewesen, aber so reihe auch ich mich ein in die Masse derer, die untätig dasitzt und wartet, auf die eine Nummer, wegen der sie gekommen sind, und ungerührt dem Debakel zuschauen. Jeder ist sich, auch in diesen Kreisen, gerade selbst der nächste.
Ich habe einen fremden Auftrag, und ein eigenes Ziel. Das eigene Ziel eigentlich nur, weil der Auftraggeber mutmasslich zu wenig bietet, und weil ich nicht ganz umsonst hier im überfüllten Raum der Kaufverweigerer sitzen will, während draussen das Münchner Leben den Frühling begrüsst. Ich weiss nicht, ob es Chancen gibt; wenn es um Toyohara Kunichika geht, kann man sehr schnell gegen ominöse Telefonbieter aus Fernost unterliegen, für die das eigene Limit von 300 Euro gerne auch nur die Umsatzsteuer auf das Aufgeld darstellen darf. Die damit gebündelten Damen von Kunimaru Utagawa sind glücklicherweise als "Anonym, um 1900" gekennzeichnet, auch wenn Utagawa brettlbreit draufsteht und das schrumplige Papier keine Zweifel am wahren Alter - so um 1820 - lässt. Es gibt also sowas wie relle Chancen, dass sie das Limit von 80 nicht allzusehr übertreten.
Zwei japanische Holzstiche ... 80. Wer bietet 80? ... 80? ... Und zur..
60! rufe ich in das gelangweilte Schweigen hinein.
60 wären schon bei mir, sagt die Auktionatorin.
70, sage ich.
80, sagt sie und weist auf jemandem hinter mir, der weniger von der Krise betroffen ist, als gehofft. Ich lasse mein Schild oben, damit sind es 90.
Und die Jagd ist eröffnet. 90 ... Bietet jemand mehr? Man spürt, dass es jetzt spannend wird, vielleicht denkt einer, wenn da schon zwei bieten, vielleicht ist es doch was, allein die Rahmen sind ja schon vierzig wert, da kann man eigentlich nichts falsch machen .... 90? ... 90 zum ersten, zum zweiten und - sie tickt mit dem Bleistift auf den Tisch - zum Dritten.
Die Krise hat viele Gesichter, wir nähern uns wieder dem Zeitpunkt, da ein Rubens für einen Sack Kartoffeln, ein Seidenteppich für einen Eimer Milch auf den Schwarzmarkt ging. Es sind fast argentinische Verhältnisse, und nie waren Konkubinen so billig in Anschaffung und Unterhalt wie gerade eben. Kein Wunder, dass die Kabuki-Schauspieler verzweifelt dreinschauen, wenn ihre Kunst nicht angemessen geschätzt wird. Auch sie sind Gesichter, die die Krise hat.
Bleibt noch der Auftrag, ein verstecktes, kleines Gemälde, Limit 250, mein Auftragslimit liegt bei 850, und es geht los mit..
bei mir sind 1650 ... 1650 ... bietet jemand im Saal 1700 1750 sind bei mir 1800 1850 sind bei mir 1900 1950 sind bei mir 2000 2100 sind bei mir 2200 2300 sind bei mir 2400...
Ich gehe nach draussen im Wissen, dass eine andere Krise gleich ein anderes Gesicht haben wird, und teile dem Auftraggeber das Debakel und mein Bedauern mit. Wir reden noch etwas, und er erzählt, dass Ende der nächsten Woche bei einer anderen Auktion ein apokalyptisches Schaf unter den Hammer kommt, auf dem Buch mit den sieben Siegeln, ob ich da nicht vielleicht auch Zeit hätte.
Die Krise hatte schon früher viele Gesichter.
donalphons, 01:39h
Donnerstag, 17. April 2008, 01:39, von donalphons |
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zwischenspeicher,
Donnerstag, 17. April 2008, 10:40
2500 für japanische Holzstiche? Woanders muss man für weniger weit mehr ausgeben.
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donalphons,
Donnerstag, 17. April 2008, 12:19
In dem Fall keine Holzstiche, sondern ein kleines Gemälde aus dem XVII. Jahrhundert, vermutlich von Michelangelo Cerquozzi.
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christian geschkat,
Donnerstag, 17. April 2008, 11:05
immerhin kann man sich so im Zweifelsfall ein paar echte Schätzchen aneignen und nach und nach die Replika, die man in der Wohnung hat, durch, wenn auch nicht die gleichen, Originale ersetzen ;-)
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donalphons,
Donnerstag, 17. April 2008, 13:49
Es ist ohne Frage ein Käufermarkt, im Moment. Zwar nicht so, dass man sagt, man könne es sich nicht leisten, aber doch so, dass Bieterduelle sehr selten geworden sind; statt dessen reduziert man sich auf das Nötige und vermeidet teure Gefechte. Das war jetzt schon die zweite Auktion, die weit unter den Erwartungen geblieben ist; in aller Regel ist dann eine Verminderung des Angebots die Folge. Generell aber glaube ich, dass die, die sich so etwas leisten könnten, gerade andere Sorgen haben. Von der Inflation abgesehen, trifft die Krise momentan vor allem die Besitzenden.
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lebemann,
Donnerstag, 17. April 2008, 14:29
Bei Hampel scheinen die Preise ja noch zu gehen, am 4. ging der "Hexenkessel" für über 14 Scheine weg.
Bei N****r ist in der Tat alles günstiger. Vielleicht auf den 27.5., sofern das Angebot meine Anwesenheit hergibt.
Bei N****r ist in der Tat alles günstiger. Vielleicht auf den 27.5., sofern das Angebot meine Anwesenheit hergibt.
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donalphons,
Donnerstag, 17. April 2008, 15:44
Hampel ist die letzte Bastion, die zu schleifen ist. Aber auch da sind die Limits ein wenig niedriger geworden.
However, letztes Jahr ging es da auch noch anders zu; da ging es um ein kleines Schnitzwerk, das von 2000 auf 32000 Euro hochkletterte. Ich wage mal zu behaupten, dass es heute nicht mehr so laufen würde.
However, letztes Jahr ging es da auch noch anders zu; da ging es um ein kleines Schnitzwerk, das von 2000 auf 32000 Euro hochkletterte. Ich wage mal zu behaupten, dass es heute nicht mehr so laufen würde.
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schmollsenior,
Donnerstag, 17. April 2008, 14:24
Krise?
In (vermutlich) besagtem Schwabinger Auktionshaus hat es schon immer günstige Nettigkeiten gegeben. Auch aus der Moderne und deren Nachfolgerinnen. Aber angesichts des Gequases aus der sogenannten Leipziger Schule, das für Hunderttausende über den Tresen geht: Nicht alle scheinen von der Krise besessen, sondern von anderem.
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donalphons,
Donnerstag, 17. April 2008, 15:51
Ach, die Leipziger Schule, der Rotkäppchensekt der modernen Kunst... Ich wage hier die Behauptung, dass sie in drei Jahren ebenfalls bei N****r zu haben sind, und zwar als Verpackungsmaterial. Nichts gegen neue Strömungen, aber bisher ist noch jeder Hype geplatzt. Der amerikanische Markt ist wohl auch nicht mehr das, was er mal war, bleiben nur noch die russischen Oligarchen, mein Fussballclub, mein Gossenmedium, mein Leipziger Lustknabe.
Man muss halt Glück haben. Hatte ich bislang in München aber eher selten, ganz im Gegensatz zu Fürth und anderen Provinzauktionen.
Man muss halt Glück haben. Hatte ich bislang in München aber eher selten, ganz im Gegensatz zu Fürth und anderen Provinzauktionen.
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donalphons,
Donnerstag, 17. April 2008, 16:12
Leider ist das schon mehrfach geschehen, siehe young british Artists: Damian Hearsts Lullaby Spring kostete 2007 (pre crash) 9,65 Millionen Pfund, dafür hätte man auch 10 mittelpreisige Noldes bekommen.
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auch-einer,
Donnerstag, 17. April 2008, 23:00
medienwirksamer als poplige vernissagen, wo eh immer nur das gleiche gschwerl auf das buffet wartet und ausstellungen in galerien, wo auch immer dieselben hingehen, ist so eine versteigerung allemal.
aber
liegt der reiz, ja, das entscheidende argument für die kunstauktion für den einlieferer und den auktionator gleichermassen nicht darin, dass derjenige, der den zuschlag erhält, so wie besehen und frei von einreden erwirbt?
aber
liegt der reiz, ja, das entscheidende argument für die kunstauktion für den einlieferer und den auktionator gleichermassen nicht darin, dass derjenige, der den zuschlag erhält, so wie besehen und frei von einreden erwirbt?
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