Tage aus Blei
Es gibt solche Zeiten. Betrachten wir es realistisch: Ich habe wieder drei Wohnungen. Die Gästewohnung: Voll. Gestern führte ich dort die neue Mieterin, bei der ich mich absolut am Riemen reissen muss, nicht über sie zu schreiben, bei der Dachterassenbesichtigung hinein, und sie fand es - voll. Wo eine gerade Wand ist, hängen dort entweder Spiegel oder Bücherregale mit ungefähr 4600 Bänden. Meine grosse Wohnung: Voll. Zumindest so voll, dass ich das Angebot, eine durch einen Designwandel einer Beratungsgesellschaft überflüssig gewordene Biedermeiervitrine kostenlos zu übernehmen, ablehnen musste. Auch, weil sie in Kirschholz stilistisch absolut nicht zu meinen Mahagonimöbeln passte, aber auch, weil ich keinen Ort habe, wo ich sie noch stellen könnte. Ich brauche eigentlich nur noch zwei venetianische Spiegel und zwei grosse Bücherregale, 5 Reliefs nach griechischen Originalen, und ein Dutzend Qing-Teller, dann bin ich wirklich durch. Und am Tegernsee möchte ich den Eindruck einer halbwegs schlichten Sommerfrische erhalten. Wie schlimm es wirklich ist, sah ich vorgestern, als Frau Mama beschloss, die Anordnung ein wenig wie daheim haben zu wollen und einen Sessel auswählte, den man am See ins Schlafzimmer stellen kann, zum Ablegen der Kleidung und als Rückzugsplatz vor das noch fehlende Buchregal: Wir gingen durch meine Räume, begutachteten die acht Optionen, und als ich dann einen Sessel ins Auto gebracht hatte, sah der Raum nicht unbedingt entleert aus. Eigentlich merkte man gar nichts.
Das hat zwei Folgen: Sollte ich jemals den Tegernsee wieder verlassen, muss ich als Ausgleich wieder etwas neues zur Unterbringung all der Möbel kaufen, und es wird wieder kein Ferrari sein. Das liesse sich irgendwo verschmerzen, selbst wenn es jedesmal aufs Neue kribbelt, den Vorbesitzer oder dessen Frau hier mit dem schwarzen 456er vorbeifahren zu sehen, den sie mir für einen geringen Aufpreis überlassen hätten - zur Abschreckung reicht ein Blick auf die Zapfsäulenpreise. Andererseits habe ich in letzter Zeit häufig das Gefühl, auf den Antikmärkten Dinge, die wirklich schön und begehrenswert sind, einfach nicht zu brauchen. Ich begegne den schönsten Antiquitäten mittlerweile mit stumpfer Agonie und dem dummen Gedanken "Kein Platz". Ich stand gestern Abend vor dem besten Antiquitätengeschäft von Rottach, die mit einem Schwung ganze Häuser ausstaffieren können, und dachte mir: Naja. Und gestern morgen ging ich über einen Flohmarkt und fühlte mich wie zwischen zwei Bleiplatten; oben das heisse, schwüle Blei der Sommerhitze, unten das Blei der Langeweile und des Überdrusses, Stand für Stand, Reihe um Reihe. Manches würde schon gehen, aber halt gerade so eben; sprich, man ärgert sich erst, dass es nicht das ist, was man wirklich will, und dann gleich nochmal, wenn man die bessere Alternative findet. Die Person mit der Biedermeiervitrine ist so ein Fall. Ein Reisekoffer war ganz nett, aber es fehlte ein Griff. Ein Quirl mit Drehrad und Holzgriff war in einem Haufen sehr unsauberem Besteck. Ich war fast schon durch. Und dann:
Ich habe schon einen. In der Provinz. Und am Tegernsee wieder gelernt, was bluten heisst. Einmal habe ich in München eine halbe Stunde vergeblich nach den Einsätzen gesucht, als ich einen Halter in einer Kiste gefunden hatte. Derlei Benehmen, wie Isnogud auf der Suche nach dem letzten Puzzleteilchen, ist mir an sich vollkommen fremd, aber ein Mouli Grater ist eine absolut grandiose Erfindung, es gibt keinen Tag, da ich ihn nicht nutze, und keinen Tag am Tegernsee, an dem ich das Fehlen desselben nicht verflucht habe. Es geschieht nicht oft, dass ich nur einen Euro ausgebe, und nur mit einem Trumm von der Jagd komme, aber gestern war dieser Tag, und dennoch war ich vollkommen zufrieden.
Bis ich dann beim vorletzten Stand noch diesen Pralinenstuhl sah, dieses wirklich entzückende Sesselchen für eine von Mama geschlagene Lücke, aber das ist eine andere Geschichte.
Das hat zwei Folgen: Sollte ich jemals den Tegernsee wieder verlassen, muss ich als Ausgleich wieder etwas neues zur Unterbringung all der Möbel kaufen, und es wird wieder kein Ferrari sein. Das liesse sich irgendwo verschmerzen, selbst wenn es jedesmal aufs Neue kribbelt, den Vorbesitzer oder dessen Frau hier mit dem schwarzen 456er vorbeifahren zu sehen, den sie mir für einen geringen Aufpreis überlassen hätten - zur Abschreckung reicht ein Blick auf die Zapfsäulenpreise. Andererseits habe ich in letzter Zeit häufig das Gefühl, auf den Antikmärkten Dinge, die wirklich schön und begehrenswert sind, einfach nicht zu brauchen. Ich begegne den schönsten Antiquitäten mittlerweile mit stumpfer Agonie und dem dummen Gedanken "Kein Platz". Ich stand gestern Abend vor dem besten Antiquitätengeschäft von Rottach, die mit einem Schwung ganze Häuser ausstaffieren können, und dachte mir: Naja. Und gestern morgen ging ich über einen Flohmarkt und fühlte mich wie zwischen zwei Bleiplatten; oben das heisse, schwüle Blei der Sommerhitze, unten das Blei der Langeweile und des Überdrusses, Stand für Stand, Reihe um Reihe. Manches würde schon gehen, aber halt gerade so eben; sprich, man ärgert sich erst, dass es nicht das ist, was man wirklich will, und dann gleich nochmal, wenn man die bessere Alternative findet. Die Person mit der Biedermeiervitrine ist so ein Fall. Ein Reisekoffer war ganz nett, aber es fehlte ein Griff. Ein Quirl mit Drehrad und Holzgriff war in einem Haufen sehr unsauberem Besteck. Ich war fast schon durch. Und dann:
Ich habe schon einen. In der Provinz. Und am Tegernsee wieder gelernt, was bluten heisst. Einmal habe ich in München eine halbe Stunde vergeblich nach den Einsätzen gesucht, als ich einen Halter in einer Kiste gefunden hatte. Derlei Benehmen, wie Isnogud auf der Suche nach dem letzten Puzzleteilchen, ist mir an sich vollkommen fremd, aber ein Mouli Grater ist eine absolut grandiose Erfindung, es gibt keinen Tag, da ich ihn nicht nutze, und keinen Tag am Tegernsee, an dem ich das Fehlen desselben nicht verflucht habe. Es geschieht nicht oft, dass ich nur einen Euro ausgebe, und nur mit einem Trumm von der Jagd komme, aber gestern war dieser Tag, und dennoch war ich vollkommen zufrieden.
Bis ich dann beim vorletzten Stand noch diesen Pralinenstuhl sah, dieses wirklich entzückende Sesselchen für eine von Mama geschlagene Lücke, aber das ist eine andere Geschichte.
donalphons, 00:58h
Montag, 2. Juni 2008, 00:58, von donalphons |
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karan,
Montag, 2. Juni 2008, 13:30
Pralinenstuhl?
Sessel in Form einer solchen?
Oder ein ausschließlich während des Verzehrs von Konfiserieprodukten in Gebrauch zu nehmendes Sitzmöbel? (Das wäre bei mir wohl schon ziemlich durchgesessen...)
Sessel in Form einer solchen?
Oder ein ausschließlich während des Verzehrs von Konfiserieprodukten in Gebrauch zu nehmendes Sitzmöbel? (Das wäre bei mir wohl schon ziemlich durchgesessen...)
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donalphons,
Montag, 2. Juni 2008, 14:18
Der Pralinenstuhl war eine notlügende Erfindung meinerseits wegen erheblichen Zuspätkommens gegenüber Iris, hatte aber tatsächlich einen pralinenstühlernen Anlass.
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vert,
Montag, 2. Juni 2008, 15:27
erst denkt man: oh wie passend - eine bleiwüste!
und dann kommt doch noch ein foto... grat recht so.
und dann kommt doch noch ein foto... grat recht so.
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