Leitbunker

Wer bei den 68ern klug war, machte sich auf zum Marsch durch die Institutionen. Heute ist er oft Lehrer, fast schon im Ruhestand, Kreativer, oder als Referatsleiter im Familienministerium angekommen. Schliesslich hat man sich seiner erinnert, und dass er damals 69 in Berlin eine besonders rote Lederjacke beim Kiffen trug - sowas hilft heute beim Aufstieg, wenn man die richtigen Leute noch kennt.

Wer bei den 68ern dumm war, machte sich selbst eine Institution. Zuerst ohne Geld, dann etwas Zuschüsse von kleinen Stiftungen, und sobald die Grünen in den Prlamenten sassen, auch mal etwas von schwarzen Gerontokraten, die den Grünen damit ein eigenes Filzproblem schenkten. Denn für den grossen guten Willen und die enorme Menge an gut gemeinten Sachen gibt es nie genug Geld. Die Folge sind interne Grabenkämpfe, zerstörerisch und weitaus billiger mit staatlichen Geldern zu finanzieren, denn mit einer eigenen Kampagne.



Wer überlebt, bekommt seine kleine Burg. Irgendwo findet sich immer eine asbestverseuchte Fabrik, eine rampnierte Feuerwache, eine Schule, die wegen des Pillenknicks und der gekürzten Bildungsausgaben überflüssig wird - da kann der Referatsleiter nichts machen. Bevor man das Zeug in teuer rückbaut, dürfen die Institutionen rein und ihren antikapitalistischen Drang ausleben. Und irgendwo ist dann immer einer, der die reine Lehre bewahrt.

Sie sitzen in ihren bröckelnden Türmen, blicken hinaus auf die schlechte Welt, wo der Türke gar nicht daran denkt, sich für die Einbürgerung mit einer politischen Aktion zu bedanken, sondern lieber den Benz saugt, und fühlen sich verraten. Von der Jugend sowieso, und bald auch von den Geldgebern. Sie hassen Schröder, sie hassen das Kapital, aber der Ex-68er Referatsleiter hat sie schon mal darauf hingewiesen, dass es n ach der nächsten Wahl ganz schlecht ausschaut. Unter den Schwarzen wird das nicht mehr gehen, die Demorganisation als Jugendarbeit abzurechnen.

Aber noch sitzen sie in den Burgen, und sie werden sie verteidigen, bis der Strom abgestellt wird, und sie ein neues Projekt haben. Dann vielleicht auch mit Putzfrau, wenn das geht.

Montag, 28. Juni 2004, 03:47, von donalphons | |comment

 
Gut getroffen. Ich nenne das immer gerne "Quasi-öffentlicher Sektor". Das schaurige ist, dass sich diese Leute gerne auch als "Unternehmer" verstehen, obwohl sie vollkommen von den Brosamen der öffentlichen Hand abhängig sind.

Aber diese Haltung sehe ich auch bei der Jugend (die Kinder der 68er?). Dort sind die ersten Fragen nach dem Abi: Wie bekomme ich weiter Kindergeld? Wo kann ich ein Stipendium abgreifen? Wie kann ich mich von der GEZ befreien lassen? usw. Das kummuliert dann in dem volkommenen Unverständnis, warum der Staat, wenn die Eltern in Pflegeheim kommen, die Kinder zur Kasse bittet: "Was habe ich damit zu tun? Ich wohne doch schon lange nicht mehr bei meinen Eltern." Familie als Lebensabschnittsgemeinschaft - der Staat als Lebensgemeinschaft.

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Schönes Milljöh
Für mich, der ich in diesen "Institutionen" (ehemals besetzte Häuser mit öffentlich subventioniertem Kultur- oder Jugendzentrum) seine Adoleszenzsozialisation erlebt hat und zu denen gehörte, die linke Projekte durch Zweckentfremdung von ASTA- und Bildungsträger-Geldern finanzierten, stellt sich das unter einem anderen Aspekt dar: Schade, dass den Grünen die kriminelle Energie fehlte, daraus Widerstandstzentren zu machen, wie die Gründerin des Tempodroms mal in einer Talkshow sagte. Schade, dass diese Projekte selber dem Staatssumpf verbunden sind. Aber gut, dass es sie gibt. Ich habe nun jahrelang sowohl die selbstverwalteten Zentren im alternativen Umfeld als auch die Glaspaläste der Innovationszentren von innen erlebt und mich in beiden teils heimisch und teils fremd gefühlt, aber den Zentren würde ich nachtrauern, den Glaspalästen nicht so richtig. Und der Staat als Lebensgemeinschaft? Warum nicht? Auch wenn ich persönlich meine Eltern zur Not und sofern ich es vermag auch selbst bis zum Ende pflegen werde-bei mir wird das niemand tun, weil ich keine Nachkommen habe, ich also auf den Staat angewiesen bin. Die Patchworkfamilie ist doch schon eher die Regel als die Ausnahme, und das wird sich verstärken. Das ist ja gerade die Crux, dass wir bei unserer Gesellschaftsstruktur mehr Sozial- und Altenfürsorge bräuchten als bisher gegeben und nicht Weniger. Und die Lösung liegt auch nicht im Neoliberalismus, sondern im Sozialismus. Nicht dem peinlichen ersten Versuch der Leninisten, sondern im Wirklichen, der kommen wird, wenn der überhitzte globalisierte Kapitalismus am immer schnelleren tendenziellen Fall der Profitrate verbrannt ist.

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