Real Life 25.08.04 - Der Teufel ist ein Eichhörnchen

Der fundamentale Unterschied zwischen Journalisten und Autoren ist die Schwatzhaftigkeit. Grob gesagt, ist ein Journalist ein Mensch, der die Klappe nicht halten kann. Während Autoren kein Wort über die Modaltitäten ihrer Verträge verlieren, gehört das Protzen mit übermässigem Zeilengeld, Pauschalhonoraren und Nebeneinkünften gewissermassen zur Imagebildung des erfolgreichen Pressemenschen.

Insofern ist es dumm von Verlagen, Journalisten anzuheuern. Heute kam ein Anruf von einem Journalisten/angehenden Jungautor in spe, der von einem Verlag ein Angebot erhalten hatte. Es klang alles sehr vertraut, die Schliche, die Finten und die kleinen Hintertüren, die sich der Verlag offen gehalten hat. Ich hatte so einen Vertrag schon vor ein paar Monaten mal über Schleichwege in die Hände bekommen, und der Bitte eines Journalisten mit einigen Bauchschmerzen nicht entsprochen, ihm das Ding zu schicken, für einen Beitrag über die aktuellen Methoden gewisser Verlage.

Wie sich schnell herausstellte: Der identische Verlag. Auch diesmal: kein Forwarden. Ich mache mir die Hände nicht schmutzig. Aber ich informiere den angehenden Jungautor, dass er das Buch bei einem anderen Verlag machen soll. Mal schaun, ob er die Klappe hält. Ich richte solang meinem Verleger schon mal einen Altar ein und bringe Brandopfer dar.

Und nein, ich würde NIE Verträge als Word-Dokument verschicken.

Mittwoch, 25. August 2004, 18:35, von donalphons | |comment

 
Schön ist bei diesen ominösen Word-Dokumenten auch immer, daß man die ganze Histories des Dokuments so schön offenliegen hat. Dann weiß man wenigstens, welche Vertragspassagen lieber noch gestrichen wurden ...

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Sagen wir´s so: Wenn ich dem anderen vertraue, ist es ok - aber so ist es eine Dummheit.

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Vertragswerke
Hi Don,
vorab sei erwähnt, Verträge im Autoren/Schriftsteller/Verlagsbereich sind für mich böhmische Dörfer ;-). Vor einigen Wochen war bei einem Bekannten der wiederum einen Typen kennt, ein Buchautor. Der Autor war auf Betteltour und wollte vom Typen den der Bekannte kennt, Geld für die Verlegung seines Buches. Der Verlag forderte round about 4.000 Euronen für die ersten, sajen wer ma´, 300 Exemplare. Die Rechte für das Buch werden dem Verlag übertragen, der Autor "DARF" aber Auszüge aus dem Buch nützen.

Der Laie fragt sich da, ist das nicht vollkommene Verarsche ?!?

Gruß Immo

PS: Der Typ den der Bekannte des Immobilienmaklers kennt, gab ihm (dem Autor) natürlich kein Geld. Der Autor verstarb ca. 14 Tage später (ungelogen), war aber auch schon an die 80 Jahre alt...

PSS: Ich hab im Zusammenhang mit der Biografie von Billy "The blowjob" Clinton mal was von Honorarvorschüssen gehört... Einerseits gibts Honorarvorschüsse, andererseits muss man für die Buchverlegung selber zahlen...

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Es gibt 3 Dinge: Normale Verlage, Hintertürenklitschen und Zuschussverlage.

Normale Verlage zahlen einen Vorschuss bei Abschluss des vertrags, in der Regel noch VOR dem Schreiben des Buches, nur für das Proposal, oder bei Abgabe des manuskripts. Der Vorschuss muss nicht zurückgezahlt werden und stellt also eine Mindesteinnahme für den Autor dar. Von jedem verkauften Buch bekommt der Autor einen Anteil (5-12%) vom Nettobuchhandelspreis, und was an Einnahmen über den Vorschuss hinausgeht, bekommt er nach halbjährlicher oder jährlicher Abrechnung.

Dann gibt es die Tickser: Vorschuss ja, aber kein Wort darüber, ob der zurückgezahlt werden muss, wenn das Buch flopt. 10% ja, aber nur vom Buchhandelsabgabepreis (also das, was der Verlag vom Buchhandel bekommt, faktisch 4% des Buchhandelspreises). Eine unklare Ramschklausel, die es ermöglicht, den gezielt überzogenen Preis des Buches nach wenigen Wochen zu halbieren und als Sonderangebot zu verheizen. Und und und...

Zuschussverlage wie BoD nehmen erstmal Geld von den Autoren, drucken, versuchen zu vertreiben (was meistens nicht klappt, der Buchhandel und die Rezensenten mögen sowas nicht). Wenn ein paar Tausend Stück verkauft werden, kommt der Autor vielleicht wieder seine Kosten zurück.

Der 1. Fall ist von Autoren restlos überlaufen, der 2. Fall die typische Falle der Erstlingsautoren, der dritte der derjenigen, die bei 100 Verlagen Absagen kassiert hat.

Schwarzkopf&Schwarzkopf gehört zur ersten Kategorie. Und ist für Autoren so gut, dass ich drei Abwerbungsversuche durch Grossverlage lächelnd abgelehnt habe, denn es gibt auch noch andere Aspekte als den hohen Vorschuss-Scheck.

Das Blogbuch hätte nur S&S gemacht, sonst niemand.

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Das Blogbuch hätte nur S&S gemacht, niemand sonst..

Welche Titel außer dem Blogbuch und Liquide haste noch herausgegeben? Kann man eigentlich als Buchautor für Bücher welche eigentlich ausschließlich von Randgruppen bzw. einer kleinen Käuferschicht gelesen werden, leben ? Wann bekommen wir endlich mal ein Prinzessinen, Würgeengel, Munich Area Final Buch ?

Zu meiner Schande muss ich gestehen, Liquide habe ich erst nach der 2. Mahnung bezahlt. Habe meinem alten Herren gesagt, er solle die Rechnung übernehmen weil ich grad ´ma klamm war... Hätte es doch lieber in die eigene Hand nehmen sollen ;-) Aber dafür hab ich ein Buch mit Autogramm vom Don. Das is´ doch auch was Wert...

PS: Ich hab Dein Buch eingescannt und als PDF bei Kazaa eingestellt.
PSS: War nur Spaß :-)

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Das sind meine (bislang) einzigen Publikationen als DonAlphonso, aber nach 1 jahr 2 Bücher ist schon sehr viel - da steckt ne Menge Arbeit drin.

Und so klein ist die Randgruppe nicht, ganz im Gegenteil. Ich vermute mal, dass man als Verlag nur dann gute Chncen hat, wenn man entweder einen Trend bedient (9/11-Verschwörungen, Amerikabashing, Ängste kapitalisieren), oder eben schaut, wo es gute Autoren für kleine bis mittlere Zielgruppen gibt. Es gab o3 nur wenige Debutanten, die die erste Auflage verkauft haben, das allein ist schon ein ziemlicher Erfolg.

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Liquide
Also es muss erwähnt sein, Liquide war fesselnd von Seite -1- bis zum Finale wobei dieses wirklich sehr gut war. Ich lese eigentlich keine Bücher :-( ist einfach zuwenig Zeit dafür (Arbeit, Kind, Frau, Computer, W&V Magazin, Internet-World, Ct, etc...) aber für Liquide hat man sich schon ein bisserl Zeit nehmen müssen.

Genug der Honig-ums-Maul-Schmiererei, wann gibt´s jetzt ein Würgeengel, Rechtsanwältinnen Buch ?

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*HRÖM*

Also, ein grosser Verlag hat mich dreimal angehauen, ich sollte doch Liquide Teil 2 schreiben, und mit einem Scheck gewunken.

Aber ich habe nun mal das Glück, aus besseren Verhältnissen zu kommen, und sowas ablehnen zu dürfen. Blogs war ein herzenswunsch, einmal wegen DCT, das mit drin ist, dann, weil ich diesen Drecksliteraturbetrieb hasse, der jeden Internetautor wie Müll behandelt. Ich wollte einfach sehen, ob es möglich ist, an dieser Canarilla vorbei ein Buch zu machen, wo alle sagen: Wow.

Kein verdienst, aber massig Ehre und Ruhm(sucht) also. Es wird aber ein Buch kommen, das Prinzessinnenaspekte enthält, nächstes jahr im Frühling. Ein Sachbuch über den langen Weg in die New Economy, aber auch sehr persönlich gehalten. Keine Ahnung, ob es jemand lesen wird, aber ich habe inzwischen das gefühl, dass dieser "Don Alphonso" sowas wie eine Relevanz bekommt, dass er öffentlich wahrgenommen wird, als rebellischer Pausenclown für das Funktionieren des Systems, vielleicht. Just don´t know.

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na, dass sind doch mal erfreuliche aussichten! schön. schön.

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Abgesehen von der Tatsache, dass ich eigentlich nie

a) Berater
b) Journalist
c) Schriftsteller
d) Herausgeber

werden wollte , und diese Fixierung auf Internet und Online sowie ein anderes Spezialthema irgendwie nervt.

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sondern? Feuerwehrmann? ;)

Und ausserdem bezog sich meine Vorfreude eher auf Stil, Beobachtungsgabe und kritische Begutachtung des jeweiligen Zeitgeistes. Oder muss man etwa einen sinnentleerten Fotoband zur NE befürchten?

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Kulturhistoriker.

Nein, mehr ein Buch über die Träume, die man 1986-92 in der Provinz hatte, als man tempo gelesen hat und begriffen, dass es da noch was anderes geben muss als Job, heiraten, Kinder, sterben, oder die Ideologie der 68er - bäh! Vielleicht Werber, Designer, irgendsowas. Ein Biller werden. Das ist dieser lange, lange Vorlauf dessen, was man als New Economy bezeichnet. Dann der Hype, das Erfüllen von Anything goes, und dann das Ende der Rebellen, die sich über den Markt definierten und jetzt keinen Markt mehr haben. Im Kern: Allerneueste Kultur und Ideologiegeschichte.

Nein, das hier ist KEIN Marketing-vehikel für das Buch. Ich fand nur den begriff so schön.

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However, ein Photoband mit den leerstehenden Neubauten in Berlin vs. die Ruinen des Ostens wäre auch mal was Nettes.

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"Allerneueste Kultur und Ideologiegeschichte" wird/wurde doch schon fleissig mittels DCT, Liquide und Blogs dokumentiert. Insofern ist der Standard doch gesetzt worden.

Der Bezug zu "Tempo" muss nun wirklich nicht sein. Jedenfalls erinnern gerade diese Ausgaben mit ihren Home-Stories über das putzige Leben in x-Berg's besetzten Häusern fatal an so manchen Berlin-Hype zwischen 99-01. Nur der ideologische Ansatz war halt ein anderer. Und der ist auch Geschichte. Womit wir wieder beim Eingangszitat wären, oder?

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Ich wage zu behaupten, dass Tempo, und das Erfolgsmodell, das tempo war (im Gegensatz zu Neon, btw) die Denke von vielen Leuten stark beeinflusst hat. Ich will das nicht schönreden, das "Anything goes" da oben ist nicht ohne Ironie, aber ich glaube , dass die New Economy nur der sichtbare Teil eines langfristigen Paradigmen- und Ideologiewechsels war. Und eine Ideologiegeschichte der NE gibt es noch nicht.

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...Ein Sachbuch über den langen Weg in die New Economy...

Sowas wie Albtraum Neuer Markt oder Next Economy ?

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Nein, eher der Landser für meine Generation (damals, beim Anflug auf den Neuen Markt...)

Spass beiseite, ich frage mich schon, ob es noch mehr gab als reine Geldgier, die zu dieser Kulmination geführt hat. Und dieses "Mehr" würde ich gern anschauen. So simpel und banal wie "jung, dumm und wollten die Kohle" ist es nicht gewesen.

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bei den old-school folks bejahe ich eine Geldgier sofort. Für die war die NE nur das neue Ding nach "lass mal in den Osten fahren und den Leuten ihr Grundstück abzocken".

Aber sonst? Jung & dumm aber nicht unbedingt primär geldgierig (klar, schnell den exit schaffen wollten alle), aber die Kohle wurde doch rausgeworfen, für Firmen-Einrichtungen, überdimensionierte Serverparks, abstruse Beraterkonzepte. Ich behaupte mal, dass die GF-Gehälter meist noch die schmalsten waren. Nee, Geld hat alles möglich gemacht. Die Kohle lag ja auf dem Tisch, also wurde zugegriffen und irgendwie rumprobiert. Eher Rebellen ohne Markt und ohne Ahnung.

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Es gibt da auch die Theorie, dass die new Economy in ihren Protostrukturen von genau denselben Leuten entwickelt wurden, die nach der grossen Plattmachung im Osten und der damit einhergehenden Beraterschwemme keine Perspoektive mehr hatten. Es gibt im Rahmen des Metabox-Skandals und seiner gesamten Finanzierung ein paar grandiose Linien, die das zu belegen scheinen.

Ansonsten mag es alles stimmen - aber wie sieht der Überbau aus, deer dazu führt? natürlich hatten sie keine Ahnung, aber sie fühlten sich ganz anders. Was war das, was sie von der Erkenntnis fern hielt? Woran haben sie geglaubt, wer waren die Stichwortgeber, die Hohepriester, wer waren die Götter, wo die Altäre, was wurde geopfert? Nehmen wir an, wir wären Archäologen und würden diese sinfreien Startups ausgraben: Würden wir nicht denken, dass das kultisch gewesen sein muss? Deutet nicht alles darauf hin?

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eine Frage, der es sich nachzugehen lohnt. So aus dem Stand:

Sie hatten keine Ahnung vom Markt, von Handelsbräuchen, von den Eigenarten der Banken und ihren Angestellten; wie konnten sie auch? Sie kamen ja geradewegs von der Uni. Wovon sie allerdings Ahnung hatten waren PC und das Netz; beides Dinge die noch 98 für die meisten Entscheider geheimnissvolle, ja kultische Gegenstände waren.

Deshalb fühlten sie sich ü b e r l e ge n, ja hochmütig. Alles schien möglich. Und diese Bestätigung gab es fast täglich, denn auch die kleinesten Entwicklungsschritte wurden von einer immer aufgeregt werdenden Medienlandschaft registriert und im Zuge dessen vollkommen überhöht.

Und sie fühlten sich potent. Finanziell potent. Wer nicht gleich an VC kam, hatte doch so viele Meetings mit VC's, dass es nur eine Frage der Zeit zu sein schien, bis auch auf dieses kleine Start-up der Geldsegen herunterregnet. Bis dahin konnten einfachsten Design- oder Programmierarbeiten für viel viel Geld an den Mittelständler gebracht werden.

Was sie von der Erkenntnis fernhielt war der mörderische Zeitdruck, die Angst nicht First Mover zu sein. Davon abgesehen war es bequem. Warum Gedanken machen, Selbstreflektion betreiben - die Weltherrschaft war doch nahe. 100% Marktpenetration. Darunter sollte es ja nicht sein.

Die Stichwortgeber? Dieselben wie heute.

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