Noch mehr Freude machen.

Manchmal finde ich es seltsam, dass jene, die hier wohnen, in Urlaub fahren. Ich mein, mitten im Urlaubsgebiet, wo alle hin wollen, und dann fahren sie weg.



Heute jedoch habe ich es ihnen gleichgetan; ich erleichterte mein Konto um eine nicht kleine Summe und fuhr gen Norden, wo das Wetter besser, noch besser und der Antikhändler beim Verkaufen war. Sonntag ist Flohmarkttag, und ich werde wepsig beim Gedanken an die Schätze, die mir entgehen könnten. Irgendwo ist immer etwas, das ich brauchen könnte. Und die Inflation kommt bestimmt. Nicht aber bei jenem jungen Mann, der ein paar unbenützte Reste des grossväterlichen Ledergeschäfts verschleuderte:



Das sind Handschuhe aus Peccaryleder; eine bestimmte südamerikanische Wildschweinsorte, die das beste aller Leder für diesen Zweck liefert. Peccary ist weich, warm, elastisch und fast so unzerstörbar wie Tropenholz. Ich habe schon Peccaryhandschuhe. Auch nach 50 Jahren sind sie noch erstklassig, weich und wunderbar gealtert. Die hier sind mir zu klein; 7 1/4, aber einerseits waren sie lachhaft günstig, viel billiger als der alte, darauf vermerkte Preis von 51 D-Mark in einer Zeit, da man nicht nur goldene Anhänger hatte, sondern auch Topmodelle von Mercedes, die keine 50.000 Mark kosteten. Andererseits habe ich oft Beifahrerinnen, und für die Heizung im Sunbeam würde ich nicht garantieren.



Heute sind Peccaryhandschuhe nicht nur furchtbar teuer und ungewöhnlich, sie haben auch keine derartig netten Anhänger mit der altmodischen Schrift mehr. Innen - und das ist eigentlich ein Grund, der gegen ihre Verwendung spricht - sind dann noch Ratschläge zur Pflege. Für jene, was man damals vielleicht als "Gute Hausfrau" bezeichnete. Sollten sie doch benutzt werden, kann ich vielleicht das Schild wieder dran machen. Ein Schild, das viel sinnvoller als die Werbung mit all den tollen Namen ist, die man heute sonst an Bekleidung findet.



Ebenfalls in der Preisklasse der Kuchenstücke war das Jahrbuch der Alpenvereine von 1914 mit spannenden Neuigkeiten der Pamir-Expedition, Wanderrouten und dem ein oder anderen Bergsteigerlied. Man kann sich nicht vorstellen, dass die Leser ein paar Wochen später in den 1. Weltkrieg zogen, so warm, freundlich und lebensfroh sind diese Texte. Und dann war da noch eine Siegerplakette der VIII. Heidelberger Mitternachtsfahrt von 1964. Mitternacht in Heidelberg. Seit vier Stunden ward niemand mehr auf der Strasse gesehen, da kann man es krachen lassen. Autoplaketten sind übrigens auch so ein verschwundenes Kulturgut, seitdem jeder Depp mit Navi überall auch wirklich ankommt. Ausserdem, wozu noch Sternfahrten von Automobilisten, wenn ohnehin jeder ein Auto hat? Warum an den Besuch von Orten wie Garmisch oder Meran erinnern, wenn die Entfernung nichts mehr bedeutet? Abgesehen davon: Richtige Kühler haben Autos heute auch nicht mehr.



Das alles kostete so viel wie die drei Stück Kuchen vor dem Gewitter und dem abschliesenden Regenbogen, an dessen Ende zu wohnen ich netterweise das Vergnügen habe, um dort Dr. Karl Blodigs Bericht aus der Silvrettagruppe zu lesen. Da will ich hin. Und die Siegerplakette von der Heidelberger Mitternachtsfahrt wird am Kühler sein. Denn ich habe noch einen Kühler. Mit Messingverschluss und 80 PS dahinter.

Montag, 8. Juni 2009, 01:36, von donalphons | |comment

 
Die Lederhandschuhe scheinen mir eine gute Sache, wenn man ein Holzlenkrad ohne Servo bewegen muss. So langsam würde es mich aber interessieren, ob der Kühler demnächst etwas zu kühlen haben wird. Bei meinem Spitfire wird das nicht der Fall sein, da muss der Kühler raus. Rein kommt ein sehr gut erhaltenes gebrauchtes Exemplar, was natürlich bei jenen, die den ganzen Motorraum verchromen lassen, nie in Frage käme.

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Mich auch. Ich sitze hier und harre der Nachrichten. Die nicht kommen. Heute vor einem Monat habe ich die Papiere zusammengeklaubt, und meine Laune ist nicht gerade bestens. Der Kühler beim Sunbeam wurde aber vor 20000 meilen schon mmal gewechselt und macht einen guten Eindruck - keine Überhitzungstendenzen, Wassertemperatur im grünen Bereich.

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Der Spitfire-Kühler bröselt an der Vorderseite weg, die Lamellen verabschieden sich gr0ßflächig. Habe auch die eine oder andere Schwachstelle entdeckt, die ich auf jeden Fall beheben werde. Dazu gehören im Grunde alle Gummibuchsen an Lenkung und Radaufhängung und die Blattfeder an der Hinterachse. Die Scheinwerfer habe ich bereits gewechselt und jede erreichbare Schelle und Schraube gegen solche aus Edelstahl getauscht. Morgen informelles Treffen mit TÜV-Gutachter in Werkstatt eines Bekannten, da kommt die Stunde der Wahrheit. Hauptsache ich bekomme ihn erst einmal auf die Straße, in Herbst und Winter ist dann Zeit für die richtige Arbeit.

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Ich möchte ja versuchen, jede erreichbare Schelle und Schraube wenn möglich zu retten. Im Innenraum habe ich die rausgeschraubt, behandelt, poliert und wieder eingebaut. Soweit ich sah, war aber im Motorraum sehr wenig Rost und sehr viel Schmutz. Zum Glück war der Wagen von 1984 bis 2009 immer in der Garage und wurde nur im Sommer gefahren. Manch andere Dinge haben extreme Qualität - Messingbuchsen für die Schalter, Türscharniere so dick wie bei einem Panzer, und ansonsten war es auch ganz erstaunlich, was man mit etwas Fleiss wieder auf Vordermann bringen konnte.

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d'accord
abzüglich natürlich der tradiolen für die mythologisierung des automobils. ich weiß gar nicht, wieso alle die atombombe so verurteilen. die hat weniger tote und weniger umweltschäden auf dem gewissen als das auto. autos sind total 20th century, genau wie enola gay. sie sehen bloß netter aus, sind freiheitlicher und individueller, und jeder hat eins davon.

ich habe die grünen gewählt und bin daher der bayern-partei diametral eingestellt, werde aber trotzdem, und das vielleicht sogar schon im hochsommer, in bayern urlaub machen. davon möchte ich 98% der zeit mit dem anstieren von grasenden kühen und berggipfeln verbringen, bleiben 1% für das abholen von geschirr, 0,5% für einen espresso und 0,5% für das anhören von argumenten für die vorzüge des automobilverkehrs. ich reise mit der bahn. lupo bringe ich mit. reisen sind eh nur gut, wenn man leeren platz im eigenen koffer hat.

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Ruhigen Gewissen Kühe anstieren? Ausgerechnet Kühe?

Was so eine Kuh da jeden Tag rülpsend an klimaschädlichem Methan in die Atmosphäre loslässt, das schafft mein kleiner, hier und da bewegter Spitfire nicht.

Ich mag die Tiere ja auch, aber sie sind schon eine ziemliche Umweltsauerei...

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kühe anstieren? ist das nicht irgendwie ...unanständig?

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Es beruhigt. Weil Kühe so viel Ruhe ausstrahlen.

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So. Der Spitfire bekommt demnächst TÜV. Der freundliche junge Gutachter hatte seinen Spass mit dem Auto und bat mich, einen Spurstangenkopf (weil Gummi kaputt) und Bremsbeläge zu wechseln. That's it. Kostet zusammen etwa 50.- EUR. Ich mach natürlich noch mehr, wenn ich schon dabei bin. Spitfire-Teile sind alle sofort erhältlich und billig zudem. Kauf in England reduziert die Ersatzteilpreise um etwa 40 %. Allenthalben erfahre ich mit dem Auto freundliche Aufnahme. Auch in der kleinen Werkstatt meines Vertrauens im Dorf vor der Großstadt , wo ich mit einem Kaffee in der Hand auch mal selbst Hand anlegen darf, freut man sich, endlich mal wieder an einem "richtigen Auto" herum zu schrauben. Und jeder will unbedingt mal fahren. Ich drücke die Daumen, dass der Sunbeam die Kühe in ihrer Ruhe nicht dauerhaft überbieten will.

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kühe haben schöne _augen_. (man muss ja nicht immer auf die euter stieren.)

das mit der beruhigung liegt an den spiegelneuronen. derentwegen energiert einen ja auch umgekehrt das anstieren von sport. echt porno halt.

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Äh nein - es ist mehr das Geräusch, das gleichzeitige Rupfen, Kauen und Klingeln der Glocke. Ansonsten tut eine Kuh ja nichts. Entweder sie frisst oder sie verdaut. Ab und zu läuft sie durch das Bild vor meiner Terrasse. Das ist alles.

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ja eben. da stellt man sich nach einer weile vor, selbst kuh zu sein. und schon ist man gaaanz gaaanz ruuuuhiiig. sag' ich doch.

(hab' _ich_ das gerade geschrieben? mann, bin ich urlaubsreif.)

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Urlaub ist bei mir aufstehen und rausschauen. Ansonsten: Hier sind immer noch ein paar Teller.

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Am Montag hole ich den Sunbeam, nach fester Zusage. Hach. Endlich!

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ja, und während du so aus dem fenster schaust, kannst du überhaupt gar nicht wissen, wie sehr sich unsereins an bayerisches geschirr klammert. ich mein', nur als gedanken. und sunbeams gibt's hier gerade auch keine, nicht mal morgens zum wachwerden. grauenvoll-city halt. überhaupt ist gerade alles scheiße, anscheinend steht der mond im saturn oder so. könnte mal irgendjemand mitleiden bitte?

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Oh je. Mein Beileid. Ich könnte nachher ein Bild vom Schliersee aus 1400 Meter Höhe im Sonnenschein anbieten, zur Entspannung.

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bitte!

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Schön, dass der Sunbeam in Kürze das Herz erfreuen wird. Ich bin gestern mit dem Spitfire das erste Mal im Regen gefahren. Man glaubt das ja zuerst nicht, aber man bekommt tatsächlich keinen Tropfen ab, auch wenn nicht die Rede davon sein kann, dass das Verdeck den Innenraum hermetisch abriegelt. Einen weiteren Übeltäter entdeckt: reichlich poröser Gummistutzen zwischen Tankdeckel und Tank, das heißt direkt hinter der Pappe die als "Rückwand" dient. Mehr ist ja nicht, den hinter den Sitzen kommen: vinylbezogene Pappe, Tank, Pappe (ohne Vinylbezug), Kofferraum. Da kommen die Benzinschwaden her. Zwar sondert das Auto ohnehin einige solcher Dünste ab, aber das ist etwas zu viel des Guten.

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Als ich mal einen probegefahren hatte, war der Tank im Kofferraum. Einfach so. Der Sunbeam ist da mit seinem dicken Metall noch eine andere Liga.

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Beim Spitfire ist halt alles "einfach so".

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Ich weiss nicht, ob das alles so sein müsste. Tatsächlich ist der Sunbeam besser in Schuss als die nur 32 Jahre alte Spitfire, und das, obwohl der Besitzer selbst Ingenieur bei der Audi war.

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Die Motivation britischer Arbeiter war in den 70 ern wohl eher am Boden. Das ist aber keine Ausrede für den Audi-Ingenieur, denn die Technik ist ja sehr einfach, Teile alle frei erhältlich und zudem deutlich billiger als jedes Ersatzteil eines heutigen PKW. Deshalb entrümpele ich den Wagen ja gerade und spendiere neben neuen Bremsen und dem Spurstangenkopf noch allerlei Gummibuchsen, Stabilisatorengelenke, neue Stoßdämpfer und eine neue Blattfeder. Bei Rimmer Bros. in England bestellt kostet sowas knapp 300 Pesos und damit ist, was Bremsen und Fahrwerk und die nötigsten Kleinteile betrifft, alles im Lot. Einbauen kann man das fast alles selbst, weil sich ja die komplette Haube mitsamt Kotflügeln nach vorne wegklappen lässt. Der Rest ist Kosmetik, je nach Lust und Laune. Erzähle ich zuviel vom Auto?

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In den 70ern wurde in Großbritannien ziemlich oft und ziemlich viel gestreikt.

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Nein, nein, mach nur, es ist schön zu hören, dass ich nicht allein Geld veeschwende.

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Ich habe gerade einen sandfarbenen Mechanikeroverall im Stil der 50er Jahre entdeckt, mit verdecktem Reissverschluss und weiteren netten kleinen Details. DAS wäre Verschwendung. Andererseits, wenn man mal darüber nachdenkt...

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