Ein Begebnis in Elmau

Oktober 2000 in Schloss Elmau. Auf dem Foundersforum , das längst nicht nehr gibt, glaubte noch niemand so recht an den Downturn. Sie nannten es eine notwendige Bereinigung, eine Verschnaufpause, eine gute Gelegenheit, schnell nochmal Beteiligungen zu kaufen. Ich nannte es den Anfang vom Ende, aber damals wollte keiner so richtig auf mich hören. Das Sterben hatte noch nicht begonnen. Kein Investor wollte damals sein Geld zurück. Sie wollten für den nächsten grossen Aufschwung investieren. Und die Medien wollten weiter an den Börsengängen verdienen. Man verstand sich gut, in Elmau, bei den kostenlosen Longdrinks. Der Freistaat zahlte.

Am zweiten Tag gab es einen Workshop zur PR, draussen vor dem Schlosshotel. Peter Müller von der FAZ war da. Der "Fruchtzwerge"-Maier von der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing. Der Typ, der bei Kothes Klewes die IPOs betreute. Es ging um die Frage, wie man gute Presse macht. 200 Entrepreneure sassen auf dieser Terrasse, hörten gelangweilt zu, und wären wahrscheinlich lieber ihre Vorstandsassistentin in der Sauna ficken gegangen, aber die war damals von den frischen Gründerinnen und so manchem VC besetzt - wie mein Freund, der Herr in Beige entdecken musste. Das waren übrigens noch die Zeiten, als Firmen noch kein Personal ausser den Vorständen, ihren Assisitentinnen und der Pressesprecherin hatten.

Die Sonne lächelte aus einem tiefblauen Himmel mild auf die Torheiten, die da auf dem Podium verbreitet wurden. Der Trip in die Hölle wurde als anregender Spaziergang verkauft, und Probleme gab es kaum. Kein Problem, das sich nicht mit einer Einladung zu einem ordentlichen Mittagessen lösen liesse.

Nur für einen Entrepreneur im Publikum stellte sich eine kritische Frage, und er stellte sie öffentlich: Er habe schon Interviews gegeben, und die Beitrge seien so positiv, dass er sich frage, wie das überhaupt noch besser werden soll, und ob er dem entsprechen könne. Das sei schon etwas belastend. Das schaffen sie schon, kam vom Podium.

Hätte er es tatsächlich geschafft, die nächsten drei Monate zu überleben, hätte man ihm diese Belastung sicher erspart. Sein Online-Shop für Esoterica wäre nicht mehr allzu gut besprochen worden. So aber blieb es bei ein paar sehr lobenden Beiträgen in drittklassigen Bizz-Gazetten, die den nächsten Oktober nicht erreichten, und einer Liquidation nach ein paar Hunderttausend Anlaufkosten und einer Website, die nie ins Internet gelangte.

Das war in etwa die Welt, in der die Windhorste gelebt haben.

Dienstag, 31. August 2004, 19:40, von donalphons | |comment

 
Ja und nein. Windhorst ist ja kein Kind der NE. Eher ein Frühchen. Er wurde ja schon Mitte der 90er Jahre hoffiert. Dass er, seine Geldgeber und Protegiers die NE als Erfüllung der Prophezeiung empfunden haben, ist eine andere Sache.

... link  

 
also hätte er sich wie Mitte der 90-iger darauf beschränkt weiter PCs zusammenzulöten könnte dies zutreffen. Aber Windhorst-Tower, Potsdamer Platz 1, VC-Stuff und 60 Mio Schulden, Firmen- und Privatinsolvenz gepaart mit Verdacht auf Eingehungsbetrug hört sich aber schon schwer nach NE an.

... link  

 
An Windhorst sieht man, was aus der new Economy geworden wäre, wenn man sie erst 2003 gestoppt hätte.

... link  

 
Nicht nur in Elmau
Ich weiß es noch wie heute, als ich 2000 in Göttingen an einer NE-Recruiting-Veranstaltung teilnahm. Ein Mann von SAP versprach den jungschen BWL- und Informatikstudis eine goldene Zukunft, und auch mir promoviertem Enddreißiger mit Fortbildung zum Mediengestalter, dem sein Nebenmann, Chef einer Werbeagentur, ein Jahr zuvor wg. Überqualifizierung eine Absage erteilt hatte. Nun, ich hatte mit meinem NE-Job bereits meine Schäfchen im Trockenen und klar, dass dies nur ein Sprungbrett sein würde und war eigentlich nur als so eine Art teilnehmender Beobachter anwesend. Seinen anderen Nebenmann, den CEO einer Online-Partnerbörse, denunzierte Mr. SAP als Mann mit seinem vierten Startup in 5 Jahren, und als die Studis nach der nötigen Qualifikation neben dem Studium fragten, sagte er: 4-5 Programmsprachen, z.B. C++, C#, Java, VB, PHP, und da fielen bei den BWLern dann die Kinnladen. Und dann war da der SIemens-Mann, der eierlegende Wollmilchsäue sucht: Unter 26, Prädikatsexamen, Wirtschafts- und Informatikstudium (keine Wirtschaftsinformatiker), Projekterfahrung. Angesichts solcher Anforderungen wundert es nicht, dass die Youngsters zu windigen Klitschen mit hohlen Versprechungen gingen.

... link  

 
Ach, Siemens hat die dann trotzdem genommen (und wird sie heute nicht mehr los). Damals war es exht schwer, gute Leute zu finden, die Lust auf so einen verstaubten Laden hatten. Und wer zu SBS ging, teilte bald das Los der Startup-Kollegen.

... link  


... comment