Ein Bekannter, den ich eigentlich schätze, und der selber alles andere als reich ist, behauptete letztens allen Ernstes, das Problem unseres Landes sei, dass die Reichen so schlecht behandelt würden und dass es nur deswegen den kleinen Selbständigen so schlecht ergehe. Die Lockerung des Schweizer Bankgeheimnisses empfand er als die schlimmste Untat, die ein Staat begehen könne, da das die ultimative Freiheitseinschränkung sei und nun ganz viele arme Mittelständler womöglich ins Gefängnis müssten, weil sie ihren letzten Notgroschen vor dem Staat in die Schweiz gerettet hätten. Dass die Steuerhinterziehung in der Schweiz vor allem ein beliebter Sport der sehr reichen Menschen ist, die die zusätzlichen Abgaben nun wirklich hätten verkrafen können, wollte er mir nicht glauben. Für das größte Problem unserer Gesellschaft hält er im Übrigen die Türken in Berlin, und er meinte, Herr Sarrazin habe vollkommen recht. Für das Grundübel hält er die türkische Kultur und Religion - und wollte mein Argument nicht akzeptieren, dass es ähnliche Elends- und Problemviertel mit hoher Gewalttätigkeit in der Geschichte der Menschheit schon mit allen möglichen Kulturen und Religionen gab. Er ist Akademiker und unter anderem begeisterter Leser der angelsächsischen Finanzpresse. Er war mir ziemlich böse, weil ich ihm ständig über den Mund gefahren bin (weil ich vieles einfach nicht ertragen habe - vor allem nicht das über die bemitleidenswerten Reichen und über Herrn Sarrazin) und ihn mit einem ganzen Schwall an Argumenten widerlegt habe.

Depriminierend.