Tarnfarben

Plötzlich ist man allein auf weiter Flur, alle haben Reissaus genommen. Heute Abend, 21 Uhr, was niemand mehr da. Am Tag davor hatten sie die Teekanne aus der Zeit von George III noch kräftig hochgesteigert, da war noch Kaufwille vorhanden. Heute waren all die Engländer verschwunden



In meinen Augen ist der Preis englischer Silberkannen bei Ebay ein guter Indikator für den Wert, der im jeweiligen Konsumklima dem Wert eines Gegenstandes über dem Materialwert beigemessen wird. Seit dem Ausbruch der Krise liegen normale Silberkannen auf einem Niveau von 110 bis 140% des Materialpreises. Erst in der Zeit vor Königin Victoria ziehen die Preise bis zu 200, 250% des Materialwertes an. So gesehen hätte ich heute die Kanne mit ihren mehr als 18 Unzen gar nicht bekommen dürfen, und schon gar nicht für 185 Euro - der Materialwert allein liegt schon bei 205 Euro.



Aber die Käufer waren einfach verschwunden. Krise ist, wenn die Leute nicht mal mehr Dinge kaufen wollen, die weniger als das Edelmetall kosten, aus dem sie gemacht wurden. Das war bis gestern übrigens komplett anders, da ging ich mehrmals gegen Briten unter. Danke, Dubai, kann ich da nur sagen.



In Ermangelung von Bergen war ich heute am Baggersee spazieren, sah den Enten zu und wunderte mich über die seltsamen Gebräuche der Angler. Telefonierte mit Leuten, die allesamt mehr als nur viel zu tun haben. Ähnlich wie in den übleren Zeiten der New Economy häufdn sich gerade die Ausfälle wegen Überarbeitung und Freizeitmangel. Ausser mir sind auch nur Rentner am See.



Die anderen wollen vermutlich keine Schwächen zeigen, auch wenn sie in den kommenden Wochen nichts vom Tag mitbekommen: In der Finsternis ins Büro, in der Finsternis nach Hause. Und das, obwohl das Wetter immer noch einen Tag weiter hält, obwohl mn jetzt nochmal durch all die Farben des Herbstes wandern könnte, dem Schnee nochmal ein paar Tage abtrotzen. Aber es ist Jahresabschluss, da steigt der Stress. Nur nicht bei mir, habe ich den Eindruck.



Ich sitze da und höre mir all die einstürmenden Firmenprobleme an, den Druck und die Streitigkeiten, und stehe eigentlich nur vor dem Problem, dass ich noch ein paar Hosen brauche, es ist wirklich so banal, um zufrieden in den Herbst zu gehen. Hosenkauf ist eine lächerliche Aufgabenliste angesichts der Wichtigkeiten, die mich nicht betreffen. Ändern - ändern kann ich ihnehin nichts. Alles geht den Weg, der gegangen werden muss, die eine in den Überdruck, ich über Wiesen und kahle Felder nach Hause.


Freitag, 27. November 2009, 00:54, von donalphons | |comment

 
Welch schöner Text zum Wochenende! Auch die Bilder strahlen eine so ruhige, friedliche Stimmung aus!

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genauso ist es dort auch, man kann mit ein paar Schritten allen Menschen aus dem weg gehen und allein sein. Was mitunter ja auch ganz nett ist.

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echt schön geschrieben…es erinnert mich heute morgen an eigene „Augenblicke im stressigen Leben“. Jeder spürt wohl schon selbst, ob er auf einer Galeere rudern oder eben doch über Felder / durch Wälder laufen möchte.

Oft kam es mir vor, wie ein künstliches System, das jedem Teil davon das Gefühl gibt, dass immer mehr zu tun sei als im Jahr zuvor. Der Mix aus vermehrt übertragener Verantwortung und sich angeblich steigernder Wichtigkeit der eigenen Aufgaben lenkt die beteiligten Menschen in so eine Art Catch22. Das funktioniert meist prima und hält die Leute bei der Stange.
Als während einer jeden noch-so-superwichtigen Besprechung aber der Blick an Bäumen & Büschen ausserhalb des Gebäudes hängen blieb….war es wirklich Zeit zu gehen.

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Ich bdenke, im Alter wird man einfach leichter genervt von Ansprüchen, von denen man aus Erfahrung weiss, dass sie einen nicht weiterbringen, die Firma nicht und das Projekt nicht, und vielleicht nur jenen, der die entsprechende Antreiberei veranstaltet. Vermutlich ist das der zeitpunkt, an dem man sich wie ein Lehrer zu kleiden beginnt und an den Kauf eines Wohnmobils denkt.

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"Vermutlich ist das der zeitpunkt, an dem man sich wie ein Lehrer zu kleiden beginnt und an den Kauf eines Wohnmobils denkt."

Herr Alphons, das einer der besten Sätze, den ich von Ihnen gelesen habe !!!!
Danke, you made my day !

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Gratulation
zum letzten Foto. Das ist zum Thema perfekt gewählt / geschossen. Wenn noch ein wenig Bewegungsunschärfe drin wäre... (Der Don geht gelassen in den Sonnnenuntergang)
Wie auch immer, um Deine Ruhe bist Du wirklich zu beneiden.

Gruß, Manuel

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Mehr oder weniger Zufall, ich hatte einfach kein Stativ dabei, und der Himmel war so. Kunst sähe - leider - anders aus.

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Wieso "leider"?

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Was ich schon des öfteren fragen wollte: Besitzen Sie eigentlich auch ein Stück Wald, einen Acker oder eine Wiese? Aus irgendwelchen Gründen ist mir dieses Thema hier noch nicht untergekommen. Auch verwundert es mich, daß noch niemand danach fragte.

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Ich habe vor wenigen Tagen auf Dons FAZ-Blog nach seinem Hutbesitz gefragt. Ich kann ja nicht alles machen. Außerdem sind Hüte wichtiger als Wiesen. Oder hat man schon einmal den Satz "Ein Herr ohne Wiese ist kein Herr" gehört?

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Hi noergler,

bin zwar nicht Don Alphonso, aber wenn ich die Frage richtig in Erinnerung habe, habe Sie Maenner mit gutem (Sinatra) u. solche mit schlechtem Hutgeschmack unterschieden. Ohne es eigens ueberprueft zu haben, glaube ich, dass alle Trager eines Borsalino und die meisten eines Borsalino Fedora waren wie eben auch "The Voice".

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Ach ja. Ich habe extremen Heuschnupfen. Am Tegernsee ist etwas Garten dabei, aber im Grossen und Ganzen würde mich eine Wiese nur umbringen.

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da wird man wirklich neidisch, der himmel in hamburg ist eine homogene graue masse und die farben des herbstes haben sich fast vollständig verflüchtigt. das einzige, was mich heute aufgeheitert hat, war ein medizinstudent mit einem HypoRealestate-regenschirm.

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Nein, Teutonicus. Von Sinatra (der mit Borsalino nur in wenigen Fällen zu sehen ist; üblicherweise trägt er diese amerikanischen Dinger mit schmaler Krempe und hellem breitem Hutband, was viel besser zu ihm paßt) habe ich überhaupt nicht gesprochen; das taten andere.
Ich habe auch nicht Männer mit gutem und schlechtem Hutgeschmack unterschieden, sondern auf den Einwand eines Kommentators, Hüte sähen oft "prätentiös" aus, geantwortet, es käme darauf an, wer welchen Hut wie trägt. Gewiß – das streift durchaus auch das Thema des Geschmacks, aber meine eigentliche Stoßrichtung war gegen jenen Kommentator gerichtet, der mir generell gegen Hüte eingestellt schien.
Ich bin nämlich ein Hutphobie-Phobiker ;-)

In der Tat gelang es mit dem Fedora, eine absolute Form zu schaffen.

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Hi noergler,
was soll ich sagen? Bin untroestlich, habe aber offenbar ein anderes Statement fuer das Ihrige gehalten. Ruecken Sie also Ihren Fedora zurecht, erfreuen Sie sich an Ihrer Phobie-Phobie (leide gelegentlich auch darunter, und Leiden soll ja auch etwas mit Leidenschaft zu tun haben) u. ueben Sie Nachsicht!

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Preussische Pickelhauben willst Du Dir nicht zulegen?
http://bekleidungskammer.de/pickelhaube-silber-p-27803.html?language=1
Gibt es auch aus Silber.
So als "Skalp", Du weisst schon.

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Pickelhaube als Trophäe läßt aber auf unzureichende Geschichtskenntnis schließen. Oder ist 1866 schon vergessen?

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Pickelhauben gab es übrigens auch in Bayern. Autsch!

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Ja, nach Leipzigeinundleipzig würde ich mal raten.

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Wikipedia sagt:
"1886 gab letztlich sogar Bayern den für sein Heer bis dahin typischen Raupenhelm auf und übernahm die Pickelhaube (wobei in Bayern anders als in den übrigen Bundesstaaten auch bei der Artillerie eine Spitze und kein Kugelaufsatz getragen wurde), auch wenn die bayerischen Generale mit Rücksicht auf Vorbehalte von Prinzregent Luitpold weiterhin den in Bayern üblichen Generalshut trugen."

Bitte auch unter "Raupenhelm" nachschlagen, das wäre erst recht etwas für den Don.

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