Der letzte frohe Mensch auf Erden

Um mich herum geht es Menschen schlecht. Egal wohin ich schaue, Frust, Ärger, schlechte Stimmung, als hätte sich dieses 2009 mit all seinen Schattenseiten in den Menschen festgesetzt. Das meistgehörte Wort der letzten Wochen lautet "Burnout", gesprochen von jenen, die dachten, dass sie sich schon wieder irgendwie regenerieren können. Das geht manchmal, aber wenn der Kürper ohnehin nur widerwillig in die Kälte geht, brauchen sie die Abwehrkräfte für etwas anderes.



Nun bin ich bekanntermassen nicht nur der höflichste Mensch der Erde, sondern gemeinhin auch der bestgelaunteste. Ich esse viel und schlafe fest, ich mache jede Arbeit gerne und lasse keine Katze ohne Begeisterungsrufe vorüber gehen. Meine innere Entflammbarkeit ist bei einer Grenztemperatur zu finden, wo bei anderen noch protestantische Ablehnung regiert. Viele sagen mir, meine Sorglosigkeit würde mir noch mal das Genick brechen, aber ich habe einen dicken Hals wie ein Baumstumpf, und seltsamerweise sind es stets die anderen, deren Köpfe haltlos herunter hängen.



"Bruder Leichtfuss" nennt man das in Familienkreisen, vermutlich ein Erbe eines Grossvaters, der die angenehmen Seiten des Daseins immer für sich zu entdecken wusste, und nachdem ich im Gegensatz zu ihm kein schwerer Raucher bin, sehe ich auch gute Chancen, bis ins hohe Alter so zu bleiben. Es wäre nur ganz nett, wenn andere um mich herum aufhören könnten, sich selbst kaputt zu machen. Nicht dass es auf mich abfärbt. Aber die Welt dreht sich von selbst, und es komt, wie es kommt, und es ist, wie es ist. Mei. Lasst es halt krachen, sage ich, und werde nicht erhört.



Es sind enorm sinnesunlustige Zeiten, es wird schnell dunkel und die Nächte sind bitterkalt, und wenn man nach dem Frieren auch noch eine kalte Dusche überflüssiger Problee abbekommt, nebst einer Ablehnung der Angebote, das tatkräftig zu beheben - fragt man sich eben, wie es wäre, wäre es denn anders. Seit Jahr und Tag geht man mir auf Nerven, ich sollte doch mal eine Liebesgeschichte - all diese vergeudeten, sinnlos vergeudeten Leben schaffen das, was andere nicht schaffen: Dass ich phantasiere, wie es denn wäre, wenn es nur ein klein wenig anders wäre. Ein ganz klein wenig anders, von mir aus auch mit Burnout, aber ohne das Verkriechen in Löcher und weitermachen.



Ja, es schneit, ja, es ist kalt, und ja, es könnte bsser sein. Ja, ich muss sogar um 12 noch raus und Schnee schippen. Irgendwie kann ich dem auch etwas abgewinnen, wenn ich hoch zu meinem Haus schaue. Der Kaschmirpulli ist warm, die Arbeit tut ein übriges, ich summe eine lustige Rossiniweise, nachher mache ich eine Suppe, es geht mir gut. Ich bin vielleicht der letzte gut gelaunte Mensch auf dieser Erde. Muss es auch geben. Einen, der brennt, und nicht ausbrennt.

Montag, 21. Dezember 2009, 14:15, von donalphons | |comment

 
Werter Herr Alphons,
besten Dank für dieses positive Statement. Sie sind nicht alleine!
Gerade wegen meiner protestantischen Herkunft geht es mir auch ausgezeichnet. Von Burnout keine Spur dieses Jahr.

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ja! katzenstalking! ich habe meine technik wildfremde katzen anzulocken ja mittlerweile perfektioniert. mich passiert keine katze ohne eine dosis streicheleinheit!

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don ferrando, freut mich zu hören!

notquitelikebeethoven, es müsste vor allem mehr davon geben.

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bironium, bei mir geht das auch fast immer - ausser bei meinen eigenen. Die wissen, dass sie es ohnehin immer haben können. Undankbar, sehr undankbar.

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Hatte eine Woche Urlaub, nur zu Hause bei meiner lieben Familie, habe mit meiner kleinen Tochter einen Baum gekauft, geschmückt, dazu das Weihnachts-Oratorium und der Messias. Herrliche Zeit. Kaum bin ich wieder im Büro gehen mir die Emails von Leuten, die sich und ihre Arbeit so extrem wichtig nehmen, doch gewaltig auf den Sack. Da frage ich mich doch: warum hatte mein Großvater, seines Zeichens extrem wichtiger Mann eines regionalen Energieversorgers, damals sein Einkommen nicht besser angelegt sondern durchgebracht. Dann müßte ich mich jetzt nicht rumplagen, sondern könnte entspannt meine Bücher lesen, die nun unangetastet im Regal stehen. Aber: es ist, wie es ist. Ich kann es nicht ändern, sondern muss damit leben. Und das beste daraus machen. Wer keinen Burnout bekommt, der wird leicht zum Zyniker. Vielleicht ist das die Lösung: http://www.dilbert.com/dyn/str_strip/000000000/00000000/0000000/000000/70000/6000/700/76735/76735.strip.gif

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hört sich nett an....also, der Grossvater :-)

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Wäre es wenigstens für Koffer oder Silberkannen gewesen, dann hätten wir noch etwas davon. Oder Autos oder irgendetwas anderes, was noch irgendwie vorhanden wäre. Aber wie kann man die Kohle in der Spielbank einfach nur so verheizen... das ist wie billiger Wein und Weiber, nur dass die Kohle noch schneller weg ist. Nun ja...

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Mir geht es auch gut, mein Geschäft ist ausgezeichnet angelaufen. Ich habe viel gearbeitet, meine Arbeit gern gemacht und fühle mich nicht ausgebrannt sondern zuversichtlich. Ich bin guter Dinge und mag die Tage, die vor mir liegen. Selbst der sogenannte Weihnachtsstress macht mir nix, weil es so schön nach Fichtenharz, Vanille und Mohn riecht. Nein, eindeutig du bist nicht der einzige.

"... nebst einer Ablehnung der Angebote, das tatkräftig zu beheben"

Viele Menschen brauchen ihre Probleme, damit sie wissen, wer sie sind. Deswegen wollen sie diese auch behalten.

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Achja, der ewige Optimismus. Ich sage immer, das sei genetisch bedingt (glaubt man mir dank Biochemie-Abschluss auch ohne weiteres). Aber es scheint durchaus ein regional unterschiedliches Phänomen zu sein. Dank angeheirateter Ost-Erweiterung in der Familie weiß ich um den unglaublich pessimistischen Umganston und dem steten das-Schlimmste-annehmen. Grauenvoll!

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Muß wohl genetisch sein, sonst hätte sich die "I'm only happy when it rains"-Fraktion schon längst ersäuft. Was mich an eine lange vergangene, von grundlosem Optimismus getragene Begegnung mit Shirley Manson erinnert.

Aber demnächst gibt es ein neues Album von Sade...

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Wikipedia: Optimismus (von lat.: optimum, „das Beste“) ist ursprünglich der Glaube, in der besten aller möglichen Welten zu leben.

Also, nein, wenn das Optimismus ist, dann bin ich definitiv nicht optimistisch. Etwas abgeschwächt, bedeutet Optimismus angeblich den "Glauben an ein gutes Ende". Auch was das betrifft, bin ich mir nicht sicher.

Wenn dagegen gemeint ist, persönlich das beste aus dem Hier und Jetzt zu machen und sich nicht ständig darüber zu grämen, dass dieses oder jenes fehlt, das kann ich unterschreiben. Wer glaubt, ein "Idealszenario" zu benötigen, um zufrieden zu sein, der ist eher arm dran.

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Nun ja, der ewige Optimismus kann auch krank machen. Das war ja auch, was einige Psychologen an der "Du kannst es schaffen"-Welle kritisiert haben. Wenn die Erfolgserlebnisse ausbleiben, dann fällt man schnell in ein Loch. Im übrigen merkt das Unterbewußtsein ja doch, das nicht alles so toll ist, wie man es sich selber einredet.

Ich behaupte, dass das auch viele US-Amerikaner zu den Psychologen und Psychatern treibt. Alle sind happy, alles ist Positiv, über negative Dinge redet man nicht - auch wenn die vorhanden sind. Das macht einen auf Dauer krank.

Allerdings treiben wir es hier in Deutschland mit der Negativstimmung manchmal doch arg doll. Ich wünschte mir eine bessere Mischung.

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schusch
Grad auf mein Urlaubskonto geschaut. Die kompletten 30 Tage. Am 21.12. Nein ich bin nicht stolz drauf, ich finds sch*****. Es einem Kollegen erzählt, höhö, März frei, Frühling, Italien, er "Du weißt, es kommen Projekte..." Na und? Ich fand Weihnachten immer fürchterlich, dunkel, kalt, nett zur Sippschaft sein, was machen wir an Sylvester.... Ich finde auf einmal Weihnachten richtig toll. Einfach frei.

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@doctor snuggles:
Ja, geht mir ähnlich. Diese permanente "O-Gott-wir-werden-alle-sterben"-Stimmung hierzulande saugt gewaltig. Und das "tschakka" oder "yes, we can"-Mantra des unreflektierten positive thinking nicht minder.

Mir fehlen hier auch öfters die Zwischentöne zwischen unbedingter Heilserwartung und dem gefühlten unmittelbaren Bevorstehen der Apokalypse. Nach dem Motto: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst."

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Geht "Wir sind fett und gelangweilt von der Spitzenposition und nörgeln nur mal eben rum" auch?

Mir hat mal jemand erklärt, dass das, auf bayerisch gesagt "debbade Gschau" des Frustes aus den DDR-Erfahrungen herrührt, wo das Zeigen von zu viel Emotionen Verdacht erregte. Wer sich zu sehr freute, hatte was, was andere nicht hatten, und galt deshalb als fragwürdig. Mit einer leicht miesen dauerstimmung ist man nicht aufgefallen.

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Mir gehen aber auch Leute auf den Nerv, die mich automatisch als Schwarzmalerin beschimpfen, wenn ich darauf hinweise, dass im Bankensystem möglicherweise irgendwas schieflaufen könnte, dass man Staatsgelder vielleicht eventuell besser investieren könnte etc. etc. Leute, die sonst über jeden Schnupfen jammern, kehren dann auf einmal den Superoptimisten heraus und beharren darauf, dass man sich darauf verlassen könne, dass "die da oben" schon wüssten, was sie täten. Dabei jammere ich ja nicht mal oder klage über persönliches Leid.

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Amelia, ich sage denen, dass ich nochmal auf ihre Gräber pinkeln werde, wenn sie so weiter machen - das finden sie noch weniger lustig. Vor allem, weil ich das ihrentodernst meine.

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@Schusch: da lobe ich mir meine Firma. Der Urlaub muss im entsprechenden Jahr genommen werden, Überträge ins nächste Jahr nur in Ausnahmefällen mit Genehmigung von weiter oben.

@Mark793: deshalb erwog ich auch schon mal eine Auswanderung nach Kanada. Nicht ganz so positiv wie die USA, aber nicht so negativ wie Deutschland. Tja, ist dann doch nichts geworden. Mit lieber Familie und eigener Hütte läßt es sich aber auch hier aushalten.

@ DonA: ich weiß nicht, DDR Erfahrungen habe ich nicht wirklich. Dennoch fallen mir immer eher die Sachen auf, die nicht funktionieren, als die, die gehen. Mit "einfach nur mal rumnerven" hat das nichts zu tun. Vielleicht ist das auch der Grund, warum der deutsche Maschinenbau weltweit der Beste ist: konstruiert, um selbst den mäkeligsten Deutschen zufrieden zu stellen.
Da wir es aber nicht so mit der Leichtigkeit haben, kommt aus Deutschland fast nur problembeladenes Autorenkino und die lustigen Sachen importieren wir aus dem Ausland. Immerhin: das können wir uns leisten, sogar mit eigener Synchro.

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Ist doch interessant, dass in dem Moment, wo einige sagen, dass es ihnen gut geht - wobei dabei überhaupt nicht klar ist, woraus sich dieses Gefühl speist - eine Diskussion über Positivismus vs. Schwarzmalerei entbrennt.

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@ Don: Dass es auch für Fotos von Gräbern das passende Blog gibt, weißt Du ja hoffentlich.

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"aus den DDR-Erfahrungen herrührt, wo das Zeigen von zu viel Emotionen Verdacht erregte. Wer sich zu sehr freute, hatte was, was andere nicht hatten, und galt deshalb als fragwürdig ... " Gott sei Dank, so war es nicht. Wir (z. B. Jahrgang 64) waren eher leichtsinnig, wir wir heute lernen müssen, wo die scharfen Hechte um uns herum das Wasser bewegen (um nicht gleich von Haifischen zu reden.)
Bei den Alten ist es natürlich anders, aber denen steckten auch andere Erfahrungen in den Knochen. Es ist ein großer Unterschied, ob man nach einem erfolgreichen und in wachsendem Wohlstand verbrachten Leben dann auch endlich einmal auf die eigene Traumatisierung als Kriegskind zurücksieht, oder ob man mehrfaches Scheitern noch obendraufbekommt.

Zu denken gibt mir, daß auch der nicht eben denkfaule Don solches wiedergibt. Wenn etwas heute und hier den gelernten Ostler niederzieht, dann die erscheinende Unmöglichkeit, einen Westler zu finden, der nicht komisch Angelesenes oder halb Gehörtes und schräg Zusammengereimtes wiedergibt. Es ist ein seltsames Gefühl, die verlorene eigene Lebenswelt mit offenkundig schiefen Proportionen beschrieben zu bekommen. Das macht stumm. Wenn man nicht einfach darüber lächeln kann.
Die Griesgrämigkeit, die im Osten häufig zu finden ist, kann leicht in Versuchung führen, auf solche erscheinende Lebensuntüchtigkeit herabzusehen. Etwas Soziologie sollte helfen; die unmittelbare Perspektive reicht nicht zum Verständnis der Folgen ganzer nationaler Verunglückungen. Wenn nicht Soziologie oder Historie, dann die Antwort eines hellen Kopfes auf den vor wenigen Jahren häufig zu hörenden Satz: "Die sollen sich nicht beklagen, was die alles von uns bekommen haben, wir haben doch auch alle mit 40 Mark anfangen müssen!", die Antwort nämlich: "Offenbar haben die Ostdeutschen den Krieg zweimal verloren."
Und das ist leider das Grundgefühl geworden; ausgenommen bei den Jüngeren, die freier vom "Alb der toten Geschlechter" handeln.
Als Ostler wußte man früh, daß man nicht zu den Siegern der Geschichte gehört, mochte auf den Plakaten stehen, was wollte. (Die las sowieso keiner - wer liest Reklame.) Nun, das ist geblieben. Es gibt z. B. kaum Ostler ab z. B. 45 Jahren, die auf irgend eine nennenswerte Erbschaft hoffen können, kein Haus, keine Aktiendepots, keine Sammlungen. Im Westen kann man den Satz komplementär formulieren, nicht?
Der ganze Osten ein einziges großes im Abstieg begriffenes Ruhrgebiet, gepäppelt mit 'Maßnahmen', die brillant gestylte Potemkinsche Dörfer erzeugen - woher soll der Frohsinn kommen? Da hilft keine dreispurige Autobahn. Die Jugenderinnerungen des Don nebst seinen schätzenswerten Darstellungen des Lebens in der deutschen Oberschicht lassen den gelernten Ostler staunend sagen: ach, so geht's auch? So kann man hier in diesem Land leben? Irgendwas habe ich verpaßt, als es um die Wahl von Geburtsort und -zeit - und überhaupt: der Eltern ging. Der Satz "Normalerweise ist es ja so, dass man arbeitet, Geld verdient und vermögend wird" klingt hier, gerade 100 Meter östlich von Berlin-Wedding leicht komisch.
Es ist nicht unbedingt folgenlos, wo man geboren wird, wo man seine Kraft investiert und wie oft man neu anfangen muß - und kann. Letzteres wird in der deutschen Gegenwartsgesellschaft, die die Aufstiegskanäle zuriegelt, nicht eben leichter. Alles Einsichten, die der Don selbst schon niederschrieb. Es ist nicht so leicht, nachher auf die Phänomene anzuwenden, was man vorher als Schlußfolgerung gewonnen hat.
Nun genug des ernsten Tons. Wenn die ersten Banken brennen, wird es vielerorts frohes Jauchzen geben und nicht immer wird es Schadenfreude sein.

Ein besinnliches Fest,
Grüße,
KL

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Es wurde mir so von jemandem erklärt, der einschläguge Erfahrung aus 35 Jahren Ostberlin mitbrachte. Meine persönliche Meinung ist dagegen eine Mischung aus diesem Grund und einem Menschenschlag, der ohnehin nicht gerade überschwänglich, aber dafür eher direkt ist. Trifft nicht auf alle zu, keine Frage, aber a jeda is anders, wie man in Bayern sagt.

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Nun, die laiensoziologische Deutung war's, die mich zum Widerspruch reizte. Das klang doch zu sehr nach stalinistischem Volksgefängnis, daß wer scheel angesehen worden sei, weil er "zu viel Emotionen" zeigte. Die ostdeutsche Volkspsychologie kennt nun gerade den "Wessi", den smarten Lückenfinder und Erfolgsstrategen 2. Klasse, der das Land nach 1990 überschwemmte, als kalt, berechnend kalt, emotionsfrei. Daß im Osten Deutschlands Heiterkeit fehlt, ist wohl auch eher mit einer altgewordenen protestantischen Mentalität zu erklären.
Ich - also wieder nur anekdotisch - finde den Unterschied in der mentalen und sonstigen Beweglichkeit innerhalb Deutschlands nicht gar so groß. Wie sagte mir gerade vor zwei Tagen eine Amerikanerin, die hier seit 20 Jahren lebt, beim Blick auf eine Tanzfläche: Naja, die Deutschen können keinen Rhythmus halten. Die elegante Geste finde ich bei Bayerinnen nicht und auch nicht bei Rheinländerinnen - aber bei Französinnen. Weiblichen Witz finde ich am häufigsten bei US-Amerikanerinnen, manchmal noch bei Berlinerinnen. Aber Holsteinerinnen scheinen kaum humorvoller als Mecklenburgerinnen.
Das sagt vielleicht nur etwas über meinen Horizont aus, wer weiß. Doch daß die Teilung so ganz deutlich durch Deutschland gehen soll, scheint mir beim Blick auf Europa eher übertrieben. Allzuviele Westler wirken auf mich oft wie Viertplazierte, die den Ostler, weil er Fünftplazierter ist, gereizt darauf hinweisen, daß sie Sieger seien.
Daß die Ostler dahinterliegen, ist nicht zu bestreiten.
Aber immer das Getöse um den kleinen Vorsprung?

Grüße,
KL

P.S.: Was den Ostberliner Bekannten angeht, weiß ich natürlich nichts zu sagen, ich kenne ihn nicht. Aber es könnte eine Rolle spielen, daß die Ostberliner schon eher scheel angesehen wurden, wenn sie ihre besondere Figur kenntlich machten. Denn Berlin wurde nicht nur als Residenz gepäppelt, was Neid weckte, - es war eben auch die einzige wirkliche und richtige Großstadt, mit Großstadterinnerungen. Da gab es noch ganz andere Habitus als in der thüringischen etc. Provinz für erlaubt gehalten wurde. "Der Berliner" machte sich in der Provinz schnell unbeliebt. Aber das hat wohl weniger mit "DDR" als mit durchschnittlich drögem Provinzialismus zu tun, auch wenn der unter DDR-Bedingungen sehr gut gedeihen konnte. - KL

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das macht stumm.
ja,
@kl.
ich wollte schon "weitergehen".
irgendwann erklärt man nichts mehr ...

also danke - für den versuch.

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Naja, mit den Wieseln der Beratster aus dem Westen, die man dort abgeladen hat: Das war Pech. Da muss sich der westen wirklich entschuldigen, aber irgendwo musste man den Müll eben abladen.

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@swina
Ich mußte zweimal lesen, um zu verstehen, aber nun hab ich es wohl. Thanks for the reply.
Jorge Semprun hat in "Was für ein schöner Sonntag" eine Situation geschildert, in der er nach dem Krieg in Paris mit, ich glaube, Merleau-Ponty und anderen zusammensaß, und erklärte, daß er und seinesgleichen (er kam aus Buchenwald) nun die Aufgabe hätten, die Form zu finden, ihre Erfahrungen mitzuteilen. Das hat mich verblüfft: was konnte einfacher zu verstehen sein als die Ungeheuerlichkeit der Lagererfahrung?
Nun - es ist eben nicht einfach zu verstehen.

Die DDR war kein solches Lager, aber die absolute Fremdheit der Erfahrungen für Westdeutsche machte es auch hier nötig, eine Form für die Mitteilung erst zu erfinden. Die Rückgriffe auf "das Lager" und "den Totalitarismus" ergeben sich wohl daraus, daß eben diese Deutungsschemata in dreißig, vierzig Jahren einigermaßen eingeübt werden konnten und nun auf alles mögliche angewendet werden, selbst wenn es nicht paßt. Es wird so nicht immer nur die innere Abwehr Westdeutschlands sein (wenn auch nicht zu unterschätzen), welche die Mitteilung behindert, sondern der Rausch der Geschwindigkeit, der unseren Alltag bestimmt. Wir finden nicht mehr genug Zeit, eine Sprache für unsere Erfahrungen zu finden. Haben wir endlich die Sprache, ist die Erfahrung von vorgestern, alte Geschichten. Heiner Müller, der nun nicht eben sprachfern lebte, sagte einmal: die Differenz der Erfahrung ist nicht mitteilbar. Er hoffte zuletzt nur noch auf Pina Bausch als Entdeckerin des nötigen neuen Mediums. Das heißt wohl, das Vertrauen ins Wort verloren zu haben.

@Don Alphonso
Daß sich "der Westen" für so etwas gar nicht entschuldigen kann, ist eine der ostdeutschen Erfahrungen der 90er Jahre. Gewissermaßen Ausweis der Ankunft in der modernen massendemokratischen Form der Industriegesellschaft. Niemand plant gezielt, jeder sucht seine Lücke, seinen Vorteil - und was sich ergibt, ergibt sich. Darum wohl auch die schöne böse Formel Luhmanns: "Es geht gut, so lange es gut geht."

Was tun?

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