Fritzen bei Fischer
Ich bin ein Fragment der New Economy. Ich habe sie in ihrer Blütezeit erlebt und genossen Das war die Zeit, als man gaz offen kommunizierte, dass auf den besseren Events das Catering pro Person 100 Euro kostete. Und es war eine Zeit, in der es täglich einen dieser Events gab.
Ich bin ja der Meinung, dass der Downturn nicht so schlimm geworden wäre, wenn die Qualität des Buffets erhalten geblieben wäre. Das ist wie mit den belagerten Soldaten in der Burg, die Lebensmitteln mit Katapulten herausschiessen. Wer was zum Essen anbietet, kann eigentlich gar nicht pleite sein, und auch kein gewissenloser Leuteschinder. So hätte man das machen sollen, aber auf mich hört ja keiner.
Heute dann beim Fischer Verlag, romantisch gelegen gegenüber der Eisenbahnlinie. Chaos am Einlass. Hinter uns wird ein 7er-Pack Österreicher abgefangen, wir hingegen kommen nach etwas Hin und Her rein. Drinnen gibt es kaum Stühle, aber dafür massig Stehpublikum, meistens mittelalt bis ganz alt. Sexy Jungautoren muss man sich wie meine Begleiterin selbst mitbringen. Vorbei an den hier angeschwemmten Belanglosigkeiten des Messe, hin zum Buffet oder was man dafür hält.
Warm ist nur das Chili, diese neudeutsche Variante des Eintopfs mit viel Gewürzen, das die Verwendung von, vorsichtig gesagt, weniger hochwertigem Fleisch erlaubt. Es riecht nicht wirklich gut, aber trotzdem schaufelt es das Volk aus dünnsten Plastiktellern mit Plastiklöffeln in sich hinein, wie auf einer Teenieparty nach drei Uhr Morgen. Besonders scharf dürfte es nicht sein, denn niemand kippt gleichzeitig Unmengen von Rotwein, Weisswein und Mineralwasser in sich hinein. Rotwein, Weisswein und Mineralwasser sind die Getränke des Abends: Kein Saft, kein Sekt, kein Cocktail, auch keine Sonderwünsche wie Tee, obwohl ein grosser Teil des Publikums unten im Hof und dadurch draussen an der unfrischen Luft Frankfurts ist.
Nach gut zwei Stunden sind die Platten mit den Häppchen lehrgeräumt. Dass es so lange gedauert hat, ist sicher auch der nicht überrragenden Qualität geschuldet: Die Blättertteigtschen bröseln, die Hähnchenstreifen sind paniert, die Fleischbällchen gemahnen Jungautoren an die Zeiten, als "Essen gehen" noch den Boulettengrill aufsuchen bedeutete. Für Vegetarier bleiben nur kleine Käsepasteten, die zwar einzeln ganz ok sind, zu zwanzigst im Magen sich aber auch nicht die reinen Freude entwickelnd. Es klebt innen, es kratzt am Gaumen, hin und wieder richt man den Gestank aus der grossen Chilikanonen. Und so klammert sich das Volk am Weinglas fest, ist froh, überhaupt reingekommen zu sein, und jammert über die Krise, während der letzte Hühnerstreifen hinter grellrot geschminkten Lippen verschwindet. Angemessener Einsatz von Kosmetika im Buchgeschäft ist auch so ein Thema, bei dem die noch viel lernen müssen.
Wäre die New Economy mitsamt Buffets im Jahe 2001 den plötzlichen Kindstot gestorben, wäre das Siechtum weitergegangen, mit allen Auswirkungen auf die kulinarische Qualität, dann wären wir Ende 2004 auf dem Niveau angekommen, auf dem Fischer gestern war.
Trotzdem, sagte meine Begleiterin, letztes Jahr sei es mit Reispampe noch schlimmer gewesen. Die hat dann auch länger gehalten. Notstandsverwaltung. Sex, Glamour, Grandezza, der grosse Auftritt - das sind so die Dinge, die man dann auch vergeblich sucht. Sie klatschen eine junge Frau aufs Cover, und drinnen erzählen alte Knacker was über ihre Jugend. Sie verschicken Einladungen auf schwerem Papier, und nachher hat man einen schweren Magen. So kommen die nie aus der Krise.
Ich bin ja der Meinung, dass der Downturn nicht so schlimm geworden wäre, wenn die Qualität des Buffets erhalten geblieben wäre. Das ist wie mit den belagerten Soldaten in der Burg, die Lebensmitteln mit Katapulten herausschiessen. Wer was zum Essen anbietet, kann eigentlich gar nicht pleite sein, und auch kein gewissenloser Leuteschinder. So hätte man das machen sollen, aber auf mich hört ja keiner.
Heute dann beim Fischer Verlag, romantisch gelegen gegenüber der Eisenbahnlinie. Chaos am Einlass. Hinter uns wird ein 7er-Pack Österreicher abgefangen, wir hingegen kommen nach etwas Hin und Her rein. Drinnen gibt es kaum Stühle, aber dafür massig Stehpublikum, meistens mittelalt bis ganz alt. Sexy Jungautoren muss man sich wie meine Begleiterin selbst mitbringen. Vorbei an den hier angeschwemmten Belanglosigkeiten des Messe, hin zum Buffet oder was man dafür hält.
Warm ist nur das Chili, diese neudeutsche Variante des Eintopfs mit viel Gewürzen, das die Verwendung von, vorsichtig gesagt, weniger hochwertigem Fleisch erlaubt. Es riecht nicht wirklich gut, aber trotzdem schaufelt es das Volk aus dünnsten Plastiktellern mit Plastiklöffeln in sich hinein, wie auf einer Teenieparty nach drei Uhr Morgen. Besonders scharf dürfte es nicht sein, denn niemand kippt gleichzeitig Unmengen von Rotwein, Weisswein und Mineralwasser in sich hinein. Rotwein, Weisswein und Mineralwasser sind die Getränke des Abends: Kein Saft, kein Sekt, kein Cocktail, auch keine Sonderwünsche wie Tee, obwohl ein grosser Teil des Publikums unten im Hof und dadurch draussen an der unfrischen Luft Frankfurts ist.
Nach gut zwei Stunden sind die Platten mit den Häppchen lehrgeräumt. Dass es so lange gedauert hat, ist sicher auch der nicht überrragenden Qualität geschuldet: Die Blättertteigtschen bröseln, die Hähnchenstreifen sind paniert, die Fleischbällchen gemahnen Jungautoren an die Zeiten, als "Essen gehen" noch den Boulettengrill aufsuchen bedeutete. Für Vegetarier bleiben nur kleine Käsepasteten, die zwar einzeln ganz ok sind, zu zwanzigst im Magen sich aber auch nicht die reinen Freude entwickelnd. Es klebt innen, es kratzt am Gaumen, hin und wieder richt man den Gestank aus der grossen Chilikanonen. Und so klammert sich das Volk am Weinglas fest, ist froh, überhaupt reingekommen zu sein, und jammert über die Krise, während der letzte Hühnerstreifen hinter grellrot geschminkten Lippen verschwindet. Angemessener Einsatz von Kosmetika im Buchgeschäft ist auch so ein Thema, bei dem die noch viel lernen müssen.
Wäre die New Economy mitsamt Buffets im Jahe 2001 den plötzlichen Kindstot gestorben, wäre das Siechtum weitergegangen, mit allen Auswirkungen auf die kulinarische Qualität, dann wären wir Ende 2004 auf dem Niveau angekommen, auf dem Fischer gestern war.
Trotzdem, sagte meine Begleiterin, letztes Jahr sei es mit Reispampe noch schlimmer gewesen. Die hat dann auch länger gehalten. Notstandsverwaltung. Sex, Glamour, Grandezza, der grosse Auftritt - das sind so die Dinge, die man dann auch vergeblich sucht. Sie klatschen eine junge Frau aufs Cover, und drinnen erzählen alte Knacker was über ihre Jugend. Sie verschicken Einladungen auf schwerem Papier, und nachher hat man einen schweren Magen. So kommen die nie aus der Krise.
donalphons, 01:59h
Freitag, 8. Oktober 2004, 01:59, von donalphons |
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hella,
Freitag, 8. Oktober 2004, 12:07
Für mich ist es auch immer wieder ein Rätsel, warum Leute, die eigentlich etwas von Kultur und gutem Essen halten, bei solchen Events ohne Nachzudenken sich obskures Fingerfood und schlechten Wein/Sekt reinziehen.
Das erlebe ich immer wieder im Flugzeug. Die Pappbrötchen würden die meisten zuhause in den Mülleimer werfen, aber im Flugzeug sagt kaum einer "Nein Danke" wenn die Stewardess mit dem Wägelchen anrollt. Am schönsten finde ich das abends: Da gibt es Leute, die den Biomüll und einen Plastikbecher Rotwein vor sich aufs Tablet arangieren und ihr Abendessen zelebrieren.
Meine Hypothese: Wenn die meisten Leute das Zeig nicht anrühren würden, dann würde auch die Qualität besser werden. Aber solange der Chilli-Topf leer wird, kann man eben die Fleischabfälle elegant entsorgen.
Ist wohl das selbe Phänomen, das Kinder dazu bringt, im Kindergarten mittags zusammen mit den anderen Kindern Gemüse zu essen, was sie zuhause nie machen würden.
Das erlebe ich immer wieder im Flugzeug. Die Pappbrötchen würden die meisten zuhause in den Mülleimer werfen, aber im Flugzeug sagt kaum einer "Nein Danke" wenn die Stewardess mit dem Wägelchen anrollt. Am schönsten finde ich das abends: Da gibt es Leute, die den Biomüll und einen Plastikbecher Rotwein vor sich aufs Tablet arangieren und ihr Abendessen zelebrieren.
Meine Hypothese: Wenn die meisten Leute das Zeig nicht anrühren würden, dann würde auch die Qualität besser werden. Aber solange der Chilli-Topf leer wird, kann man eben die Fleischabfälle elegant entsorgen.
Ist wohl das selbe Phänomen, das Kinder dazu bringt, im Kindergarten mittags zusammen mit den anderen Kindern Gemüse zu essen, was sie zuhause nie machen würden.
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donalphons,
Freitag, 8. Oktober 2004, 12:19
Das esen auf der Messe ist teuer, hier ist es umsonst, und die Spesen werden von den Hotels weggefressen. Ganz einfach, eigentlich
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donalphons,
Freitag, 8. Oktober 2004, 12:26
Wieso? Sobald was umsonst ist - man müsste mal den Einfluss dert kostenlosen braunen hemden auf den Erfolg der Nazis untersuchen...
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che2001,
Freitag, 8. Oktober 2004, 13:37
Wahnsinn
... wenn ich sehe, in wie kurzer Zeit sich das geändert hat: 2001 rief eine Art Zeremonienmeister "A`table" und stampfte mit einem Teakstab mit Messingkauf auf, und es gab Fasanengeschnetzeltes mit Flugentenleberpastete und Safranreis, dazu erst Riesling Hochgewächs und dann Bordeaux. Bei den OE-Essen, an denen ich heute teilnehme, ist es in den besseren Fällen noch gegrilltes Lachssteak mit Grauburgunder, häufig aber Schweinshaxe mit Senf und Bier. Bei der letzten Pressekonferenz gab es belegte Brötchen mit Hack.
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baehr,
Freitag, 8. Oktober 2004, 16:47
Tja, die Nazis haben damals ganz einfach gepunktet - sie haben die Hungrigen zu den Fleischtöpfen gerufen. Wie die Hisbollah heute im Libanon. Und die Verzweifelten, um die dich sonst niemand kümmert, sie kommen in Scharen.
Trotzdem stinkt der Vergleich.
Trotzdem stinkt der Vergleich.
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