Die Marktwirtschaft hat immer recht

Ich persönlich glaube nicht so richtig an die Fähigkeit der Märkte, vernünftig Preise festzusetzen. Nur mal zwei Beispiele: Jeder Facebooknutzer ist angeblich 100 Dollar wert. Man muss sich nur vergegenwärtigen, wie die Leistung zur Schaffung so einen Accounts aussieht. 100 Dollar? Aber bitte. Oder Apple. Ein riesiger Technologiekonzern, so profitabel wie Drogenhandel und für seine überzeugten Kunden auch genau das. Kaum geht der Chef mal eine Weile ins Krankenhaus, ist die Firma einige Milliarden weniger wert.



Momentan fahre ich für jemanden, der nicht gerade reich ist, ein Pinarello ein. Das stand bei Ebay drin, und bis 300 Euro haben wir mitgeboten. Danach lieferten sich noch vier andere ein hitziges Bietergefecht bis knapp auf 600 Euro. Der Gewinner konnte oder wollte nicht bezahlen. Nur aus Interesse gab ich bei der Wiedereinstellung des Rades einen niedrigen Betrag ein, weniger als mein Verdienst für einen FAZ-Beitrag. Es hat problemlos gereicht, die anderen wollten nicht. Wie erklärt man bei ein und demselben Ding weit mehr als 100% Preisunterschied auf der gleichen Plattform?



Natürlich wäre es sehr viel teurer gewesen, wenn nicht die ein oder andere Kleinigkeit gefehlt hätte. Auch das ist so etwas, das ich nicht verstehe: Wie ein Mangel im Wert von ein paar Euro oder ein paar Minuten Schrauberei den Preis nach unten drücken kann. Man darf nicht vergessen: Dieses kaum gefahrene Pinarello kostete 2001 um die 2800 Euro. Kein Sattel? Keine neue Kette? Gleich ein, zwei hundert Euro billiger. Was die dadurch aussteigenden Marktteilnehmer raustreibt? Unfähigkeit? Desinteresse? Unwillen, sich die Hände schmutzig zu machen? Ein mir bekannter Radmechaniker erzählt, dass von Jahr zu Jahr die Geschäfte mit den Reparaturen besser laufen, und die Lebenszyklen der Räder kürzer werden. 10 Jahre sei schon ein recht hohes Alter für ein heutiges Rad.



Und dabei sind die Fortschritte seitdem minimal. Die Kettenblätter wurden etwas kleiner, aber das hat der Vorbesitzer ändern lassen - übrigens auch zu einem Preis, der höher als der Verkaufspreis war, die Rechnung lag bei. Statt 20 kann man heute 22 Gänge haben. Die Rahmen wiegen in dieser Preisklasse 100, 200 Gramm weniger. Wer jetzt nicht laufend die technisch-optische Entwicklung verfolgt, könnte denken, dass es ein modernes Rad ist. Auf den originalen Reifen sind etwas mehr als 1000 Kilometer, und nach Aussage des Marktes ist es am Ende seines Lebenszyklus angekommen. Der Markt hat es geschafft, dass ein Fahrrad höhere Kilometerkosten als eine hochmotorisierte S-Klasse hat. Ganz ehrlich: Ich bin nicht marktkompatibel. Ich begreife das nicht. Zumal es sich schön fährt, vielleicht ein wenig hart, wegen der flachen Carbongabel, aber wenn man nicht wüsste, was der Markt wollte, könnte man es kaum von einem 10 mal so teuren Neurad unterscheiden.



Es ist noch empfindlich kalt in der Januarsonne, 20 Kilometer müssen genugen, alles funktioniert, alles läuft rund. Auf der ersten Juraanhöhe erkennt man im Südwesten, zartrosa im Sonnenuntergang, die Berge des Allgäu. Über München versperrt die übliche Wolke aus Abgasen die Sicht.Von den drei totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts haben Faschismus und Kommunismus nicht überlebt, aber die Marktwirtschaft bestimmt immer noch alles, daran kann auch ich nichts ändern. Man darf nicht zu viel drüber nachdenken. Es macht einen nur krank. Aber selbst das ist vielleicht besser als einer der Wegwerfer, dieser SA-Mann der Marktwirtschaft.

Montag, 17. Januar 2011, 00:38, von donalphons | |comment

 
Ich hab Tränen der Rührung in den Augen über diese wunderbare Formulierung:

"Aber selbst das ist vielleicht besser als einer der Wegwerfer, dieser SA-Mann der Marktwirtschaft."

Lasst uns den SA-Mann umbringen, okay? Alle zusammen.

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Der ursprüngliche "Gewinner" sollte womöglich nur den Preis hochtreiben - und dann hatten sie Pech, das keiner mehr drüber ging.

Und von mir aus können sie alle immer alles wegwerfen nach ein paar Jahren. Das kommt mir als dankbarem Abnehmer sehr entgegen.

Und ja, im Radsportladen und in all den Zeitschriften erzählen sie einem, in den letzten zehn Jahren habe sich "so viel" verändert. Wenn man einen Computer in der Kurbelgarnitur für 600.- EUR (die billige Variante) oder für 1200.- EUR im Laufrad meint haben zu müssen, dann stimmt das sogar. Aber man muss ja nicht nach der Uhr dieser Zeit ticken.

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... und zudem ist es doch eine schöne Umverteilung von oben nach unten. Von jemandem, der sich die 2800.- leisten konnte zu jemandem, der nicht gerade reich ist.

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"Der ursprüngliche "Gewinner" sollte womöglich nur den Preis hochtreiben - und dann hatten sie Pech, dass keiner mehr drüber ging."

War auch mein erster Gedanke. Das Wiedereinstellen geht in diesen Fällen erfahrungsgemäß erstaunlich schnell. Ich biete dann nicht erneut, sondern melde den Fall zur Prüfung.

Vor dem Wiedereinstellen, weil der Käufer nicht zahlen mag, könnte ein seriöser Verkäufer das Rad übrigens auch ohne neue Auktion den Bietern auf den nächsten Plätzen anbieten ("Angebot an unterlegenen Bieter"). Klappt nur dann nicht, wenn das auch Scheinbieter waren.

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Eben, wenn das Rad nicht dem nächsthöchsten Bieter angeboten wird, sondern sofort wieder drin steht, dann kann man sich seinen Teil schon denken.

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oder der 1. gewinner hat geflüstert bekommen, dass man mit senkrechten ausfallern kein fixie bauen kann ;)

halte die hochbietertheorie aber auch für die plausibelste. bei einem 80er 90er Pina mit halbwegs ordentlicher gruppe wären 600€ auf ebay aber ne durchaus realistische sache gewesen.

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Allein die Laufräder haben damals 500 Euro gekostet, und das ganze Rad war so teuer, wie die Räder heute bei Ebay gehandelt werden, insofern war der erste Preis nicht gerade niedrig, sondern für normale Sommergeschäfte vollkommen normal.

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Was irgendwas damals mal gekostet hat, interessiert doch aber zehn Jahre später nicht. Wie viel bekommt man für ein gelesenes Buch nach zehn Jahren? Eben.

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Der Kapitalismus hat doch schon die Höchststrafe verhängt:
KELLERPREIS !!! 1,2, deins, ich liebe ebay, besonders in der Abteilung GIER FRISST HIRN sehe ich mich gerne um. Gibt es als Bieter und als Käufer, allerdings habe ich schon sehr viele seriöse und nette Partner gehabt und mit Hilfe der Bucht brauchbare Dinge am Leben gehalten.

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Augenweide
Ein sehr schönes Rad.

Eine Frage (für einen Anfänger mit Rennrädern - bisher nur "klassischer" Herrenradfahrer) - wäre es möglich vielleicht eine kleine "Gebrauchtempfehlung" für Rennräder zu vergeben?

Da ich keinen Kindersitz mehr für die Kleinen benötige, wollte ich eventuell mal wieder etwas sportlicher unterwegs sein.

Grüße aus Berlin :-)

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Ich denke, bei Alurädern aus der Zeit um 2000 liegt man sowohl preislich als auch technisch sehr gut: Principia, Müsung, Pinarello, Battaglin, Votec, ich kann gerne mal schauen - welche Grösse soll es denn sein?

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Vielen Dank schon einmal
... für die rasche Antwort. Ich fahre derzeit einen 55 oder 60 cm Rahmen (da bin ich mir gerade selbst nicht sicher) - früher hiess das einfach 28´er Rad - sollte ich also bei Gelegenheit mal ausmessen.

Ich denke aber mit den genannten Marken und dem umrissenen Zeitraum sollte sich (gerade bei dem noch schlechten, kalten Wetter) etwas finden lassen.

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Die richtige Rahmengröße sollte man wissen. Fünf Zentimeter Unterschied sind sehr viel, ein Rahmen, der um dieses Maß zu groß oder zu klein ist, verdirbt jeden Spaß am Fahren.

Und: Vor einem Kauf würde ich mal ein wenig Rennrad fahren. Zur Probe, um herauszufinden, ob es passt. Eins meiner Räder habe ich von jemandem, der plötzlich Rennrad fahren wollte. Dann hat er gemerkt, dass das für ihn nicht das richtige ist. Nach einem Jahr ist es dann an mich übergegangen. Mit 1000.- EUR Preisabschlag.

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Meine letzten Rennraderfahrungen liegen ca. 20-25 Jahre zurück. Ich denke aber das Fahrgefühl wird ein komplett anderes sein, da ich letztmalig ein (aus heutiger Sicht) schweres Diamant Rennrad mit sagenhaften 3 Gängen gefahren bin. Wäre es nicht gestohlen worden, hätte ich es wahrscheinlich noch heute. Wunderschöner Stahl-Rahmen.

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In Grenzen kann und muss man ein Rennrad anpassen. Die Geometrien sind ohnehin überall fast identisch, und wenn man die Schrittlänge, die Armlänge zwischen Ellenbogen und Fingerspitzen und die Körpergrösse kennt, ist es nicht schwer, den passenden Rahmen zu finden.

Ich selbst habe Räder zwischen 56 und 60 RH, das geht alles.

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"Ja, die Russen haben meinem Opa nen Bein weggeschossen, der lief auch, im Prinzip, aber die Frage ist ja wie?" (Stromberg)

Klar kann ich hingehen und bei einem zu großen Rahmen den Sattel ganz vorschieben, einen kurzen Vorbau nehmen resp. bei einem zu kleinen Rahmen anders herum verfahren (wobei ich einen zu kleinen Rahmen schlimmer finde). Bei einem klassischen Vorbau habe ich sogar Spielraum für die Höheneinstellung, ohne wie beim Ahead-System gleich einen neuen Vorbau kaufen zu müssen, weil ich den Gabelschaft schon eingekürzt habe. Wenn es richtig passt, fühlt es sich für mich gleichwohl anders und besser an. Das Angebot ist doch zudem groß und wiederkehrend, da findet sich -wenn man nicht auf ein bestimmtes Modell eines bestimmten Decal-auf-Giant-Rahmen Fabrikats festgelegt ist- die richtige Größe ohne Weiteres.

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Ich werde heute Abend mal meine Maße ermitteln. Da ich nicht die Tour gewinnen möchte, lediglich das berliner und brandenburger Land befahren möchte, denke ich ich werde etwas finden.

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auch ohne all zu ehrgeizig zu sein, lohnt es sich ein rad aufzubauen, das halbwegs passt. rennräder der 90er und 00er Jahre sind nu auch net so selten, dass es da irgendwie probleme gäbe die passende größe zu finden.

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Naja, meinen 60er (das Saronni, mit dem ich bei der l'Eroica war) kaufte ich in München für damals 40 Mark allein wegen der daran verbauten, nagelneuen Pedale, die damals 340 Mark kosteten. Ich dachte auch, dass es viel zu gross ist, normal brauche ich 57, aber dann stellte sich heraus, dass das Oberrohr eher kurz war, und mit einem 9 Zentimeter langen Vorbau war es auch sehr wendig. Insofern hat es gepasst.

Ansonsten ist gerade Winter, und die Preise sind absolut lächerlich:

http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?ViewItem&item=300511331544&ssPageName=ADME:B:EOIBSA:DE:1123

6 Jahre alt, wenn man die Carbonstütze bei ebay verkauft, kostet der Rahmen 80 Euro. Neupreis damals 1500 Euro. Selbst wenn er nicht passen sollte, kann man sowas im Sommer immer wieder verkaufen. Ich mein, mache geben für einen Flaschenhalter 80 Euro aus.

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Mir macht Selbstaufbauen aber grossen Spass, gerade weil das Rad dann nicht etwas von der Stange ist.

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Mir auch. So zuletzt zwischen den Jahren. Morgens angefangen, abends fertig. Antrieb für mich ist aber alleine: Ich mach halt gern.

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"Von den drei totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts haben Faschismus und Kommunismus nicht überlebt, aber die Marktwirtschaft bestimmt immer noch alles, daran kann auch ich nichts ändern."

ach so, es ist frühling. vor drei wochen riet die db ag noch vom bahnfahren ab und die kommunen schränkten den winterdienst ein oder liessen ihn ganz bleiben. offiziell heiss es winterkatastrophe, kein streusalz mehr erhältlich. inoffiziell war es der jahreszeit entsprechendes wetter, den kommunen war der winterdienst einfach zu teuer. die strassen sind nach eben vier wochen winter im eimer, macht nichts, warten wir doch gleich bis zum nächsten winter, die leute gewöhnen sich schon dran.

das geht hier alles straff nach süden, die eben entstehende bayrisch-ungarische freundschaft toppt das ganze noch.

wer die möglichkeit hat, das vor uns liegende jahr zu geniessen, sollte bald damit anfangen, es könnte noch bälder schluss mit genuss sein.
für den rest: kauft kämme, es kommen lausige zeiten.

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mein Winterprojekt, zur nachhaltigen Investition des gesparten Zasters, an die klassischen Randonneure englischer und französischer
Provenienz angelehnt:
http://matthiasstief.com/lagita/
Ich habe bei meiner bevorzugten Rahmenhöhe von 62cm leider wenig Auswahl auf den Gebrauchtmärkten, konnte bei den Komponenten aber einige schöne Teile gebraucht erstehen. Leider passen keine Rennvorbauten an die 1 1/8 zöllige Gabel. Erste Ausfahrten in die Uckermark haben am Wochenende grosse Freude bereitet ;-)

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