Auf der Hand

liegt es eigentlich, sich mal die Ägypten-Depeschen bei Wikileaks anzuschauen. Komischerweise hat das in den deutschen Medien aber niemand gemacht.

Bis heute.

Montag, 31. Januar 2011, 22:19, von donalphons | |comment

 
Kleine Korrektur:
Das war sogar schon gestern. Aber fairerweise will ich nicht verschweigen, dass Heise schneller war. Hatte ich aber auch erst heute morgen gesehen.

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Mit Verlaub: Für die Erkenntnis, dass in Ägypten gefoltert wird, braucht es weder diplomatische Depechen noch Wikileaks. Das lässt sich seit Jahren in jedem Länderreport von amnesty international nachlesen. Dass es mit der Pressefreiheit nicht weit her ist, darüber berichtet auch Reporter ohne Grenzen. Es kümmert halt nur zu Wenige, schon gar nicht Politik oder Wirtschaft.

Und dass Mubaraks Sohn Gamal keine so eindeutig starke Position hat und jeder Nachfolger Zugeständniss an die Muslimbruderschaft machen wird, ist nun so überraschend auch nicht. Kommt jeder darauf, der nur mal fünf Minuten nachdenkt. Das haben alle vorherigen Präsidenten zumindest anfangs auch getan - auch das lässt sich überall nachlesen. Die Muslimbrüder sind die einzigen in der Opposition, die es trotzdem geschafft haben, Strukturen aufzubauen. Falls es also tatsächlich freie Wahlen gibt, mischen die kräftig mit. Und wenn nicht, dann auch irgendwie.

Ich will damit nicht die Tatsache schmälern, dass Mark das Thema aufgegriffen hat, sondern nur diese Wikileaks-"Enthüllung" etwas zurechtrücken. So neu ist das nun wirklich alles nicht.

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So ist es. Es ist nicht gerade so, als bräuchte man wikileaks für die Erkenntnis, dass im Krieg Menschen ermordet und dass in aller Herren Länder gefoltert werden.

Vietnam Krieg: Drei Millionen Tote. Davon zwei Millionen Zivilisten. My Lai: Eine US-Einheit braucht gerade mal ein paar Stunden, um die 500 Einwohner des Dorfes zu foltern, zu vergewaltigen und zu ermorden.

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Mir ging es nun nicht darum, dass auch anderswo Grausamkeiten passieren oder passiert sind, sondern dass es ein Armutszeugnis für die Medien ist, das all die Menschenrechtsverletzungen usw. in Ägypten, nicht aufgegriffen wurden. Und wenn es dann endlich doch einmal passiert, dann nur, weil irgendwelche Depechen bei Wikileaks gelandet sind. Es braucht Wikileaks als "Verkaufsargument".

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Frau Arboretum,
Armutszeugnis ist ein hartes Wort, ich würde es vielleicht eher "Ausprägung eines aufmerksamkeitsökonomischen Minimalprinzips" nennen, wenn Altbekanntes mit Hilfe eines neu hinzugekommen Buzzwords auf die Startseite gehievt werden kann . ;-) Aber in der Sache ist der Einwand völlig statthaft, große Neuigkeiten sind das wirklich nicht, ich habe sie deswegen ja auch nicht als solche deklariert, sondern referiert, was in etwa drin steht in den Depeschen, mehr als background information denn als breaking news.

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In meinen Augen ist das Besondere daran, dass die massiven Unterschiede zwischen der faktischen Einschätzung und der offiziellen Sprachregelung deutlich werden. Es ist ein Unterschied, ob so etwas AI als NGO berichtet, oder der Laden selbst ein Aige drauf hat, aber irgendwo zwischen Bodenpersonal und Clinton die Amnesie einsetzt.

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Wie gesagt, Herr Mark, ich will damit keinesfalls Ihren Verdienst schmälern, darüber berichtet zu haben. Das "Armutszeugnis" bezog sich auf die Medien und Redaktionen im Allgemeinen, die solche Themen auch mal ganz gern als "randgruppig" abtun ("das interessiert unsere Leser nicht") oder erst gar nicht zur Kenntnis nehmen. Als freier Journalist wissen Sie bestimmt, was ich meine. Auslandskorrespondenten können ein Liedchen davon singen. Deren Themen werden gern mit dem Hinweis abgebügelt, "die Agenturen haben dazu nichts" (also kann es ja nicht relevant sein).

Don, dass es zwischen der faktischen Einschätzung und der offiziellen Sprachregelung himmelweite Unterschiede gibt, liegt doch auch immer auf der Hand. Ich glaube auch nicht einmal, dass irgendwo zwischen dem Bodenpersonal und Clinton die Amnesie einsetzt, auch Mrs. Clinton weiß es im Grunde besser, irgendjemand wird ihr schon eine Zusammenfassung solcher Berichte vorlegen oder vortragen. Das hat eher etwas mit Hilf- und Ratlosigkeit und vor allem der Frage zu tun, was nun gerade politisch und wirtschaftlich opportun ist.

Die deutsche Wirtschaft macht doch auch prima Geschäfte im Mubaraks Ägypten und rechnet laut dem Sprecher der Deutsch-Arabischen Handelskammer in Ägypten auch nach einem Ende der Mubarak-Regierung mit guten Geschäften.

Edit: Link zum Transkript des Interviews heute Morgen im DRadio (Audio).

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Passt schon,
genauso habe ich das auch verstanden. Für Sie und mich ist das Auseinanderklamüsern von dem, was offziell gesagt wird und was (im Lichte des Handelns betrachtet) eigentlich gemeint sein dürfte, mehr oder weniger täglich Brot. Der Leser und Laie macht das auch, aber wahrscheinlich nicht ganz so bewusst, von daher ist es - abgesehen von dem bisweilen überschaubaren Neuigkeitswert der geleakten Depeschen - nicht verkehrt, damit mal einen quasi-offiziellen Referenzpunkt zu liefern, an dem man die Distanz zwischen Kenntnissen und öffentlichem Reden und Handeln schön abmessen kann.

Ehrlich gesagt hatte ich im ersten Moment auch eine nicht unerhebliche Hemmschwelle zu überwinden, denn wenn ich nun mal eines überhaupt nicht bin, dann Nahost-Experte.

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keine sorge, der rest der presselandschaft ist da genauso unbeschlagen. unter den blinden ... ;)

edit:
zu einem gewissen grad ist es auch gut, dass sie dort ihre Plätze im Parlament/der Regierung bekommen. ob es uns gefällt oder nicht, sie haben nunmal das Vertrauen eines großen Teils der Bevölkerung. Uns sollte eher Sorgen machen dass unser schönes freiheitlich kapitalistisches System nicht als identifikationsmodell für weite Teile der Welt taugt. S-A erlaubt sich wieder einige sozialistische Experimente, an anderer Stelle sinds halt die Bärte, die ein glaubwürdigen Gegenpol zur gegenwärtigen Akteurskoalition darstellen.

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