Volksbelustigung

Ich weiss, dass es diese kranken TV-Shows, deren Nacherzählung heute bei Spiegel Onschleim Teil des Medienkritikprogrammes sind, schon zu meiner Berliner Zeit gegeben hat. Damals wohnte ich zum letzten Mal in einer Region, in der es Plakatwände gibt, und dort waren dann zwei Menschen abgebildet, von denen der eine als "ulkig" gilt und die andere als "attraktiv" bei Leuten, die sich mit Pr0nwebseiten auskennen dürften. Man kann sich dem nicht ganz entziehen, und das ist vermutlich auch Absicht. Aber ich möchte es gern anders herum formulieren: Angesichts dessen, worüber der Abschaum sich belustigt, kommt bei mir die Volksbelustigung zu neuen Ehren.





Früher hat mich das Tanzen erwachsener Männer in rotschwarzen Uniformen auf den Strassen ja ein klein wenig befremdet. Das ist bei uns so Brauch, und weil es die für die Bierpruduktion nötigen Schäffler und heute in ihrer Nachfolge die Brauer sind, ist der Zeitvertreib auch nicht selten. Zumindest nicht alle 7 Jahre, denn so gross ist der Abstand zwischen den Saisonen. 2012 tanzen die Scheffler wieder. Und ich bin gnädiger, serh viel gnädiger als früher.





Nur unbescholtene Gesellen durften mittanzen, und mitsingen: "Owa heid is koid, owa heid is kiod, owa heid is saqueramentisch koid". Es war kein Exzess, sondern einfach ein Vergnügen, eine Aufheiterung in einer schlechten Jahreszeit. Man sieht das in Bayern nur vom Januar bis zur Faschingszeit alle sieben Jahre, und ich kenne nur eine Ausnahme: Da starb bei uns in der Nachbarschaft ein Brauereileiter und Organisator des Schefflertanzes, für dessen Witwe haben sie dann auch ausser der Regel im Sommer die Figuren aufgeführt, den Metzgersprung, die Laube, das Kreuz, und haben den Reifen auf das Fass geschlagen., mitten auf der Strasse.





In vielen Jahren wird es vielleicht einmal jemand wagen, und den Vergleich ziehen zwischen dem, was man früher an Freuden öffentlich aufgeführt hat, was sich hält - in Bayern ist das immer noch sehr populär, man hält an und schaut zu - und dem Irrsinn, der als normale Unterhaltung gilt. Nicht das Schwingen von Kränzen und das Hopsen in Uniform, nicht die Nostalgie, sondern das blaue Flackern in nächtlichen Räumen der Moderne: Das ist ist die krasse Manifestation unserer Zeit. Und ganz ehrlich, so schlimm ich das reaktionäre Menschenbild des Musikstadls finde: Es ist mir immer noch lieber als die Demütigungsrituale, das der gut verdienden Abschaum für den anderen, ärmeern Abschaum macht, und der Schmierabschaum dann bespricht.





Es ist kalt draussen im Januar, da sollte man in Bewegung bleiben, hopsen, dann friert man nicht, oder wenigstens zuschauen. Es ist vielleicht keine Kunst und früher war es auch nicht meines: Aber es sind Leute, die anderen Leuten etwas Gutes in einer schlechten Jahreszeit tun wollen. Und das ganz ohne Werbeunterbrechung.

Montag, 23. Januar 2012, 00:48, von donalphons | |comment

 
Nun ja, man wird wohl bescheiden, wenn der Geist von den Bergen begrenzt wird. Nichts gegen das Hopsen, das Jodeln und andere bajuwarische Freizeitvergnügen. Aber ist das im Verhältnis zu jenen Dschungelamöben denn nun wirklich Kultur oder nur ein etwas harmloserer und nicht ganz so menschenverachtender Brauch, der aber am Ende auch nur Brot und Spiele repräsentiert.

Ach ja die Berge. Mein Sauerland war ja auch so begrenzt. Das tut dem Denken einfach nicht gut. Aber Hauptsache es gibt keine Plakatwände. Die Wände bauen sich die Dumpfdenker ja vom selber auf. Sie nennen es dann Folklore und bürgerliches Selbstverständnis. Schön wenn es einem reicht dazu zu gehören.

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Man kann zu hopsenden Männern in roter Uniform stehen wie man will - ABER mit Folklore a la Musikantenstadel hat das rein garnichts zu tun !

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spielt ans von die junga Dinga
spielt uns auf mit klamma Finga
Spangaschuh und zopfte Socken
schiache Hüd auf eahna Locken
tanzn narrisch - tanzen rund
mit am roten Kummerbund

Es gibt ja schon länger eine erfrischende Interpretation der Volksmusik - oder vielleicht nur Wiederbelebung, wenn der Zwiefache verschleppt und nicht betoniert wird. Mit einer reinen Freude am Machen für sich und andere.
Natürlich würden sich in diesen Vereinen wieder die gruseligsten Geschichten über die älteren Vorsitzenden finden lassen. Worüber wir uns früher zu Recht geärgert haben und jetzt noch schämen. Trotzdem gehört das Selbermachen zur Glotzenkulturgegenkultur.

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Vielleicht hätten Sie noch für die Ausländer unter den Lesern den historischen Hintergrund des Münchner Schäfflertanzes erzählen sollen.

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"Und ich bin gnädiger, serh viel gnädiger als früher."
Geht mir auch so. Man wird eben älter.
.
In St. Leonard/Südtirol hab ich solch' Veranstaltungen recht gerne gesehen; das waren Amateure aus dem Ort, die am Wochende für die paar Touristen spielten: Der Küster, der Pferdepfleger, usw. Und das war oft GUT! Meine Gattin durfte mit auf die Bühne und mit dem Küster (der dann seinen Bass jemandem anderen gab) tanzen. Am nächsten Tag hat man die gleichen freundlichen Menschen auf der Straße in ihren blauen Arbeitsschürzen getroffen und sie gerne gegrüßt ...und sie uns. DAS nenn' ich Volksmusik.

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Höchst wahrscheinlich ein uraltes Ritual der "unbescholtenen Gesellen", aus Zeiten vor der Völkerwanderung, aus der frühen Heimat, aus dem Teile dieses Völkchens am Fuße der Alpen herstammt

http://de.wikipedia.org/wiki/Fruchtbarkeitstanz

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....sich mit trotteln troesten, weil alle anderen noch tiefer schweben? :-) seis drum. verglichen mit den "globalen" fratzen eines jp-morgan laufs mag das tatsaechlich stimmen.
und doch, n bisschen gruselig sind sie, diese angespeckten, " auf kommando froehlichen " amtswalter.

der geruch eines nordhessischen motorradtreffens liegt schwer in der luft. auch hier ist der beamte mal ein echter easyrider und geniesst zwischen hellblauen dixiezellen die " freiheit seines ohrsteckers" bevor er sich montags frueh wieder ins sap- system einloggt.

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Hihi, "nordhessisches Motorradtreffen ... zwischen Dixieklos stehen die Beamten dann rum"

wie eine Horde ausgebauter Ledersitze.

http://www.youtube.com/watch?v=HS0sy4X6Iu8

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Jetzt hört mal auf zu Zaubern Freunde. Das gleiche in der Ausführung "mongolischer Kehlkopfgesang" das wäre dann wieder supercool, oder? Der Bringer, während man so richtig locker einen durchzieht.

Nein, ich habe hier im tiefsten Sachsen jede verdammte Woche schwere Missionsarbeit zu leisten, weil in der stillen Arroganz der Sachsen "der Bayer" noch weit verhasster ist als "der Preuße".
Die meisten kennen aber keinen Preußen außer Honecker den Saarländer und keinen Bayern außer Gloria, die sächsisch-ungarische Koproduktion.

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... trotzdem, insgesamt wohl ein kunstwerk. gerade das letzte bild....mit diesem froehlichen trisomisten am anfang und dem, durch gruene zweige in reihe geschalteten trio aus boesen opas dahinter.
aus der entfernung kann man laecheln, muss man laecheln, macht echt gute laune, aber keine dieser masken moechte man wohl als nachbarn haben....

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Keine Plakatwände?
Da ist er aber scho lang nicht mehr an der Manhartstrasse/Tegernseestrasse, B 307/Brücke gewesen.
(und vier weitere Standorte)
Oder ist grad da immer der Kamera-Akku leer?

http://www.123plakat.de/123lokal/plakat-werbung-deutschland/standorte/standorttabelle/index.html

Tagespreis EUR 9,90.

Ob der Irokese dem Fonserl eine Werbewoche dahoam schenkt?

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Ja. Haha. Die Plakatwand. Das ist lustig. Weil: Die sieht man nur, wenn man in die Manhartstrasse hinein fährt, weil es da sptzwinklig abgeht, und davor steht der Kirchberg. Vom Norden her kommend sieht man die gar nicht. Die andere(sichtbare) in Tegernsee hat entweder ein Makler oder ein Photogeschäft. Aber TV-Werbung habe ich bei uns noch nicht gesehen.

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Ich denke mir: Wer nicht will - der sieht eben nicht hin!
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Dabei fällt mir ein Liedchen ein:
An neichn Janker hob i, in neiester Fassaun,
dazua a Leidane Hosn, mit da Beißzaung' ziagt mas z'samm,
a feschas Westn-Leibl mit feine Sülbane Knepf
dazua a zinftigs Hiatle auf unsre schiachn Kepf!

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Schäfflertanz
hab selbst schon mitgetanzt: eine hoch disziplinierte mordsgaudi, trotz oder wegen der damals minus 18 Grad

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ja, die werbeunterbrechungen ...
aber alles kann man darauf auch nicht schieben.

vielleicht hätte dem tommy ja ein rotes jäckle gut getan.

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