Die Putztruppe

Und plötzlich ist viel Polizei da. Leute mit offiziellen Ansteckern und Funkgeräten und Schuhen, wie man sie hier nicht tragen kann. Nicht von hier. Zu gut angezogen. Die Lieferwägen zu neu und glänzend. Die Leute von hier sind alle aus den Wohnungen gezwungen worden, und jetzt im Lager, nur mit ein paar Koffern. Die sehen nach zwei Wochen Camp nicht mehr so aus. Sie würden in der absolute verbotenen Zone auch keine weissen Hemden tragen. Die ganze Stadt ist leer. Keiner mehr da, ausser den Tieren. Die neuen Leute teilen Teams ein, befehlen, verteilen Aufgaben, klären eine Route durch die tote Stadt. gehen rein, und machen sie hübsch, säubern die Steinhaufen. TV-Teams bringen sich in Stellung. Der Präsident kommt, und seine Leute sind schon am Abend vorher fertig. Mirandolo ist tot, aber sauber, der Dreck davor wird noch verstaut und weggebracht. Dann kann der Präsident kommen.



In den Camps sagen sie, es hätte halt gedauert, bis die Teams geplant hätten, wie die Bilder aussehen sollten. Die Hiesigen sind noch entsetzt, aber auch schon misstrauisch. Sie haben gesehen, wie die kamerateams gingen, und jetzt wieder kommen, aber nicht wegen ihnen und ihrer Geschichten. Die Putztruppen haben neue Schilder dabei, auf denen steht, dass die Stadt auferstehen wird. Es soll wirken, als hätten es die Hiesigen gemacht, aber die Hiesigen haben nicht mal neues Band, um ihre Läden abzusperren. Die Putztruppe macht einfach, was und wo sie will. Die Putztruppe ist der Herrscher der Stadt. Alle anderen sind im Lager.



Immer öfter höre ich das Wort. Jetzt, da sie wissen, dss sie den ganzen heissen Sommer im Lager sein werden, weil es einfach nicht anders geht, wenn sie nicht weg können, taucht es auf. L'Aquila. Sie haben Angst, dass sie hier zwischen den Schnellstrassen und Bahnstrecken zu den reichen Städten in den fünf, sechs am schlimmsten betroffenen Orten einfach vergessen werden. So viel wäre zu tun. Aber die Putztruppe hat allein schon zwei Wochen gebraucht, die Stadt nur für den Durchmarsch des Präsidenten und der Regionalpoloitiker zu sichern, die man in den Lagern nicht oft sieht. Monti dagegen steht vor einem Misstrauensvotum und ist in Rom. Der Staat hat andere Sorgen, wegen Spanien und der Banken. L'Aquila, sagen sie hier, könnte das hier werden, wenn die Putztruppe weg ist, und nur das Plakat bleibt. In L'Aquila war es auch so.

Freitag, 8. Juni 2012, 22:45, von donalphons | |comment

 
Für ein public viewing wird es wohl reichen.

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Das ist in Italien nicht so üblich, da trifft man sich in der Sportbar. Wäre auch zu komisch, alte Italiener mit Hüten in Tricolore und Perücken und was es da sonst noch gibt.

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Man wagt es ja kaum zu fragen, aber was ist eigentlich mit Plünderern?

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Es ist - noch - sehr viel Polizei unterwegs. Und viele haben ihr Zelt aus dem Grund auch einfach beim haus aufgeschlagen und sind nicht in den Camps (und gelten deshalb nicht als obdachlos).

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Eklig, diese Politik-Show.

"Von den Politikern halte ich nichts. Von Schröder nicht, von Stoiber nicht, und auch von Georg Milbradt (CDU, Ministerpräsident von Sachsen) nicht"

O-Ton eines Dresdners, dem zweimal das Haus abgesoffen ist, Weisseritz und Elbe. Letztlich kann kein Politiker das persönliche Leid lindern, die Reparaturen muss man selber hinkriegen, und das Geld selber auftreiben (das bisschen Hilfsgeld reicht nie), wenn man nicht weggehen will.
Den Regen sieht man kommen und das Hochwasser, Erdbeben ist ja viel schlimmer, die Angst vor dem nächsten Mal bleibt.
Komischerweise nicht in Neapel, trotz Pompeij+Co.

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Andreas Altman würde ein Buch daraus machen...
Ciao Don

Warum diese ganze Energieverschwendung...aus alldem könntest du auch ein Reisebericht schreiben in Buchform..ohne Problema. Wenn du einen Dolmetscher brauchst ..dann melde dich bei....

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Das ist noch gruseliger als das Erdbeben. Nur Menschen schaffen es, den Opfern hinterher auch noch ihre Realität zu rauben.

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Reductio ad absurdum
......bei dem Reisebericht geht es ja nicht darum, irgendwelchen Leuten die Realität – was auch immer das sein soll – zu stehlen, sondern vielmehr den Menschen in Deutschland eine Realität zu geben. Ich könnte mir schon vorstellen, dass Don Alphons damit einen durchschlagenden Erfolg hätte. Sein Sarkasmus und Schreibstil erinnert „breit“ betrachtet stellenweise schon irgendwie an Andreas Altman Quintessenzen.

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THE LONG GOODBYE
Und plötzlich ist viel Polizei da. Leute mit offiziellen Ansteckern und Funkgeräten und Schuhen, wie man sie hier nicht tragen kann. Nicht von hier. Zu gut angezogen. Die Lieferwägen zu neu und glänzend.

Das sind drei Sätze, wie sie R.Chandler nicht hätte besser schreiben können.

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Gegen ein Buch wäre nichts einzuwenden, im Gegenteil, es wäre höchst wünschenswert und ich subskribiere hier schon mal. An Absurditäten und Ironien ist ja kein Mangel, man denke nur an die plötzlich freigelegten Fresken und die Felsenstemmenden Titanen. Aber um Wirkung zu erzielen, bräuchte es bewegte Bilder drastischer Art. Der Medienzirkus hat das Thema schon abgehakt. L'Aquila eben.

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Schicksal -- gibt es das noch?

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HURRA - DEUTSCH
Don könnte als Stilmittel auch so etwas wie ein HURRA – DEUTSCH verwenden. Abgesehen von den Erdbebenopfern versuche ich das Erdbebenszenario mit Distanz zu verstehen. Begrüßenswert wäre zum Beispiel wenn Don Alphonso hierbei auch die deutsche Menschheit zu rede kommen ließe, also warum das Erdbeben für sie so schlimm ist.

Ich zum Beispiel nutzte als muttersprachlicher Italiener (wenn ich in Deutschland bin) gerne immer wieder die Gelegenheit aus im Beisein von Deutschen meine Landleute auf Deutsch einen kleinen Disput anzufangen – als deutschen Oberlehrer etwa in einer Espresso Bar oder in Feinkostgeschäft irgendwo in Berlin oder sonst wo. Meistens empört sich dann der oder die andere neben mir – aber auch nur weil man denkt, dass ich ein dummer Deutscher sei. Sobald ich das merke, drehe ich den Spieß um und fange an mit meinen Landsleuten auf Italienisch zu reden. Das macht dann immer ganz großen Spaß, wenn ich dann bemerke wie das Gehirn des Empörten, wie eine alte Steinzeitwebmaschine zu arbeiten anfängt, und nur noch anormale Denkmuster produziert. Das ist schon lustig.

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oekotestsehrgut, Sie haben mich völlig missverstanden. Ich habe nicht den Don gemeint, als ich von "Realitätsraub" sprach.

hansmeier555, das Schicksal wurde unlängst abgeschafft. Seit alles nur noch eine soziale Konstruktion sein soll, überbieten sich die Potemkin-Schüler gegenseitig.

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DON ALFONSO DOVE TI SEI NASCOSTO?
Ich möchte ja nicht unhöflich sein… was haben Sie ständig mit Ihrem Realitätsraub. Also nicht dass Sie jetzt glauben, ich würde auch zur Schmerbauchfraktion mit dem kleinen Pimmel gehören. Ich sitze vor dem Computer, weil ich seit gestern die Sommergrippe habe und das ist wirklich nichts schön…das kann ich ihnen sagen. Und die habe ich wahrscheinlich auch nur deshalb, weil ich beim Vögeln mit meiner Nachbarin, dass Fenster offen hatte.
Ich habe jetzt nur die Befürchtung, dass sich Don nicht mehr traut aus dem Krisengebiet zu berichten….weil ich ihn so gelobt habe. Vielleicht verkraftet er so viel Lob gar nicht.
DON ALFONSO DOVE TI SEI NASCOSTO? ESCI DAL NASCOTIGLIO. FATTI VEDERE!
Ich warte schon seit Stunden auf seinen Bericht aus der Emilia. Vielleicht ist ihm auch was passiert….ein Stein auf dem Kopf geflogen….oder so… Wollen wir es nicht hoffen.

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Äh - um zu berichten, muss man auch mal weg vom rechner, mit Leuten reden, essen, einen Blogeintrag für die FAZ schreiben, so Zeug halt.

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