Frauen auspacken

Brrring.

Um diese nachtschlafene Zeit kann das eigentlich nur der Kurier sein. Und wenn es der Kurier ist, kann er eigentlich nur ein einziges Paket bringen. Meins. Das ging aber schnell. Und so schnell bin ich wach, auf den Beinen und angezogen. Ich komme runter, flöte ich ins Telefon. Und so ist es. Das Paket ist da. PiratInnen, die sich an Beiträgen wie "Ich halte mich für ein Alltagsferkel weil ich volll normal bin aber ich stehe auf diese 68er-Erniedrigung der K-Gruppen und deshalb gestehe ich das ganz fett im Netz und dann retweeten mich die Kegelklubberinnen ganz doll und sagen Eichhörnchen zu mir" delektieren - solche Leute sollten jetzt besser weglesen. Denn im Paket ist recht viel nacktes Fleisch.



Denn ich bin auch im Alltag Kunstgeschichtler. Ich darf von Berufswegen und zwecks lebenslangen Lernens Frauen anschauen, wenn sie Kunst sind. Und mein Kunstbegriff ist sehr weit und schliesst auch Mode mit ein. Es rennen bei uns auch genug Leute rum, die sich absichtsvoll verhüllen, seien es die Klosterschwestern gegenüber, seien ein muslimische Frauen, seien es tätowierte Kotzbrocken mit Ed Hardy - da respektiere ich den Wunsch, dass sie nicht angeschaut werden möchten. Aber ansonsten war mein Studium voll mit Diskursen über Körperlichkeit, Aussehen und Stil, da denkt man sich nicht viel dabei. Man ist nicht g'schamig.



Zumal andere Zeiten und Künste ohnehin ein recht unverkrampftes Verhältnis zum Anschauen hatten. Sexismusdiskurse gab es damals allenfalls von kirchlicher Seite, der Rest der Gesellschaft wusste den Tod immer um der nächsten Ecke und hat sich, glaubt man den Quellen, gemeinhin auch recht ungeniert verhalten. Davon künden Berichte über jüdische Hochzeiten im Arba'a Turim, und Verbote des Mittelalters, dass sich Bürgerinnen nicht wie Prostituierte kleiden sollen. Und dann ist da eben noch Kunst, Kunst, Kunst und immer diese Begehrlichkeit, begonnen bei nachgeformten Brüsten in den Pfahlbaukulturen über die Randfiguren der Buchmalerei, bis dann ein gewisser Herr Lorenzetti im Siena des 14. Jahrhunderts die Madonna auf einer Tafel von ihrer schematischen Einengung wieder befreit und etwas malt, das einem noch heute die Sprache verschlagen kann, wenn man mehrere Räume voller Ikonen hinter sich hat. Von da an beginnt das grosse Ausziehen in der Kunst. Was so schön ist, muss entkleidet werden.



Das ist nicht Sexismus oder Gaffen, das ist im schlimmsten Fall banale Arterhaltung und in unserem Fall Kultur.Und dem Historiker hat es dabei vollkommen egal zu sein, wie sich das darstellt. Man soll sich keine Arroganz aneignen, die unter dem feinen Stoff splitternackte Peploskore des 6 Jahrhunderts v. u. Z. mit Kleidergrösse 32 soll einem nicht besser gefallen als die barocke, frisch geraubte Sabinerin, bei der sich die Armreife in das Fleisch der Kleidergrösse 44 drücken. Man hat sich, und dafür bin ich dankbar, mit dem Kykladenidol zu beschäftigen und mit Miro, man sagt nicht über die Römerin, sie sehe aus wie eine Gans, und der Rokokodame unterstelle man auch keine Kuhaugen: Das war eben zeitgeschmack und Idealisierung. Unsere blosse Existenz beweist, dass man mit all diesen Körpern stets etwas anzufangen wusste. Und es ist nicht an uns, darüber böse zu urteilen. Wir datieren, und finden uns ein.



Natürlich hat man seine Präferenzen. Es gibt ganz bestimmte Gründe, warum mir die spätarchaischen Koren aus der Zeit zwischen 550 und 510 sehr viel besser gefallen, als ihre klassischen und hellenistischen Nachfolgerinnen. Das hat auch etwas mit Geistesgeschichte zu tun, und dem Umstand, dass die Rolle der Frau in der angeblich so wunderbaren Athener Demokratie sehr viel schwieriger als in jener Epoche war, da man lakonische Bronzen von Mädchen und Göttinnen goss. Es geht auch gar nicht um die Nacktheit, als vielmehr um das Wissen der Körperlichkeit und der Idealisierung zu einem gewissen Altersmoment (es gibt keine Koren, die alte Frauen darstellen); man kann ewig darüber reden, aber wenn man es letztlich besitzen will - hier als Abguss - muss man auch nehmen, was man kriegen kann. Das steht bei mir in der Bibliothek. Ansonsten aber...



ist es das Rokoko. Das ist ein Glück für mich, man täte sich sehr hart, würde man mit meinen begrenzten Mitteln ältere Kunst mit Fleisch kaufen wollen; die früheren Epochen sind nicht nur aufgrund der Zeitläufe materiell dünn gesäht, sie sind auch von einer Ideologie vegiftet, da man auf 100 Kreuzigungen und 50 Heilige eine halbnackte Frau findet, und das ist dann eine heilige Maria Magdalena in Verzweiflung. 1 einzige, lässig gekkleidete Sybille, das ist alles, was ich aus früherer Zeit bekommen konnte. Frauen tun sich da etwas leichter, den heiligen Sebastian mit Fesseln und Pfeilen findet man leichter Und dann habe ich noch eine Magd. Aber die ist ganz angezogen und schielt. Das Rokoko ist da anders, es gibt dank der Heiratspolitik und der dreisten Mode und der generellen Sittenlosigkeit ganz wunderbare Auftritte. Und alle sehen sie aus, als hätten sie gerade Mirabeau gelesen und sich an seinen Idealen orientiert. Manchen mag heute der weiche Blick ein wenig stören, für die moderne Mode wäre es viel zuviel Fleisch, und sogar der habsbirgerische Hungerhaken, der bei mir im Flur hängt und sicher ein genetisch benachteiligtes Gerippe für heutige Modezeitschriften war, gab sich alle Mühe, etwas Rundes herzumachen. Das war damals so. Und ich finde diesen Ansatz der Fleischlichkeit ohne Hemmungen auch heute noch, einfach als Idee, sagenhaft.



Reale Frauen übertrieben gern, aberAllegorien konnten es krachen lassen. Ohne Rücksichten auf Sitte, Anstand, Moral, Tugend, die sind ja nur erfunden, und man soll und darf sie anschauen- besonders, wenn es Jahreszeiten in ihrer ganzen Pracht und Fülle sind. Und Beschwipstheit, natürlich. Da muss man zugreifen. Das will man besitzen. Das möchte man anschauen, wenn man am Morgen ins Bad tapst, da kann ein Tag gar nicht schlecht beginnen. 1760, wird der Kenner sagen und dem Fall der Haare folgen, darunter hat man sicher keinen Jesuiten gelesen, sondern etwas, das unter dem Tisch des Buchhändlers verbreitet wurde. Natürlich laufe ich nicht als Kostverächter durch das Leben. Selbstverständlich gibt es Gründe, warum Gemälde mit jungem Fleisch sehr viel teurer als alte Damen in prunkvolleren Gewändern sind. Vielleicht halten das manche für Sexismus. Vielleicht sollte man anders kaufen. Aber das ist meine Wohung, hier entblättert man sich nach meinen Vorlieben, hier locken Perlen, Federn und Augen so, wie ich das gern sehe.



Und ich mag das Heidentum, das sich wieder Bahn bricht. Die naturverehrung. Für normale Frauen der Zeit wären sie vielleicht ein wenig zu nett, zu anschmiegsam, zu willig, da hätte man etwas mehr Zurückhaltung gemalt, und die Kleider wären nicht ganz so im Fallen begriffen. Die Kunst, die Liebe und die Träumerei musste sich damals ihre Wege suchen, es war noch nicht wie heute, da jeder Pr0n zu jeder Zeit im Netz verfügbar ist. Man musste sich anstrengen, man musste nett sein und lieben und geistreich reden, man musste schwören und starb vielleicht auch an gebrochenem Herzen. Es gab keine DVDs mit schlüpfrigem Inhalt, es gab die Realität, und man musste daraus machen, was möglich war, solange es eben ging, in einer Zeit, die sich diese Möglichkeiten auch erst vor Kurzem erkämpft hatte - ungefähr in jenem Abstand, der uns von den 68ern trennt, nur damals weitgehend ohne deren Verirrungen, wenn wir einmal den Herrn Rousseau ausnehmen und bei Voltaire bleiben wollen. Das wollen wir doch, oder?



Es ist ein Kann. Es muss nicht so sein, und in meiner Realität passiert es mir sogar, dass ich Pyjamas für Besuch 4 Nummern zu klein kaufe, und weiterhin rosa verträumt denke. Ich mag Perlenketten wegen ihrer Ideologie der Vergangenheit, aber es müssen keine Schönheitspflästerchen sein, alles ist bestens, nur auf Tattoos und Löcher mit Einfügungen möchte man bitte verzichten. Aber ansonsten, ansonsten singe ich in der Küche den Leporello, ma, ma, ma in Hisppaaania, in Hispania, wenn ich koche, und werfe ein wohlgefälliges Auge auf all was, was an den Wänden prangt. Das durfte man im Pfahlbau so machen, warum sollte ich mich bescheiden. Hic Rhodos, hic impalo. Und wer weiss, was ich nächsten Monat auspacke - was eben des Weges der Auktionshäuser kommt. Ich kaufe halb- und ganz nackte Frauen für den Hausgebrauch. Ich bin Kunstgeschichtler. Ich will dafür keinen Trüffel, und das wird auch so bleiben.

Freitag, 13. Juli 2012, 00:59, von donalphons | |comment

 
und nach sigmund freud ist kunstinteresse eine form der sublimierung der libido auf nicht-sexuelle weise. quod erat demonstrandum.

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Ich nehme, was ich kriegen kann. So einfach.

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Mich dünkt, recht viel nacktes Fleisch sehen wir hier allenfalls nach vegetarischen spätbarocken bis biedermeierischen Maßstäben. Nach meinem etwas modernerem Verständnis wird uns hier vor allem Haut gezeigt, und die Bezeichnung Fleisch würde mein Sprachgefühl intimeren Einblicken vorbehalten, in denen, comment dis-je, Rosa oder sonstwie Fleischfarbenes zu sehen ist.

Aber wie auch immer: Die Vorstellung, dass sich jetzt ein überbotener Zahnarzt in den Hintern beißt, hat was.

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In der einschlägigen Literatur der Zeit ist an der Stelle meist von Fleisch die Rede, und es wird die Zartheit gekobt - das liest sich oft wie die moderne Beschreibung von Rehrücken. Aber Haut und Fleisch, das kann und soll man nicht trennen. Kunstgeschichtlich korrekt hätte man noch über das Inkarnat sprechen müssen - das Wort selbst spielt ja auf die Kombination an, es ist der Fleischton, auch wenn es die Hautfarbe darstelt.

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es heisst ja auch fleischeslust und nicht hautlust.

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@donna laura:
Das stimmt, aber basiert nicht die Fleischeslust in hohem Maße auf, hüstel, Schleimhautkontakten? Da könnte man jetzt noch viel philosophieren, aber ich glaube, der Gastgeber hat recht: Man sollte das nicht künstlich trennen, was zusammengehört.

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nein, nein, also haut und fleisch gehören ganz sicher eng zusammen. wenn da keine haut mehr dran ist, war man wohl wenig zu *hüstel*.

wie nennen sie dies also? schleimhautlust? (bahhh!!! wie abtörnend)

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haben sie ihre verruchten gemächer also wieder einmal ein wenig mit angemessenem angereichert... wie hübsch.

meinen sie eigentlich die jungrau mit kind, die in siena sich den betrachtenden darbietet? in der tat beeindruckend. und so jemand stirbt den schwarzen tod...

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Da gibt es einen grossen Altar, die Madonna mit Kind und Engeln, bei dem der Schleier nur noch ein Hauch ist und die Madonna den Betrachter anschaut - die komplette Auflösung der Ikonenmalerei.

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denselben reizvollen anblick wird gabriel, dieser geflügelte schlingel, auch vor augen gehabt haben, als er seine 'botschaft' überbrachte...

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Hermes in a drag.

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feminine männer haben zuweilen ihren lauf...

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Caravaggio...

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Wofür stehen denn die Weintrauben bei der Dame in Grün?

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Das ist der Herbst, der normalerweise als Bacchus oder Bacchantin mit Weinkranz in den Haaren dargestellt wird. Das Frühjar (Flora) trägt Blumen, der Sommer Getreide und Früchte, und der Winter einen Mantel.

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Vielen Dank für die Erklärung!

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Gern geschehen.

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Ich kann mir nicht helfen, die obere schaut ein wenig schiach. Kein Vergleich zur Erdbeerdame, die Sie vor drei oder vier Wochen hatten.
(hängen die dann eigentlich alle nebeneinander?)

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Es ist sehr wahrscheinlich so, dass die ganze Serie relativ weit oben (wo auch immer) gehangen hat. Ausserdem sind die Bilder beschnitten, im Original waren sie sicher etwas grösser, und möglicherweise auch in eine grössere Struktur integriert. Jedenfalls, es gibt Blickwinkel leicht von unten, dann sitzt das alles wieder. Ich vermute, dass die Bilder im Viereck angeordnet waren, oben Frühling (das erste Bild) und Sommer, unten Herbst und Winter.

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Die Erdbeerdame ist noch nicht gerahmt, und ich weiss nicht, wo ich sie bringen soll... Zwischen den Bildern liegen an die 40 Jahre, und die hier haben als Allegorie einen anderen Zweck als ein Portrait, das erklärt auch, warum die Figuren etwas verwaschen sind und sein dürfen. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass sie flämisch sind.

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Herzlichen Dank für die Einblicke und Ansichten der Damen, deren Ersteigerung ich fast live miterleben durfte. Freut mich sehr, dass sie schon bei Ihnen "hängen".

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Glückwunsch zur Erwerbung. Und bitte unbedingt weiter Voltaire. Rousseau, wenn es denn unbedingt sein muß, nur in der Form von Jean-Baptiste.

Edit: Ist das die Lorenzetti-Madonna?
http://www.italica.rai.it/argomenti/storia_arte/lorenzetti/galleria/7.jpg

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Der Akku der E-P1 scheint etwas erschöpft zu sein, wie man auf dem ersten Foto sieht.
(Als - endlich! - stolzer Besitzer der gleichen Kamera mussssste ich das ja sofort sehen und damit angeben, sorry).

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@jeeves, posten Sie auch Photos?

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Die ist es.

Gratulation zur E-P1, bei mir ist das nicht so schlimm, ich habe ja noch zwei andere, und die sind voll.

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posten? Fotos? hier nicht. Der Gastgeber kann das viel besser.
Zudem bin in die nächsten zwei Wochen in Südtirol. Ohne Computer.

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Ich meinte z.B. flickr oder eigenes Blog ?!

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Ich seh mich nicht als Künstler.

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Ah, verstehe!
Dann wünsche ich Ihnen schöne Tage in Südtirol.
Dort gibt es viel zu sehen und zu fotografieren!

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Wie war die Fahrt über den Jaufenpass? ;O)

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Zu schnell gefahren mit dem Cabrio (rechts),
und geblitzt worden, hier ist der Photobeweis:

http://www.horizont.net/aktuell/agenturen/pages/protected/pics/artikelVoll-46786-org.jpg

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