: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 18. Juli 2012

Sturm vor der Ruhe

Hier geht es jetzt etwas durcheinander, der Beitrag ist heute, am 18. geschrieben worden, weil gestern nicht der Tag dafür war. Weil nämlich:







Alles zuerst mal völlig normal gewesen ist. Es gibt so Tage, da geht man mit sich selbst und der Welt zufrieden auf die Runde: man sieht das nicht allein so, weder das mit Bayern noch das mit der Orientierung einer eigentlich geschätzten Partei auf zwei hirnrissige Themen namens Ponader-Schnösel-BGE und 68er-Feminismus. Lauter g'scheide Leid, sagt man sich, und draussen ist auch ein g'scheides Wetter. Wolken, Blau, Sonne, warm ist es und windig. Sehr windig. Aber das Carrera hat über den Winter die alten, originalen Velomaxlaufräder mit den hohen, scharfen Felgen bekommen, die werden den Sturm schon wie einen Radi schneiden. Dachte ich mir.







Also begann das grosse Klammern: Insekten klammern sich an Blumen, Äpfel und Aste klammern sich an Bäume, und ich klammerte mich an den Lenker. Von vorne kam das Gebläse, in etwa so, wie wenn man mit der Barchetta offen 180 fährt. Dann knallt das ähnlich um das Gesicht herum. Das macht man vielleicht mal für vier Minuten, dann geht es zurück auf gemütliche 100, oder gar nur 80.Aber hier ging es Kilometer für Kilometer, und es ging langsam dahin. Was bin ich gekrochen. Wie oft habe ich mir gesagt: Das reicht für heute. Und wie oft habe ich mich dann an den Abzweigungen vorbeigequält. Warum macht man so etwas? Weil es hier geht, im Norden dagegen wäre es scheusslich.







Und weil man auf dem Rad sitzt, das ein Weltmeister an den Nagel gehängt hat, bevor die Tour de France begann. Weil man nicht aufgeben will, weil man nicht auf so einer Kiste sitzt, um dann klein beizugeben und sich nach Hause blasen zu lassen. Dieses Rad wurde für den Kampf gegen Titanen gebaut, da wird so ein Stürmchen doch nichts ausmachen. Die flogen Berge hoch und nicht nur Hügel, die fuhren um ihr Leben und nicht nur zur Gaudi, da muss man ein Minimum an Haltung beweisen, in solchen Klickpedalen. Man tritt immer weiter, auch wenn der Körper zu warnen beginnt. Zu weit, zu schnell, die Zähne schmerzen, und bergab geht es dahin, als wäre man erst beim Aufstieg. Es ist nicht schön. Es macht keinen Spass. Aber es geht weiter.







Denn man wandelt entlang auf einem heiligen Weg. Was hätten denn all die Pilger im Mittelalter und im Rokoko sagen sollen, die haben auch nicht Mimimi gesagt, die haben ein Ziel gehabt und sich durchgebissen - und das war vor der Erderwärmung, damals war so ein Sommer schon heiss. Am Ende haben sie gebetet und gebeichtet und gespendet, und nicht im Biergarten gesessen. Die hatten die Kraft und den Willen, und gerade weil der Glauben so schräg ist, will man da als guter Atheist nicht zurückstehen, zumal man ja ein Rad hat. Ankommen ist das Mindeste, was man schaffen muss. Und deu Schlenker bei Nassenfels mitnehmen, da ist der Anstieg im Windschatten, nur um zu schauen, ob das mit dem grossen Blatt geht.







Der Biergarten war geschlossen. Aber die Kirche war toll, wie immer. Diese Tour von der Kirche, die früher zum Haus dazu gehörte, bis zu dieser vergessenen Wallfahrtskirche ist die Verbindung zwischen den beiden Kirchen, in denen ich, wenn es sein müsste und man mich ansonsten grausam und langsam zu Tode foltern wollte, kirchlich heiraten würde. Die Kirche da draussen ist zwar nicht so schon wie die bei mir, aber daneben ist ein grandioses Restaurant, und ausserdem ist die Strecke doch so schön. Und schnell ging es mit dem Rückenwind heim, so schnell, dass ich das Pochen gar nicht merkte.

Das kam erst unter der Dusche. Und wie. Tom und Jerry bis um 5 Uhr morgens, dann ins Bett und der Vorsatz, gleich in der Früh zum Arzt zu gehen. Als ich dann aufwachte, war es fast weg, das schlimme Gefühl, nur noch eine Ahnung und eine Warnung, dass es jetzt erst einmal gut ist. Erst heil werden, dann wieder radeln. Der Sturm wehte heute ohnehin aus dem Internet.Und er kam aus Berlin, und es war keine gute Luft.

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