Veganti

Der Mensch hat von Anbeginn an gehungert. Nicht immer, aber doch recht oft. In der Frühzeit, vor der Entdeckung des Ackerbaus, war es noch relativ gut, denn der Mensch war selten, anfällig, klein in seiner Population und allgemein gefährdet, weshalb auf wenige Menschen relativ viel Nahrung kam. Ausserdem war der Mensch nicht wählerisch. Mit dem Ackerbau und der Viehzucht und den damit einhergehenden Problemen - Missernsten, Seuchen, kriegerische Auseinandersetzungen, Gier, soziale Schichten und Unterdrückung - wurde der Hunger dann aber für die meisten Menschen ein ständiger Begleiter. Gerade in unseren Breiten gab es zu Nichterntezeiten häufig Versorgungsprobleme, und dass wirklich niemand mehr verhungern muss, ist auch nur gut 60 Jahre her - und da berücksichtige ich das Verbrechen Hartz IV noch nicht einmal. Entsprechend dominant war das Thema Nahrung durch alle Zeiten, und es wäre sicher nicht richtig anzunehmen, dass das keine Spuren in uns hinterlassen hat. Der Mensch reagiert, wenn es um Essen geht, nicht gerade rational. Sondern instintiv. Wir sind so. Das kann man nicht einfach ausschalten.





Es ist ja schon schwer genug, neue Marotten wie "Ich fahre mal kurz einen Kilometer mit dem Auto zum See" zu hinterfragen. Und bei wirklich tief sitzenden Voreinstellungen, die von Generationen der Nachkriegszeit aufgebaut wurden, ist das nochmals erheblich schwerer. Man bekommt Menschen nur schlecht mit Vorwürfen zu neuen Einstellungen, auch wenn es eigentlich richtig wäre: Das Modeessen Sushi zum Beispiel ist ein wenig schönes Beispiel, wie global ein Trend verschwenderischer Städter unter einer Vortäuschung von "gesundem Essen" den Planeten kippt. Gegen das, was beim Fischfang an Lebewesen sinnlos vernichtet wird, weil der Beifang nicht verkäuflich ist, ist jede Tierzucht an Land noch moralisch gut. Aber das Japanzeug gilt als gesund und manche sagen gar, sie wären ja schon fast Vegetarier, weil sie sich aus dem Pazifik Fisch servieren lassen. Das kann man denen auch kaum ausreden. Sollte man auch nicht, denn so macht man sich keine Freunde, es hilft vielleicht eher, Alternativen aufzuzeigen. Dogmatik hilft halt nicht weiter, wenn eine Einstellung so unbeugsam tief sitzt. Die wollen das. Man kann es ihnen nicht wegnehmen, indem man an die Vernunft appelliert. Denn kein Klebeschinkenskandal hat dafür gesorgt, dass TK-Pizzen aussterben. Und wenn man sieht, was in Supermärkten an Unterstützungsmassnahmen für Fleisch läuft, könnte man fast verzweifeln. Fleisch ist nicht so billig, es wird so billig quersubventioniert und hochgesprizt. Deshalb kaufe ich nicht in Supermärkten, aber ich rede da auch keinem rein.





Im Übrigen habe ich auch Achtung für Veganer, auch wenn ich das nicht schaffe.

Und im Übrigen vertrage ich Milchprodukte und Eier ohne Probleme, ich habe einen Magen wie aus Edelstahl.

Und ich kaufe ja auch nicht ein Pfund geschmackbefreiten Frischkäse und schmiere ihn dick auf das Brot, sondern sehr intensiv schmeckende Spezialitäten, von denen man nicht viel braucht.

Und ich achte auch, wo immer ich bin, auf die Herkunft, was bei uns im Tal recht einfach ist, weil die Kühe, die bei mir vor der Terrasse auf der Weide stehen, auch jene sind, deren Milch nachher in der Käserei ausschliesslich verarbeitet wird. Mit dem Elend in Norddeutschland komme ich nicht in Kontakt.

Und man merkt schon, dass ich hier selbst in einer Verteidigungshaltung bin, denn das erste Opfer der Veganer ist nicht die asoziale bayerische Drecksau, die sich die in Osteuropa mit wachstumshormonen aufgespritzte Schweinshaxe aus dem Discounter reinschiebt und sich über 10 gesparte Cent freut, oder der Kunde norddeutscher Mordfabriken, oder der gewöhnliche Sushiperverse, sondern, zumindest habe ich den Eindruck, der nächste Verwandte: Der achtsame Vegetarier.





Es ist mir, wenn ich die Debatten im Netz sehe, vollkommen unklar, wie man ausgerechnet die Front gegen jene eröffnen muss, die ohnehin schon verstehen, dass die Ernährungsgewohnheiten der Nachkriegszeit fragwürdig sind. Der Endsieg ist hier sicher nicht mit dem Vergrätzen derer errungen, die sich unwohl fühlen, wenn sie einen Tiertransporter auf der Autobahn sehen.Und natürlich ist es für Veganer nicht ganz einfach, ein normales Sozialleben zu führen, wenn die Gastronomie nicht wirklich auf sie eingestellt ist. Das kann manchmal ärgerlich sein, keine Frage. Das Oberland ist nicht Berlin, und dass das Insistieren auf vegane Gerichte vielleicht nicht überall gut ankommt: ist halt so. Trotzdem gibt man sich ja Mühe, es gibt Verständnis, ja auch Anerkennung, mitunter - aber das ist keine Einladung zu einem Vortrag, was Milch mit meinem Körper macht. Überhaupt, mitunter kommt mir das alles wie eine Verschwörungstheorie vor, ein geschlossenes Weltbild, wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und das ist nicht nur ungemütlich, sondern auch nicht gerade sympathisch.

Und wenn man das nicht will, ist man nicht verganerfeindlich, sondern vielleicht auch nur etwas angewidert von einem Netz, in dem alles sofort von den Allerreinsten und den Ideologen in Besitz genommen wird. Ich finde es gut, wenn Menschen bewusst leben und Tiere schonen. Aber bitte auch Menschen. Gerade in derartig irrationalen Bereichen, in denen man behutsam sein sollte, und nicht laut und nicht engstirnig und schon gar nicht eine Berliner Pitatenluftnummer auf der Suche nach der nächsten Möglichkeit, sich moralisch als "besser" zu positionieren. Ich bin nicht feindlich, ich habe nur etwas gegen Indoktrination.

Montag, 22. Juli 2013, 19:43, von donalphons | |comment

 
Das ist wie mit anderen Religionen und Glaubensrichtungen - man bekämpft am besten das, was man kennt. Und für den (ethischen*) Veganer ist ein (ethischer) Vegetarier eben viel schlimmer als ein Fleischesser, denn der Vegetarier weiß ja eigentlich, daß sein Verhalten falsch ist. Fleischesser sind ja ohnehin süchtig (nach Fleisch/Tierprodukten etc), und insofern auch nicht ganz für ihre Ernährung verantwortlich - zumindest in den Augen mancher Veganer.

Zum Glück sind aber nicht alle Veganer so.


* im Gegensatz zu demjenigen, der die entsprechende Diät ausschließlich wegen der Gesundheit befolgt

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Nein, natürlich nicht, aber wenn das still praktiziert wird, fällt es auch nicht auf. Und dann haben die Schreihälse eben eine um so breitere Bühne.

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Es ist halt damit wie bei allem, das irgendwie ideologisch aufgeladen werden kann. Gemäßigte Positionen verlieren immer im Strudel einer Radikalisierung, da es immer dumpfe Arschlöcher gibt, die ihren Drang zur Geltugssucht/Macht (sei dies auch über ein Klo im Salon) mit einer beschissenen reinen Lehre begründen können.
Solange es hirnlose Schafe gibt, die hirnlose aber coole Wölfe als Leithammel akzeptieren, funktioniert diese immanente Vernichtungsspirale der Vernunft.
Da sind wir wieder bei deinem Instinkt. Wird irgendwann irgendeinen Vorteil geboten haben, das Hirn auszuschalten, als der Dogmatiker seine Show aufzog..

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Ich glaube, bei Veganern ist es ein wenig auch das Gefühl, dass sie ausgegrenzt sind (weil noch nicht mal mehr ein Cafebesuch mit Kuchen möglich ist), und das macht sie dann im Gegenzug manchmal so wütend. Nicht alle, aber da kommt einiges zusammen, und in der Konsequez wird es dann - schwierig.

Wie beim angesprochenen Mistkäfer aus der Berliner Piratenfraktion.

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Das kommt, zumindest nach meiner Erfahrung, auch sehr auf den Veganer an. Bei fundamentalistischen Veganern ist es natürlich schwierig, aber es gibt auch andere: die verstehen, daß ihre Ernährungsform eine Ausnahme ist, und daß ein ständiges Bestehen auf eine Sonderbehandlung für die Umgebung sehr anstrengend ist. Gerade älteren Menschen fehlt oft das Verständnis dafür, weshalb Butter auf dem Gemüse (oder im Kuchen) schlecht sein soll - und warum soll man jemanden für eine gut gemeinte Geste vor den Kopf stoßen?

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Auch jene, die gleichzeitig Pflanzenfresser und Fleischfresser sind*, können Wert auf die Feststellung legen, dass Tiertransporte (die keine Regeln einhalten), Massenherstellung von Fleischmasse und dergleichen ihnen Übelkeit verursachen.

Ebenso Zoos. Die Entwürdigung und das Leid der Kreatur dort kann man in der Luft in Scheiben schneiden.

Ich bin mir genausowenig sicher über hehre Motive mancher Wellensittich-, Guppy-, Hunde-, Katzen- und Reitpferdeigner. Tierbesitz ist jedenfalls kein Äquivalent von Tierliebe (=Respekt vor der Kreatur), falls das manchmal jemand behaupten sollte.



*wie der Mensch, als er noch Tier im eigentlichen Sinne war

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Diese unsere Katze kam von selbst und meinte, da sei sie jetzt daheim - von Eigner kann keine Rede sein!

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@fritz_
Zoos sind eine etwas schwierigere Sache, denn sie dienen (zumindest jetzt) auch der Erhaltung von bedrohten Arten

Die Massentierhaltung ist da wohl einfacher zu bewerten, obwohl Kritiker die Verhältnisse zu oft nach menschlichen Maßstäben bewerten.

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Kuhmilch ist, im Grunde genommen, praktisch, Heroin.

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Wirklich? Ups.

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Es ist meine Beobachtung dass veganer Lebensstil haeufig (sicher nicht immer!) mit bestimmten Weltbildern korrelliert. Ein Mensch, der als Veganer 'dogmatisch' auftritt, tut dies vielleicht gar nicht in seiner Eigenschaft als Veganer (auch wenn es so scheint), sondern beispielsweise deshalb, weil er/sie/*/ sich staendig mit 'sozial konstruierten strukturellen Gewaltverhaeltnissen' konfrontiert sieht.

Beispielsweise gibt es Menschen die den Begriff 'Tier' als sozial konstruierte Ausgrenzung von Mitwesen zum Zwecke ihrer Ausbeutung ('Speziezismus', 'carnism') betrachten. Manchmal fuelen sich solche Menschen durch ihr ueberlegenes Wissen dieser Verhaeltnisse beauftragt, Mitmenschen umzuerziehen.

gerade aktuell: http://www.taz.de/Tierbefreier-Kongress-in-Potsdam/!121185/

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Das ähnelt teilweise doch recht stark der "Rape Society". Ich glaube, ich sollte jetzt besser nicht diese Gendertröten besuchen.

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ja, da gibts weltanschauliche Aehnlichkeiten. Wenn sich eine die Gebaermutter sozial konstruieren und wieder weggendern kann, warum nicht auch mal eben die Dichtonomie Mensch-Tier ueberwinden. Unser Genom ist schliesslich zu etwa 60% mit dem der Obstfliege identisch.

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So wenig? Wenn ich mir die Merkel anschaue, das muss doch erheblich mehr sein.

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ein scharfes Urteil ueber Deutschlands beliebteste Politikerin seit Bismarck.

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Irgendwas mit historischen Beliebtheiten, 33-45, Gestapo, Stasi und Bauchschmerzen.

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