Real Life - Sommer 2003
Stille -
herrscht in der Bibliothek der Elite-Universität, tief in der Provinz und weitab von der grossen Stadt. Die Hitze sickert durch die Fenster und macht müde. Ich verliere das Interesse am Buch über Change Management. Ruhe - dösen -
da flipflopen Sandalen gegenüber. Aus dem Bücherturm kommt eine junge Frau, Mitte 20, blonde, kinnlange Haare, rosa Top, und weil ich sie über den Saal so intensiv anstarrte, lächelte sie eines dieser unverbindlichen Munich-Area-Lächeln, diskret, höflich, nichtssagend.
Sie sieht aus wie eine normale Studentin, mit schweren Büchern und einem Mäppchen für Stifte und dicken Ordnern. Es ist nichts an ihr, was einem wirklich aufgefallen wäre; nicht schön, aber hübsch, keine Grandezza, aber sicher nett. Kein Lippenstift, kein Kajal, kein Mascara. Wieder eine ganz normale Studentin.
Und trotzdem -
ist sofort eine Spannung im Raum, denn in diesem Moment faltet sich die Zeit, und die Epochen des Hypes und des Untergangs schieben sich in meinem Kopf kreischend übereinander.
Ich hatte sie schon mal gesehen. Nicht nur einmal. Ich kannte sie. Sie hatte in der irrsten Zeit der New Economy bei rasend schnellen Firmen gearbeitet. Sie war damals alles andere als eine Studentin. Sie war eine der "Besten der Besten", eine Anfüherin der digitalen Revolution; sie hatte die idealen Vorraussetzungen, um überall on the top zu landen, ganz gleich ob Business Development oder Consulting.
Sie war eine Kriegerin eines neuen Zeitalters, das nicht kam. Bessere Referenzen konnte man bis 2001 nicht haben. Jedes Startup hätte sie mit Handkuss genommen. Ihre Vita war die eines New Economy Ideals.
Als ich sie damals gesehen hatte, trug sie schwarze Kostüme, weisse Blusen und ein professionelles Lächeln. Mit dem Niedergang der Eventkultur hatte ich sie aus den Augen verloren - und hier, in der tiefsten Provinz, völlig von allen Insignien des Rebellion gegen das System entkleidet, sehe ich sie wieder.
Ihre Referenzen von längst vergangenen Firmen mit net und .com im Namen sind heute bei jeder Bewerbung Gift. Die Reaktion der Wirtschaft hat sie ausgespuckt. Sie ist nur noch eine Studentin, die dringend ihren Abschluss hinbekommen muss.
Sie ist eine Rebellin ohne Markt.
herrscht in der Bibliothek der Elite-Universität, tief in der Provinz und weitab von der grossen Stadt. Die Hitze sickert durch die Fenster und macht müde. Ich verliere das Interesse am Buch über Change Management. Ruhe - dösen -
da flipflopen Sandalen gegenüber. Aus dem Bücherturm kommt eine junge Frau, Mitte 20, blonde, kinnlange Haare, rosa Top, und weil ich sie über den Saal so intensiv anstarrte, lächelte sie eines dieser unverbindlichen Munich-Area-Lächeln, diskret, höflich, nichtssagend.
Sie sieht aus wie eine normale Studentin, mit schweren Büchern und einem Mäppchen für Stifte und dicken Ordnern. Es ist nichts an ihr, was einem wirklich aufgefallen wäre; nicht schön, aber hübsch, keine Grandezza, aber sicher nett. Kein Lippenstift, kein Kajal, kein Mascara. Wieder eine ganz normale Studentin.
Und trotzdem -
ist sofort eine Spannung im Raum, denn in diesem Moment faltet sich die Zeit, und die Epochen des Hypes und des Untergangs schieben sich in meinem Kopf kreischend übereinander.
Ich hatte sie schon mal gesehen. Nicht nur einmal. Ich kannte sie. Sie hatte in der irrsten Zeit der New Economy bei rasend schnellen Firmen gearbeitet. Sie war damals alles andere als eine Studentin. Sie war eine der "Besten der Besten", eine Anfüherin der digitalen Revolution; sie hatte die idealen Vorraussetzungen, um überall on the top zu landen, ganz gleich ob Business Development oder Consulting.
Sie war eine Kriegerin eines neuen Zeitalters, das nicht kam. Bessere Referenzen konnte man bis 2001 nicht haben. Jedes Startup hätte sie mit Handkuss genommen. Ihre Vita war die eines New Economy Ideals.
Als ich sie damals gesehen hatte, trug sie schwarze Kostüme, weisse Blusen und ein professionelles Lächeln. Mit dem Niedergang der Eventkultur hatte ich sie aus den Augen verloren - und hier, in der tiefsten Provinz, völlig von allen Insignien des Rebellion gegen das System entkleidet, sehe ich sie wieder.
Ihre Referenzen von längst vergangenen Firmen mit net und .com im Namen sind heute bei jeder Bewerbung Gift. Die Reaktion der Wirtschaft hat sie ausgespuckt. Sie ist nur noch eine Studentin, die dringend ihren Abschluss hinbekommen muss.
Sie ist eine Rebellin ohne Markt.
donalphons, 03:49h
Donnerstag, 4. Dezember 2003, 03:49, von donalphons |
|comment