Fettschlanke Malle-Spiesserrevolutionäre

Irgendwo in Mittelbayern. An prominenter Stelle ein Schmuckgeschäft. Schräg davor ein silberner Audi TT. Aus den Sitzen schälen sich zwei Berufsjugendliche weit jenseits der 50er Grenze. Nachbarn meiner Eltern, Makler. Sie hat das Grinsen chirurgisch hochgetackert, er kunstvoll die Löcher im Haupthaar mit Wetgel zugeschleimt. Lässige Freizeitkleidung, braunverbrannt.

Sie gehen zum Juwelier. Sie streckt eine Hand mit viel Weissgold-Plunder aus und zeigt auf etwas. Das da, sagt sie, ist doch was schönes für Anabel, oder? So jugendlich.

Er greift mit lässiger Pose in die Hosentasche, den Daumen in Richtung Primärgenital, die Breitling sichtbar, und nickt cool. Klar, sagt er, greift um ihre Taille und gibt ihr einen Kuss. Öffentlich, damit es jeder sieht, dass sie immer noch guten Sex haben. Da kaufen wir aber lieber zwei, denn Dir steht das sicher auch, Babe. Dann verschwinden sie im Laden.

Anabel ist ihre Tochter. Sie ist Ende 20 und arbeitslos. Sie sitzt in München in der Eigentumswohnung ihrer Eltern und macht irgendwelche Freelancersachen. Manchmal treffen wir uns, und sie erzählt, dass sie sich nicht mal Mallorcaurlaub leisten kann. Sie sagt es ihren Eltern nicht, denn die hätten sicher Verständnis und würden ihr was zustecken.

Schliesslich waren sie auch noch jünger als heute und wissen, dass das Leben was kostet. Wahrscheinlich würden sie nur mit den Schultern zucken, wenn sie bei Anabel Haschisch finden würden. Sie verstehen es. Sie können es sich leisten, und später mal kann Anabel alles haben. Dann haben ihre Eltern ja noch die Rente.

Und das Haus in der Provence mit Ökogarten, von dem Mama schon geträumt hat, als sie noch Soziologie in Marburg studierte. Und der Kontakt mit dem Bullenstaat noch was anderes war als der Strafzettel, den sie hier im Halteverbot bekommen wird.

Samstag, 6. Dezember 2003, 17:00, von donalphons | |comment