Die Verhelmholtzplatzisierung der Maxvorstadt
Eigentlich könnte es mir ja egal sein, so oft bin ich im Moment auch nicht da. Ein Kiezgefühl wie in Berlin gibt es in München ohnehin nicht, mal abgesehen von der kleinen Welt des Glockenbach/Gärtnerplatzviertels, das mit dem Rad kaum eine viertel Stunde von hier ist. Aber nach zwei Jahren sporadischer Anwesenheit fällt es doch sehr stark auf - das kleine Viertel südlich der Uni ist trotz Ende der New Economy und stagnierender Preise weiter zu einer Ausgeh- und Touristenattraktion verkommen.
Als ich hier als junger Student eingezogen bin, säumten drei günstige Antiquariate den Weg zum Bäcker - der letzte hat vor einem halben Jahr zugemacht. Statt dessen gibt es einen Laden für Luxusbücher, aber das ist nicht das Wahre für den schnellen Kauf. Einzelhändler halten sich nur noch dort, wo ihnen der Laden oder das ganze Haus gehört - dann ist es aber nur der Widerwillen gegen das Aufgeben, der sie hält, die Mieten alleine dürften für einen Lebensabend beim Golfen ausreichen. Das interessiert so einen alten Metzgermeister nicht weiter, aber seine Tochter hat dann den Stecker gezogen.
Die Golfer sind aber längst da; in einen wenig schönen Flachbau der 50er hat man unten Arkaden eingebrochen und obendrauf Luxuswohnungen gesetzt, was generell nochmal zu einem Wertzuwachs der Wohnungen im Umfeld führte. Die sich damit eigentlich kaum ein junger Mensch mehr leisten kann, bei Mietpreisen von 17 Euro oder mehr pro Quadratmeter, oder 4000 beim Kauf - will sagen, im besseren Teil des Weddings bekommt man für 8 Quadratmeter Schwabing 50 Quadratmeter. Weshalb das Viertel zwar äusserlich zwar von jungen Menschen besucht, innerlich aber zunehmend von alten Leuten und einem gewissen "Businessclientel" bewohnt wird.
Für die machen dann in den aufgegebenen Läden noch mehr stylische, leicht berlinerisch anmutende Bars auf, die alle 10 Monate dicht machen, um sich einen neuen Look zu verpassen. Muss man tun, um weiterhin die Preise zu rechtfertigen, die um den Faktor 2 bis 3 über dem der Kastanienallee liegen. Darin ist das überall immer gleiche Publikum, das überall in diesen Vierteln existiert, vielleicht ein wenig reicher als anderswo, und nur abgerissen, wenn es lässig aussehen soll. Wenn da sehr viel mehr Dreck auf den Strassen wäre, könnte man glauben, sich in einem Lokal in einer durchsanierten Strasse am Helmholtzplatz zu befinden. Sogar der Name "Felix" der neuesten Bar - früher eine Galerie, die nicht gut gelaufen ist - klingt irgendwie nach Nordosten.
Wenn das so weitergeht, dann ist das Viertel irgendwann richtig lebensfeindlich.
Als ich hier als junger Student eingezogen bin, säumten drei günstige Antiquariate den Weg zum Bäcker - der letzte hat vor einem halben Jahr zugemacht. Statt dessen gibt es einen Laden für Luxusbücher, aber das ist nicht das Wahre für den schnellen Kauf. Einzelhändler halten sich nur noch dort, wo ihnen der Laden oder das ganze Haus gehört - dann ist es aber nur der Widerwillen gegen das Aufgeben, der sie hält, die Mieten alleine dürften für einen Lebensabend beim Golfen ausreichen. Das interessiert so einen alten Metzgermeister nicht weiter, aber seine Tochter hat dann den Stecker gezogen.
Die Golfer sind aber längst da; in einen wenig schönen Flachbau der 50er hat man unten Arkaden eingebrochen und obendrauf Luxuswohnungen gesetzt, was generell nochmal zu einem Wertzuwachs der Wohnungen im Umfeld führte. Die sich damit eigentlich kaum ein junger Mensch mehr leisten kann, bei Mietpreisen von 17 Euro oder mehr pro Quadratmeter, oder 4000 beim Kauf - will sagen, im besseren Teil des Weddings bekommt man für 8 Quadratmeter Schwabing 50 Quadratmeter. Weshalb das Viertel zwar äusserlich zwar von jungen Menschen besucht, innerlich aber zunehmend von alten Leuten und einem gewissen "Businessclientel" bewohnt wird.
Für die machen dann in den aufgegebenen Läden noch mehr stylische, leicht berlinerisch anmutende Bars auf, die alle 10 Monate dicht machen, um sich einen neuen Look zu verpassen. Muss man tun, um weiterhin die Preise zu rechtfertigen, die um den Faktor 2 bis 3 über dem der Kastanienallee liegen. Darin ist das überall immer gleiche Publikum, das überall in diesen Vierteln existiert, vielleicht ein wenig reicher als anderswo, und nur abgerissen, wenn es lässig aussehen soll. Wenn da sehr viel mehr Dreck auf den Strassen wäre, könnte man glauben, sich in einem Lokal in einer durchsanierten Strasse am Helmholtzplatz zu befinden. Sogar der Name "Felix" der neuesten Bar - früher eine Galerie, die nicht gut gelaufen ist - klingt irgendwie nach Nordosten.
Wenn das so weitergeht, dann ist das Viertel irgendwann richtig lebensfeindlich.
donalphons, 11:05h
Montag, 5. Dezember 2005, 11:05, von donalphons |
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modeste,
Montag, 5. Dezember 2005, 12:38
Die Gentrification der Innenstädte ist sicher eine zweischneidige Sache, auf der anderen Seite dreht sich dieses Rad ja nun schon einige Jahre, und am Ende tauchen immer wieder neue Stadtteile auf, die auf einmal Lebensqualität bieten. Vielleicht sollte man das gelassen sehen - der Prenzl'berg ist ja eine Ecke, von der vor Jahren keiner gedacht hätte, dass sie nochmal bewohnbar würden, und vielleicht ist es in zehn Jahren Neukölln oder irgendein Kiez, an den man jetzt gar nicht denkt.
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che2001,
Montag, 5. Dezember 2005, 14:20
Ich weiß überhaupt nicht, ob ich das gutfinden soll. Sicher waren die Scheißkübel-Aktionen gegen Feinschmeckerrestaurants, mit denen 1986-88 linke Punks SO 36 "proletarisch" erhalten wollten, reichlich überzogen, aber die schleichende Yuppiesierung solcher Viertel ist schon eine Pest. Immer ist sie verbunden mit einer partiellen Vertreibung der dort ansässigen Leute, immer damit, dass die Art Kneipen, die meinereiner gemütlich findet, durch irgendwas schickes chromblitzendes ersetzt werden. In meinem Sinne "bewohnbar" war der Prenzelberg so um 1991/92.
Die "Lebensqualität" ist nur im Ausnahmefall Berlin nicht immer zwangsläufig
mit einer krassen Erhöhung der Preise und Mieten verbunden, in jeder anderen Stadt vervielfachen die sich bei solcher Gelegenheit.
Die "Lebensqualität" ist nur im Ausnahmefall Berlin nicht immer zwangsläufig
mit einer krassen Erhöhung der Preise und Mieten verbunden, in jeder anderen Stadt vervielfachen die sich bei solcher Gelegenheit.
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workingclasshero,
Montag, 5. Dezember 2005, 17:05
Die Leute, die damals Yuppies mit Mistkübeln erschreckt haben, sind später ernsthaft militant geworden.
http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/154/97.html
Das ist gerade mal zehn Jahre her, wirkt aber nicht nur wie aus einem anderen Jahrhundert, was ja echt der Fall ist, sondern wie ein Jahrhundert entfernt. Angesichts von Hartz IV stellt sich allerdings die Frage, ob mal wieder jemand auf solche Ideen kommt.
http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/154/97.html
Das ist gerade mal zehn Jahre her, wirkt aber nicht nur wie aus einem anderen Jahrhundert, was ja echt der Fall ist, sondern wie ein Jahrhundert entfernt. Angesichts von Hartz IV stellt sich allerdings die Frage, ob mal wieder jemand auf solche Ideen kommt.
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arboretum,
Montag, 5. Dezember 2005, 17:14
Dunkel erinnere ich mich daran, 'mal eine Reportage über einen von denen gelesen zu haben, die da solche Scheißkübel in die Restaurants gekippt bekamen. Der ist deshalb letztendlich pleite gegangen - reich war der nämlich nicht, der wollte einfach nur schön kochen. Die Schulden bei der Bank für seinen Lebenstraum zahlt der heute noch ab.
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che2001,
Montag, 5. Dezember 2005, 17:40
Dazu gibt es auch immer noch eine Debatte
http://www.de.indymedia.org/2001/07/4232.shtml
Nach dem, was ich so über die Hintergründe weiß, waren da aber keineswegs nur Selbstbehauptungsinteressen gegen die Versnobbung von Kreuzberg im Spiel, sondern auch Persönliches. Na ja, und dass Leute ins Trash nicht reingelassen wurden, weil sie keine schwarzen Lederklamotten anhatten, einfach weil sie nicht black genug aussahen, war damals gang und gäbe.
Teile der Kreuzberger autonomen Szene schotteten sich in einer Art und Weise ab, die dünkelhafte, elitäre und paranoide Züge hatte. Und das Plündern von Bolle-Märkten als Beginn antikapitalistischer Enteignungen und folglich revolutionären Kampf zu sehen zeugt auch von deutlichem Realitätsverlust.
Die Idee, beim Kreuzberger Ersten Mai Gehwegplatten auf Polizeikolonnen abzuwerfen, wurde ja zum Glück nicht umgesetzt. Also, so sehr ich die Vertreibung von Obdachlosen, die Verteuerung von Kiezen und die allgemeine Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes ablehne und bekämpfenswert finde: Was sich da Ende der 80er abzeichnete (und dann nicht weiterentwickelte) hatte einige ziemlich erschreckende Komponenten.
http://www.de.indymedia.org/2001/07/4232.shtml
Nach dem, was ich so über die Hintergründe weiß, waren da aber keineswegs nur Selbstbehauptungsinteressen gegen die Versnobbung von Kreuzberg im Spiel, sondern auch Persönliches. Na ja, und dass Leute ins Trash nicht reingelassen wurden, weil sie keine schwarzen Lederklamotten anhatten, einfach weil sie nicht black genug aussahen, war damals gang und gäbe.
Teile der Kreuzberger autonomen Szene schotteten sich in einer Art und Weise ab, die dünkelhafte, elitäre und paranoide Züge hatte. Und das Plündern von Bolle-Märkten als Beginn antikapitalistischer Enteignungen und folglich revolutionären Kampf zu sehen zeugt auch von deutlichem Realitätsverlust.
Die Idee, beim Kreuzberger Ersten Mai Gehwegplatten auf Polizeikolonnen abzuwerfen, wurde ja zum Glück nicht umgesetzt. Also, so sehr ich die Vertreibung von Obdachlosen, die Verteuerung von Kiezen und die allgemeine Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes ablehne und bekämpfenswert finde: Was sich da Ende der 80er abzeichnete (und dann nicht weiterentwickelte) hatte einige ziemlich erschreckende Komponenten.
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donalphons,
Montag, 5. Dezember 2005, 19:21
Gut, in München reden wir über ein anderes Basisniveau: Da ist nicht mehr die Frage, ob sich das ein Punk ohne Einkommen leisten kann, sondern ein Student mit Nebenjob. So Sachen wie cabrio zerkratzen oder Mercedes stechen gibt es hier ohnehin nicht, wie auch das Klientel, das sowas mit politischen Absichten machen würde.
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workingclasshero,
Montag, 5. Dezember 2005, 20:38
Wobei es die Leute durchaus einmal in München gegeben hat. Und es geht auch noch elitärer. Ich denke da an Bad Homburg vor der Höhe.
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avantgarde,
Montag, 5. Dezember 2005, 21:10
Ok, aber es gibt Lichtblicke. Versuch mal den kleinen Italiener Al Torchio in der Amalienstraße 42, nicht weit Ecke Schelling... einfach nur gut und wunderbare Weine.
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