Sonntag, 11.00 Uhr, Kastanienallee
Man merkt die 500 Kilometer nördlicher Länge. Die geben der Stadt zumindest Mitte Dezember dieses gewisse Polarkreis-Gefühl, wenn die Kamera um diese Zeit noch automatisch den Blitz zuschaltet und die dunkelgraue Feuchtigkeit in alle Ritzen kriecht.
In solchen Momenten ist die Kastanienallee nicht mehr die allseits gelobte Castingallee, sondern nur eine müde, runtergekommene Passage im strahlenförmigen Strassennetz, an der noch immer viel an die hier Ende April 45 langmarschierenden russischen Stosstrupps erinnert. Irgendwo dahinten kommt Polen, Russland und Sibiren, wo das Kontinentaltief entsteht, das die Stadt für die nächsten Monate umklammert halten wird.
Die Stadt hat dem nicht viel entgegen zu setzen. Irgendwas hat sich im letzten Jahr verändert, es sind weniger Leute da, die Lokale werden an diesem Tag nicht voll, und schon um 2.34 Uhr wirft man uns als Letzte aus dem 103, nachdem es schon gegen ein Uhr gähnend leer war und sich niemand daran störte, dass der hagere Kellner im Kleindealerlook ein Beethovenkonzert auflegte. Im Greenwich sind die Lederpolster erkennbar zerschlissen, und die weissen Kuben am Rand der langen Bank müssten mal frisch lackiert werden. Und alle Frauen, die sich zitternd an die Heizkörper drängen, reden von ihren Wünschen nach Pelzmänteln in dieser verkommenden Stadt, die an der Kippe zur Aufgabe steht, in der die Fenster dunkel bleiben und die Jüngeren noch, dumm wie sie sind, in bauchfreien und ärmellosen Winterpullis die Grundlage für spätere chronische Bronchitis legen.
Das hier ist kein Platz, an dem man die nächsten 5 Monate sein sollte.
In solchen Momenten ist die Kastanienallee nicht mehr die allseits gelobte Castingallee, sondern nur eine müde, runtergekommene Passage im strahlenförmigen Strassennetz, an der noch immer viel an die hier Ende April 45 langmarschierenden russischen Stosstrupps erinnert. Irgendwo dahinten kommt Polen, Russland und Sibiren, wo das Kontinentaltief entsteht, das die Stadt für die nächsten Monate umklammert halten wird.
Die Stadt hat dem nicht viel entgegen zu setzen. Irgendwas hat sich im letzten Jahr verändert, es sind weniger Leute da, die Lokale werden an diesem Tag nicht voll, und schon um 2.34 Uhr wirft man uns als Letzte aus dem 103, nachdem es schon gegen ein Uhr gähnend leer war und sich niemand daran störte, dass der hagere Kellner im Kleindealerlook ein Beethovenkonzert auflegte. Im Greenwich sind die Lederpolster erkennbar zerschlissen, und die weissen Kuben am Rand der langen Bank müssten mal frisch lackiert werden. Und alle Frauen, die sich zitternd an die Heizkörper drängen, reden von ihren Wünschen nach Pelzmänteln in dieser verkommenden Stadt, die an der Kippe zur Aufgabe steht, in der die Fenster dunkel bleiben und die Jüngeren noch, dumm wie sie sind, in bauchfreien und ärmellosen Winterpullis die Grundlage für spätere chronische Bronchitis legen.
Das hier ist kein Platz, an dem man die nächsten 5 Monate sein sollte.
donalphons, 11:57h
Montag, 12. Dezember 2005, 11:57, von donalphons |
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workingclasshero,
Montag, 12. Dezember 2005, 12:34
Bei dem Grau in Grau erwarte ich jederzeit einen Josef-StalinIII-Panzer ins Bild fahren zu sehen!
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donalphons,
Montag, 12. Dezember 2005, 12:39
Alles, was da kommt, sind ein paar restalkoholisierte Mädchen auf dem Weg zur Matratze.
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booldog,
Montag, 12. Dezember 2005, 12:54
Dimitroffstraße, oh ja.
Nur der Hinweis auf Konnopke hinten rechts fehlt noch, um ein vollends düsteres Stimmungsbild zu zeichnen.
Nur der Hinweis auf Konnopke hinten rechts fehlt noch, um ein vollends düsteres Stimmungsbild zu zeichnen.
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weltregierung,
Montag, 12. Dezember 2005, 13:21
....Wann kommt die Luftbrücke,
die Hippness und Spirit in diese belagerte Stadt bringen?
- Hamburgregierung.
die Hippness und Spirit in diese belagerte Stadt bringen?
- Hamburgregierung.
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donalphons,
Dienstag, 13. Dezember 2005, 12:19
Wo bleibt die alte 44er-RAF-Luftbrücke, die die Stadt wieder in einen angemessenen Zustand versetzt, nach dem man sie um 50% verkleinert wieder aufbauen kann?
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milchbroetchen,
Montag, 12. Dezember 2005, 13:57
Das ist übrigens ein Kontinentalhoch, das regelmäßig im Winter über Russland entsteht und die grosse Kälte bringt. Aber Tief klingt natürlich trister :)
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milchbroetchen,
Dienstag, 13. Dezember 2005, 00:02
Für irgendwas muss der Segelschein ja gut sein…
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der_immobilienmakler,
Dienstag, 13. Dezember 2005, 01:37
@ Winter
Die Straße sieht schon ziemlich hart aus. Richtig übel wenn man da im Rausch hinfällt und auf der Backe landet. Richtig blutig, wirklich kein schöner Ort.
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donalphons,
Dienstag, 13. Dezember 2005, 12:18
Immerhin, das ist, wen man so will, der Kudamm von Mitte. Hier, so geht die Legende, tobt das pralle Leben der Mittemenschen, hier erleben sie ihre Abenteuer, kaufen nette Drogen und finden jemand mit Tripper für die Nacht, der auch noch das Geld ihrer Eltern klaut.
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avantgarde,
Dienstag, 13. Dezember 2005, 18:06
In München ist im Winter
die Tristesse und der Dreck halt etwas sauberer...
Und ab und zu ist Föhn...
Ach ja, kopier ein paar Eisenbalkons, eine Straßenlaterne und eine französische Inschrift rein, dann ist das die romantische Melancholie von Paris.
Und ab und zu ist Föhn...
Ach ja, kopier ein paar Eisenbalkons, eine Straßenlaterne und eine französische Inschrift rein, dann ist das die romantische Melancholie von Paris.
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avantgarde,
Dienstag, 13. Dezember 2005, 18:08
Aba an Straßenstrich
sowas hamma hier ned
Man könnte sein gesamtes Leben in der Münchner Innenstadt verbringen, ohne eine einzige Bordsteinschwalbe.
Eigentlich auch deprimierend.
Man könnte sein gesamtes Leben in der Münchner Innenstadt verbringen, ohne eine einzige Bordsteinschwalbe.
Eigentlich auch deprimierend.
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workingclasshero,
Dienstag, 13. Dezember 2005, 18:10
Aba draußen vor da großen Stadt
stehn die Nutten sich die Füße platt!
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avantgarde,
Dienstag, 13. Dezember 2005, 18:14
Ja draußen schon
Ich musste mal zum Langenscheidt-Verlag, der in der Pampa in unmittelbarer Umgebung diverser Rotlichhäuser stand (glaub die sind jetzt woanders)
Als ich dem Taxifahrer nur die Straße nannte, meinte der:
Wos, am Moang scho?
Als ich dem Taxifahrer nur die Straße nannte, meinte der:
Wos, am Moang scho?
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