Stadtflucht

Man muss nicht sagen, "driving home for christmas". Man könnte es auch als ritualisierte Stadtflucht auffassen. Und nur halb so unbeliebt, wie das in den Szenekneipen immer vorgetragen wird, mit all den Seufzern und den bösen Geschichten von den Altvorderen. Zumindest mal wieder jeden tag 2 warme Mahlzeiten. Das ist schon was, wenn man sonst als Praktikant in der Tanke nebenan die Powerriegel holt, Hauptsache Kalorien und ein kleiner Zuckerschock. Für 3, 4 Tage so leben, wie man das früher tat. Und den Moloch hinter sich lassen.



Mit dem Alter bleiben viele länger daheim, streifen durch die Zimmer der elterlichen Hauses und denken darüber nach, was sie mal damit machen sollen, wenn die Eltern in die Seniorenresidenz oder die frisch gekaufte Stadtwohnung wechseln. Und sie ertappen sich beim Lesen von Stellenanzeigen in der Provinz, nur mal so, interessehalber. Gehen durch die Gassen und entdecken Cafes, die es auch mit den Grossstädten aufnehmen können. Es liesse sich hier schon aushalten.

Und das ist dann der Moment, wo man ganz schnell zurück sollte in die Metropolen, denn sonst erwischt es einen auch noch mit der Sesshaftigkeit, den Umbauplänen und der Überlegung, dass man mit dem Internet ja praktisch überall arbeiten könnte. Die Befreiung des Wegziehens ist ein Big Bang, dass keiner glauben möchte, die dünnen Drahtseile könnten es überstanden haben und einen, noch jahrzehnte später langsam in Richtung der sauber geschnittenen Hecken und der holzgetäfelten Decken ziehen.

Samstag, 24. Dezember 2005, 11:40, von donalphons | |comment

 
Da möchte ich mich mal als Experte melden:

Aus der Grossstadt in die Provinz ziehen, muss nicht zwangsläufig bei "sauber geschnittenen Hecken und der holzgetäfelten Decken" enden. Und: Mit dem Internet kann man wirklich praktisch überall arbeiten, ein DSL-Anschluss im Haus und eine Autobahn, einen Bahnhof und einen Flughafen in halbwegs erreichbarer Nähe.

Ich nehme die obigen Zeilen mal als Lob auf die Provinz.

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Nicht wirklich - ich bin ja auch so ein Provinzspezialist, und beides hat so seine mindestens zwei Seiten. ich muss da gleich was bloggen, was gerade passiert ist... da möchte man am Liebsten gleich wieder fliehen, weil das Internet vielleicht weit, aber die Hirne so unsagbar vernagelt sind, gerade in der "besseren Gesellschaft" mit ihren Kackelöfen und den Beziehungsgeflechten, dem Getratsche und all dem Aufeinandersitzen. Ohne Fluchtmöglichkeit.

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Man muss "Heimatprovinz" von "Fremdprovinz" unterscheiden. Wo die Eltern wohnen und man aufgewachsen ist, repräsentiert man zwangsläufig auch "la familia" mit allen sozialen Netzwerken und Kontrollmechanismen - inkl. Tratsch und Klatsch. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es dagegen was anderes ist, in die Fremde zu ziehen, quasi ohne Vorgeschichte. Da hat man selber es in der Hand, wie man seine sozialen Kontakte auswählt und auch wieviel soziale Kontakte man zulässt. Man ist niemanden per Tradition verpflichtet. Die Kleinstadt in der ich aufgewachsen bin, hat mich seit fast 20 Jahren nicht mehr gesehen, denn da empfinde ich auch das von dir beschriebene.

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"seit fast 20 Jahren nicht mehr gesehen" Ups, so schlimm ist es hier ja nicht, dazu ist die Stadt dann doch wieder zu gross und gezwungenermassen mit ihren Global Players zu fortschrittlich. Allerdings war ich als Student auch über Monate in 500-Seelen-Käffern stationiert, und die Integration ging schnell - aber auch heftig, mit allem drum und dran. Wie es halt mal so ist, wenn man die Vorfahren der Leute ausbuddelt. Mir war das definitiv zu viel, in gewisser Weise schlimmer als daheim.

Und Internet gab es damals auch noch nicht.

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na ja - ich denke mal internet gabs da schon - Du hast ja wohl nicht in den 70er oder fuer ganz Penible in den 60er Jahren studiert* - sonst haetten wir hier ja wohl bald kompett das Rentnerblog ;-).

Wie dem auch sei - gruendet man selbst eine Familie sollte der Weihnachtsbaum eh' im eigenen Haus stehen - insofern waechst sich das Problem mit dem feiertaeglichen hin und her ganz einfach aus ... und Provinz ist (dann) ueberall.

* ... ihr seid bei eurem sozioarchaeologischengermanistenkram ja auch immer so pingelig ...

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gruendet man selbst eine Familie sollte der Weihnachtsbaum eh' im eigenen Haus stehen

Besser kann man es am 24.12. nicht formulieren.

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Ich muss noch schnell Kondome kaufen gehen, glaub ich.

Und in Petting Anno 92 gab es wirklich kein Internet, glaub mir. Vielleicht gibt es da noch immer nichts dergleichen, zumindest die Website sieht so aus, als wäre sie seit ihrer erzwungenen Einrichtung 1999 nicht mehr erneuert worden.

in petting gibt es übrigens nur 2 politische gruppierungen: die csu und die freien wähler.

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... noe is' falsch - 92' gabs locker schon internet, ich bin anno 93' ans Kernforschungsanlage Juelich gespuelt worden (heisst jetzt nur noch Forschungszentrum und Raider heisst jetzt TWIX) und da hatten die Scientisten da alle schon seit ewig und drei Tagen EMail adressen ....

(fuer den dritten Bildungsweg: www != internet)

Nachsatz: Hoppla Petting - ja nee dann is alles klar - haben die denn jetzt dieses internet?

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Naja, wer in Petting lebt, kann sich wohl Pr0no-Downloads sparen - und braucht deshalb auch kein Internet.

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Ich habe mit meiner nun Frau 1992 schon e-mails ausgetauscht. Wobei die auch schon mal 2-3 Stunden gebraucht haben, zwischen Gelsenkirchen und Hannover.

Zur Parteienlandschft in Gemeinden wie Petting:

http://business.blogger.de/stories/301758/

Man sollte von der Zahl der Parteien nicht vorschnell auf die Zahl der Meinungen schliessen.

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Webarchäologie
Und ich habe 1990 einen Antifa-Newsticker bezogen und nur so zum Spaß, Jülich lässt grüßen, die Konstruktionsdaten eines Lenkwaffenschlachtkreuzers der Kirow-Klasse aus dem Web gefischt :-)

Das Internet ist sukzessive im Verlauf der 80er durch Verzahnunh von Arpanet, Usenet und NFF-Net entstandenm, seit der Abschaltung des Arpanet 1990 spricht man vom www bz. Internet im heutigen Sinne.
Übrigens: Queen Elizabeth mailte schon 1976!

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Hallo, hier sprechen die Veteranen ;-)

1994 erster Website-Fremdauftrag von der GMD (StauGustin), da lief noch alles irgendwie übers CERN, was in D-Land Internet hieß. Und 'echtes' Internet gab's per Uni (wenn auch nicht als Student, das hatte ich da schon laange hinter mir...) schon 1988 - Stichwort auch 'The Well'.
Davor Mails per Compuserve (7. User im deutschen CS!), BBSse, Online-MUDs (streng textbasiert). Davor good, ol' BTX, anno 1983 per Telefon mit Display (Testbetrieb in Düsseldorf ab Mai 83, glaub ich, hatte den vierten offiziellen Anschluss).

Genuch anjejeben.

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Maenner! Ich bin stolz auf euch - echte Veteranen ...
Hier wird noch im Stehen programmiert, so muss es sein.

Frohe Weihnachten -

ESC : q!

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BBS gilt nicht, war ja kein Internet. Ich habe mir schon vorher über Fido am usenet teilgenommen. Mit 1200 baud (Datatronics Discovery) und immer ein wenig Angst vor dem "Gilb" (Post). Die Telefonrechnungen im Institut waren gigantisch.

Das Jahresende ist genau die richtige Zeit, sich an Vergangenes zu erinnern und Peilung auf das Zukünftige zu nehmen. Frohe Weihnachten.

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@ oberbayern
Petting ist doch toll. Traunstein auch. Habe 22 Jahre in der Stadt gelebt und bin dann in die "Provinz" gezogen. Könnte mir gut vorstellen, nahe Traunstein zu leben. Nur jobmäßig sieht´s nicht so prickelnd aus, denke ich. Hmmm, ´ma gucken.

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Veteranenstolz
PROGRAM eingabe
IMPLICIT NONE

CHARACTER::zeichen

WRITE(*,*) 'Willkommen bei Fortran!'
READ (*,*) zeichen !liest die Variable char von der Tastatur ein
WRITE(*,*) 'Dieses Programm läuft auf einem V200"',zeichen

END PROGRAM eingabe

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Ururopa erzählt vom 1870er Krieg, bei Sedan.

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che Du Weichei - das sieht mir fast schon nach fortran90 aus ;-)

ich erinnere mich einfach immer schlechter ...

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Wir nähern uns rapide dem Webneanderthal.

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Mais alors c'est Kinderkram
1983 war es, ich studierte in Frankreich, und PTT (heute France Telecom) stellte mir kostenlos! einen Minitel-Terminal in die Dachstube.

Those were the days my friends.

Minitel war sauteuer (jedenfalls alles was Spass machte), aber es gab schon den Cybersex der "Messageries roses" ("Tapez 3615") und das nette war, dass viele Mädels sich auch ins Café einladen ließen usw... Fronkreisch halt.

Und dann kam der Job bei einem chaotischen Radio Libre und unbegrenzter kostenloser Zugang zu Minitel, der dann leider nach ein paar Monaten endete, weil der Radio einen Lokalpolitiker der Korruption beschuldigte und der nicht zurücktrat, sondern die CRS die Radiostation auseinandernehmen ließ... Tränengas, Blessuren, Zerstörte Mintel-Terminals...

Ah souvenirs souvenirs...

Minitel war schon cool, beinahe hätten die Franzosen wegen Minitel das Internet sausen lassen, das war ihnen eh zu amerikanisch.

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3615 FIFI ...
... also ehrlich minitel hat ja nun mal eher nix mit internet zu tun, da koennte man ja auch auf irgendwelchen hirnausgeschabten BTX Aktivitaeten verweisen. (Schon allein diese endhaesslichen braunen Minitel Kruschtkistchen mit dem Minischrumpel Monitoerchen und dem PixiPoxy Claivier... was ist denn daran jetzt cool?)

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Der Franzmann
hatte auch schon zu DOS-Zeiten das DTP-System "Journaliste", das in etwa die Funktionen von Word, Photoshop und Quark zusammenfasste, sich außerhalb der Grande Nation aber nie durchsetzte.

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