Winternichtreise

Allein schon das Aufstehen. Ich habe Dachflächenfenster. Nicht, dass das innen besonders auffallen würde, denn das Dach ist, typisch für die Renaissancearchitektur nördlich der Alpen, mittelalterlich steil. Aber es reicht, dass der Schnee auf den Fenstern liegen bleibt. Was bei meinem ohnehin an der amerikanischen Ostküste orientierten Tagesablauf die fatale Folge hat, dass ich mich angesichts der herrschenden Dunkelheit um 9 Uhr mit gefühlten 6.30 Uhr eher nochmal zum weiterschlafen umdrehe, statt aufzustehen und etas Sinnvolles zu tun.



Schliesslich meint es das ausbleibende Schneechaos gut mit der Provinz, es liegt gerade mal so viel von dem Zeug rum, dass es schön in der Sonne funkelt, beim Schneeräumen aber nicht in Arbeit ausartet. Die Stadt ist voller zufriedener Leute beim shoppen, die über Handy ausdiskutieren, wo sie sich nachher beim Essen treffen und sich gegenseitig die quengelnde Brut präsentieren. Die übrigens ein guter Grund sind, warum ich hoffe, dass gewisse Schichten hier nie auf die Idee kommen, ihr Leben und den nach etlichen Studien- und Berufsfehlversuchen biologisch erfickten Lebenssinn als Blog ins Netz zu klatschen.

Reicht schon, wenn sie einem im Cafe das Zeitungslesen versauen. "Aktionärs-Club «Goya» beginnt mit Anlaufschwierigkeiten", lese ich eine Agenturmeldung, da feixt die Provinz und bestellt sich noch schnell einen Prosecco. Nur 39 Menschen sind dieses Jahr im Verkehr ums Leben gekommen, da hatte ich wohl Pech, dass ich drei davon kannte. Der Bürgermeister des nächsten Dreckskaffs beschwert sich in einer pflichtschuldigst abgedruckten Pressemitteilung, dass die DSL-Versorgung "wie in einem Entwicklungsland" sei - in fact hätte ich gedacht, dass Bayern jenseits der paar grossen Städte immer Entwicklungsland ist. Vermutlich steckt die CSU dahinter, wer will hier schon Pluralität und Meinungsfreiheit, die sollen am Sonntag in die Kirche, das reicht dann an Kommentaren. Zur Bibel natürlich, was denn sonst, der Trend zum Zweitbuch ist hier nicht zu bemerken.

Weitere Top-Meldungen des Tages:
Beilngries - Starke Buchen an Steilhängen und Vorbildfunktion
Ah ja. So so.
Hilpoltstein - Fernseher und Spielkonsole rauben Kreativität
Wer Hilpoltstein kennt, muss sich wundern. Ich kannte mal eine von dort, das war der grösste Dallasfan der Schule mit passender Frisur, und ihr Paps, damals hohen Viech in der örtlichen CSU, holte sie mit einem Dallas-Mercedes-SL an der Schule ab. Sie nannte sich Mary-Lou statt Maria. Wenn das mit der Kreativität den Hilpoltsteinern erst jetzt auffällt, dann sind die in etwa die Kleintierzucht-Checker, für die man sie gemeinhin hier in der Provinzstadt hält.
Neuburg - Schüler bekommen Durchfall nach Döner
Das bestätigt hierzulande natürlich alle Vorurteile gegen Islamisten, Frau Osthoff, den Türken als solchen und seinem Frass im Besonderen, und die Kuh in dem Döner war ganz sicher keine bayerische, eh klar. Die braunen Puppen müssen Neuburger sein, vielleicht machen sie ja dort das prowestliche Neoconnardtreffen 2006.

Ruhig fliessen so die Tage in der Provinz dahin, das Weltbild stimmt, das Geld stimmt auch, mia homs jo, und ich stelle beim Blick ins Internet fest, dass in Mantua momentan auch nur 5 bis 7 Grad zu erwarten sind. Dann bleibe ich eben da.

Donnerstag, 29. Dezember 2005, 14:46, von donalphons | |comment

 
Ich hab ja nix gegen Vereinsmeier, aber Comic Sans MS? Muß das denn sein?

... link  

 
Ach, das ist durchaus beliebt bei Vereinen in der Provinz - man mag sich gar nicht vostellen, was es da so alles gibt... gegen manche historische Unbedarftheit erscheint Comic Sans noch nett.

... link  


... comment
 
...
cute.. Beilgries immer Hochwasser im Frühling, Hilpoltstein, meine Autobahnausfahrt, wenn ich zu meinen Eltern an Weihnachten fahre, Regensburg habe ich Zivildienst gemacht, und nun, nun habe ich Pest gegen Cholera gewechselt.
btw: Neumarkt, OB geht nach Berlin (wollte gehen, so wie auch der MPräsident), und was machen die Neumarkter? Sie wählen schwuppsdiwupps ein völlig unbeschriebenes Blatt zum neuen Bürgermeister. Oder, Zeitungsbericht in NM: verh. OB wird wegen seiner Virilität (Krankenschwester) gelobt und revangiert sich mit Weihnachtswünschen (Freunde: beste Wünsche, Feinde: "Tage der Besinnlichkeit").
Komische Völkchen, sorgen aber manchmal für Überraschungen.. betses Unterhaltungsprogramm (siehe Dallas) ;)

... link  

 
Öps, ja, Stuttgart, ich sehe. Hat nur den Vorteil, dass man die Leute dort nicht versteht, was in Mittelfranken anderscht ist - ein Teil meiner Familie wurde da ein paar Jahrhunderte zwangsfestgehalten, ich kann die Sprache immer noch verstehen. Sagt jemand Bechtal was?

... link  


... comment
 
Winter-Blues, halt.

Schönes Bild.

... link  

 
Entwicklungsland
Ja sicher. Zwischen Passau und Regensburg liegt Bayerisch Kongo, das Sepplland hmm Oberland war früher mal Hintergrund für Schwänke im volkstümlichen Theater, bei denen sich Restdeutschland (einschließlich der Münchner) über die Oberländler schlapp lachte. Aber das gibt es noch anderswo, z.B. Badisch Sibirien, Ostfriesland, die Grafschaft Bentheim, und was der Göttinger über Harzer Roller denkt, ist in diesem Naherholungsgebiet sicher nicht aussprachefähig.
Und zwischen Hannover und Bremen tragen sie bis heute gekreuzte Pferdeköpfe an der Stirn :-)

... link  

 
Nicht nur an der Stirn. ;-) Wenn das Wetter es zulässt, kommen 2 Paar gekreuzte Pferdeköppe an unsere Scheune.

... link  


... comment