Tom Kummer und sein Manifest

Tom Kummer, der Mann, für den der Begriff Borderline in den deutschen Journalismus eingeführt wurde, der Inbegriff des Bösen, der Fälscher, der Andere, der Rebell, das Opfer, das für alle anderen Lügner in jedem Proseminar ans Kreuz geschlagen wird, manifestiert sich:

Der einzige Sinn und Nutzen journalistischen Kommunizierens kann heute also nur darin liegen, verschiedene Wirklichkeitsentwürfe zu produzieren.

Kummer hat die Grösse, die ich bei allen anderen Texten zum Internet und dem, was gerade passiert, vergeblich suche.

Dienstag, 31. Januar 2006, 15:04, von donalphons | |comment

 
Für einen Sozialwissenschaftler ist diese Erkenntnis nicht weltbewegend und eigentlich altbekannt.

Für Journalisten muss es nach Ketzerei klingen.

Und die Kommunikationswissenschaftler sollen mal wieder mehr ihre Theoretiker lesen und nicht so sehr Steigbügelhalter der Journalisten sein.

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Das einzig Wünschenswerte bleibt doch die Hoffnung, dass auch weiterhin verschiedenste journalistische Weltsichten lesbar sein werden, egal wie kontrovers.

Wie viel ärmer und beunruhigender wäre die Vorstellung einer einhellig nach außen getragenen Meinung aller bezüglich sämtlicher Punkte?

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"Verschiedenste journalistische Weltsichten" sind aber das genaue Gegenteil dessen, was man als Journalist so lernt und praktiziert. Das fängt mit der Form an und endet bei den wirtschaftlichen Zwängen. Abgesehen davon sind Medien eher feige und versuchen, immer den abgesicherten Weg zu gehen, immer nur dort, wo andere schon sind und es Erfolg verspricht, und kosten darf es auch nichts.

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Ein schönes Beispiel war für mich das Osthoff-Interview im ZDF. Die Moderatorin/Journalistin hat sich sichtlich unwohl gefühlt in der Rolle, den Wirklichkeitsentwurf von der Interviewten zu erklären und zu vermitteln. Und das bei einem Interview, der Königsdisziplin des objektiven Journalismus.

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Dass die Praxis dem Wunschdenken selten Platz in der Teetasse lässt, steht ja auf einem völlig anderen Blatt. Allzu oft zwängt ein filziges System aus wirtschaftlichen Verflechtungen und Abhängigkeiten sowie hierarchisch legitimierten, risikoscheuen Kurzsichtigen mit Meinungen, die so differenziert sind wie der Geschmack von Hela-Ketchup, die meritorische Vielfalt in eine bewegungsfreie Zwangsjacke.

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Was die Konformität der Medien angeht, bin ich d'accord. Auch mit der Innovationsfähigkeit ist es nicht weit her. Das ist die große Chance der Blogs und des JeKaMi-Publizierens im Internet. Da die Zukunft der Medien ganz klar im Web liegt, wird das ein lustiges Spiel werden die nächsten Jahre.

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Lustig ist ein relativer Begriff... die Medien haben absolut keine Lust zu spielen, bei einem Spiel, bei dem sie bestenfalls nicht verlieren können.

Aber noch was anderes: Ich muss natürlich anmerken, dass ich Kummers Vorstellungen nicht teile, sobald es um harte Fakten geht. Die gesamte New Economy-Berichterstattung war ohne jede Frage irgendwo zwischen Borderline und Psychiatrie anzusiedeln, all die Gründergeschichten und Big Deals und PR-Statements, nur gibt es einen Unterschies zwischen Fiktionalität und banalem Verbrechen am Leser. Insofern achte ich Kummer weitaus höher als die gesamte Besatzung des manager magazins und der ftd.

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Das Wahrheitsministerium spricht
In Schlöndorffs Film "Die Fälschung" wurde das Thema noch viel gnadenloser auf den Punkt gebracht: Da erschossen libanesische Milizen Passanten, damit die Journalisten was zum Fotografieren hatten. Ein RTL-Team hatte 1991 sogar Skinheads dafür bezahlt, dass sie ein Asylbewerberwohnheim anzündeten. Ansonsten: Welche Realität, Papa? Schau Dir Rashomon an und sag dann was über Objektivität.

Ansonsten bin ich natürlich wie stets der Meinung, dass Tempo überbewertet wird. Ein Vorgängermagazin für Max, Men´s Health, Esquire und wie sie alle heißen, der erfolgreiche Versuch, etwas in der Art des Berliner Stadtmagazins Tip so hochglänzend zu machen wie den Playboy und das Ganze nicht auf eine Stadt bezogen, sondern deutschlandweit. Halt das, was man auf dem Klo so liest.

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Wenn man den guten Markus P. vom alten "Tempo" noch kennt, dann weiss man, was variable Wirklichkeitsentwürfe sind. Go, Markus Go, those were the Days !

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"Der einzige Sinn und Nutzen journalistischen Kommunizierens kann heute also nur darin liegen, verschiedene Wirklichkeitsentwürfe zu produzieren."

dann war der hier
http://karlmay.leo.org/kmg/primlit/bio/leben/inhalt.htm
der allergrösste, auch und gerade hinsichtlich sinngeben und nutzenspenden.

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Ich weiss nicht, ob ich Kummer zu 100% übernehmen würde.

Aber seine Analyse enthält sehr viel Wahres und die Schlussfolgerungen stossen eine Debatte an, die es sich zu führen lohnt.

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und
was ist mit dem da?

http://ww w.stern.de/lifestyle/leute/556820.html?nv=ma_ct

frau noelle-neumann, 89, zwei ehemänner überlebt, gibt einem herrn wirtz (??) vom stern (!!) ein interview, das bislang ungeahnte erkenntnisse vermittelt:


"Zu Bundeskanzler Kohl hatten Sie ein besonderes Verhältnis. Sehen Sie sich heute noch?
Wann immer ich ihn sehen will. Unser Verhältnis ist sehr herzlich. Wissen Sie, warum ich ihn so schätze? Er prognostiziert ganz fabelhaft, sieht die Dinge voraus. In unserem Institut spielen wir ein demoskopisches Toto. Die Mitarbeiter tippen auf Ergebnisse laufender Umfragen. Kohl hat jahrelang mitgespielt - und immer, immer gewonnen! "

würde mir stinken, wenn der saumagenfriedhof besser wäre als ich mitsamt meinem ganzen institut.


"Ihrem Institut erging es bei der letzten Bundestagswahl nicht so gut. Sie lagen - wie alle - ziemlich daneben. Woran lag's?
Nun, ich war diesmal nicht beteiligt."

so ist das. kaum ist die alte weg, gehts drunter und drüber.


"Ihr erstaunliches Selbstbewusstsein ...
... hat selbst Paul Kirchhof bewundert. Ich will Ihnen erklären, woher es kommt: von Engeln, die mich im Alter von fünf Jahren des Nachts besucht haben - ein gleißendes Licht, ein ungeheurer Kraftquell. "

da was axel cäsar springer ein ganz anderer. der hielt sich gleich für gottes sohn, brauchte den umweg über engel licht und kraft (elikraft) nicht.


"Mit Verlaub, wie erklären Sie als rationale Wissenschaftlerin diesen Glauben?
Gar nicht. Rechtfertigungen sind das Letzte, was mir einfiele! Ich glaube an Fügung und glückliche Zahlen - meine ist die 19 -, an Engel und Astrologie. Ein Ufo habe ich auch bereits gesichtet. Es ist nicht gut, das Leben nur rational zu leben. Man kann ruhig einiges an Irrationalem zulassen. "

guck, guck, i hon a ufo gsäa, wenn das wolle kriwanek wüsste.

haben die beim stern eigentlich niemand, der die texte vor veröffentlichung liest? oder geht es dort nicht nach schönheit oder alter, sondern nach verdienst?

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