Confessio

Heute vor 5 Jahren krachte just another Startup zusammen, mit meiner Beteiligung. Kein Grund, ein schlechtes Gefühl zu haben. Die hatten alles getan, was man nicht tun sollte, die VCs hatten schon vor einem halben Jahr den Stecker gezogen, und so schmierten sie ab, ohne Geld und die Chance, frischen Saft mit ihrem Shift2B2B zu bekommen. Es hatte sich mittlerweile rumgesprochen, dass die Idee, das Team, die Leute, ihre angeheuerten Freunde und was auch immer nicht taugte. Schon im Jahr davor, auf einer Tagung in einem Hotel, hatte ein Investor sie in seinem Portfolio auf 0 wertberichtigt. Ich hatte nur noch den Putzjob: Zusammenfassen, erklären, das Ding halbwegs gut aussehen lassen, Asets bewerten, einen Blöden finden, der glaubt, mit der Quintessenz von 2 Jahren Bullshit Bingo ein Geschäft zu machen. Und zur nächsten abstürzenden Firma weiterzutingeln. Those are the great times, von denen manche heute wieder schwärmen. Und das Peverse ist - obwohl klar war, dass es nicht gut gehen würde, für keinen, auch für uns nicht, feierten wir an diesem Abend, in einem Lokal, von dem die Öffentlichkeit erst jetzt erstaunt zur Kenntnis genommen hat, dass es dort Kokain gab. Nein, was für eine Überraschung. Das hätte ihnen eine Kollegin schon früher erzählen können, nehme ich an. Fragen kann ich sie nicht mehr, sie hatte später ein noch schlechteres Ende als die meisten der damaligen Startupper.

Damals hätten wir die Frage, was in fünf Jahren sein wird, komisch gefunden. Keiner wusste, was nächste Woche sein würde, welcher Konflikt, welcher neue Irrsinn uns irgendwo anspülen würde, um zu retten, was nicht mehr zu retten war. Um diese Zeit herum fing ich an, meine Auftraggeber und ihre Freunde bei Dotcomtod zu verraten, einfach um den Druck wegzubekommen. 5 Jahre? Wer weiss.



Heute weiss ich es. 5 Jahre später streiche ich Bretter für meine Bibliothek, am Nordrand der nicht mehr existenten greater Munich Area. Ich falle nicht mehr oft in den Consultant Slang zurück, es gibt hier kaum Möglichkeiten dazu. Ich habe auch nicht mehr viel mit Berlin Mitte zu tun, mit dem Kanzleramt und Ministerien, wo ich nur noch wenige kenne. Ich streiche Bretter für meine Bibliothek, ich schreibe an einem Sammelband über Weblogs des ZKM, die Sonne scheint, es geht mir gut.

Auch wenn ich weiss, dass eine andere Geschichte aus der Zeit vor fünf Jahren gerade, in anderem Gewand, gerade gar nicht gut läuft. Und wahrscheinlich mitliest. So ist das, Prinzessin. Ob ich dabei bin, ob jemand anderes die Reports schreibt, spielt keine Rolle. Die einzige Rolle, die wichtig ist, ist in meiner Hand und träufelt Nussbraun auf Kieferbretter.

Freitag, 21. April 2006, 17:37, von donalphons | |comment

 
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»einem Sammelband über Weblogs des ZKM« sounds interesting. Gibts dazu mehr Informationen, oder ist das in der Planung/Mache?

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Das ZKM bereitet die letztjährige Tagung auf, und ich steuere einen etwas unwissenschaftlichen Beitrag über das Bloggen bei.

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Aha
wäre ja nett, wenn dabei ein kleines Büchlein entstehen würde. Ich mag die Bücher, die es dort im Shop zu kaufen gibt.

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Ich habe damals das Gleiche mitgemacht, anderswo, und die Leute fragten mich "Du? Als Wissenschaftler? Wie kommst Du dazu?". Nun, vielleicht war es eine Art Feldforschung, ich hatte die Rückfahrkarte noch nicht weggeworfen. Ich war auf der gleiche Party wie Don, aber ich sah sie aus einer völlig anderen Perspektive. Erst nachdem wir uns trafen, wusste ich, was für ein Massel wir gehabt hatten.


Heute ist das so weit von mir entfernt wie meine Kindheit, und doch jederzeit en detail abrufbar.

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