Der Adapter

Im Allgemeinen ist es früher so gewesen: Vor jedem Urlaub hat uns Frau Mama angerufen und ist die Checkliste durchgegangen: Pflaster, Reisetabletten, Schere, Nadel und Faden, Adapter, Küchenmesser, Fön... damals haben wir zu solchen Anlässen oft die Familienkutsche genommen. Heutre brauchen wir das nicht mehr, weil in unseren Roadster sowieso nichts hineinpasst und Reduktion das Gebot der Stunde ist. Aber Mutter ruft uns auch mit der Checkliste nicht mehr an, wir sind ja alt genug, nur nicht überholen und nicht schneller als 120, das gibt sie uns mit auf den Weg.

Und wenn wir dann ankommen, ist ohnehin alles vor Ort, Handtücher, Fön, das alles stellt das Hotel, auch Steckdosen gibt es an jeder Ecke - nur sind es schlanke italinische Steckdosen. In die die fetten deutschen Stecker der deutschen Netzteile nicht passen. "Akku vor der Reise aufladen" wäre einer der Ratschläge gewesen, um den wir Muttern dankbar gewesen wären, aber die Vorstellung, dass man einen Laptop in den Urlaub mitnimmt, erscheint ihr so abwegig wie uns Nadel und Faden. Wir können nicht nähen, sie kann den Rechner nicht einschalten. Ausgleichende Gerechtigkeit, bis auf den Umstand, dass wir mit einem völlig leeren Dell und einem fast leeren IBM vor drei obskuren Löchern in der Wand sitzen.

Nun ist Norditalien nicht die Sahelzone und Adapter durchaus zu beschaffen. Normalerweise würden wir den nächsten Elektrohändler aufsuchen, aber wenn wir zum Fenster rausschauen, sehen wir das.



Von Campagnola aus sind es nur 4 Kilometer nach Malcesine mit dem nächsten grösseren Laden, der auf Vergessliche wie uns wartet. Aber zufälig sind wir nicht nur in einer der schönsten Ecken der Welt, wir haben auch Richtung Norden, nach Riva, eine der schönsten Strassen der Welt. Das ist kein Mehrweg, das ist mehr Genuss. In Torbole, bei einem Campingshop, finden wir den Adapter, und haben beim Bezahlen den Gesichtsausdruck eines Heroinkonsumenten, der nach drei Tagen endlich ein Besteck in die Hand bekommt. Während man sonst auf der Gardesana um sein Leben rennen muss, um über die Strasse zu kommen, geleitet uns hier ein Vertreter der Policia Minicipale über den Zebrastreifen auf dem Weg zum Parkplatz. Vor ihm bleiben die Raser respektvoll stehen. Er begleitet uns auch zur Kurzparkzone und schreibt andere auf, die nicht so schnell waren. Ein paraktisches Volk, die Italiener. Touristen beim Weg über die Strassen retten, damit sie nachher das Ticket zahlen können. Tote Deutsche zahlen keine Tickets.

Wir waren schnell wieder da, haben uns die 30 Euro gespart und beschliessen, sie nach nicht ganz alter Väter Sitte auf den Kopf zu hauen. Gleich hinter Torbole geht es in das Sacratal nach Arco und Dro, eine reizvolle Strecke zwischen hoch aufragenden Felsen. Nach 8 Kilometern ist auf der linken Seite ein Ort, den zu besuchen bei den Urlauben mit unseren Eltern wir nie umhinkonnten: Der berüchtigte Supermarket della Calzatura.



Berüchtigt, weil... Es ist so: Wer wie wir Problemfüsse hat, kann in Deutschland lang und ergebnislos nach schönen Schuhen suchen. Die Zeiten, als es noch Grössen wie 44 1/2 gab, sind selbst bei besseren Firmen lange vorbei. Hier findet man sie noch. Und wenn wir mit unseren Eltern hier durchkamen und neben den Weinflaschen unseres Vaters und der Öl- und Essigflaschen unserer Mutter - wir erinnern uns, es war in den 70er und frühen 80er Jahren, da gab es selbst in mittelgrossen Städten kein Olio extra Vergine und keinen Wein aus den Colli Eogani - noch Platz war, dann hielten wir hier an. Hier bekam man einen halben Kofferraum italinischer Schuhe für den selben Betrag, den man in München für zwei Paar Bally-Schuhe, damals der Gipfel der Extravaganz, ausgeben musste. Das Benehmens des Nachwuchses deiner Eltern war kaum vornehmer als das der deutschen Horden beim Sacco di Roma.

In den Kofferraum des Roadsters passen keine zwei Tragl Bier - oder, für mitlesende Elitessen Mineralwaser - und deshalb sind wir diesmal bescheiden. So bescheiden man eben sein kann, wenn man beim Auspacken am Vorabend festgestellt hat, dass man von Muttern täglich frische Socken bekam, in zweifacher Ausfertigung, hell für den Tag und dunkel für den Abend, aber selbst keinerlei Schuhe eingepackt hat. So ist das, wenn sich unsere Mutter nicht um alles kümmert, hören wir sie im Geiste sagen. Wir kaufen ein zwei paar klassische Halfbrokes, eines in braun und eines in schwarz. Wir finden die spitzen hellbraunen Schuhe fragwürdig, die in dieser Art sicher vom geschassten Premier Berlusconi getragen wurden, als er noch auf zweitklassigen Kreuzfahrtschiffen in der Touristenklasse mit seiner goldenen Zunge alte Weiber aus Travemünde und Bad Oynhausen für 2.000 Lire gele als Sänger tätig war. Andererseits, es ist Italien, der Wagen ist sowieso schon überfüllt, also, was soll´s. Wir setzen uns in den Roadster und fahren diesmal nicht nach Torbole, sondern einen der schönsten Umwege der Welt:



Nach Riva. Unter dem dünnen Leder unserer neuen Schuhe des jungen Sivio Berlusconi fühlen wir das Gaspedal vibrieren. 15 Kilometer den See hinunter, warten zwei hungrige Notebooks, aber uns ist das jetzt egal. Wenn wir dort sind, werden wir etwas schreiben, auf unserer kleinen Privatterasse mit Blick zum See, einen leichten Hauch der beginnenden Ora um uns, um die mittagliche Hitze zu vertreiben. Neben uns schläft eine Hauskatze auf dem weissen Kalkstein. Wir trinken aus der mitgebrachten Silberkanne ein Glas Tee. Das Leben ist schön.

Sonntag, 14. Mai 2006, 00:54, von donalphons | |comment

 
Ohje!
Ich weiß nicht was die alten Weiber aus Travemünde mit denen aus meinem Heimatort zu tun haben, aber letzterer wird "Bad Oeynhausen" geschrieben ... und da sind wir Oeynhausener pingelig!

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Mutetr sollte malö sagen "Junge kauf Dir ein geräumigeres Auto, wo Schuhe und Adapter reinpassen"

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Ich habe es nicht gekauft, ich habe es geschenkt bekommen. Ich musste es quasi nehmen.

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