: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 20. Mai 2006

Öffentliche Gemeinmachung

He, Ihr Dreckspinscher aus der Wirres-Umfeld, Ihr stinkenden Kanalratten, Ihr Kommetarschleim, ich, Don Alphonso Porcamadonna, trete vor Euch hin und sage es nochmal:

Seit Jahren lassen Sie keine Gelegenheit aus, sich zu einer Art Speerspitze der Erneuerung aufzuplustern, empören sich über dieses und mäkeln an jenem – stets vom hohen moralischen Ross herab natürlich – nur um wie eine billige Straßennutte sofort die Beine breit zu machen, sobald einer mit ein paar Scheinen wedelt. Die Speerspitze der Verblödung sind Sie, dem Volldepp seine Vorhut, nur damit das mal klar wäre. Und bleiben Sie mir bloß vom Leib von wegen »ich darf ja schreiben was ich will«, den Spruch können Sie meinetwegen in Ihr Vesperbrettchen gravieren. »Korruption hat viele Gesichter« empfehle ich für die Rückseite – falls Sie ein ganz besonders widerwärtiges sehen möchten, schauen Sie einfach in Ihren Taschenspiegel.

Hintergrund hier.

Und noch etwas füge ich hinzu, Ihr Büttelpack gewisser Männer, deren Ehre ich hier nicht zu beflecken gedenke, denn ich weiss, dass sie nicht so sind wie Ihr, ich spucke es in Eure Fressen:

Ich habe nichts gegen billige Strassennutten, sie sind ein Teil des Geschäfts, so ist der Markt, so ist das Leben. Ich habe nichts gegen Leistung und Tarif, es muss den Käuflichen geben und den Käufer und den, der es sich leisten kann, nicht seine Haut zum Markte zu tragen. Jeder hat seinen Grund, jeder hat sein Recht zu existieren. Ich habe aber etwas gegen den Mob, der sich aufstacheln lässt zum besten des Freiers der Nutte, um den auszuforschen, zu belästigen und letztlich mundtot zu machen, der darauf hinweist, dass es Nutte und Freier gibt. Die Nutte macht ihr Geschäft, Ihr aber seid dumme Erfüllungsgehilfen, Ihr seid der Bodensatz, Ihr schmiert Euch selbst den Kot der PR-Arschkrampen auf Eure Fahnen, Ihr seid die unterste Stufe des Marketingapparats, der letzte Abtritt, der schon in der Kloake ist, Ihr tut alles umsonst für eine Firma, weil Ihr was gegen die freie Meinung eines anderen habt, der Euren Freunden die Wahrheit ins Gesicht geschleudert hat. Ihr seid noch nicht mal eine Nutte, Ihr seid ein öffentliches Loch, das sich von jedem dahergelaufenen PR-oleten zu jeder Zeit, zu jeder Gelegenheit rektal nehmen lässt, ihr würdet auch noch dafür zahlen, so, wie es vielleicht auch Eure Mütter getan haben, denn irgendwie muss es eine logische Erklärung für Eure Existenz geben*.

Da, wo Ihr seid, ist ganz unten. Das sage ich Euch hier und in aller Öffentlichkeit, und wenn Ihr einen letzten Funken Anstand habt, dann sagt Ihr Entschuldigung.

* Kann das mal bitte jemand auf Italienisch übersetzen? Das klingt sicher prima

Nachtrag für manche, die sich nicht so doll mit der Renaissance in Rom auskennen und Anspielungen und Formen nicht verstehen: Das hier ist ein Pasquillo, ein satirisches Pamphlet, in dem die kunstvolle Beleidigung bei Versicherung, dass gewisse Leute durchaus weiterhin als Ehrenmänner betrachtet werden, das Ziel ist. Gemeinhin wurde zu diesem Zweck die klassisch-unterwürfige Widmungsschrift der damaligen Buchproduktion verballhornt. Siehe auch Aretinos Einleitung zu den Kurtisanengesprächen, der sie seinem Affen widmet.

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Der Tag, als Don Alphonso starb

Für die grandiose M., mag den Lebensweg immer ein gutes Essen kreuzen

Mancher Leser wird sich schon gewundert haben: Der Don in Italien, und kein Wort über das Essen? Wie ist´s möglich? Ist er vielleicht schon tot, und ein anderer schreibt für ihn weiter? Oder noch schlimmer, entsagt er dem Genusse und kasteit sich für sein frevelndes Dasein? Was ist mit ihm geschehen, dass er uns zwar Kunst, ja sogar Unzucht präsentiert, aber nicht das Wohlleben?

Nun, das ganze Thema Essen ist so ein Ding in dieser Region: Es eignet sich mehr für eine grosse Abhandlung über Wollust und Vanitas, und das geht so. Nehmen wir an, in etwas mehr als 60 Jahren tritt der Tod auf Don Alphonso zu und spricht: Höre, Menschensohn, Dein Lebtag lang hast du andere geschmäht und beleidigt, du hast auf die Bloggräber der Süddeutschen, der Zeit und der Freundin gespuckt, beim virtuellen Stiefeln war es Dir egal, ob Dein Tritt die Zähne der Blumencrons, der Lückes oder eine Popa-Backe traf. Du hast gefressen, Du hast gefickt, wenn sich die Möglichkeit ergab, wählerisch warst Du wahrlich nicht, auch wenn manch edle Prinzessin Dein Lotterbett zierte. Kurz, Du hast Dich als wahrer Porcamadonna erwiesen, ein Fluch für Deine Feinde und viel Gelächter bei meiner Registraturenarbeit, und deshalb sage ich Dir jetzt: In drei Tagen wirst Du am Schlagfluss sterben, also gehe hin und mach was draus, oida Bazi.

Ich werde die Barchetta, die dann ein masslos teurer Oldtimer sein wird, aus der Garage holen, den Tank mit Benzin für 200 Merkeltaler pro Liter füllen, aber hey, ist doch auch egal, und vorbei an gaffendem Jungvolk über Landstrassen nach Italien brausen, München, Innsbruck, Brenner, Bozen, Trento, Gardesana, und nicht anhalten, bis ich diesen Platz erreiche:



Das ist der Hauptplatz der Kleinstadt Valeggio sul Mincio, zwischen dem Südende des Gardasees, Verona, Mantua und Brescia gelegen. Es gibt dort eine Burg und einen berühmten Park, aber das wird mir vollkommen egal sein. Denn ich komme, um hier zu sterben. Nicht irgendwie. Sondern so, wie es einem Porcamadonna gebührt. Und das beginnt damit, dass ich die Barchetta im Halteverbot auf diesem Platz abstelle, wo Kinder spielen und Omas in rosafarbenen Blusen die Einkäufe nach Hause tragen.



Gleich hinter dem Rathaus, rechts die Strasse runter am nächsten Eck, ist das Restaurant Boe d´Oro, zu bayerisch: Der Goldene Ochs. Hier begann die Freundschaft zwischen Valeggio und mir. Denn auch, wenn Valeggio ansonsten nur eine weitere hübsche Kleinstadt in einer reizenden, hügeligen Flusslandschaft ist, so hat es doch kulinarische Genüsse in einem Übermass zu bieten, dass man sich totfressen muss, um das alles in drei Tagen probiert zu haben. In diesem Restaurant begann die Leidenschaft schon beim Vorspeisenbuffet, gegen das die gesamte New Economy der Munich Area den letzten Dreck zu bieten hatte. Allein für die Vorspeisen wünscht man sich so viele Mägen wie ein Ochs. Das Boe d´Oro ist nicht umsonst bei Hochzeitsgesellschaften beliebt, und den Geschmack der Tortellini mit Kürbisfüllung, den werde ich nie vergessen. Und diese pikant-süsse Erinnerung werde ich an diesem Tag in 60+ Jahren auffrischen.



Danach gehe ich die Strasse hinunter zum Restaurant und Pastificio Castello, wo ich draussen mit dem Blick auf die Scaligerburg bestellen kann. Vor dem Nebenhaus wird auch dann hoffentlich eine Alte sitzen, die die Pasta gemacht hat, die es hier gibt. Mezzanine Verde mit Gorgonzola-Füllung zum Beispiel, passend zu den weiss-grün gestreiften Markisen. Mit Salbeibutter und frischem Brot, dazu - man will ja nicht krank sterben - einen grossen Salat der Saison mit obszön gereckten Blättern, zwischen denen es ölig schimmert. Ach, es sind die schlichten Genüsse, die wahre Grösse ausmachen - aber was liegt mir schon an Grösse?



Nichts mehr. Bald ist es vorbei, da gibt es keinen Ruf mehr zu verlieren, von dem ich noch etwas haben würde. Deshalb werde ich danach immer noch gierig weitergehen, und auf dem Weg zum nächsten Lokal bei dem Antiquitätenhändler mit seinen wunderbaren Empirestühlen und dem verschlissenen Beauharnais-Bezug hineinschauen. Die werde ich mir noch leisten, für die nächsten Tage, und biete ihm dafür und dem Barockspiegel und einen Haufen andere Sachen die Barchetta zum Tausch an. Das alles bitte in mein Hotel, ich residiere im Boe d´Oro, danke.



Dem ich aber zum nächsten Gang untreu wie die junge Gattin eines moralischen Esels werde: Risotto im Lepre, das zwischen den beiden Restaurants, seitlich am Rathaus liegt. Das Lepre - zu Deutsch Karnickel - ist ein klein wenig feiner als die anderen beiden Restaurants, aber ich hielt es zeitlebens mit dem Motto meiner Grosstante, dass die Welt vornehm zu Grunde gehen hat. Hier ist dann auch der Ort, an dem ich alle möglichen Süssspeisen durchprobieren werde, bis sich die Türen hinter den bequemen Stühlen und breiten Tischen schliessen und ich ins Hotel gehe.



Am nächsten Morgen halte ich mich erst gar nicht mit dem Frühstück auf, sondern falle bei Martini ein. Kuchen zum Frühstück gilt als Unsitte, deshalb nehme ich davor ein paar Fagottini. Die Fagottini sind hier eine Art Krapfen, nur mit sehr wenig Teig und sehr viel Aprikosenmarmelade, die hier übrigens selbst gemacht wird. Torten sind ja nicht so die Sache der Italiener, doch hier gibt es gleich drei Bäckereien, die ordentlichen österreichisch-bayerischen Standard produzieren. Ich werde mich durch das Angebot schlemmen, dabei den jungen Italienerinnen in den Ausschnitt starren und es ein wenig bedauern, dass ich keinen mehr hochkriege, und überhaupt viel zu wenig über Sex geschrieben habe, zum Marivaux wird der Nachruhm nimmer reichen, aber das Essen, das geht zum Glück noch.



Dann mache ich mich auf den Weg, um der Nachwelt zu gedenken, die bald ohne mich auskommen muss, und suche zu diesem Zweck die lokalen Pastificii auf. Re de Tortellini, was für ein Name! Es gibt derer Glücksmanufakturen mindestens vier, und ich werde ausrufen, dass es eine Schande ist, so viele Pastificii in diesem kleinen Flecken, und in meiner Provinzheimat, die sich Grossstadt nennt, nur einmal dergleichen auf dem Wochenmarkt! Ich werde die Nudeln roh durchprobieren und sagen, dass in fünf Tagen 2 Kilo hiervon und 3 Kilo von diesen und bitte auch gleich ein Kilo Sugo an meine Adresse zu liefern sind, ich zahle aber gleich für diese göttlichen Tortellini con Zucco, im Laden gleich gegenüber vom Re de Tortellini, wo ich die roten Fettucini kaufen werde..



Doch auch die letzten Tage werden nicht frei sein von Plag und Scherereien: Ich werde mich mit dem Problem konfrontiert sehen, dass die Lokale am Nachmittag geschlossen haben. Deshalb suche ich für den kleinen Hunger zwischendurch die Pizzeria L´Angelo auf. Die sieht zwar etwas, nun, sagen wir mal, innen blau und aussen braun aus, und weder die chinesischen Löwen noch die Bronzeplatte mit dem Papst sind wirklich hübsch, aber was die Donna und ihr Mann da machen... Gerade heute nahm ich eine als Novitá angepriesene Pizza con Verde al Taglia: Ein quadratischer Brocken, gross wie eine Bruchsteinplatte. Von der Seite sah die Füllung zwischen dem Teig nicht so dick aus, aber das lag nur am Schneiden, das die Füllung zusammendrückte. Spinat und Rucola waren überdeckt mit einer dicken, halbpfündigen Schicht Mascarpone und Ziegenkäse, was für ein Genuss, die Zunge zwischen den heissen Teig mit der Farbe und Konsistenz hellen, jungfräuliche Fleisches...



Sua passion predominante e la giovin principiante, werde ich vor mich hinsingen... So werde ich drei Tage zubringen in Valeggio sul Mincio. Alle Falten werden verschwinden, denn ich werde aufgebläht sein mit Fett und Essen, meine Haut wird endlich wieder sitzen wie bei einem Neugeborenen. Kurz vor Ablauf der Frist werde ich mich einmal zu weit nach vorne beugen, um eine in Knoblauchbutter triefende Kürbisnudel aufzuspiessen, die am äussersten Rand des Tellers liegt, eine alte, untere und morsche Rippe wird brechen, sich mit dem scharfen Ende den Weg ins Gedärm suchen, aber ich werde es vor lauter Völlegefühl gar nicht mitbekommen. Auf dem Weg vom Boe d´Oro zur Torte bei Martini werde ich dann, von einer inneren Blutung zu Tode gebracht, vor dem Rathaus zusammenbrechen, unter der Marmorplatte, die an die Befreiung von den Faschisten gemahnt, und meine letzten Worte werden sein: Fickt Euch, wie die Esel Eure Mütter gefickt haben, Ihr dreckigen Neoconazis.

Der Tod wird ein paar Minuten später feststellen, dass der Schlagfluss nicht mehr funktionieren wird, auch bin ich nicht, wie abgemacht, im Stadtpalast. Er wird sich am Kopf kratzen, aber er hat keine Zeit, er macht Teepause, nachdem er wegen der göttlichen Gerechtigkeit eine Busladung brauner Puppen und andere farblich passende Arschgeigen bei der Heimfahrt von ihrem Besuch bei den italienischen Neofaschisten ins Eisacktal fallen lassen musste, 10 Kilomter hinter Klausen, wo es wildromantisch eng ist und keiner überleben wird - so kriegt im Puff des Lebens jeder, was er braucht. Erst nachher erfährt er, was ich getan habe, er wird grinsen und leise sagen: Kruzinesen, a so a Hund woara scho...

Auf meinem neu gekauften Biedermeiersekretär wird man als letzten Willen eine Einladung an all meine Freunde finden, hierher nach Valeggio zu kommen. Sie werden neben meiner Leiche, deren Zweireiher nicht mal als Einreiher zu geht, die bestellten Tortellini als Gastmahl finden, nebst dem letzten Blogeintrag, der erzählen wird, wie ich Anno 2006 im unsterblich schönen Mai jeden Abend hier nach Valeggio kam, um hier und nur hier zu speisen, ganz gleich ob von Sirmione, Verona, Mantua oder Brescia aus. Sodann wird man mich begraben in einem Weinberg über dem Mincio, dem Abfluss des Gardasees, der ab und zu schwach riecht nach dem Sonnenöl der dort badenden Italienerinnen, und weit entfernt von der Etsch, wo nach ein paar Tagen die fauligen Kadaver der Neoconazis in einem Klärbecken hinter einer kicheneigenen Giftmülldeponie angeschwemmt werden, den Raben zum Frass und der Erde zur Schande.

Auf meinem Grabstein aber wird stehen:
Hier liegen für immer die Knochen des
Poeten Don Alphonso Porcamadonna.
Du, der Du noch gehen kannst,
begebe hinunter nach Valeggio
und gedenke seiner bei den
Kürbisravioli mit Knoblauchbutter*.

*Die Porcamadonnastiftung lädt jeden Tag einen
armen Poeten zum Schmausen im Bue d´Oro ein.

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