: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 19. Mai 2006

Verbalinjurie de jour

BlokASTRAt.

Verwende ich aber noch nicht mal, wenn hier irgendein ÄmsieausTirolPinkiel was kommentiert und es nach ein paar Minuten gleich wieder löscht. Wenn Du das Maul halten willst, halt das Maul, dann kriegste auch keine inne Fresse.



Wie man am Bild sieht: Ich bin zurück aus dem Urlaub, ich habe wieder Heuschnupfen und noch sehr viele Geschichten aus Italien zum Nachtragen. Essen. Friedhöfe. Faschisten. Verona. Vorsaison. Innenhöfe. So viel zu schreiben. So wenig Platz.

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Echte Blogger mit echten Autos auf echten Strassen

(Schon von der Heimfahrt, aus Innsbruck) In letzter Zeit gab es einige Bilder von A-Bloggern, A mitunter wie Anton und Antonia aus Tyrolia und mutmasslich mit der kritischen Einstellung eines ausgestopften Goldhamsters gesegnet, die sich Pinup-mässig an ausgeliehenen Produkten einer Firma räkelten, deren einziger relevanter Beitrag zur Automobil- und Stilgeschichte auf den Namen "Manta" lautete. Es fällt schwer zu entscheiden, was da mehr missglückt ist, der Blech-Plastik-Haufen oder der Fleisch-Stoff-Fehlgriff; in Kombination jedenfalls sieht es weitaus billiger aus als die vom Hersteller und den beratenden Weisspuderfreaks als "Spesen" getarnte Zuwendung. Sowas gibt es hier nicht. Hier gibt es einen echten Mann in echtem van Laack und ein echtes Auto aus Familienbesitz, und die Spesen für den Trip zu dieser Location sind auch selbst bezahlt.



Man muss also nicht aussehen wie ein schlechtverdienender Juniorzuhälter, dessen Armut sich in der Karre wiederspiegelt, wenn man ohne eine Hand voll Schmierung ein Auto testen will. Man kann es con bella virtute als Gentiluomo tun. Und genau darum geht es hier. Nachdem uns die Reise nach Italien vier Tage lang zu kulturellen Höhepunkten gebracht hat, schenken wir unserer Barchetta den fünften Tag. Sprich, wir geben ihr eine artgerechte Haltung und testen sie in einem Umfeld, für das sie gemacht wurde: Einmal die gesamte Gardesana bei 25 Grad, offen, und mit beherztem Tritt auf das Eisen. Das hier ist keine Werbung, denn das Testobjekt, eine der ersten Barchette in Deutschland überhaupt, wird seit 2005 nicht mehr hergestellt, und einen Nachfolger für den Roadster gibt es bei Fiat nicht. Ziemlich genau 11 Jahre hat das Auto jetzt auf dem Buckel, und jetzt bekommt es, was es braucht: Einen vollen Tank, eine kurvige Strasse, durchgeknallte Verkehrsfeinde und einen erfahrenen Piloten am Steuer.



Am Morgen, gegen 11 Uhr und nach einem guten Frühstück mit Tee, Olivenbrot und Scamorza brausen wir auf der Gardesana von Campagnola aus Richtung Norden, nach Torbole. Das Wetter verspricht stabile Temperaturen um 25 Grad, wir fahren natürlich offen. Ab Tempo 60 zieht es, aber wir tragen eine Roadsterkappe und, wichtig, eine kaum abdunkelnde Sonnenbrille. Denn auch wenn die Gardesana mit ihren Zypressen lieblich ausschaut, hat sie es mit vielen dunklen Tunnels in sich - wenn man wirklich fährt und keine arme Sau ist, die bei der Autoübergabe zusichern muss, die Karre nicht ordentlich auszufahren, keine Vollgastouren oder harte Bremsmanöver zu machen. Denn genau das brauchen wir hier.



Das ist die Galerie von Tempesta. Diese Galerie ist eine der wenigen Stellen, an der man ganze Kolonnen überholen kann. Wenn man sich traut. Das Problem an dieser Stelle ist, dass links der Felsen ist und rechts die Betonpfeiler. Die wiederum sind so eng, dass man nicht, falls Gegenverkehr kommt, dadurch ausweichen könnte. Was einem auch wenig bringen würde, weil es links davon erst über eine - zugegebenermassen durchbrechbare - Absperrung und dann 30 Meter senkrecht hinunter in den Gardasee geht. Und auf 2 Kilometer Länge auch keine Möglichkeit ist, irgendwo hochzuklettern, wenn man sich schnell genug aus dem Roadster befreit - was beim Überholen an anderen Seen ein Vorteil gegenüber geschlossenen Blechbüchsen ist. Nur eben nicht hier. Sprich, hier gibt es nur drei Möglichkeiten: Vollgas, Vollbremsung und/oder einen schnellen Tod, wahlweise am Entgegenkommenden, am Beton, an der Absperrung, ersaufend im Wagen oder unterkühlt im Wasser. Ersteres verbietet natürlich die Ritterlichkeit. Deshalb schalten wir hinter den niederländischen Wohnwägen bei 50 Sachen runter in den dritten Gang, fangen den Wagen bei 2500 UPM ab und orgeln dann den Motor Richtung 6.500 Umdrehungen. Das dauert keine 5 Sekunden, aber schon bei 4000 sind wir an den Lahmis vorbeigezogen. Wraaamp Wraamp Wramp Wrmp Wrp Rp RPRPRP macht der Motor in der klaustrophobischen Akustik der Galerie, und wir begreifen, dass 136 PS (131 Serie + 5 durch Spezialfilter) bei 4500 Umdrehungen bei läppischen 1060 Kilo Leergewicht eine ganz nette Motorisierung sind.

An dieser Stelle sollte ich vielleicht erzählen, dass ich auch schon andere Autos gefahren bin. Private Rallye-Quattros zum Beispiel. Die hatten eine Digitalanzeige für die Geschwindigkeit. Wenn man bei denen im zweiten Gang auf das Gaspedal trat, zeigte die nur 30 und dann gleich 120 an. Die Prozessoren waren damals Ende der 80er langsam, und die Motoren würde man heute so nicht mehr bauen. In unserer Nachbarschaft wohnt einer, der so einen noch hat und damit Ferraris jagt. So ein Rallye-Quattro, der offroad einen serienmässigen 911 auf der Strasse überholen kann, ist im Vergleich mit der Barchetta eine andere Dimension, aber darum geht es ja nicht. Nur um die Frage, ob der Wagen in kritischen Situationen genug Power hat. Ich würde sagen: Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Gut abgestimmt. Unten raus könnte ein wenig mehr Wumms sein, aber die Kombination aus geringem Gewicht und Leistung entscheidet.



Und natürlich die Lenkung, wenn man doch schnell mal reinziehen muss. Wir merken schon in den normalen, langgezogenen Kurven, dass wir den Wagen lässig mit zwei Fingern der linken Hand steuern können. Fiat hat als Basis der Barchetta den ohnehin schon kurzen Punto verkürzt. Wie italienische Rennradmanufakturen, die bei den guten Maschinen den Radstand unter 96 Zentimeter bringen, damit es immer schön leicht in die Kurve kippt. Und das geht prima. Geradeaus fahren mit der Barchetta ist öde, hier, am Beginn der Gardesana Occidentale hinter Riva Richtung Süden ist sie nur eine launische, nervöse Zicke.

Aber in den engeren Kurven wird sie ein echter Tiefflieger mit ausgefahrenen Rädern. In dem Auto ist verdammt wenig Platz, aber jetzt sitzt es perfekt wie ein Massanzug, der Schalthebel liegt super neben dem Lederlenkrad, die Schaltung, die beim normalen Fahren etwas hakelig wirkt, zeigt mit den kurzen Wegen, wie knackig das sein kann, hochjagen, den 3. Gang überspringen, dann den 2. bei 5000 wieder reinknallen und die engen Kurven ohne Bremsen nehmen, während die Cretins hinter einem hektisch in die Eisen steigen, wir können nur lächeln und dabei das Lenkrad mit der lässig aufgestützten linken Hand führen, oder dieselbe mal eben raushängen lassen und knipsen.



Auch wenn man so auf all die Familienkutschen aufläuft und in den Kurven auch den drängelnden einheimischen Rabauken mit ihren grossen BMWs und Alfas enteilt, ist das noch nichts Besonderes. Im Prinzip ist die Barchetta auf normalen Kurvenstrecken ein sehr gutmütiges Fahrzeug, das nicht zum plötzlichen Ausbrechen neigt und es einen merken lässt, wenn es brenzlig wird. Und das auch ohne elektronische Hilfen. Vor uns gurkt kurz vor Limone ein alter BMW Z3 durch die Kurven, ganz traurig ist das zum Anschauen. Heckantrieb, behaupten Sonntagsfahrer, sei in den Kurven besser, aber ich kenne den Z3, den SLK 350 und die Barchetta, und glaube es nicht. Um echte Vorteile gegenüber der ultrakurzen Barchetta zu haben, müsste man mit Heckantrieb schon driften können - und das können die allerwenigsten. Reifenquietschen in Kurven ist übrigens nicht driften, da braucht man in der Regel einen, der es einem beibringt. Wer da kein ordentliches Training hat und es alle paar Tage übt, lügt einfach, wenn er vom Driften in seinem Nuttenflitscherl schwafelt.



Die Stunde der Wahrheit kommt nicht auf der Gardesana, sondern auf einer der knackigsten Alpenstrecken überhaupt: Hinter Gargnano rauf zum Lago di Valvestino. Ich kann nur jedem raten, vorher ordentlich zu essen und sich unterhalb des zu befahrenden Berges den wirklich schönen Friedhof von Gargnano anzuschauen: da liegen manche, die die Strecke unterschätzt haben. Wenn da "Tornate" steht, kommt auch eine Kurve, bei dem es einem die Augäpfel an die Aussenseite quetscht. Dabei sind die Haarnadelkurven noch locker, wenn man mal davon absieht, dass es dahinter oft ohne Absperrung 400 Meter nach unten direkt Richtung des besagten Friedhofs geht. Die Vegetation ist so nett mediterran, aber wer den Flüelapass kennt: Drei mal so viele Kurven auf der halben Strecke, und die Fahrbahn ist auch nur halb so breit. Es gibt drei Stellen, wo man 200 Meter weit sieht, ansonsten geht es nirgends gerade aus, ausser man nimmt die Abkürzung nach unten. Hier braucht man nur die ersten drei Gänge, wer behauptet, schneller als 90 fahren zu können, ist auch als Motorradfahrer ein Lügner.



Hier könnten wir so fahren, dass uns das eigene Frühstück wieder hochkommt. Aber die Barchetta zeigt, was in ihr steckt: Viel Kraft aus dem kurzen Getriebe, und, noch wichtiger, saubere Bremsen, die man nur kurz antippen muss, um danach in dem Scheiteln der Kurve wieder Gas zu geben. Da oben kommt eigentlich nur drei Käffer und ein Stausee, die Strasse wird kaum gepflegt, Schlaglöcher gibt es wie Sand am Meer. Hinter dem letzten Kaff sollte man die "Caduta Sassi" Schilder ernst nehmen, gerade in dieser Jahreszeit. Wenn erst mal die Brocken rumliegen und man noch 15 Meter entfernt ist, lernt man das ABS der Barchetta zu schätzen. Man muss schon in die Eisen steigen, die Bremsen wollen getreten werden, und das nicht zu knapp. Hilfreich ist auch das fehlende Dach: Offen hat man einfach eine bessere Sicht auf die kommenden Überraschungen, seien es Kurven schneidende Biker oder über die Strasse watschelnde deutsche Touristen stilecht mit Camperhütchen auf dem Weg zum - beinahe letzten - Panorama. Direkt hinter der Kurve...



Oben am Stausee machen wir eine kleine Pause. Die Strecke verlangt einem viel ab, es ist wirklich Motor"sport", entsprechend ausgelaugt ist man auch. Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn ein Auto mehr verträgt als der Fahrer: Kein Rasseln im Kühler, kein Knacken, das Auto ist schön verwindungssteif, was natürlich auf Kosten der Grösse geht. Das Ding ist mehr als ein plattgequetschter Punto, es ist ein echter Bergsportwagen, der mit seinem geringen Gewicht, der dauerhaft hohen Leistung zwischen 2000 und 6500 UPM und der kurzen Schaltung auf solchen Strecken daheim ist.



Wieder unten angekommen, erscheinen uns die Kurven Richtun Saló doch etwas öde. Es geht hier, wo das Tal breiter wird, durch viele Orte, und deshalb rollt der Wagen recht behäbig mit 60 im vierten Gang dahin. So braucht er auch nicht allzu viel Benzin, und nachdem solche Rasereien wie auf den Berg eher selten waren, kommen wir im Schnitt der letzten Woche auf etwa 8 Liter Super auf 100 Kilometer. Offen fahren wir ohnehin am liebsten nur 80, das reicht völlig, und wir haben auch was von der Landschaft.



Am Südende des Gardasees wird es dann doch etwas langweilig, und deshalb folgen wir der weissen Vespa in die kleinen Seitenstrassen hinauf zu den Weindörfern. Die Dame ist flott unterwegs, aber die Barchetta bleibt in allen Kurven problemlos dran. Das hier sind die Strecken, die zum Genussfahren einladen, im Autoradio läuft die Italienerin in Algier von Gioacchino Rossini, und bis zu 100 Sachen reicht die Lautstärke der gut, wenngleich nicht brilliant klingenden Anlage locker aus. Letztlich führt uns die Vespa in einen Ort, wo wir ein Restaurant mit Terasse finden, in dem wir eine längere Pause machen, mit diesem Blick über die Hügel am südwestlichen See. Und beim Salat ein Fazit ziehen.



Kaufen? Klares Nein. Langfristig hatte die Barchetta für den doch recht hohen Preis erbärmliche Macken, die man auf einer Tour um den See kaum erkennt: Der Phasenversteller ist serienmässig Müll, der Kofferraum ist zu klein, die Plastikteile neigen zum brechen, die Bremsen könnten besser sein. Zuviel für 22.000 Euro, die die Karre damals mit allen Extras - Nebelscheinwerfern, Alufelgen, Hardtop - meine Eltern gekostet hat. Man muss fairerweise dazusagen, dass auch andere Marken ähnliche Probleme haben: Wer im Winter beim SLK die Traktionskontrolle testet, wird in Bruchteilen einer Sekunde allen Ärger erleben, den er mit den nicht funktionierenden Lenkradschaltern in einem Jahr haben wird. Wegen denen war meine kleine Schwester in fünf Monaten drei mal in der Werkstatt. Dass ich öfters bebeulte Z3 und Z4 sehe, ist sicher auch kein gutes Zeichen - ganz abgesehen vom Ruf, der BMW vorauseilt. Der Mazda MX5 ist japanisch langweilig und hat bei weitem nicht den brutalen Nudelholz-Charme einer venetianischen Dorfschönheit, der die Barchetta auszeichnet, wenn sie wieder Richtung Norden durch die Kurven prescht.



Und die Peugots mit den Blechdächern sind ohnehin nur was für Omas und PR-Nutten, die um ihre Fingernägel fürchten. Sagen wir es so: Bei den aktuellen Gebrauchtpreisen für die Barchetta, die gerade den untersten Rand austesten, ist sie ein klarer Kauf. In 10 Jahren wird sie ein begehrter Klassiker sein, insofern denke ich, dass sich heute und bei geringer Fahrleistung der Wertverlust in engsten Grenzen halten wird. Gleiches gilt übrigens auch das Fiat Coupé, den Porsche 928 und den alten Audi TT. Kaufen, im Sommer fahren, den Rest der Zeit einmotten, und die Neffen werden in 20 Jahren leuchtende Augen bekommen. Wie wir, als wir am Abend bei Brenzone den Sonnenuntergang mit der Barchetta erleben



Man kann sagen was man will, aber sie hat einfach einen geilen Arsch.



Nachbemerkung: Ich habe nichts gegen Autotests. Gerne auch in einem passenden Umfeld. Autos wollen artgerecht gehalten werden, die Barchetta ist hier so passend wie ein Kastratenmanta bei nicht mehr jungen Dienstleistern in scheusslichen Städten Norddeutschlands. Ich würde (OpelFordRenaultMazda ausgenommen) nicht automatisch nein sagen, zum einen, weil ich gerne Neues ausprobiere, zum anderen, weil ich vermutlich sehr genau aufpassen würde, dass ich mich vor niemandes Karren spannen lasse - was ich Don Dahlmann oder Felix nicht vorwerfen würde, die aber m. E. im fraglichen Fall - fraglos achtenswert - als Credibility-Zusatz im Unterschichtengaudiblogsumpf angeworben wurden. Sprich, ich würde nichts testen, wo pauschale Spesen im Raum stehen, und andere Leute mitwursteln, deren Kompetenz ich - übrigens bei alles Beteiligten - klar in Frage stelle. Testen heisst einkalkulieren, dass das Testobjekt in 100 Stücken zurückkommt und seriös eingeordnet wird. Ein Mann, eine Strecke, ein Auto. Das ist der Deal. Alles andere ist nur PR-ingelpietz ohne Anfassen.

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Italien und der Irak

Gestern hielt der neue italienische Ministerpräsident Romano Prodi eine Ansprache, die der sog. "Koalition der Willigen" für den Irakkrieg einen schweren Schlag versetzte. Italien wird den "schweren Fehler" der Unterstützung des Krieges durch einen kontrollierten Rückzug beenden. Um die Bush-Administration, für die der Faschistenkolaborateur Berlusconi den nützlichen, spassigen Idioten in Europa gab, wird es damit noch ein wenig einsamer.

Wer mit offenen Augen durch Italien fährt, kann aber erkennen, wie wichtig das Thema hierzulande ist. Es gibt kein Dorf, wo auch vor Prodis Ansprache nicht an ein, zwei Häusern die Regenbogenfahnen mit der Aufschrift "Pace" hängen. Man bekommt sie überall, sie liegen in Autos im Fond, sie wehen an den Balkonen und von den Fahnenstangen, sie liegen auch in Geschäften, und ich könnte mich verfluchen, dass ich das Bild der Pasta auf der Regenbogenfahne in Valeggio nicht gemacht habe. Seit gestern hat ihre Zahl nochmal zugenommen. Das Thema ist von öffentlichem Interesse, und es wird auch öffentlich ausgetragen. Vor acht Jahren waren alle möglichen Ecken im Veneto, viele Ortsschilder und Mauern mit "Republica del Nord" verschmiert, dem Ziel der rechtsextremen Lega Nord. Das alles ist verschwunden, nur an einem Kreisel in Trento habe ich das noch gesehen. Heute dominiert die Pace-Flagge. Und Bossi, Berlusconi und Mussolini sind nur noch verbleichende Fratzen auf den alten Wahlplakaten.

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1848

Dass der Italiener so dumm war, sich den Berlusconi zu wählen, muss man ihm als Bayer nachsehen, dessen Artgenossen seit Dekaden einer rechtspopulistischen, korrupten Staatspartei mit all ihren Auswüchsen zujubeln. Ja, man muss sogar neidvoll anerkennen, dass sie den Tyrannen in den Arsch getreten haben, während es nördlich der Alpen nicht gelungen ist, das Joch abzuschütteln und Gestalten vom Typ des Strauss zu Lebzeiten mit dem Staatsanwalt zu konfrontieren.

Auch eine Mahnmaldebatte kann man sich hier sparen. An den meisten Rathäusern, im Zentrum der Stadt, erinnern Marmorplatten an das Geschehene. Italiener haben ohnehin eine grosse Freude daran, mit weissen Marmorplatten an die guten und schlechten Tage der Geschichte zu erinnern. Deutsche Besatzung und italienische Faschisten werden mit dem einen Wort "Nazifascista" im selben Topf gegart, und wer seine Jungen bei den Partisanen verlor, konnte schon bald nach dem Krieg mit ehrender Erwähnung rechnen.

Aber noch ein Unterschied zu Deutschland ist zu sehen: Die vielen Denkmäler für den Aufstand 1848/49, in dem Oberitalien versuchte, das österreichische Joch und die Unterdrückung durch das System Metternich abzuschütteln. Man weiss, wie es ausgegangen ist, Österreich und seinen Mördern Hayenau und Radetzky gelang es mit roher Gewalt und Bombardierung der Zivilbevölkerung noch ein Mal, Italien zu unterdrücken - wie es auch in Deutschland den Fürstentümern gelang, die freiheitlichen Bestrebungen zu unterdrücken. Für Italien wie Deutschland ging es um die Einheit, die Freiheit und ein Ende des Absolutismus, gegen die erbärmlichen Potentaten, die Stendhal in der Karthause von Parma schildert, und für die Ideale der Menschenrechte, für die Heine in Deutschland verboten wurde. Auf den Barrikaden in Brescia und Württemberg ging es um die gleichen Werte, in Berlin, Wien und Verona starben die Bürger für das, was für uns heute als moderner Staat selbstverständlich ist.



In Italien wird man an jedem Flussübergang, in jedem Dorf, an vielen Strassen in den Städten daran erinnert. In Italien bekennt sich der Staat zu denen, die für ihn 1848 aufgestanden sind. Und Deutschland? Wo sind in Berlin die Marmortafeln, die die Barrikaden kennzeichnen? Was hat Frankfurt mehr als die Paulskirche, die nicht mehr ist als ein Zeichen der Unterordnung der Feigen unter die Obrigkeit? Wo wird denn gefeiert, dass der Bürger mit Flinte, Stein und Säbel gegen die Machthaber revoltierte, wo ehrt unsere Demokratie diejenigen, die sich dem Geist der Gegenaufklärung widersetzten, vom Handwerker über den Bürger bis zum jungen Marx?

Es gibt der feinen Stunden so wenige in Deutschland, dieser Heimstatt des Untertanentums, und weil so ein Aufstand nicht zum Spiesser passen mag, weil man lieber Biedersinn beschwört als sich all der Grausamkeiten erinnert, bei den hungrigen Webern beginnend über die Kehrseiten des technischen Fortschritts bis zu den Familien, die vor weniger als 100 Jahren allesamt in den schlecht geheizten Dachstuben an Tuberkolose verendeten, weil man hierzulande lieber stirbt, als die Klappe aufzureissen, weil es sich auf Knien gut vegetieren lässt - darum haben wir so wenige dieser Tafeln. In den Schulen ist 48 die Vorstufe zu Bismarcks Sozialgesetzen, man sagt uns nicht, dass hier mehr erreicht wurde als ein Scheitern, dass in den Gassen der Städte für die Menschenwürde gefochten wurde, dass Demonstration ein Grundrecht ist, das nur lebt, wenn man es nutzt. 1848 passt nicht in die Ideologie der Herrschenden, es passt nicht zur Verblödung unserer Medien, kein Kranz, kein Marmor, eine Fussnote der Geschichte, so wird das öffentlich umgesetzt, eine Beleidigung für die, die unter heute unvorstellbarfen Zwängen ihren Mut bewiesen - die bigotten Bayern einmal ausgenommen, ich weiss.

Italien aber zeigt, dass man keinen Place da la Bastille braucht und keinen Winterpalast, keinen Ort und keinen symbolhaften Moment, um derer zu gedenken, die sich nicht abfinden wollten mit Tyrannei. Vieles mag hier geschichtlich verklittert sein, Italien scheiterte 1849 auch an sich selbst, die Geschichte ist voller Verrat, Uneinigkeit und Dummheit, auch Nationalstolz spielt eine grosse Rolle, aber warum auch nicht? Wenn im rechten Schweinekoben der Republik schon von Patriotismus gegrunzt wird, dann eben solchen wie der von 1848, mit dem Bajonett an der Gurgel der Obrigkeit. Es ist ja nicht so, dass in der Folgezeit viel Ruhmvolles aus diesem Begriff, zwischen Wagnergefurz und Hitlergeschrei, entstanden wäre.

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