Lebendige Sepulchralkultur
In Verona, am Rande der alten römischen Stadt, steht auf einem ehemaligen Gräberfeld die Kirche der 12 Apostel. An sie angebaut ist eine Grabkapelle zur Verehrung der Märtyrer der Stadt. Die übliche Geschichte: Eusebius von Cesarea, ein vermutlich recht korrupter Bischof aus der heutigen Türkei, schreibt seine Historia Ecclesiae, in der es vor allem um - für vernünftige Menschen - wenig erbauliche Arten des zu Tode Bringens von Christen ist. Man könnte das natürlich auf die wüsten Römer schieben, allein, die zynische moderne Forschung hat nachgewisen, dass Eusebius nicht nur miese Quellen verwendete, sondern auch zur historischen Legitimation recht locker war im Umgang mit der Wahrheit. Am Beginn des 4. Jahrhunderts musste und wollte jede Gemeinde möglichst schauderhaft umgekommene Märtyrer haben, nur dann galt man was. Jetzt, da das Christentum Teiil des Establishments war und selber An dersgläubige ausrottete, ganz gleich ob Isisanhänger, freigeistige Philosophen oder Juden, gefiel man sich immer noch als Opfer und erfand die Lügen, die heute noch wider besseres Wissen an manchen retardierten Neger- und Anderebayenrschulen gelehrt werden.
Aber damals sollte es noch 1000 Jahre dauern, bis die ersten Denker begannen, den Eusebius auf den Müll zu kippen. Auch in Verona veranstaltete man den üblichen Zinnober, sprich Heiligenkirche mit wundersam gefundenen Reliquien, bei denen es ziemlichz unmwichtig war, ob es in Wirklichkeit nicht vielleicht doch ein phrygischer Sklave oder eine hier hängengebliebene siculische Hetäre war. Ein mittelalterlicher werdender Tote wusste zwei Dinge: Desto näher man bei den Reliquien begraben ist, desto näher ist man am Heil. Und desto besser ein Grab sichtbar ist, desto eher bekommt es etwas von den Gebeten der Pilger ab. In der Folge sah im hohen Mittelalter, bevor Bestattungen in der Kirche auch für Laien möglich waren, der Idealfall so aus:
Man grub alte römische Sarkophage aus, bestattete darin den, der sich solches leisten konnte; immerhin wiegt der Deckel so eines Trumms schnell mal 300 Kilo, das gar antiert, dass man nicht so schnell ausgeleert wird wie andere Gräber im Boden bei der nächsten Lage Kadaver. Wäre ja noch schöner, den tollen Platz bei der Kirche zu haben und dann nach 20 Jahren für den nächsten, besser zahlenden Toten in die Etsch vor der Kirche gekippt zu werden. Und man baute Dächer darüber, um einen besseren Schutz vor dem Wetter zu besorgen, und, noch wichtiger, organischer Teil der Kirche selbst zu werden. Da konnte man auch als Mercutio in Sünde verflucht die Seele ausspeien, in der Form gelangte man im Fegefeuer auf die Überholspur zum Himmel.
Man kann über derlei Aberglauben heute nur noch lachen, und selbst die Kirche hat mit solchen Thesen Schluss und damit einen Stich durch die Rechnung derer gemacht, die im festen Glauben an die ewige Wirksamkeit der Deals sicher nicht wenig für derlei Vorzüge bezahlt haben. Aber auch so kommt kein Pilger mehr, um an den Gräbern zu beten, und wer drin war, ist heute auch vergessen. Da fehlte noch die passende Inschrift, oder gleich das Non plus Ultra des Prunkgrabes, mit aufgemeisselter Figur des Toten:
Dass die an sich schmucklosen Särge dennoch immer Nachts aussehen, als hätte eine hilfreiche Hand den Kadaver des Stifters hinzugefügt, und dass es bisweilen auch so riecht, ist allerdings keiner überirdischen Gerechtrigkeit zu verdanken, sondern schlicht irdischer Not: Wie man an den hier in der Nähe deponierten Kissen und Matratzen sieht, nutzen Obdachlose die Vordächer als nächtlichen Schutz auf. Da liegen sie dann, ersetzen den letzten, fehlenden Triumph der Sepuchralkultur mit ihren vielleicht ausgemergelten, vielleicht alkoholzerstörten Körpern, zum Hohne aller Versprechen vom liebreizenden Reliquienduft, dem Andenken hoher Herren und dem Irrglauben, dass man mit dem Schicksal oder dem Jenseits irgendwelche Deals machen kann. Unabsichtlich wurde hier Gutes getan, von denen, die ihre heutigen Bettnachbarn mit Peitschen hätten vertreiben lassen, und gerecht wäre es, wenn sie nur einen Augenblick aus dem ewigen Nichts erwachen könnten und sehen, was aus dem Trost ihrer letzten Stunden geworden ist.
Aber damals sollte es noch 1000 Jahre dauern, bis die ersten Denker begannen, den Eusebius auf den Müll zu kippen. Auch in Verona veranstaltete man den üblichen Zinnober, sprich Heiligenkirche mit wundersam gefundenen Reliquien, bei denen es ziemlichz unmwichtig war, ob es in Wirklichkeit nicht vielleicht doch ein phrygischer Sklave oder eine hier hängengebliebene siculische Hetäre war. Ein mittelalterlicher werdender Tote wusste zwei Dinge: Desto näher man bei den Reliquien begraben ist, desto näher ist man am Heil. Und desto besser ein Grab sichtbar ist, desto eher bekommt es etwas von den Gebeten der Pilger ab. In der Folge sah im hohen Mittelalter, bevor Bestattungen in der Kirche auch für Laien möglich waren, der Idealfall so aus:
Man grub alte römische Sarkophage aus, bestattete darin den, der sich solches leisten konnte; immerhin wiegt der Deckel so eines Trumms schnell mal 300 Kilo, das gar antiert, dass man nicht so schnell ausgeleert wird wie andere Gräber im Boden bei der nächsten Lage Kadaver. Wäre ja noch schöner, den tollen Platz bei der Kirche zu haben und dann nach 20 Jahren für den nächsten, besser zahlenden Toten in die Etsch vor der Kirche gekippt zu werden. Und man baute Dächer darüber, um einen besseren Schutz vor dem Wetter zu besorgen, und, noch wichtiger, organischer Teil der Kirche selbst zu werden. Da konnte man auch als Mercutio in Sünde verflucht die Seele ausspeien, in der Form gelangte man im Fegefeuer auf die Überholspur zum Himmel.
Man kann über derlei Aberglauben heute nur noch lachen, und selbst die Kirche hat mit solchen Thesen Schluss und damit einen Stich durch die Rechnung derer gemacht, die im festen Glauben an die ewige Wirksamkeit der Deals sicher nicht wenig für derlei Vorzüge bezahlt haben. Aber auch so kommt kein Pilger mehr, um an den Gräbern zu beten, und wer drin war, ist heute auch vergessen. Da fehlte noch die passende Inschrift, oder gleich das Non plus Ultra des Prunkgrabes, mit aufgemeisselter Figur des Toten:
Dass die an sich schmucklosen Särge dennoch immer Nachts aussehen, als hätte eine hilfreiche Hand den Kadaver des Stifters hinzugefügt, und dass es bisweilen auch so riecht, ist allerdings keiner überirdischen Gerechtrigkeit zu verdanken, sondern schlicht irdischer Not: Wie man an den hier in der Nähe deponierten Kissen und Matratzen sieht, nutzen Obdachlose die Vordächer als nächtlichen Schutz auf. Da liegen sie dann, ersetzen den letzten, fehlenden Triumph der Sepuchralkultur mit ihren vielleicht ausgemergelten, vielleicht alkoholzerstörten Körpern, zum Hohne aller Versprechen vom liebreizenden Reliquienduft, dem Andenken hoher Herren und dem Irrglauben, dass man mit dem Schicksal oder dem Jenseits irgendwelche Deals machen kann. Unabsichtlich wurde hier Gutes getan, von denen, die ihre heutigen Bettnachbarn mit Peitschen hätten vertreiben lassen, und gerecht wäre es, wenn sie nur einen Augenblick aus dem ewigen Nichts erwachen könnten und sehen, was aus dem Trost ihrer letzten Stunden geworden ist.
donalphons, 01:41h
Montag, 15. Mai 2006, 01:41, von donalphons |
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first_dr.dean,
Montag, 15. Mai 2006, 02:03
Weia! Das letzte Bild ist gar schauerlich. Großartig.
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donalphons,
Donnerstag, 18. Mai 2006, 22:13
Jaaaa, der Herr wusste schon, wie man das Andenken bewahrt. Um ihn herum krabbeln in Stein die armen Würste, die sich von ihm Wohltaten und Wunder erhoffen. Es gab auch mal vom fetten Kohl so ein Bild, inmitten von Ossis. Das hat ja auch gewirkt, bei der Wahl. Nichts neues unter der Sonne - ausser, dass Kohl die Verehrung schon im Diesseits geniessen wollte.
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