Touristische Globalisierung

eines der postings, die mich 10 stammleser kosten werden, aber mir ist gerade danach

Manchmal wüsste ich gerne, ob die Geschichte der frühneuzeitlichen Religionskriege in Mitteleuropa Stoff an den fernasiatischen Schulen ist. Muss wohl so sein. Sonst ist es nämlich nicht erklärbar, warum in den letzten Sommern zunehmend asiatische Reisegruppen vor dem Stadtpalast standen. Ich bin durchaus mariannische Gruppen aus Bayern gewohnt, die das alles kühl finden, hier den Ort des Ablebens ihres Idols zu sehen. Aber wenngleich Jesuitentum und Konfuzianismus viel gemeinsam haben, nimmt es mich schon Wunder, wenn ich gerade im Hof bin, das Tor aufgeht und ein paar Japaner wie zuvor schon Bayern und Italiener reinschauen. Aber ich bin der höflichste Mensch von der Welt, beantworte auch gern Fragen und erkläre ein paar Dinge über die Geschichte das Hauses, und bewahre auch die Fassung, wenn einer der Bayern sagt, es sei doch schade, dass es heute eben kein Jesuitenkolleg mehr ist. Ich lächle und gehe nachher etwas Holz hacken. So ist das eben. Man kann nicht immer nur die Vorteile so eines Gebäudes haben.



Zu den Vorteilen des Gebäudes zahlt die grosse Wohnung und im Sommer besonders das weisse Zimmer, das eine sehr angenehme Kühle auch bei der grössten Hitze vor den Fenstern bewahrt. Das haben sie sauber gemacht, die Bauleute der Gesellschaft. Kann man wirklich nichts dagegen sagen. Bei angenehmen 22 Grad kann man hier also unter der kaltblauen Stuckdecke liegen und Grand Balett von Marin Marais hören.

Kühle Musik vom Hof Ludwig XIV. Die sonntägliche Ruhe und Gelassenheit benötigt. Und da stört es, wenn Busse durch die Strasse rumpeln. Besonders aber stört es, wenn ein Bus genau unter dem halboffenen Fenster stehen bleibt. Und den Motor laufen lässt. So laut, dass auch das Schliessen der Fentser wenig bringt. Aber was bleibt schon anderes übrig, also steht man auf, und in der Zwischenzeit hat sich der Buss gelehrt, 4o Menschen asiatischer Herkunft stehen auf der anderen Strassenseite, machen das obligatorische Bild mehrheitlich mit dem Mobiltelefon, mit dem orange-blauen Bus vor der delikaten Renaissancefassade, steigen wieder ein, die Türen schliessen sich, und mit einer Abgaswolke des immer noch laufenden Motors holpert der Bus weiter die Strasse hinunter.


Pilze in der extrablingbling-massivsilber-Version für Erbgutritter des spreenixblickenden Malteserorden, sucke dis!

Danke, beehren Sie uns wieder. Und während ich 400n Gramm kleine, niederbayerische Champignons putze, drei Minuten in kochendes Wasser tue, einen Sud aus Olivenöl und Balsamicoessig, sowie frischen Kräutern und gemörsertem Pfeffer bereite und dann den Grana Padano über die heiss eingefüllten Pilze reibe, bevor das alles in den Kühlschrank kommt und dort 2 Stunden zieht - währenddessen frage ich mich: Ich opfere jeden Tag Zeit, um den Kasten in Schuss zu halten. Ich habe heute morgen den Müll des Bürgerfestes erntfernt. Jedes einzelne der ichhabsieniegezählt Fenster kostet laut letzte Woche eingegangenem Kostenvoranschlag die Kleinigkeit von 1700 Euro mehr, weil sie handgefertigt sind, damit das Haus seine historischen Proportionen bewahrt. Wenn ich das hier an Ärzte und Firmen vermieten würde, könnte ich doppelt so viel Miete verlangen. Wenn ich es verticken würde, könnte ich den (nicht mehr allzu langen) Rest meiner Tage auf Malle ballern. Ich tue es nicht, weil es das Haus und seine historische Substanz schädigen würde. Ich tue es für mich, ich will mich nicht beschweren, aber auch für alle, die vorübergehen und etwas anderes sehen wollen, als totsanierten Zweckbau.

Und dann knipsen sie das Ding mit dem eigenen Bus davor. Dieses Haus wurde für Ruhe und Kontemplation gebaut, und davor brummt der Diesel direkt unter meinem Fenster. Das letzte Mal, dass ich so sauer war, war in den Uffizien, als ein mitgeschleifter amerikanischer Jüngling der Durchschleusergruppe "Road to Rome" - so zumindest der Aufdruck auf den Käppis - versuchte, seinen Kaugummi klebenderweise an der Basis einer Statue loszuwerden.

Kommt. Bitte. Reisen bildet. Aber wenn Ihr nur genug Zeit habt, ein Bauwerk mit über 600 Jahren Geschichte durch das Display Eurer Handies zu sehen, während vor Euch der Bus denen, die darin leben, die Bude vollstinkt: Bleibt daheim, Ihr verpasst hier nichts, was Euch irgendwas bedeuten würde. Ganz gleich, wo Ihr herkommt.

Sonntag, 15. Juli 2007, 18:18, von donalphons | |comment

 
Apropos: ich hatte heute Champignons frisch vom gestrigen Markteinkauf !

Darüberhinaus: den Hinweis auf das Jesuitenkolleg würde ich nicht so ernst nehmen. Heute ist "alles" auch Teil der Entertainment-Branche. Ich kann mich noch an den überraschten Blick einer in Radebeul lebenden Freundin aus Wismar erinnern, als ich daran erinnerte, die Dresdner Kunstsammlungen seien aber in un-demokratischen/-sozialistischen Zeiten enstanden.:))

Auch das Grüne Gewölbe ist seiner vor-revolutionären, reaktionären Bedeutung entkleidet und ziert nun auch die HandycameraBilder-Erinnerungen von reisenden (Ex-)Proletariern. ;)

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Torhäuser waren keine schlechte Sache, und im Waschkammerl haben wir sogar noch eine spätmittelalterliche Schiessscharte aus vorjesuitischer zeit.

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Und warum sollte dich das jetzt auch nur einen Leser kosten?

Wenn man in der Münchner Altstadt gleich neben einem auch von Touristen (eher der spezielleren Sorte) heimgesuchten Gebäude wohnt, kennt man das. Wenigstens kann kein Bus vorfahren.

Aber es ist ein grundsätzliches Phänomen des Besichtigungstourismus: Völlig unbegreiflich und weitgehend sinnlos.

Der Papst weiß das. Drum sperrt er um 16.45 die Sixtinische Kapelle zu, obwohl noch tausende reinwollen.

Und nach 17 Uhr lässt er wieder aufsperren, für die ausgewählte Kundschaft. Das wird sehr teuer.

Was würde ich zahlen allein in der Sistina für eine Stunde, auf dem Marmorboden liegend, nur schauen, noch nicht mal fotografieren?

Apropos Musik aus der Zeit Ludwigs XIV. Habe gerade eine kleine Schallplattenkostbarkeit ins digitale Zeitalter hinübergerettet: Jean Baptiste Lully: Suite aus der Oper "Amadis" (1684).

Und jetzt schallt "Deux Airs des Combattants" durch die heiße Gasse.

Die Touristen schauen etwas irritiert.

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Weil Palastsorgenbeiträge generell schlecht ankommen. Besonders in den Müllkippen bei Berlin/SO36.

Ich war heute Vormittag beim Schloss der Familie einer langjährigen - nun, sagen wir mal - Bekannten auf dem Land. Die haben eine Mauer und ein Torhaus und restaurieren gerade einen grossen Teil der Anlage, und dabei wird jetzt auch wieder das ate Tor eingesetzt. Gar keine schlechte Idee, das. Auch wenn ich selbst im Urlaub darunter leide: ich kann es verstehen, dass so viele zusperren. Allgemeinheit ist manchmal eben soch zu allgemein.

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Das wusste schon Mercier im 18. Jh. Unbedingt Stadtpalast mit Torhaus, das fängt lästige Gläubiger ab.

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den (nicht mehr allzu langen) Rest meiner Tage

Planst Du so viel zu futtern, dass Du platzt oder wieso glaubst Du, nicht noch doppelt so alt zu werden wie jetzt? Bei der vegetarischen, alkoholfreien Ernährung und dem schönen Zuhause sollte das eigentlich locker drin sein.

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Was sind schon 60 Jahre vor den über 600, in denen ich wohne?

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Vegatarisch ? Alkoholfrei ?

Ich les´ das erst jetzt ... na, da muß ich wohl den @Don von meiner nicht vorhandenen Blogroll streichen - solche Leute sind mir suspekt ! ;)

@Avant Gardez: es muß ja nicht immer das NonPlusUltra sein. Die (völlig unbedeutende) Stadt Halle adSaale hat einmal im Jahr die Lange Nacht der Kirchen ..schon nett, an einem Samstag um 22, 23 Uhr in einer der Kirchen rumzustiefeln und sie "in Besitz" zu nehmen. ;)

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Es gibt viele noch ungeschaufelte Gräber, auf denen ich tanzen will, da muss ich eben was für meine Gesundheit tun.

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"niederbayerische Champignons"
Nun, ich vermute eher, dass es sich hier um polnische Champignons handelt. Gekauft bei einem bayrischen Wochenhändler, welcher sich mit der Ware wiederum auf einem preiswerte Polenware (Kilopreis deutlich unter 2 Euro) führenden Großmarkt versorgt hat.

Was am Wohlgeschmack nichts ändert.

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Niederbayerisch, polnisch ...

... ich will mich nicht mit den Pilzen unterhalten - ich will (wollte) sie bloß essen. ;)

... und laß´mir bitte meine Illusion, daß die auf dem Markt erworbenen Champis aus "heimatlicher Erde" (wo auch immer) von gottesfürchtigen Jungfrauen eigenhändig geerntet wurden. :)

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Das mag woanders so sein, aber der Herr, bei dem ich kaufe, hat tatsächlich eine Pilzzucht in Niederbayern, und ich war auch schon mal bei dem auf dem Hof. Der hat nichts ausser Schwammerl. Bis zum Trüffel. Aber die sind dann nicht mehr aus Niederbayern. Steht aber auch dran.

Ja. ich interesse mich durchaus für das, was ich esse. Nein. Belehrungen sind nicht nötig.

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Ich leide mit...wenn ich in den Dom gehe, um einem Orgelkonzert zu lauschen...ssssschnauft es links neben mir, die Dame vor mir klimpert mit ihren güldenen Behängen, es wird getuschelt und sogar Bonbonpapier kommt zum Einsatz. Nein, keine Chipstüten, bisher.

Ich kann es nicht verstehen!! Warum solche Orte besuchen, wenn man null Antennen für die dortige Atmosphäre hat?

Ich bin jedesmal hinterher stinksauer und das war nicht der Plan.
Also lieber zuhause bleiben und das Silber putzen *g*

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Nun ja, das war wohl früher auch nicht anders. In Versailles saßen sie auch nicht andächtig auf den Stühlen, wenn Molière gegeben wurde und Lully spielte.

Dass man bei Kultur das Maul zu halten hat, ist wohl eine Idee des 19. Jahrhunderts.

In München ist es ja schon wurscht, aber in Rom sind die Millionen übelst gekleideter Adilettenträger visuelle Umweltverschmutzung. Da gibt's nur eins: Um fünf Uhr aufstehen.

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Grundsätzlich
ist Busreisen ja umweltfreundlicher als die Individualtouristen, die überall mit dem Auto hinfahren. Gut, reden wir nicht über die Sinnlosigkeit einer Busreise, gerade wenn man einen Ort etwas länger als 10min sehen möchte. Darum: einmal (aus halbem Zwang) und nie wieder!

Aber was mich wirklich ankotzt, ist das Laufenlassen der Busse während der Fotografier- und Kackpausen. Egal, ob 5 Minuten oder eine Stunde, die Kiste rattert durch. Wozu? Damit die Klimaanlage läuft? Weil sonst der Busfahrer einschläft? Weil sonst die Kiste nicht mehr anspringt??

Wie auch immer - Diesel muss noch viel teurer werden. Dann gibts keine laufende Motoren bei stehenden Bussen. Und die Busreisen werden auch weniger werden. Gut, der Tourismus ebenfalls...

...kommt man eben wieder mehr in seiner eigenen Gegend rum. Zu Fuß oder Pferd ;-)

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Ich bin überhaupt nicht traurig über das Ende des fossilen Treibstoffes, denn ich sitze dort, wo andere hinwollen.

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Mein Beileid. Nee, ganz im Ernst, ich versteh Deinen Ekel verdammt gut...

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Letztlich entgeht diesen Dauerknipsern auf ihren Reisen doch alles. Ständig der Blick in den Sucher, ständig auf der Suche nach dem TOLLEN MOTIV, sehen diese Leute in Wirklichkeit, besser: VON der Wirklichkeit, gar nichts.

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Das gehört ja auch nicht zum Konzept Urlaub. Urlaub ist meist "weg sein", weniger irgendwo ankommen oder dort sein. Und solange es nicht unter meinem Fenster stattfindet, ist es mir auch egal. Sollen sie. Aber das hier ist Privatbesitz, da kann man schon etwas Zurückhaltung erwarten.

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