: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 13. Oktober 2004

Die Armut trifft mich wie ein Schlag.

Ich bin spät Nachts nach Berlin gefahren, habe mich 2 Tage eingebunkert und nachgearbeitet. Die paar Meter von der Wohnung zum Büro gibt es keinen Schmutz, keine gebrauchten Kondome, keine abgestellten Möbel. Vor dem Fenster steht ein Baum, und mildert die Aussicht auf den Betonklotz auf der anderen Seite der Kreuzung.

Aber dann muss ich doch raus, rüber über die Brücke zur Post, und auf dem Weg dorthin ist alles in den unterschiedlichen Stadien des Zerfalls. "Frisch restauriert" gibt es nicht, der billige Putz bröckelt sofort weiter, die Sprayer freuen sich über die Freiflächen, und jedes kleine Fleckchen unter den Bäumen wird zur gemeinschaftlichen Müllkippe. Die Gegend ist nicht reich, aber doch nicht so arm, als dass sie auf das Saufen aus den Dosen verzichten würden, die hier rumliegen. Hinter den alten Fenstern hängen oft nur nackte Glühbirnen von der Decke; draussen sind noch Kriegsschäden sichtbar.



Und durch all diesen Niedergang werde ich morgen fahren, in ein topsaniertes Edelgebäude, wo ein unsinkbarer Konzern seinen Geburtstag feiern wird, mit etwas Kunst zum Thema Identität im digitalen Zeitalter, vorbei an den Pennern, den türkischen Kids und den Sozialhilfeempfängern mit Alkoholproblem, und ich werde reden, höflich sein und nicht darüber diskutieren, dass das digitale Zeitalter eine Luxusflucht für ein paar wenige ist, während draussen der analoge Müll regiert, vor dem man eine Weile die Augen verschliessen kann, als digitale Identität, aber irgendwann werden sie kommen und uns holen, wenn wir nicht schnell genug wieder weg sind, oder mal bei unserem Springen von Fluchtpunkt zu Fluchtpunkt ausrutschen.

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He, ihr Gerüchteportaliker!

Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen mehrfach und immer wieder verlautbart wird, ist DCT nur vorrübergehend vom Netz. Tot wäre was anderes. Insofern braucht auch keiner mehr bei mir anfragen, ob ich noch die Sachen im Archiv habe. Kommt schon wieder. Sagt man.

Mittlerweile möchte ich berichten, dass das Herrenmagazin Amico ein härteres Schicksal erwischt hat. Der Bruder der Amica wurde ins künstliche Koma versetzt. Für solche Projekte ist Geiz nicht nur nicht geil, sondern sogar tödlich (150 Punkte, Media Final für mich)

Mehr Boos im inoffiziellen DCT-Blogring

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Es gab eine Zeit

als das neue Jahrtausend begann und die neue Technologie, die neue Wirtschaft schon am Ende war, 2000, als man erst mal nicht daran dachte, jetzt zu bremsen, denn so schlimm wird das schon nicht, als man bis Oktober eifrig weiter plante, und schliesslich eine ganze Hallenebene für das Internet zur Verfügung stellte. eBooks, Rocketbooks, Book on Demand, Bertelsmann On Line, totes Holz ist tot, es lebe das Licht in den globalen Glasfaserleitungen auf zigtausend Quadratmeter Austellungsfläche.



2004 heisst es Digital Marketplace, was soviel bedeuetet wie dass es einen Platz für einen Markt gibt, aber deshalb noch lang keinen Markt. In Halle 4.2 hinten zwischen einer grossen Freifläche und ein paar Wirtschaftsverlagen sind die Bretterverschläge der letzten Internetapologeten, heute sind sie Dienstleister. Oder wollen es zumindest sein, denn kaum jemand verirrt sich hierher, wo das Leben nicht tobt und allenfalls Facheinkäufer für Wissenschaftsbücher auf dem Weg zur Toilette vorbeieilen.

Manchmal rottet sich das Personal der Gemeinschaftsstände des Platzes zusammen und zeigt sich gegenseitig Powerpoint Präsentationen auf den Laptops. Erkennt man daran, dass hinter einer Bretterwand ein Dutzend Anzugträger stehen und das nähere Umfeld leergefegt ist. Ganz selten kommt mal ein Jobsucher vorbei und wird wieder weggeschickt. Das wird noch auf der Systems schlimm genug.

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