: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 7. September 2005

Buoncontento

Erstaunlich, ganz erstaunlich, dass manche glauben, ich sei verbittert. Warum eigentlich? Nur weil ich nicht höflichkeitsblogge im Sinne eines Freiherrn von Knigge? Nun, ich bin an Castiglione und Bembo geschult, und in deren Cortegiano und den Asolaner Gesprächen gilt die Offenheit als Tugend. Kein Wunder, dass deren Bücher jahrhundertelang verboten war.

Mir geht es gut, wirklich. Wie sollte es auch nicht, hier oben über der Stadt meiner Jugend, auf der Terasse zwischen zwei alten Stadtpalästen ehemaliger Fanatiker. Nachdem gestern gewünscht wurde, ich solle doch mal die Kamera umdrehen und nicht den immer gleichen Sonnenuntergang fotogtafieren, ist hier also, nachdem auch heute wieder der selbe unfassbar blaue Himmel den Tag beherrschte, der Blick von oben auf den normalen Kamerastandpunkt.



Es ist fast perfekt, bis auf den zweiten Liegestuhl, in dem sich für meinen Geschmack zu selten Frauen räkeln, die sich mit den Ergebnissen der hiesigen Konditorskunst mästen lassen. Aber sonst - mein Leben ist schön. Ich weiss natürlich auch, wie priviligiert ich bin, mit Büchern, Zeit, Besitz, Terassen-Thinkpad und WLAN. Und damit jeder zumindest die Chance auf ein ähnlich gutes Leben hat, wähle ich nie die alten Feinde des Ausgleichs, CDUCSU und FDP. Obwohl das fraglos den Interessen der Schicht, aus der ich stamme, zuwiderläuft. Deshalb schreibe ich gegen dieses Pack an. Aber - es geht mir gut, keine Frage.

... link (54 Kommentare)   ... comment


Simple Facts and Quotes

After flooding in 1995, the existing system was improved. However, the sums were relatively small. About $500m was spent over the next 10 years. (...) From 2003 onwards, the Bush administration cut funds amid charges from the Army Corps of Engineers that the money was transferred to Iraq instead. The latest annual budget was cut from $36.5m to $10.4m.
von hier

»And so many of the people in the arena here, you know, were underprivileged anyway so this is working very well for them.«
Gattin des Ex-US-Präsidenten, hier im O-Ton

... link (30 Kommentare)   ... comment


Cat Content of the Year

Achtung Hinschmelzgefahr, gleich fünf mal. Sogar, wenn man wie ich eine Nacht lang die eigene Katze draussen verzweifelt gesucht hat (die über das Dachflächenfenster oben reinkam und es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte).

... link (4 Kommentare)   ... comment


The tide is turning

Eh, ihr Pacheros von der FDP! Wartet mal mit dem Postenschacher. Da ist immer noch eine Kugel im Lauf. El grande Gerardo und Guiseppe el Peschiero kommen. Langsam, spät, aber sie kommen.

... link (5 Kommentare)   ... comment


Real Life 04.09.2005 - Guy Bovet, Tango

Du kommst absichtlich spät. Wer spät kommt, bekommt vielleicht nicht mehr die besten Plätze, kann sich aber von gewissen Gruppen absondern. Von den Kirchenvorstandsmitgliedern zum Beispiel. Von den Chefarztgattinnen. Von den jungen Müttern, die sich das auch nicht vorgestellt hätten, beim Abitur. Von all den schalen Erinnerungen an gescheiterte Lebensentwürfe, von denen, die aufgegeben haben zu hassen und zu fühlen. Von allen, die aussehen wie ihre Mütter und heute die gleiche Moral vertreten. Irgendwo ist immer ein Platz, wo dich keiner kennt und anfaselt. Dann ertönt auch schon die Orgel, und ein Concerto von Vivaldi bringt dich auf andere Gedanken.

In der Pause fällt dir auf, dass du einen strategischen Fehler gemacht hast. Anna-Maria ist da, schräg hinter Dir. Es hätte auch schlimmer kommen können. Ihr Bruder könnte dabei sein. Der mal verheiratet war. Mit Iris. Die mit dir befreundet ist. Ziemlich gut sogar. Und Anna-Maria war immer schon die Spiessigste von allen. Hat damals so lang rumgeredet und intrigiert, bis es seit über 15 Jahren das erste mal einen Leistungskurs Religion gab. Das war der Tag, an dem die 68er starben. Auch eine Art, an 15 Punkte zu kommen, wenn man sonst sicher durch Abi gerauscht wäre. Sie hat dich gesehen, gegrüsst, und du reagierst mit einer angedeuteten Verbeugung, so wie der Hidalgo da oben an der Decke. Sobresaliente, e vero. Der hatte wenigstens eine Knarre dabei.



Du bist schutzlos, und als Guy Bovets Tango und der Applaus verklungen ist, quetscht sich Anna-Maria schnell an den anderen Honoratioren vorbei und verstellt dir den Weg. Mit diesem derb-fröhlichen Gesichtsausdruck, der hierzulande immer Betrug und Lüge verheisst. Sie weiss das mit Iris auch. Inzwischen hat es ja in Kaffekränzechen und bei Golfturnieren auf der 9-Loch-Anlage die Runde gemacht. Iris geht´s blendend, da muss es einen Lover geben, die anderen beiden Herren in ihrer Umgebung sind verheiratet, nur du bist de iure zu haben, also... wenn die wüssten... aber seit Wochen dürfte klar sein, dass du es bist.

Sie macht harmlosen Smalltalk über die letzten Jahre, über das Konzert, sie klebt an dir wie eine Klette, und als du eine Atempause nutzt um zu erklären, dass du jetzt zum Konditor gehst und Kuchen besorgst, quiekt sie laut auf und findet das toll, weil sie da auch hin will. Der korrekte Anschein für die umstehenden Spiesser ist gewahrt, und so geht es durch die Gassen hinunter nach Süden, zum Paradies der Nachwerksüchtigen. Wir sind noch keinen halben Block weiter, dann kommt die Frage. Was mit Iris ist.

Einen Moment spielst du mit dem Gedanken, ihr ein paar faustdicke Lügen in ein wenig Wahrheit zu verkaufen. Oder einfach ein wenig zu erzählen, über den Körper, den ihr Bruder einfach nicht zu schätzen wusste. Darüber, wie sie schnurren kann, wenn man ihr kleine Komplimente macht, und dass sie mit 5 Kilo mehr als zur schlimmsten Zeit, während des Scheidungskriegs, wirklich phantastisch aussieht. Dass es ihr, was immer auch passiert ist, heute gut geht. Ganz anders als an Weihnachten, als du die Scherben ihrer Persönlichkeit in einer Kneipe aufgesammelt hast. Aber du entscheidest dich für die grobe Variante, und fragst sie, warum sie das eigentlich wissen will. Wegen der Gerüchte, meint sie.

Jetzt könntest du verständige Antworten geben, was höflich wäre, oder diabolisch grinsen, was als unfein gewertet wird. Du siehst aus den Augenwinkeln, dass sie dein böses Lachen hasst, es erfüllt ihre schlimmsten Befürchtungen. Was ist los, Anna-Maria? Will er sie wieder? Klappt es mit seiner neuen Freundin nicht? Hat er es sich nochmal überlegt, oder ist es nur wegen der Kosten oder den Steuern? Oder wegen dem Ruf? Soll sich Iris jetzt öffentlich verbrennen oder was?

So sind sie, die besseren Familien, womit man nicht umgehen kann, das erduldet man schweigend, und Anna-Maria schreitet lang, blond, hochaufgerichtet weiter neben dir her, sie schluckt alles, und als du dich wieder gefangen und keine weiteren Angriffe auf das Ehepharisäertum mehr auf Lager hast, gibt sie Antworten. Er ist um ihren Ruf besorgt. Und seinen. Ja, er will sie wieder. Und wenn du ihr Bestes willst, sprichst du mit ihr darüber. Ungeschickt hangelt sie sich von Forderung zu Forderung, argumentiert mit deinem Ruf in der Stadt, das hat sie in ihrem Leben zwischen Rosenstöcken und übler Nachrede noch nie getan, hey, was für eine verkorkste Premiere. Es geht ihr nicht gut dabei, sie hat den Rubicon überschritten, jetzt muss sie da durch.

Du lässt sie reden, du kennst all die Argumente, die Wünsche, den Traum von der perfekten Ordnung des lebenden Friedhofs. Vielleicht ist es an der Zeit, wieder weiterzuziehen in eine Stadt, wo dich niemand kennt und du nochmal von vorne anfangen kannst, aber dann seid ihr beim Konditor angekommen, dein Blick fällt auf die Torten, und diese Sachertorte da hinten, das ist die, die du schon mal Iris von den Fingern gele...

Anna-Maria? sagst du draussen vor der Tür ganz leise zu ihr. Weisst du eigentlich, wie es ist, wenn sie gegangen sind und du selbst die Stellen mit den Verletzungen drückst, um es nochmal zu spüren, den Schmerz, die Lust und das alles?

Schöne Grüsse an Deine Frau Mama, Anna-Maria.

... link (7 Kommentare)   ... comment