: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 12. Oktober 2007

Es ist schön hier

Wenn die Oligarchie dieses Landes eines Tages wieder den öffentlichen Raum einzäunt und gegen die abgrenzt, die als störend empfunden wird, hat die Münchner Innenstadt beste Chancen, das Pilotprojekt zu werden. Falls sie es nicht schon ist, natürlich dezenter als mit einem Zaun, aber doch. Subtil, hintenrum, indirekt, mit der Kombination aus Staatsmacht und Recihtum.



Nehmen wir nur mal diesen Antiquitätenhändler in der Brienner Strasse. Die schaffen es mit einem roten Teppich, gewisse Passanten ein Gefühl der Indignität mitzugeben, und ihren Kunden Wertschätzung zu vermitteln. Es gubt wirklich welche, die die Strassenseite wechseln, weil es ihnen peinlich ist, auf einem roten Teppich zu gehen. Die, die auf der anderen Seite aus SUVs ausgespuckt werden, finden das ganz normal, und rauchend blockieren sie dann natürlich den Weg, so dass der öffentliche Raum de facto zum Geschäft gehört. Gegenüber ist das Innenministerium und seine Bewachung, das senkt von selbst den Durchsatz mit unerwünschten Elementen. So ist das hier.



Vielleicht ist das der Preis, den man für Reichtum und Zufriedenheit im Schatten der Kirchen und Paläste zahlt. Während ich über diesen Überfluss, diese Oppulenz schreibe, die ausserdem noch mit schönem Wetter und stabilsten Verhältnissen gesegnet ist, flattert in meinen Briefkasten eine ferne Erinnerung rein; eine Berliner Prekariatesse will, dass ich mir das von ihrer Firma betreute Videoportal mit einem Filmchen anschaue, dessen Auftraggeber gleich um die Ecke einen Showroom unendlich weit weg von den Niederungen des Internets, und weil ich dort durch einen blöden Zufall schon in der Kartei bin, würde man mich keinesfalls als Hilfswerbedeppen begreifen, sondern als wertzuschätzenden Kunden in spe.



Wirklich, es ist schön hier. Vor der Oper richt es trotz der Autokolonne teuer nach Parfum, die Gerüste an der Residenz werden bald wieder den Blick auf diese Kopie des Palazzo Pitti freigeben, und in der ehemaligen Post hat sich heute ein Feinkostladen für die breit gemacht, die den Dallmaier nicht zu schätzen wissen. Statt der scheusslichen Acrylmöbel ist jetzt ein nicht minder widerlicher Starbucks, Wallach-Trachten haben einer Jeanskette Platz gemacht, alles also beim Alten, und daneben gibt es auch noch die guten Dinge. Alles muss sich ändern, damit München bleiben kann, wie es ist: Schön, aber nach mehr als einem Tag kommt mir wieder alles hoch, es war alles umsonst, nie wird sich hier etwas grundlegend ändern, die Stadt ist so pseudo wie die geklaute florentiner Fassade gegenüber, es ist schön und es ist besser hier, aber es ist nie, nie wirklich gut.

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