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Sonntag, 3. Februar 2008
Modesexismus
Jemand, mit dem ich um 2001 rum zu tun hatte, vertraute der Illusion, Mobilapplikationen seien die Zukunft, und das Handy die Schnittstelle schlechthin. Einer von denen, die ihrer Zeit soweit voraus sind, dass es unklar ist, ob sie von ihr je eingeholt werden. Der Junge und seine Firma waren der Ansicht, dass eine grössere Website reine Verschwendung sei; zu dem Zeitpunkt, da das Produkt Marktreife erlangen sollte, würde kein Mensch mehr sich mit einem Rechner abschleppen. Die Investoren schickten damals mich vorbei, um denen schonend nahezubringen, dass so eine Website dennoch was Feines wäre - denn sie selbst hatten gewisse Probleme, die Idee ihren geldgebern zu erklären, wenn man dafür Handies benötigte, die es noch nicht gab - namentlich das NEC N 21i, das damals in etwa so behyped und dann gefloppt war, wie später das Nokia 7610 oder wieder drei Jahre später das iPhone.
Wir setzten uns zusammen, ich erklärte ihm das Problem, er war einsichtig und die Agentur, die einem der Geldgeber des VCs gehörte, war sofort bereit, für einen nur leicht überteuerten Betrag eine rudimentäre Website zu erstellen. Mitsamt Filmchen für den heute wahrscheinlich vergessenen Real Audio Player. Und für diesen Film kam nochmal eine fette Rechnung nach, denn die Agentur und der Gründer waren sich völlig einig, dass sie das Produkt von einem "Japan Idol" erklären lassen mussten. Also beschafften sie sich unter enormen Kosten eine junge Asiatin, die dann mit Telephonsex-Lolita-Stimme und Close-Up auf ihre Kirschlippen erklärte, was es nun mit der Firma auf sich habe. Es war 2001, das Geld sass nicht mehr ganz so locker wie früher, und weil das Ganze mitsamt Casting auch noch die Produktentwicklung gebremst hatte, gab es eine ziemlich deutliches Meeting.
Die Begründung war, grob gesagt und nicht unzutreffend, dass es gerade alle so machten - snacker.de etwa hatte Sushee, und tatsächlich hing an sehr vielen Handies in der Werbung eine Koreanerin oder Japanerin, die möglichst devot und debil in die Kamera zu lächeln hatte. Addicted to mobil, ein Fetisch mehr denn ein Gerät. Es war die Zeit der - wie wir heute wissen - weitgehend gefakeden oder übertrieben Berichte über japanische Handyobsessionen und koreanischen Konsumterror, die weniger was mir wirklichem "Wollen", als vielmehr Gruppenzwang und, zumindest in Korea, Ankurbelung der Wirtschaft zu tun hatten. Das asiatische Püppchen am Handy war so ähnlich wie das Pirelligirl am Auto der 60er Jahre, mit dem kleinen Unterschied, dass damals wirklich alle diese Autos wollten - die Handies dagegen und ihre Geschäftsmodelle wurden wenige Wochen danach praktisch wertlos, als die Flugzeuge in die Türme rasten.
Heute ist das anders. Anders, aber nicht besser. Heute greift man wieder auf Europäerinnen zurück, nach einem anderen Scheme: Von seitlich oder schräg vorne aufgenommen, liegt eine Frau auf dem Bauch, oder sitzt auf einem dieser beigefarbenen, quadratischen Sofas, und das in einer Haltung, in der sie auf dem vor ihr befindlichen Notebbok unmöglich mehr als lol oder find ich supi tippen kann. Freier Blick auf die Oberweite ist garantiert, was der Ausschnitt nicht hergibt, macht der Schnitt des Oberteils, und da haben wir sie dann, die daheim cocoonde Hausfrau2.0, die zwischen dem Saubermachen ihrer weissbeigen Wohung und dem microaufwellen der molekularküchigen Conveniencescheisse mal schnell ihre fünf Netzwerke checkt. Frauen wollen das so, sagen die Bilder, daheim sein und die Welt durch das Netz erleben, und nicht auf dem Bild ist der Mann, der das Geld für dieses Dasein ranschafft. Netzwerk statt Bildung, DeppenVZ statt Bücher, und was Britris und Paney treiben, steht netterweise auch schon bei den schlechteren Gossenportalen besserer Medien.
Inszeniert wird hier die Dummheit, das computergestütze Biedermeier, die Hausfrau, die ihre Zeit nicht mehr durch Sticken, sondern durch Surfen totschlägt, daheim, ohne Arbeit natürlich, und das Ambiente ist ein Zitat der 70er, nur diesmal in die andere Richtung, retro zu Adenauer und noch früher. Inaktiv, abgelenkt, daheim geschont und allenfalls zum Joggen oder zum Kochkurs ausser Haus verbracht, Emanzipation war nett, aber das hier ist netter: Nach der devoten asiatischen Handy-Untertanin scheint jetzt die neue Mutter am Herd und am Computer wieder gut anzukommenm, softer Sexismus für eine zur Mitte gerückte Gesellschaft, die sich die Prostitutionsanteile ihrer Zufriedenheit bei den Whinehouses der Medienwelt zieht. Mit Bildergalerie ihres schmutzigen Untergangs, als sei es ein Bericht aus der Kirchenzeitung, und keine Frau wird dagegen ein Molotowcocktail werfen.
Verdammt schade, finde ich.
Wir setzten uns zusammen, ich erklärte ihm das Problem, er war einsichtig und die Agentur, die einem der Geldgeber des VCs gehörte, war sofort bereit, für einen nur leicht überteuerten Betrag eine rudimentäre Website zu erstellen. Mitsamt Filmchen für den heute wahrscheinlich vergessenen Real Audio Player. Und für diesen Film kam nochmal eine fette Rechnung nach, denn die Agentur und der Gründer waren sich völlig einig, dass sie das Produkt von einem "Japan Idol" erklären lassen mussten. Also beschafften sie sich unter enormen Kosten eine junge Asiatin, die dann mit Telephonsex-Lolita-Stimme und Close-Up auf ihre Kirschlippen erklärte, was es nun mit der Firma auf sich habe. Es war 2001, das Geld sass nicht mehr ganz so locker wie früher, und weil das Ganze mitsamt Casting auch noch die Produktentwicklung gebremst hatte, gab es eine ziemlich deutliches Meeting.
Die Begründung war, grob gesagt und nicht unzutreffend, dass es gerade alle so machten - snacker.de etwa hatte Sushee, und tatsächlich hing an sehr vielen Handies in der Werbung eine Koreanerin oder Japanerin, die möglichst devot und debil in die Kamera zu lächeln hatte. Addicted to mobil, ein Fetisch mehr denn ein Gerät. Es war die Zeit der - wie wir heute wissen - weitgehend gefakeden oder übertrieben Berichte über japanische Handyobsessionen und koreanischen Konsumterror, die weniger was mir wirklichem "Wollen", als vielmehr Gruppenzwang und, zumindest in Korea, Ankurbelung der Wirtschaft zu tun hatten. Das asiatische Püppchen am Handy war so ähnlich wie das Pirelligirl am Auto der 60er Jahre, mit dem kleinen Unterschied, dass damals wirklich alle diese Autos wollten - die Handies dagegen und ihre Geschäftsmodelle wurden wenige Wochen danach praktisch wertlos, als die Flugzeuge in die Türme rasten.
Heute ist das anders. Anders, aber nicht besser. Heute greift man wieder auf Europäerinnen zurück, nach einem anderen Scheme: Von seitlich oder schräg vorne aufgenommen, liegt eine Frau auf dem Bauch, oder sitzt auf einem dieser beigefarbenen, quadratischen Sofas, und das in einer Haltung, in der sie auf dem vor ihr befindlichen Notebbok unmöglich mehr als lol oder find ich supi tippen kann. Freier Blick auf die Oberweite ist garantiert, was der Ausschnitt nicht hergibt, macht der Schnitt des Oberteils, und da haben wir sie dann, die daheim cocoonde Hausfrau2.0, die zwischen dem Saubermachen ihrer weissbeigen Wohung und dem microaufwellen der molekularküchigen Conveniencescheisse mal schnell ihre fünf Netzwerke checkt. Frauen wollen das so, sagen die Bilder, daheim sein und die Welt durch das Netz erleben, und nicht auf dem Bild ist der Mann, der das Geld für dieses Dasein ranschafft. Netzwerk statt Bildung, DeppenVZ statt Bücher, und was Britris und Paney treiben, steht netterweise auch schon bei den schlechteren Gossenportalen besserer Medien.
Inszeniert wird hier die Dummheit, das computergestütze Biedermeier, die Hausfrau, die ihre Zeit nicht mehr durch Sticken, sondern durch Surfen totschlägt, daheim, ohne Arbeit natürlich, und das Ambiente ist ein Zitat der 70er, nur diesmal in die andere Richtung, retro zu Adenauer und noch früher. Inaktiv, abgelenkt, daheim geschont und allenfalls zum Joggen oder zum Kochkurs ausser Haus verbracht, Emanzipation war nett, aber das hier ist netter: Nach der devoten asiatischen Handy-Untertanin scheint jetzt die neue Mutter am Herd und am Computer wieder gut anzukommenm, softer Sexismus für eine zur Mitte gerückte Gesellschaft, die sich die Prostitutionsanteile ihrer Zufriedenheit bei den Whinehouses der Medienwelt zieht. Mit Bildergalerie ihres schmutzigen Untergangs, als sei es ein Bericht aus der Kirchenzeitung, und keine Frau wird dagegen ein Molotowcocktail werfen.
Verdammt schade, finde ich.
donalphons, 00:30h
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