: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 4. Februar 2008

Bürger, Bauer, Edelmann

kommen nicht bei Millionären an.

Schauen wir uns doch mal das Segment der neuen Luxuszeitschriften an: "Park Avenue" von Gruner + Jahr - hat ihren promiadligen Chef in die Wüste geschickt und kriselt. "Vanity Fair" von Conde Nast hat ihren neoliberalbürgerlichen Chef in die gleiche Wüste geschickt und kriselt. Und "Rich" aus dem Gedankengut eines eher bodenständigen Computermagazinmachers ist unter Hinterlassung von nicht ganz einer Million Schulden pleite. Und man kann nicht sagen, dass es nicht kritische Stimmen gegeben hätte, die ein derartiges Versagen bei der Suche nach der Zielgruppe vorhergesehen hätten.

Gestern konnte ich mir noch eine Ausgabe von "Rich" anschauen; ein Nachbar, der sich diebisch freut, wenn er bei Ebay 4 Stühle für 30 Euro ersteigert, hat die ebenfalls bekommen und schon beim Feuerholz neben seinem Kamin gelagert, als ich ihm bei einem Handyproblem geholfen habe. Die Pleite von "Rich" ist nach dem Lesen - oder besser Durchblättern - keine Überraschung, setzte es doch auch auf das übliche Glämmer-Bussi-Bussi-Adabei, das man auch woanders findet - etwa bei Zeitschriften für Leute, die sich ernsthaft mit solchem Infodreck auseinandersetzen.

Was alle drei Macher offensichtlich nicht begriffen haben: Reiche ticken anders. Sogar die Bussi-Bussi-Reichen, die das Tema dieser Zeitschriften sind. Um mal - anonymisiert - ein paar Fälle anzusprechen, die sich gleichermassen positiv in der Klatschpresse als auch negativ als Thema letzte Woche am Tegernsee fanden: Ein stadtbekannter Promianwalt etwa, der seine Mandanten der BILD frei haus liefert und nicht nur bei Nobelautomarken auffällt, sondern auch mit dem Versuch, ein für sein Image eigentlich lächerlich niedriges Anwaltshonorar von beiden Seiten zu kassieren. Ein Mitglied des Hochadels, das sich die Geburtstagsparty von einem Hotel zu deren Marketingzwecken bezahlen lässt. Die nicht mehr ganz junge Schauspielerin, die vom Staatsfunk gefeiert und von der Staatsfinanzbehörde wegen Steuerschulden gejagt wird. Es ist diese spezielle Form von Reichtum, die sich dann auch in ganz gewissen Nachkommen zeigt, vor der sich Vanity Fair, Park Avenue und Rich verbeugen. Es ist aber auch eine Art Reichtum, die die grosse Mehrheit der reichen Leute - und nicht nur die - abschreckt. Eine "Society", die es in den 80er Jahren noch gab, die seitdem aber ziemlich viel Glanz verloren hat. Und an die heute auch keiner mehr allzu gerne erinnert wird. Gut, dass man sich damit nicht mehr beschäftigen muss. Erstaunlich, dass manche in Kiel, Frankfurt, Berlin und Köln auf deren Derivate immer noch reinfallen. Aber es ist nichts, mit dem man eine Zeitung betreiben könnte.



Wollte man wirklich an Die Reichen andocken, bräuchte man andere Themen. Ich habe mich heute Morgen beruflich mit der fragwürdigen Werterhaltung einer Feriensiedlung für das, was man als "Reiche" bezeichnet, auseinandersetzen müssen - namentlich dem Protokoll der Eigentümerversammlung, die aus 28 Millionären besteht, die sich zu vielen anderen Dingen mal eben eine Spasswohnung für 200000 Euro oder mehr leisten. Aber hallo, da wird einem aber der Obazde im Schüsserl sauer. Familie Prof. Dr. Dr. P., medienbekannter Arzt aus München Süd, wird von der Hausgemeinschaft mit namentlicher Nennung aufgefordert, die Hecke vor seiner Terasse so-fort zu schneiden und in Zukunft zu düngen. Den Vorwurf kontert er auf der nächsten Sitzung, dass er ein Angebot der Verwaltung eingeholt habe, das aber sei Wucher, und er suche jetzt nach einem anderen Dienstleister - die fragliche Hecke ist 10 Meter lang. Ein Anwalt droht mit Klage gegen die Hausverwaltung, weil der Kasten für das Streugut hässlich ist und somit den Wert seiner Wohnung schmälert. In der Tiefgarage gibt es durch Salzeintrag einen Schaden in Höhe von 7000 Euro, was vielleicht 3% des Wertes der darin abgestellten Vintage-Ferraris ist, und nach dem Streit, wer daran Schuld ist, einigt man sich darauf, gar nichts zu tun und noch einen Winter zu warten. Und Wäscheleinen auf den Balkonen sind mit Mehrheitsbeschluss untersagt, weil es den optischen Eindruck der Anlage verschandelt. Der unterlegenen Partei half es nichts, dass sie auf den Diebstahl mehrerer Handtücher aus dem Trockenraum verwies, wegen dem sie die Polizei eingeschaltet hat. Man liest das und fürchtet jede Sekunde, halbzerbissene Kuppelreste über die Unterlagen zu spucken.

Das ist der nackte Reichtum. Zwei Dinge gehen bei Reichen immer: Die Befriedigung der Gier, und das Versprechen auf Einsparungen. Da muss man ansetzen, wenn man denen die Irrsinnssumme von 80 Euro im Jahr abnehmen will. Man kann diesen Leuten auch noch andere Dinge vorstellen, man kann sie unterhalten und ihren Dünkeln den Hof machen - aber nicht mit der C-Prominenz und den dicken Bäuchen fragwürdiger Moderatorinnen. Vom München der 80er Jahre bis zum Neobiedermeier Berliner Redaktionsstuben wird das bis heute gründlich missverstanden. Weil sich diese Journalisten einen Reichtum erfinden, der so nicht existiert. Wer kümmert sich preiswert um meine Residenz am Tegernsee, wenn ich nicht da bin, und wie drücke ich meinen Provider, wenn ich dort auch einen Internetanschluss brauche, und geht das auch auf Bürokosten - das sind Themen, die solche Leute interessieren.

Neben der montäglichen Beilage für Sonderangebote, die es hoffentlich im bald fertiggestellten Einkaufszentrum gibt.

... link (19 Kommentare)   ... comment


Empfehlung heute - Inside Kreditkrise

kann man bei Konstantin nachlesen, bezeichnenderweise mit Hintergrundinformationen, die deutsche Medien irgendwie nicht zu kennen scheinen. Nicht wirklich angenehme Hintergrundinformationen, übrigens.

Bei Ebay couk findet sich übrigens gerade ein reizendes Teesevice aus Sterlingsilber. Zu einem unverschämt hohen Preis in Pfund, aber sobald die Parität zum Euro erreicht ist - in mutmasslich drei Tagen also - könnte es finanzierbar sein. Diese Krise ist also gar nicht nur negativ. Also, mal microökonomisch betrachtet.

... link (24 Kommentare)   ... comment