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Dienstag, 2. Dezember 2008
Boomurbanistik
Wir, die wir aus dem sumpfigen Nebel an der Donau kommen; wir, die hier schon etwas länger sind und aus den Erzählungen wissen, dass es immer ein Auf und ein Ab gibt, die wir Urgrossväter hatten, die mit Gold Schusser spielten und unter der Treppe einen Verschlag wissen, der in der Wohnungszwangswirtschaft die Wohnung eines jungen Mannes war, der in Russland blieb, wir also sind gerne etwas skeptisch und misstrauisch, was das Kommende angeht. Die letzte Boomphase dieser Stadt, die mit der momentanen Entwicklung vergleichbar wäre, liegt 600 Jahre zurück, und obwohl es auch damals die Reichtümer ferner Länder hierher spülte - der Herzog plünderte mit dem Segen seiner Schwester Frankreich aus - ging es schlussendlich schief. Heute dagegen tragen stilbewusste Automobilisten und Waffennarren im Staatsauftrag das Geld freiwillig in die Stadt.
Als der Hauptstamm meiner Familie das Haus erwarb, in dem ich jetzt schreibe, hatte der Ort 5000 Einwohner. Als ich in diesem Haus geboren wurde, waren es 60.00. Heute sind es mehr als doppelt so viele, Tendenz weiter steigend. Und wer hier wohnt und arbeiten will, arbeitet hier auch. Es gibt keinen Arbeitsplatzmangel, und für eine Grossstadt vergleichsweise minimale soziale Vewerfungen - und die wiederum in den Ecken der Stadt, in denen man unter Kohl meinte, Russlanddeutsche vor dem Kommunismus retten zu müssen. Das Wachstum hat alle mitgenommen, aus armen Schluckern wurden Facharbeiter, deren Entlohnung für einen hippen Berliner vermutlich ein Schock wäre, aus Abiturienten werden Manager, und die alte Oberschicht hat es geschafft, oben zu bleiben. Schliesslich gehörte ihnen früher das, wo jetzt die anderen sind, und manchmal gehört es ihnen bis heute. Man könnte sich zufrieden zurücklehnen und einfach zuschauen, Generation um Generation, wie das Geld reinkommt, sich durch den Konsum und den Bedarf verteilt und einen reichen, fetten Klops im Donautal macht. Gross, geschmacklos, prall, sicher auch etwas beschränkt und ein Hohn für alle Regionen, denen es dreckig geht. Das hier ist die richtige Seite.
Trotzdem gibt es Ängste, grosse Ängste. Schliesslich ist die Autobranche zu einer tödlichen Grube geworden, aus der man sich herausbetteln muss. Die Produkte des Autoherstellers sind gut und begehrt, aber auch ziemlich teuer. Die monatlichen Zulassungs- und Absatzstatistiken sind ein Quell steter Ängste, es könnte irgendwann vorbei sein. Den Neuzuwanderern kann es vergleichsweise egal sein, die gehen dann vielleicht wirder oder werden frühpensioniert. Aber die, die hier bleiben und schon immer da waren, sind vom weiteren Erfolg der gefrässigen Firma vor der Stadt abhängig. Bisher, auch diesmal, hat die Fima kein Problem, die Ängste zu zerstreuen. man sitzt hier, liest die entsetzlichen Zahlen von Opel - minus 38% -, und fragt sich, wie das jetzt in Rüsselsheim sein muss. Anders als hier, wo ich heute an der Kasse zehn Minuten warten musste, um meine neue Springform zu bezahlen. Wer hier wohnt und, wie die meisten Eltern meiner Bekannten, kein Internet hat, kennt die Finanzkrise nur aus der zeitung als etwas weit Entferntes, das sie Depots gemeinerweise schmälert. Auf den Hinweis, dass es auch hie schwerer werden könnte, sagen sie, de Seehofer werde seine Stadt schon nicht verkommen lassen.
(es ist gar nicht so leicht, hier ein bild von vandalismus zusammen (!) mit einem länger nicht gestrichenen Zaun zu finden)
Inzwischen sickert durch, dass es auch sehr bald ein Elektroauto geben wird, das wirklich funktioniert und schick ist, Benzinsparer und noch so ein paar Dinge, die die bessere Gesellschaft beruhigen. Die Kriminalität ist niedrig, es gibt keine Sprayerpest, es ist alles nur grösser geworden, aber nicht wirklich anders. Landschaftlich ist es hier noch immer nicht reizvoll, aber wenn man erwähnt, dass man sich da und dort eine Wohnung gekauft hat, mit See, Berg, oder mehr, ist die typische Antwort, dass der eine und andere dort ja auch was hat. Alle profitieren, keiner geht leer aus, es ist zwar inzwischen ganz schön teuer, aber man kann es sich umgekehrt auch leisten. Rs bleibt bei manchen die Angst und bei mir auch das Wissen, dass es nicht immer so wid weitergehen können, nichts hält ewig, aber vielleicht wird es dann anders weitergehen, und nicht Detroit oder Wedding an der Donau. Oder Bayerisch-Rüsselsheim.
Als der Hauptstamm meiner Familie das Haus erwarb, in dem ich jetzt schreibe, hatte der Ort 5000 Einwohner. Als ich in diesem Haus geboren wurde, waren es 60.00. Heute sind es mehr als doppelt so viele, Tendenz weiter steigend. Und wer hier wohnt und arbeiten will, arbeitet hier auch. Es gibt keinen Arbeitsplatzmangel, und für eine Grossstadt vergleichsweise minimale soziale Vewerfungen - und die wiederum in den Ecken der Stadt, in denen man unter Kohl meinte, Russlanddeutsche vor dem Kommunismus retten zu müssen. Das Wachstum hat alle mitgenommen, aus armen Schluckern wurden Facharbeiter, deren Entlohnung für einen hippen Berliner vermutlich ein Schock wäre, aus Abiturienten werden Manager, und die alte Oberschicht hat es geschafft, oben zu bleiben. Schliesslich gehörte ihnen früher das, wo jetzt die anderen sind, und manchmal gehört es ihnen bis heute. Man könnte sich zufrieden zurücklehnen und einfach zuschauen, Generation um Generation, wie das Geld reinkommt, sich durch den Konsum und den Bedarf verteilt und einen reichen, fetten Klops im Donautal macht. Gross, geschmacklos, prall, sicher auch etwas beschränkt und ein Hohn für alle Regionen, denen es dreckig geht. Das hier ist die richtige Seite.
Trotzdem gibt es Ängste, grosse Ängste. Schliesslich ist die Autobranche zu einer tödlichen Grube geworden, aus der man sich herausbetteln muss. Die Produkte des Autoherstellers sind gut und begehrt, aber auch ziemlich teuer. Die monatlichen Zulassungs- und Absatzstatistiken sind ein Quell steter Ängste, es könnte irgendwann vorbei sein. Den Neuzuwanderern kann es vergleichsweise egal sein, die gehen dann vielleicht wirder oder werden frühpensioniert. Aber die, die hier bleiben und schon immer da waren, sind vom weiteren Erfolg der gefrässigen Firma vor der Stadt abhängig. Bisher, auch diesmal, hat die Fima kein Problem, die Ängste zu zerstreuen. man sitzt hier, liest die entsetzlichen Zahlen von Opel - minus 38% -, und fragt sich, wie das jetzt in Rüsselsheim sein muss. Anders als hier, wo ich heute an der Kasse zehn Minuten warten musste, um meine neue Springform zu bezahlen. Wer hier wohnt und, wie die meisten Eltern meiner Bekannten, kein Internet hat, kennt die Finanzkrise nur aus der zeitung als etwas weit Entferntes, das sie Depots gemeinerweise schmälert. Auf den Hinweis, dass es auch hie schwerer werden könnte, sagen sie, de Seehofer werde seine Stadt schon nicht verkommen lassen.
(es ist gar nicht so leicht, hier ein bild von vandalismus zusammen (!) mit einem länger nicht gestrichenen Zaun zu finden)
Inzwischen sickert durch, dass es auch sehr bald ein Elektroauto geben wird, das wirklich funktioniert und schick ist, Benzinsparer und noch so ein paar Dinge, die die bessere Gesellschaft beruhigen. Die Kriminalität ist niedrig, es gibt keine Sprayerpest, es ist alles nur grösser geworden, aber nicht wirklich anders. Landschaftlich ist es hier noch immer nicht reizvoll, aber wenn man erwähnt, dass man sich da und dort eine Wohnung gekauft hat, mit See, Berg, oder mehr, ist die typische Antwort, dass der eine und andere dort ja auch was hat. Alle profitieren, keiner geht leer aus, es ist zwar inzwischen ganz schön teuer, aber man kann es sich umgekehrt auch leisten. Rs bleibt bei manchen die Angst und bei mir auch das Wissen, dass es nicht immer so wid weitergehen können, nichts hält ewig, aber vielleicht wird es dann anders weitergehen, und nicht Detroit oder Wedding an der Donau. Oder Bayerisch-Rüsselsheim.
donalphons, 20:09h
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Christbaumkugeln, die mir gefallen könnten
von der Idee her schon vorhanden und auch in der richtigen Tradition, aber leider noch nicht in Produktion sind:
Gerade Weihnachten 2009, das dem hoffnungsfrohen Wort "Jahresendrally" eine neue Bedeutung und vielen Menschen die Chance einer beruflichen Veränderung gibt, um es mal sozialverträglich zu sagen, böte sich für dieses Sujet am Baum wirklich an.
Übrigens hört man von mit der Thematik vertrauter Seite, dass die diesjährigen Weihnachtsauktionen üppige Angebote vorweisen - so mancher Münchner atellt gerade fest, dass, wie man hier sagt, nix gwies is, und trennt sich so von Teilen seiner künstlerischen Habe. Ein letzthin unfreiwillig bekannt gewordenes Bankhaus in der schönen Isarstadt etwa hatte ein Aktienprogramm für Mitarbeiter, das man nicht wirklich ablehnen konnte, und so legte man brav einen Teil des Lohns in den Geschäften des eigenen Hauses an. Und die haben mit die schlechtesten Ergebnisse dieses ohnehin schon schlechten Jahres. Wenn man dann noch Schulden abbezahlen muss, gobt man vielleicht doch etwas moderne Kunst in einen Kreislauf, der gerade zu verstopfen droht. Besitzer alter Meister stehen da noch relativ gut da. Noch.
Gerade Weihnachten 2009, das dem hoffnungsfrohen Wort "Jahresendrally" eine neue Bedeutung und vielen Menschen die Chance einer beruflichen Veränderung gibt, um es mal sozialverträglich zu sagen, böte sich für dieses Sujet am Baum wirklich an.
Übrigens hört man von mit der Thematik vertrauter Seite, dass die diesjährigen Weihnachtsauktionen üppige Angebote vorweisen - so mancher Münchner atellt gerade fest, dass, wie man hier sagt, nix gwies is, und trennt sich so von Teilen seiner künstlerischen Habe. Ein letzthin unfreiwillig bekannt gewordenes Bankhaus in der schönen Isarstadt etwa hatte ein Aktienprogramm für Mitarbeiter, das man nicht wirklich ablehnen konnte, und so legte man brav einen Teil des Lohns in den Geschäften des eigenen Hauses an. Und die haben mit die schlechtesten Ergebnisse dieses ohnehin schon schlechten Jahres. Wenn man dann noch Schulden abbezahlen muss, gobt man vielleicht doch etwas moderne Kunst in einen Kreislauf, der gerade zu verstopfen droht. Besitzer alter Meister stehen da noch relativ gut da. Noch.
donalphons, 01:19h
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